Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240885/2/BMa/MG

Linz, 09.04.2013

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Mag.a Gerda Bergmayr-Mann über die Berufung des Mag. R S, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. A K, B, W, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns von Wels-Land vom 13.02.2012, Zl. SanRB96-1-1-2012/Gi, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz (LMSVG) zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat noch einen Ersatz von Untersuchungskosten zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG idgF iVm §§ 24, 44a Z 1, 45 Abs. 1 Z 2 und 51 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG idgF

zu II: § 65, § 66 Abs. 1 VStG iVm § 71 Abs. 3 LMSVG idgF

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis wurde der Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wie folgt schuldig gesprochen:

"Sie sind als für das Sortimentsmanagement bzw. die Kennzeichnungsvorschriften der gegenständlichen Warengruppe (Gesamtsortiment Food) verantwortlicher Beauftragter der S Ö Warenhandels AG, S, E, gemäß § 9 VStG hinsichtlich nachstehender Übertretung verantwortlich:

 

Die am 11.10.2011 um 09.51 Uhr im S Supermarkt S, H W S, entnommene Probe mit der Bezeichnung 'Kletzen – Dörrbirnen' (Lieferant S Ö Warenhandels AG, M, S) wies auf der Verpackung die Angabe 'S V ist ein wertvoller Beitrag im Rahmen einer ausgewogenen Ernährung. M A B, MSc – Leitende Diätologin am Landeskrankenhaus S – Universitätsklinikum der P Medizinische Privatuniversität' auf, obwohl gesundheitsbezogene Angaben, die auf Empfehlungen von einzelnen Vertretern medizinischer Berufe verweisen, nicht zulässig sind.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

 

Art. 12 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel in Verbindung mit § 90 Abs. 3 Z. 1 Lebensmittel- und Verbraucherschutzgesetz – LMSVG, BGBl. I Nr. 13/2006, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 95/2010"

 

Über den Bw wurde eine Geldstrafe in Höhe von  200,-- Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 10 Stunden; Barauslagen: 78,-- Euro; Verfahrenskosten: 20,-- Euro; zu zahlender Gesamtbetrag: Euro 298,--) wegen dieser Verwaltungsübertretung verhängt.

 

1.2. Begründend führt die belangte Behörde im Wesentlichen – nach Wiedergabe des relevanten Sachverhalts und der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen – aus, entgegen der Rechtsansicht der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vertritt die belangte Behörde die Auffassung, dass auch Angaben, welche nicht die in Art. 13 und 14 der VO (EG) Nr. 1924/2006 erfüllen, als gesundheitsbezogen im Sinne des Art. 12 leg.cit. zu werten seien.

Auch mit dem Hinweis, Werbeslogans mit Gesundheitsbezug stellten keine gesundheitsbezogenen Angaben im Sinne der Verordnung dar, sei nichts gewonnen. Die Seriosität und den Wahrheitsgehalt einer Aussage würde der durchschnittliche Verbraucher unterschiedlich danach beurteilen, ob ein bekannter Schauspieler meine, "Haribo macht Kinder froh" oder eine Diätologin ein Produkt als Teil einer ausgewogenen Ernährung werte. Bei der zweiten, zudem nicht plakativ gehaltenen Feststellung handle es sich somit gerade um keine Werbung, sondern um eine gesundheitsbezogene Aussage, die einen positiven Einfluss des Lebensmittels auf das Wohlbefinden (als Teilaspekt der Gesundheit) suggeriere. "Wohlbefinden" im gegenständlichen Zusammenhang lediglich im emotionalen und/oder esoterischen Sinne zu verstehen, verbiete der Hinweis auf den wertvollen "Beitrag im Rahmen einer Ernährung".

Die Behörde könne sich auch nicht der Annahme anschließen, eine "Diätologin" wäre keine Vertreterin eines medizinischen Berufs. Der Kreis der "Vertreter medizinischer Berufe" gehe unzweifelhaft über den der "Ärzte" hinaus.

Obwohl – soweit ersichtlich – eine Legaldefinition fehle, sei schon aus der Textierung des Art. 11 der VO (EG) Nr. 1924/2006 ersichtlich, dass "Fachleute des Bereichs der Diätetik" in der Lage seien, Aussagen im Sinne des Art. 12 leg.cit. zu tätigen. Es werde nicht unterstellt, bei der "Leitenden Diätologin am LKH-Universitätsklinikum G" handle es sich um keine Fachfrau. Zudem sei auf die/das im engsten Zusammenhang mit Krankenanstalten stehende Berufsbild, Tätigkeitsfeld und Berufsausbildung des diät- und ernährungsmedizinischen Beratungsdienstes hinzuweisen.

 

Der Täter habe nicht glaubhaft gemacht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden treffe. Im Zuge der Strafbemessung seien weder straferschwerende noch strafmildernde Umstände zu werten gewesen. Bei der Strafbemessung sei die Behörde von einem monatlichen Einkommen von 2.500,-- Euro, keinen Sorgepflichten und keinem Vermögen ausgegangen.

 

1.3. Gegen dieses dem Berufungswerber am 16.02.2012 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 01.03.2012 per E-Mail sowie per Post eingebrachte – und damit rechtzeitige – Berufung.

 

Die Berufung ficht das Straferkenntnis in seinem gesamten Umfang an und beantragt dessen Aufhebung und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens, in eventu ein Absehen von einer Bestrafung allenfalls unter Ausspruch einer Abmahnung.

 

2.1. Nach § 51c VStG hatte der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – nachdem hier weder eine primäre Freiheitsstrafe, noch eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde – nicht durch eine Kammer, sondern durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt des Bezirkshauptmanns von Wels-Land zu GZ SanRB96-73-2011/Gi; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen gemäß § 51e Abs. 2 Z. 1 VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Der UVS geht bei seiner Entscheidung von folgendem entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus:

 

Im Rahmen einer lebensmittelpolizeilichen Überprüfung am 11. Jänner 2011 um 09.51 Uhr im Betrieb der X, X, X, wurde eine Probe des Produkts "Kletzen - Dörrbirnen" entnommen (Probenkennung: X) und in der Folge durch die Ö A f G u E GmbH (A), I f L L, W, L, untersucht.

 

Mit Datum vom 07.09.2009 schlossen die S Ö Warenhandels-AG und Mag. R S, geb. X, wohnhaft in O, B, Dienstort S, eine Vereinbarung über die "Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs 2 VStG".

Gemäß Punkt 3. dieser Vereinbarung wurde der sachliche und örtliche Zuständigkeitsbereich des Berufungswerbers wie folgt definiert:

 

"3. Sachlicher Zuständigkeitsbereich

 

Einhaltung sämtlicher Verwaltungsvorschriften, insbesondere

 

-         aus dem Bereich des Kennzeichnungsrechtes

-         [...]

-         Europarechtliche Normen aus den Bereichen Kennzeichnung, Qualität, Zusatzstoffe, Bio, Gentechnik und Produktrecht

 

für den nachstehend bezeichneten abgegrenzten Unternehmensbereich:

 

Einkauf und Verkauf von

Gesamtsortiment Food, Near-Food / Zentrales Sortimentsmanagement

sowohl von Herstellermarken und Markenartikeln als auch von S Eigen- und Exklusivmarken mit Ausnahme von Obst, Gemüse und Pflanzen (Sub.)

soweit für einzelne Produktgruppen aus diesem Bereich kein anderer Sortimentsmanager als verantwortlicher Beauftragter bestellt worden ist.

 

4. Örtlicher Zuständigkeitsbereich: Österreich"

 

Zum Zeitpunkt der vorgeworfenen Verwaltungsstraftat war kein anderer Sortimentsmanager als verantwortlicher Beauftragter für das verfahrensgegenständliche Produkt bestellt und die Vereinbarung vom 07.09.2009 in Kraft (Schreiben von Rechtsanwälte W, R, W, an das Magistrat der Stadt Salzburg vom 20.7.2010, Zl. Tr/Wk SPAO/04004).

 

Das Produkt "Kletzen - Dörrbirnen" enthält auf dem Etikett folgenden verfahrensrelevanten Text:

 

"S V ist ein wertvoller Beitrag im Rahmen einer ausgewogenen Ernährung. M A B, MSc – Leitende Diätologin am Landeskrankenhaus S – Universitätsklinikum der P Medizinische Privatuniversität"

 

Mit Schreiben vom 06.12.2011 wurde der Verwaltungsstrafakt vom Bürgermeister der Stadt Steyr an die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land gem. § 27 VStG abgetreten.

 

Mit E-Mail vom 24.01.2012 benannte die S Ö Warenhandels-AG durch ihre rechtsfreundliche Vertretung den verantwortlichen Beauftragten Herrn Mag. R S unter Vorlage der Bestellungsurkunde. Weiters rechtfertigt sich der Beschuldigte durch seine rechtsfreundliche Vertretung in diesem Schreiben im Wesentlichen damit, dass das Tatbild des Art. 12 lit. c VO (EG) Nr. 1924/2006 nicht erfüllt sei, weil es sich weder um eine gesundheitsbezogene Angabe, noch um einen "Vertreter eines medizinischen Berufs" handle. Abgesehen davon treffe den Berufungswerber kein Verschulden, da die Kletzen – Dörrbirnen erst ausgeliefert worden seien, nachdem ein Gutachten eines gem. § 73 LMSVG autorisierten Gutachters der L GmbH attestiert habe, dass der hier beanstandete Verpackungstext nicht gegen die VO (EG) Nr. 1924/2006 verstoße. Weiters verwies der Berufungswerber auf die Erkenntnisse des UVS Niederösterreich vom 22.11.2011, GZ Senat-PM-10-1009, sowie vom 4.1.2012, GZ Senat-PM-10-1012, und auf den erstinstanzlichen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 25.11.2011, GZ LM-2-2011.

 

Gleichzeitig übermittelte die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land im Anhang die Aufforderung zur Rechtfertigung, Zl. SanRB96-1-1-2012, mit welcher dem Berufungswerber die im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses angeführte  Verwaltungsübertretung zur Last gelegt wurde.

 

Mit E-Mails vom 31.01.2012 (sowie ergänzend vom 01.03.2012) rechtfertigt sich der Berufungswerber im Wesentlichen wie im o.a. Mail.

 

Am 13.02.2012 erging das nunmehr bekämpfte Straferkenntnis.

3.2. Beweiswürdigend wird ausgeführt, dass sich der dargestellte Sachverhalt widerspruchsfrei aus dem vorliegenden Verwaltungsakt ergibt.

 

3.3. In rechtlicher Hinsicht hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.3.1. Gemäß § 90 Abs. 3 Z. 1 LMSVG (BGBl I Nr. 13/2006, zuletzt geändert mit BGBl I Nr. 95/2010) begeht eine Verwaltungsübertretung, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, und ist nach dem letzten Halbsatz mit Geldstrafe bis zu 20.000 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 40.000 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen, wer den in der Anlage genannten unmittelbar anwendbaren Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder den näheren Vorschriften zur Durchführung dieser Rechtsakte gemäß § 4 Abs. 3 oder § 15 zuwiderhandelt. Zu diesen Verordnungen zählt gemäß der Anlage zum LMSVG Teil 1 Z. 15 auch die VO (EG) Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel.

Gemäß Art. 10 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1924/2006 sind gesundheitsbezogene Angaben verboten, sofern sie nicht den allgemeinen Anforderungen in Kapitel II und den speziellen Anforderungen in Kapitel IV der Verordnung entsprechen, gemäß dieser Verordnung zugelassen und in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß den Artikeln 13 und 14 aufgenommen sind. Gemäß Art. 12 lit. c VO (EG) Nr. 1924/2006 sind gesundheitsbezogene Angaben, die auf Empfehlungen von einzelnen Ärzten oder Vertretern medizinischer Berufe und von Vereinigungen, die nicht in Art. 11 leg.cit. genannt werden, verweisen, nicht zulässig. Tatbildgemäß handelt daher insbesondere, wer

1.     bei der Kennzeichnung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie der Werbung hierfür

2.     gesundheitsbezogene Angaben,

3.     die auf Empfehlungen

4.     von Vertretern medizinischer Berufe verweisen,

verwendet. Ausgenommen von diesem Verbot sind gemäß Art. 10 Abs. 2 lit. a VO (EG) Nr. 1924/2006 insbesondere solche gesundheitsbezogenen Angaben, welche (nur) "einen Hinweis auf die Bedeutung einer abwechslungsreichen und ausgewogenen Ernährung und einer gesunden Lebensweise" geben.

 

3.3.2. Gemäß Art. 2 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1924/2006 gelten für die Zwecke dieser Verordnung für "Lebensmittel", "Lebensmittelunternehmer", "Inverkehrbringen" und "Endverbraucher" die Begriffsbestimmungen in Art. 2 und 3 Nummern 3, 8 und 19 der VO (EG) Nr. 178/2002 (EG-BasisVO).

 

Beim gegenständlichen Produkt handelt es sich um ein Lebensmittel, das unter den Geltungsbereich der VO (EG) Nr. 1924/2006 sowie des LMSVG fällt (§ 3 Z 1 LMSVG iVm Art. 2 VO (EG) 178/2002, ABl 2002 L 31/1 idF ABl 2009 L 188/14: " alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden.").

 

3.3.3. Gemäß § 9 Abs. 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch eine juristische Person der zu deren Vertretung nach außen Berufene verantwortlich, es sei denn, dass ein verantwortlicher Beauftragter bestellt wurde. Nach § 9 Abs. 2 letzter Satz VStG können zu derartigen verantwortlichen Beauftragten – allerdings nur für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens – auch Personen, die nicht zur Außenvertretung dieser juristischen Person berufen sind, bestellt werden.

Aus § 9 Abs. 3 und 4 VStG ergibt sich, dass der räumliche oder sachliche Bereich des Unternehmens, für den ein verantwortlicher Beauftragter mit dessen Zustimmung bestellt wird, "klar abzugrenzen" ist.

Erfolgt eine solche klare Abgrenzung nicht, so liegt keine wirksame Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten vor. Das Tatbestandsmerkmal des klar abzugrenzenden Bereiches im § 9 Abs. 4 VStG muss schon beim Nachweis der Zustimmung des verantwortlichen Beauftragten vorgelegen haben und darf nicht erst während des anhängigen Strafverfahrens – etwa durch Klarstellung im Rahmen des Beweisverfahrens – entscheidend ergänzt werden.

Die Zustimmung eines verantwortlichen Beauftragten nach § 9 Abs. 4 VStG muss erkennen lassen, für welche juristische Person sie erfolgte (vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004] 1309 f mit Judikaturnachweisen).

 

Aus der vorliegenden Bestellungsurkunde ergibt sich unzweifelhaft, dass die Bestellung des Berufungswerbers die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit für das verfahrensgegenständliche Produkt (Kategorie Lebensmittel) im Staatsgebiet der Republik Österreich gem. Punkten 3 und 4 der Bestellungsurkunde vom 07.09.2009 mitumfasst.

Die Bestellungsurkunde verfügt über die notwendige Klarheit hinsichtlich des räumlichen und sachlichen Geltungsbereichs. Auch ansonsten bestehen keine Zweifel an der Rechtswirksamkeit und Gültigkeit der Bestellung. Somit liegen alle Voraussetzungen zur wirksamen Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten jedenfalls seit dem 07.09.2009 – und somit insbesondere zum Tatzeitpunkt – vor.

Der Berufungswerber gilt daher als verantwortlicher Beauftragter i.S.d. § 9 Abs. 2 VStG bezüglich des von der belangten Behörde verfolgten Delikts.

 

Entsprechend den "Allgemeinen Grundsätzen für alle Angaben" nach Art. 3 VO (EG) Nr. 1924/2006 dürfen nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben bei der Kennzeichnung und Aufmachung von Lebensmitteln, die in der Gemeinschaft in Verkehr gebracht werden, bzw. bei der Werbung hierfür nur verwendet werden, wenn sie der vorliegenden Verordnung entsprechen.

 

Was unter Inverkehrbringen zu verstehen ist, ergibt sich aus Art. 3 Z 8 der VO (EG) 178/2002. Nach Art. 3 Z 8 VO (EG) 178/2002 bezeichnet der Ausdruck "Inverkehrbringen" das Bereithalten von Lebensmitteln oder Futtermitteln für Verkaufszwecke einschließlich des Anbietens zum Verkauf oder jede andere Form der Weitergabe, gleichgültig ob unentgeltlich oder nicht, sowie den Verkauf, den Vertrieb oder andere Formen der Weitergabe selbst.

 

Ein wesentliches Tatbestandselement des inkriminierten Verhaltens ist das Inverkehrbringen. Dieses Tatbestandsmerkmal bzw. der Tatvorwurf eines konkreten, unter "Inverkehrbringen" subsumierbaren vorwerfbaren Verhaltens fehlt aber im Straferkenntnis. Es wurde nicht näher ausgeführt, auf welche Weise ein "Inverkehrbringen" erfolgt ist (z.B. durch Anbieten zum Verkauf oder auf andere Weise).

 

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wird hinsichtlich des Tatortes danach differenziert, ob ein Begehungs- oder Unterlassungsdelikt anzunehmen ist. Ein Zuwiderhandeln gegen Kennzeichnungspflichten wird nach ständiger Rechtsprechung des VwGH zu der Zeit und an dem Ort begangen, zu der und an dem der Täter hätte handeln sollen. Im Falle der Lieferung eines nicht entsprechend gekennzeichneten Lebensmittels durch einen Erzeugungsbetrieb oder Handelsbetrieb wird die Verwaltungsübertretung am Sitz des Erzeugungsbetriebes oder Handelsbetriebes in dem Augenblick begangen, in dem die Ware expediert wird (VwGH 20.09.1999, 97/10/0011 m.w.N. zu den insofern vergleichbaren Kennzeichnungspflichten der LMKV 1993; vgl. dazu auch die vergleichbaren Entscheidungen des UVS Salzburg vom 18.08.2010, Zlen. UVS-18/10322/2-2010, UVS-18/10323/2-2010, UVS-18/10324/2-2010, UVS-18/10325/2-2010, UVS-18/10326/2-2010, wo jeweils auf den Ort und die Zeit der Auslieferung abgestellt wurde).

 

Im Spruch der belangten Behörde wurde als Tatzeit die Entnahme der Probe des Produkts angenommen.  

Richtigerweise wäre bei Verletzungen von Kennzeichnungspflichten aber auf jenen Zeitpunkt abzustellen gewesen, in welcher die Ware expediert wurde – siehe oben. Zu diesem Tatzeitpunkt fehlen in allen Verfolgungshandlungen der beteiligten Behörden jegliche Feststellungen.

Auch wurde nur dargestellt, dass eine Probe entnommen wurde, nicht aber, dass diese auch zum Verkauf bereitgehalten wurde, sodass ein "Inverkehrbringen" überhaupt nicht vorgeworfen wurde.

 

§ 44a VStG lautet wie folgt:

"§ 44a. Der Spruch hat, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:

1. die als erwiesen angenommene Tat;

2. die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist;

3. die verhängte Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung;

4. den etwaigen Ausspruch über privatrechtliche Ansprüche;

5. im Fall eines Straferkenntnisses die Entscheidung über die Kosten."

Nach der vom Verwaltungsgerichtshof zu § 44a Z 1 VStG entwickelten Judikatur ist die dem Beschuldigten angelastete Tat im Spruch des Straferkenntnisses so weit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (vgl. VwSlg. 11.466 A/1984 und VwSlg. 11.894 A/1985 jeweils verstärkter Senat). Im Spruch sind alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind. Insbesondere ist dabei die Identität der Tat (Ort, Zeit und die näheren Umstände) möglichst genau zu beschreiben.

 

Der Vorschrift des § 44a Z 1 VStG ist dann entsprochen, wenn

a.       im Spruch des Straferkenntnisse dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und

b.       der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004] Anm 2 zu  § 44a VStG; VwGH 03.10.1985, 85/02/0053).

 

Die Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde ist durch den Abspruchsgegenstand des angefochtenen Bescheides beschränkt (vgl. VwGH 23.11.1993, 93/04/0169). Eine Abänderungsermächtigung besteht nur im Rahmen der "Sache" iSd § 66 Abs. 4 AVG (vgl. etwa VwGH 25.9.1992, 92/09/0178; VwGH 8.2.1995, 94/03/0072; VwGH 3.9.1996, 96/04/0080). Dabei ist Sache des Berufungsverfahrens die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs im Bescheid der Unterbehörde bildet (vgl. u.a. VwGH 24.3.1994, 92/18/0356; VwGH 23.10.1995, 94/04/0080; VwGH 29.10.1996, 96/07/0103; VwGH 19.3.1997, 93/11/0107).

 

Da der in Rede stehende Spruch den Erfordernissen des § 44a Z 1 VStG somit offenkundig hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals "Inverkehrbringen" sowie hinsichtlich der Tatzeit nicht gerecht wird, war der gegenständlichen Berufung sohin gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG schon aus diesen Gründen insoweit stattzugeben, als das angefochtenen Straferkenntnis aufzuheben war.

 

Ein Eingehen auf das weitere Berufungsvorbringen erübrigt sich damit.

 

3.3.4. Gemäß § 90 Abs. 7 LMSVG ist die Verfolgung einer Person wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 90 Abs. 1 bis 4 leg.cit. unzulässig, wenn gegen sie binnen Jahresfrist keine (geeignete) Verfolgungshandlung vorgenommen wurde. Nach § 32 Abs. 2 VStG ist Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung odgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

 

Eine gemäß § 32 Abs. 2 VStG geforderte Verfolgungshandlung muss eine bestimmte Verwaltungsübertretung zum Gegenstand haben (siehe Thienel, Verwaltungsverfahrensrecht4 468). Diese Amtshandlung muss sich insofern auf alle einer späteren Bestrafung zu Grunde liegenden Sachverhaltselemente beziehen (VwGH 19.12.2005, 2001/03/0162). Diese Präzisierung lässt zwei Zielrichtungen erkennen: Einerseits muss der Beschuldigte auf den konkreten Tatvorwurf bezogen in die Lage versetzt werden, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten und andererseits soll er davor geschützt werden, wegen desselben Verhaltens noch einmal zur Verantwortung gezogen zu werden (Hengstschläger, Verwaltungsverfahren4 Rz 801 mwN). Die rechtliche Beurteilung selbst hat dahingehend keine Relevanz (K.Stöger in N.Raschauer/W.Wessely, VStG § 31 Rz 4).

 

Da innerhalb der Verjährungsfrist keine Verfolgungshandlung bezüglich des Tatbestandselements "Inverkehrbringen" sowie der (richtigen) Tatzeit iS der Expedition der Ware als Bestandteil der als erwiesen angenommenen Tat iSv § 44a Z 1 VStG gesetzt wurde, war der gegenständlichen Berufung gem. § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs. 1 Z 2 VStG einzustellen.

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Berufungswerber gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat noch nach § 71 Abs. 3 LMSVG der Ersatz von Untersuchungskosten vorzuschreiben.

 

Sohin war spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

 

Mag.a Gerda Bergmayr-Mann

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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