Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730626/9/SR/Wu

Linz, 09.04.2013

                                                                                                                                                        

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des x, geboren am x, Staatsangehöriger von x, vertreten durch RA Mag. x, x Strasse x/x/x, x x, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 23. April 2012, Sich40-1344-2005, betreffend der Abweisung eines Antrages auf Aufhebung eines auf die Dauer von zehn Jahren befristeten Aufenthaltsverbotes nach dem Fremdenpolizeigesetz nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 8. April 2013 zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben und das von der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck erlassene, auf die Dauer von zehn Jahren befristete Aufenthaltsverbot vom 11. April 2005, AZ Sich40-1344-2005, aufgehoben.

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 9 Abs 1a, 69 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/2012).

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 23. April 2012, Sich40-1344-2005, wurde der Antrag des Berufungswerbers (im Folgenden: Bw), auf Aufhebung eines mit Bescheid vom 11. April 2005 erlassenen, auf zehn Jahre befristeten Aufenthaltsverbotes auf Grundlage des § 60 Abs. 1 und 5 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (im Folgenden: FPG) in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung als unbegründet abgewiesen.

 

Den Bescheid begründend führt die belangte Behörde wie folgt aus:

 

Nach der Novellierung des Fremdenpolizeigesetzes am 01.07.2011 ist das gegen Sie verhängte Aufenthaltsverbot als Einreiseverbot und Rückkehrentscheidung gem. §§ 52 und 53 FPG anzusehen.

 

Es folgt die Zitierung einschlägiger fremdenpolizeilicher Rechtsvorschriften. Im Anschluss setzt die belangte Behörde weiter fort:

 

Die Behörde geht von folgendem Sachverhalt aus:

 

Sie reisten am 14.02.2005 illegal und mit Schlepperunterstützung mit dem PKW über DEUTSCHLAND kommend ins Bundesgebiet der Republik Österreich ein und stellten einen Asylantrag (AIS 05 02.085). Nachdem Ihr Asylbegehren mit Erkenntnis des AGH, rechtskräftig negativ gem. § 5 AsylG am 14.04.2005 in II. Instanz abgeschlossen wurde, brachten Sie Beschwerde beim VwGH ein. Dieser Beschwerde wurde die Aufschiebende Wirkung zuerkannt. Mit Erkenntnis des VwGH wurde der bekämpfte Asylbescheid behoben und Sie wurden zum Asylverfahren zugelassen. Nach inhaltlicher Prüfung wurde über Ihren Asylantrag gem. § 7 und 8 AsylG rechtskräftig negativ in II. Instanz am 23.08.2011 entschieden.

 

Am 11.04.2005 wurde mit Bescheid der BH Vöcklabruck ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von 10 Jahren über Sie erlassen. Dieses Aufenthaltsverbot erwuchs mit 27.04.2005 in Rechtskraft.

 

Am 16.01.2012 stellten Sie durch Ihren rechtsfreundlichen Vertreter einen Antrag auf Aufhebung des obgenannten Aufenthaltsverbotes.

 

Mit Schreiben der BH Vöcklabruck vom 02.04.2012 wurde Ihnen mitgeteilt, dass beabsichtigt ist Ihren "Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes" als unbegründet abzuweisen. Gleichgehend wurden Sie aufgefordert dazu binnen einer Frist von 14 Tagen Stellung zu nehmen.

 

Mit Fax vom 17.04.2012 langte die von Ihrem rechtsfreundlichen Vertreter, RA Mag. x verfasste Stellungnahme ein. Diese lautete im Wesentlichen wie folgt: Seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei inzwischen ein Geltungsszeitraum von sieben Jahren verstrichen und es hätten sich zahlreiche private Umstände zugunsten des Antragsstellers verändert. Dass der Antragssteller seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes strafrechtlich in Erscheinung getreten sei, werde nicht bestritten. Die Behörde vermeine rechtsirrig, auf das Vorbringen des Antragstellers im Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes nicht eingehen zu müssen. Der AGH habe in seinem Erkenntnis vom 05.09.2011 (ZI: D3 259420-2/2010/9E) festgehalten, dass sich der Antragsteiler zwar strafrechtlich zu verantworten habe, die begangenen Taten jedoch keine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung iSd § 10 Z 2 lit. g AsylG darstellen würden und somit eine Ausweisung vorübergehend unzulässig sei. Der AGH führe an, dass eine Ausweisung des Antragsstellers im Rahmen einer Gesamtabwägung einen rechtswidrigen Eingriff in das bestehende Familienleben iSd Art. 8 EMRK darstelle. Die Kernfamilie sei subsidär Schutzberechtigt und würde auf Dauer im Bundesgebiet bleiben. Damit sei auch eine Durchsetzung der Aufenthaltsbeendigung auf Dauer nicht zulässig.

Zum mj. Sohn x, der an einer psychischen Erkrankung leide, bestehe eine besonders enge Bindung. Der Antragssteller habe zahlreiche Maßnahmen gesetzt um sich im Bundesgebiet zu integrieren. Er habe Sprachkenntnisse auf dem Niveau A2 erworben und sei gelegentlich einer Arbeit als Saisonkraft nachgegangen. Der Antragsteller könne im Falle einer Aufhebung des Aufenthaltsverbotes umgehend zum Familieneinkommen beitragen. Der Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes werde daher wiederholt

 

Die Behörde hat dazu erwogen:

 

Gemäß § 60 Abs. 1 FPG kann die Behörde ein Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 1 und 2 auf Antrag des Drittstaatsangehörigen unter Berücksichtigung der für die Erlassung der seinerzeitigen Rückkehrentscheidung oder des seinerzeitigen Einreiseverbotes maßgeblichen Umstände auf die Hälfte des festgesetzten Zeitraumes herabsetzen, wenn der Drittstaatsangehörige das Gebiet der Mitgliedstaaten fristgerecht verlassen hat und seither einen Zeitraum von mehr als die Hälfte des seinerzeitigen Einreiseverbotes im Ausland verbracht hat. Die fristgerechte Ausreise hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen.

 

Das Rückkehrverbot ist weiters gem. § 60 Abs. 5 auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Sie haben seit dem Erwachsen des ggst. Aufenthaltsverbotes - nunmehr Rückkehrentscheidung iVm Einreiseverbot gem. §§ 52 und 53 FPG - in Rechtskraft am 27.04.2005 keinen Nachweis darüber erbracht, dass Sie das Gebiet der Mitgliedsstaaten seither verlassen hätten. Die Behörde hat daher Grund zu der Annahme, dass Sie seit 14.02.2005 - dem Zeitpunkt Ihrer illegalen Einreise ins Bundesgebiet der Republik Österreich ohne Unterbrechung in Österreich oder zumindest innerhalb der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union aufhältig waren.

 

Seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wurden Sie

1.       am 11.05.2005, rechtskräftig am 11.05.2005 vom LG Wels gemäß § 15 Abs. 1 iVm     § 269 Abs. 1 (3. FALL) StGB und §27/1 (1.2. FALL) SMG zu einer Freiheitsstrafe         von 4 Monaten bedingt, Probezeit 3 Jahre, Vollzugsdatum 11.05.2005

2.       am 27.07.2007, rechtskräftig am 05.03.2007 vom BG ST.JOHANN IM PONGAU gemäß § 15 iVM § 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 1 Monat bedingt,    Probezeit 3 Jahre

3.       am 18.12.2007, rechtskräftig am 24.12.2007 vom BG ST.JOHANN IM PONGAU gemäß § 83 Abs 1 iVm § 15 iVm 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten       bedingt, Probezeit 3 Jahre

4.  am 08.03.2010, rechtskräftig am 08.03.2010 vom LG SALZBURG gemäß § 125 iVM § 107 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 5 Monaten bedingt, Probezeit 3 Jahre

 

verurteilt.

 

In der Stellungnahme Ihres rechtsfreundlichen Vertreters vom 17.04.2012 verweisen Sie darauf, dass seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes am 11.04.2005 bereits 7 Jahre verstrichen seien. Die Frist des Einreiseverbotes beginnt jedoch gemäß § 53 Abs. 4 FPG erst mit Ablauf des Tages der nachweislichen Ausreise des Drittstaatsangehörigen zu laufen.

 

Weiters wird in Ihrer Stellungnahme darauf verwiesen, dass der AGH in seinem Erkenntnis vom 05.08.2011 ZI: D3 259420-2-2010/9E festgehalten habe, dass die von Ihnen begangenen Straftaten keine Gefährdung für die öffentliche Sicherheit und Ordnung iSd § 10 Z 2 lit g AsylG darstellen würden und die Ausweisung daher vorübergehend unzulässig sei. Dem wird entgegnet, dass der AGH in ggst. Erkenntnis eine vorübergehende Unzulässigkeit der Ausweisung erkannt hat, dies aber lediglich damit begründet, dass eine Ausweisung einen Eingriff in das bestehende Familienleben mit Ihren Familienangehörigen, welchen Refoulmentschutz bzw. subsidiärer Schutz zukäme, darstellen würde, welcher im Rahme einer Gesamtabwägung gerade noch als nicht gerechtfertigt erscheine. Ihre Ausweisung gem. § 10 Abs. 5 AsylG sei daher längstens für die Dauer des subsidiären Schutzes für Ihren Sohn x, sofern Sie mit diesem ein Familienleben iSd. Art. 8 EMRK führen würden, lediglich vorübergehend unzulässig.

Davon, dass die von Ihnen begangenen Straftaten, zu denen Sie zudem bereits rechtskräftig Verurteilt wurden, keine Gefährdung der Öffentlichen Sicherheit und Ordnung darstellen würden, ist im ggst. AGH Erkenntnis nicht die Rede. Ebenso wird dies auch nicht als Begründung für die vorübergehende Unzulässigkeit der Ausweisung herangezogen.

Der Status Ihres Sohnes x sowie der weiteren Mitglieder Ihrer Kernfamilie ist derzeit bis 04.08.2012 befristet. Von einem Aufenthalt im Bundesgebiet von Österreich auf Dauer kann daher nicht ausgegangen werden.

Die von Ihnen gesetzten Maßnahmen um sich im Bundesgebiet zu integrieren werden in Ihrer Stellungnahme lediglich behauptet. Sie blieben bisher jeglichen Nachweis schuldig, der diese Behauptungen untermauern würde, die zudem für die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes - nunmehr Rückkehrentscheidung iVm Einreiseverbot gem. §§ 52 und 53 FPG - nicht entscheidungsrelevant sind.

 

Aufgrund des geschilderten Sachverhaltes und Ihres bisher gezeigten Verhaltens im Bundesgebiet

·         Sie reisten am 14.02.2005 illegal über DEUTSCHLAND kommend illegal ins Bundesgebiet der Republik Österreich ein und erbrachten bis dato keinen Nachweis über eine zwischenzeitlich erfolgte Ausreise aus dem Gebiet der Mitgliedsstaaten.

·         Sie sind seit Erlassung des 10-jährigen Aufenthaltsverbotes am 11.04.2005 mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten (Widerstand gegen die Staatsgewalt, Diebstahl, versuchter Diebstahl, Körperverletzung, Übertretung im Bereich des Suchtmittelgesetzes) und wurden seither zu Freiheitsstrafen von insgesamt 13 Monaten bedingt unter gleichzeitiger Verhängung und Verlängerung von Probezeiten, verurteilt.

·         Sie erfüllen auch keine der weiteren Vorraussetzungen die zu einer Verkürzung, Gegenstandslosigkeit oder Aufhebung gem. § 60 FPG führen würden

ist die Annahme gerechtfertigt, dass Ihr Aufenthalt im Bundesgebiet von Österreich nach wie vor eine massive Gefahr für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstellt.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck gelangt daher nach umfassender Prüfung des Sachverhaltes in dieser Einzelfallentscheidung zu dem Schluss, dass Ihre "Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes", der als Antrag auf Aufhebung der Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot gem. §§ 52 und 53 FPG zu werten ist, wegen der nicht gegebenen Vorraussetzungen gem. § 60 FPG als unbegründet abzuweisen war.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

2. Gegen den am 25. April 2012 der rechtsfreundlichen Vertretung des Bw zugestellten Bescheid hat der Bw mit Telefax vom 9. Mai 2012 rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung erhoben.

 

In der Berufung führt der Bw wie folgt aus:

 

Der zur Gänze bekämpfte Bescheid ist inhaltlich rechtswidrig und rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

 

Mit dem bekämpften Bescheid wird der Antrag des Berufungswerbers vom 16.01.2012 auf Aufhebung des mit Bescheid vom 11.04.2005 auf zehn Jahre befristeten Aufenthaltsverbotes über den Berufungswerber abgewiesen.

 

Die Erstbehörde begründet dies im Wesentlichen damit, dass über den Berufungswerber insgesamt Freiheitsstrafen in Höhe von 13 Monaten (richtig wohl 12 Monate!) bedingt wegen strafrechtlicher Vergehen verhängt werden mussten und sohin eine massive Gefahr für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vom Berufungswerber ausgeht.

 

Mit db Bescheid vom 11.04.2005, ZI Sich 40-1344-2005, wurde gegen den Antragsteller gern § 36 Abs 1 Z und Z 2 und Abs 2 Z 7 sowie §§37 und 39 des Fremdengesetzes 1997 (FrG) ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot verhängt. Dem lagen folgende Erwägungen der Erstbehörde zugrunde. Die Behörde legte dem Antragsteller aufgrund zweier strafrechtlicher Anzeigen zur Last, die öffentliche Ruhe und Sicherheit zu gefährden und nicht in der Lage zu sein, den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nachweisen zu können. Weiters bestand kein Krankenversicherungsschutz. Es wurde in Abwägung seiner privaten und familiären Umstände festgestellt, dass der Aufenthalt des Antragstellers im Bundesgebiet sehr kurz und illegal ist. Weiters, dass seine Ehegattin über kein Aufenthaltsrecht für das Bundesgebiet verfügt und auf Grund der anzuwendenden Verordnung Dublin II nach Deutschland überstellt werden müsse. Der Rest der Familie hielt sich in Georgien auf. Im Bundesgebiet befanden sich keine rechtmäßig aufhältigen Familienmitglieder.

 

Gern § 69 Abs 2 FPG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzu­heben, wenn die Gründe welche zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Eine deckungsgleiche Regelung findet sich in § 60 Abs 5 FPG hinsichtlich eines Rückkehrverbotes.

 

Nach Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs kann ein Antrag auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung der Maßnahme die dafür maßgebenden Umstände zugunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. (VwGH vom 06.09.2007, ZI 2007/18/0171),

 

Obwohl der Berufungswerber bereits in seinem Antrag vom 16.01.2012 sowie in seiner Stellungnahme vom 16.04.2012 darauf hingewiesen hat, dass aufgrund der Ergebnisse des Asylverfahrens des Berufungswerbers und seiner Familie nunmehr von wesentlich geänderten Umständen auszugehen ist, hat die Erstbehörde diesen Umstand keiner Würdigung unterzogen.

 

Der Berufungswerber hat versucht, am Arbeitsmarkt, im Rahmen der engen gesetzlichen Möglichkeiten für Asylwerber Fuß zu fassen. Er war im Jahr 2008 im Fremdenverkehr unselbständig und erlaubt beschäftigt. Der Berufungswerber hat sich bemüht, die deutsche Sprache zu erlernen. Er hat ein Sprachzeugnis (A2 des Referenzrahmens) erworben, Die Kernfamilie des Berufungswerbers ist seit über 7 Jahren durchgehend und rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Sämtliche Familienmitglieder sind im Bundesgebiet gut integriert. Der Sohn des Berufungswerbers, x besucht die Handelsschule und der zweite mj Sohn, x, den Kindergarten.

 

Die Ehegattin des Berufungswerbers ist eine zuverlässige und langjährige Arbeitskraft im Hotel Salzburger Hof. Die Wohnungsmiete beträgt ca 500.- monatlich. Die Familie des Berufungswerbers bezieht keine Sozialleistungen. Die Erstbehörde hat sich nicht einmal mit dem Umstand auseinandergesetzt, dass nunmehr nicht mehr von Mittellosigkeit auszugehen ist. Richtig ist, dass die den Kernfamilienmitgliedern zukommenden Aufenthaltsberechtigungen jeweils auf ein Jahr befristet erteilt werden. Bei den Kernfamilienmitgliedern ergibt sich jedoch aufgrund der vorgebrachten Fakten im Hinblick auf deren Grundrecht auf Privat.- und Familienleben, dass eine Ausweisung aus dem Bundesgebiet auf Dauer unzulässig ist.

 

Der Berufungswerber bereut sein strafrechtliches Fehlverhalten. Die Erstbehörde hat es jedoch unterlassen all die seit Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen Umstände zu erheben und gegeneinander abzuwägen. Die Erstbehörde fasst lediglich zusammen, dass bedingte Verurteilungen von gesamt 13 Monaten (richtig 12 Monaten!) vorliegen würden.

 

Damit wird die Erstbehörde weder ihrer Verpflichtung aus § 37 AVG, noch ihrer Begründungspflicht gem § 60 AVG gerecht und ist der bekämpfte Bescheid daher rechtswidrig.

 

Es werden folgende Unterlagen vorgelegt:

         Arbeitszeugnis der x vom 18.05.2011

         Brief x vom 15.05.2011

         Brief x

         Brief Freiwillige Feuerwehr vom Mai 2011

         Unterschriftenliste

 

Es wird die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt; weiters wird der

 

Antrag

 

gestellt, die Ehegattin des Berufungswerbers, x, zum Beweis dafür einzuvernehmen, dass eine enge familiäre Bindung zwischen den aufenthaltsberechtigten Kernfamilienangehörigen und dem Berufungswerber besteht.

 

Aus vorstehenden Gründen werden die

 

Berufungsanträge

 

gestellt, den bekämpften Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 23.04.2012 zu beheben und das Aufenthaltsverbot (nunmehr Rückkehrverbot) vom 11.04.2005 aufzuheben, in eventu den bekämpften Bescheid gem § 66 Abs 2 AVG zu beheben und an die Erstbehörde zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens zurückzuverweisen.

 

3.1.1. Die belangte Behörde hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt.

 

3.1.2. Mit Schreiben vom 11. Juni 2012 legte der Bw eine Einstellungsbestätigung vom 9. Mai 2012, die Lohn- und Gehaltsabrechnung der Ehegattin vom April 2012 und das Sprachdiplom der Niveaustufe A2 vor. Ergänzend teilte der Bw mit, dass die Ausweisung der Gattin und der beiden Kinder unzulässig sei, diese über befristete Aufenthaltsberechtigungen verfügen würden und subsidiär schutzberechtigt seien.

 

Im Falle der Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes sei eine adäquate Gestaltung des Familienlebens nicht möglich und würde einen schwerwiegenden Eingriff in das Grundrecht auf Familienleben bedeuten.

 

Ergänzend zum bisherigen Vorbringen legte der Bw mit Schreiben vom 25. Februar 2013 eine Arbeitsbestätigung (aufrechtes Beschäftigungsverhältnis des Sohnes), eine Lohn- und Gehaltsabrechnung der Ehegattin vom Jänner 2013 und eine Einstellungsbestätigung vor.

 

3.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat am 8. April 2013 eine öffentlich mündliche Verhandlung durchgeführt und hiezu die Parteien und die beantrage Zeugin geladen.

 

3.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:

 

Der Bw reiste am 14. Februar 2005 illegal und schlepperunterstützt ins Bundesgebiet ein. Dem Asylbegehren wurde nicht stattgegeben und das Verfahren gemäß § 5 AsylG am 14. April 2005 rechtskräftig abgeschlossen.

 

Mit Bescheid vom 11. April 2005 verhängte die belangte Behörde gegen den Bw ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von 10 Jahren. Dieses erwuchs mit 27. April 2005 in Rechtskraft.

 

Der rechtzeitig eingebrachten Beschwerde erkannte der VwGH vorerst die aufschiebende Wirkung zu und hob in der Folge den bekämpfte Asylbescheid auf. Nach Zulassung zum Verfahren und inhaltlicher Prüfung wurde das Asylverfahren am 23. August 2011 in II. Instanz gemäß § 7 und § 8 AsylG rechtskräftig negativ entschieden. Die Ausweisung des Bw wurde vorübergehend als unzulässig festgestellt. Eine neuerliche Ausweisungsentscheidung wurde bis dato nicht erlassen.

 

Der Bw wurde wie folgt rechtskräftig verurteilt:

1.      am 11. Mai 2005 vom LG Wels gemäß § 15 Abs. 1 iVm § 269 Abs. 1 3. Fall    StGB und § 27 Abs. 1 1. und 2. Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von vier      Monaten bedingt,

2.      am 27. Juli 2007 vom BG St. Johann im Pongau gemäß § 15 iVm § 127 StGB          zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat bedingt,

3.      am 18. Dezember 2007 BG St. Johann im Pongau gemäß § 83 Abs 1 iVm § 15        iVm 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten und

4.      am 8. Mai 2010 vom LG Salzburg gemäß § 125 iVm § 107 Abs. 1 StGB zu      einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten bedingt.

 

Seit dem 15. Februar 2009 hat sich der Bw wohl verhalten und kein strafrechtlich relevantes Verhalten mehr gesetzt.

 

Die Familienmitglieder der Kernfamilie verfügen seit August 2011 über subsidiären Schutz und diesen kommt ein Aufenthaltsrecht nach dem AsylG zu. Die Ehegattin verfügt über ein geregeltes Einkommen und ist in der Lage für den Unterhalt des Bw und der gemeinsamen Kinder zu sorgen. Mangels derzeitiger Beschäftigungsmöglichkeit führt der Bw den gemeinsamen Haushalt und kümmert sich um die Kinder.

 

3.4. In der mündlichen Verhandlung ist der Bw glaubwürdig aufgetreten. Der positive Gesinnungswandel ist dabei deutlich hervorgekommen. Abgerundet wurde dieser Eindruck durch das Verhalten der weiteren Familienmitglieder, die bei der mündlichen Verhandlung als Zuhörer anwesend waren. Die daraus zu ziehenden Erkenntnisse decken sich mit den Beweisergebnissen, die sich aus dem Vorlageakte ergeben haben.

 

3.5. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1.1. Mit dem Fremdenrechtspaket 2005 hat der Gesetzgeber das Fremdengesetz 1997 neu strukturiert und mit 1. Jänner 2006 das Fremdenpolizeigesetz 2005 in Kraft gesetzt.

 

Gemäß § 125 Abs. 3 FPG gelten Aufenthaltsverbote, deren Gültigkeitsdauer bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes noch nicht abgelaufen sind, als nach diesem Bundesgesetz (Anmerkung: BGBl I 2005/100) erlassene Aufenthaltsverbote mit derselben Gültigkeitsdauer.

 

Mit 1. Juli 2011 nahm der Gesetzgeber mit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2011 (Anmerkung: BGBl I 2011/38) – in Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben – neuerlich eine weitreichende Umstrukturierung im Fremdenrecht vor.

 

Gemäß § 125 Abs. 16 FPG in der Fassung BGBl I 2011/38 bleiben Aufenthaltsverbote gemäß § 60 – als solches hat das vorliegende auf Grund der wiedergegebenen Übergangsbestimmungen zu gelten – bis zum festgesetzten Zeitpunkt weiterhin gültig.

 

4.1.2. § 69 Abs. 2 FPG zufolge ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind.

 

4.2. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 11. April 2005, Sich40-1344-2005 wurde gegen den Bw auf Grundlage des § 36 Abs. 1 Z 1 und 2 und Abs. 2 Z 7 sowie §§ 37 und 39 des Fremdengesetzes 1997 ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

 

In der Begründung stützte die bescheiderlassende Behörde die aufenthalts-beendende Maßnahme auf zwei strafrechtliche Anzeigen, weshalb eine Gefährdung der öffentlichen Ruhe und Sicherheit gegeben gewesen sei. Zudem wurde dem Bw angelastet, keinen Krankenversicherungsschutz sowie keine Mittel zur Sicherung seines Unterhaltes nachweisen zu können.

 

4.2.1. Aufgrund der Beschäftigung der Gattin des Bw sowie deshalb, weil der Bw bzw seine Familie – was im Verfahren nicht strittig ist – keine Sozialleistungen bezieht, ist ein Teil der den Aufenthaltsverbotsbescheid tragenden Gründen wohl als weggefallen anzusehen. Fraglich ist jedoch, ob davon auch hinsichtlich der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausgegangen werden kann.

 

4.2.2. Wie oben unter Punkt 3.3. dargestellt, wurde der Bw seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes mehrmals rechtskräftig verurteilt.

 

Die erste Verurteilung kann im gegenständlichen Fall vor dem Hintergrund außer Betracht bleiben, als diese auf Grundlage jener Anzeigen erfolgte, die von der Behörde für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes als maßgeblich erachtet wurden.

 

Aus den weiteren Verurteilungen des Bw wegen unterschiedlicher Delikte scheint auf den ersten Blick hervorzugehen, dass der Bw die Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegen ihn im Jahr 2005 nicht etwa zum Anlass genommen hat, sich in Hinkunft rechtskonform zu verhalten. In der mündlichen Verhandlung brachte der Bw vor, dass die strafrechtlich relevanten Verstöße im Jahr 2007 auf die äußerst angespannte finanzielle Situation zurückzuführen gewesen seien. Im Jahr 2009 habe er sich nach mehrwöchigen Belästigungen durch den regelmäßig alkoholisierten Wohnungsnachbarn zu einer Sachbeschädigung und gefährlichen Drohung hinreißen lassen.

 

Trotz der - wie oben - angeführten Straftaten kann bei Bedachtnahme auf die besonderen Umstände der Tatbegehung zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht auf eine entscheidungswesentliche Gewaltbereitschaft bzw. das Vorhandensein einer relevanten kriminellen Energie beim Bw geschlossen werden.

 

Zum Erlassungszeitpunkt des vorliegenden Aufenthaltsverbotsbescheides im Jahr 2005 ging die belangte Behörde noch von einer unmittelbaren Gefahr für die öffentliche Ordnung aus (Ausschluss der aufschiebenden Wirkung im zugrundeliegenden Bescheid).

 

Diese Beurteilung ist zumindest seit der Entscheidung des Asylgerichtshofes am 5. August 2011 so nicht mehr haltbar. Der Asylgerichtshof legte alle vorliegenden fallrelevanten gerichtlichen Verurteilungen seiner Entscheidung zugrunde und kam im Rahmen der Gesamtbeurteilung zum Ergebnis, dass die Ausweisung des Bw einen unzulässigen Eingriff in das (in Österreich) bestehende Familienleben bedeuten würde. Folglich erklärte der Asylgerichtshof die Ausweisung des Bw vorübergehend für unzulässig.

 

Im Hinblick auf diese nachvollziehbare Bewertung, den Umstand, dass der Bw seit Anfang des Jahres 2009 nicht mehr straffällig geworden ist, glaubwürdig geläutert auftritt und ein rechtskonformes Leben führt, alle weiteren Angehörigen der Kernfamilie seit Jahren über eine befristete Aufenthaltsbewilligung nach dem AsylG verfügen (subsidiärer Schutz) und die Familie bedingt durch die Vollzeitbeschäftigung der Gattin des Bw selbsterhaltungsfähig ist, ist festzustellen, dass die Gründe, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt haben, weggefallen sind.

 

5. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt unterschrieben werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 57,20 Euro (Eingabe- + Beilagengebühr) angefallen.

 

 

 

 

 

Mag. Christian Stierschneider

 

 

 

 

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