Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730345/70/Wg/Bu

Linz, 18.04.2013

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Wolfgang Weigl über die Berufung des x, vertreten durch Rechtsanwalt x, x, x, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 5.3.2009, GZ: Sich40-9839, betreffend Antrag auf Aufhebung eines Rückkehrverbotes, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 25.3.2013 zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird stattgegeben. Das mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 14.12.2007, Zl. Sich40-9839, verhängte Rückkehrverbot wird aufgehoben.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG), § 60 Abs. 5 und § 125 Abs. 16 Fremdenpolizeigesetz 2005 idF BGBl. I Nr. 38/2011.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Zum Verfahrensgegenstand:

 

1.1. Die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen (im Folgenden: belangte Behörde) erließ gemäß § 62 Abs 1 und 2 iVm §§ 60 Abs 2 Z 1, 63 und 66 Fremdenpolizeigesetz (FPG) mit Bescheid vom 14.12.2007, Zl. Sich40-9839, gegen den Berufungswerber (im folgenden: Bw) ein unbefristetes Rückkehrverbot. Dieses stützt sich auf näher bezeichnete strafrechtliche Verurteilungen wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls, des Vergehens des Diebstahls durch Einbruch und des Diebstahls durch Einbruch als Beteiligter. Dieser Bescheid erwuchs mit 14.1.2008 in Rechtskraft.

 

1.2. Mit Eingabe vom 26.9.2008 stellte der Berufungswerber bei der Bezirkshauptmannschaft Wolfsberg einen Antrag auf Aufhebung dieses Rückkehrverbotes. Als ihm die Bezirkshauptmannschaft Wolfsberg mitteilte, dass der Antrag auf Aufhebung des Rückkehrverbotes der belangten Behörde übermittelt worden war, stellte er mit Eingabe vom 7.10.2008 einen Antrag auf Überweisung des Antrags auf Aufhebung des Rückkehrverbotes an die Bezirkshauptmannschaft Wolfsberg als zuständige Behörde. Auch diesen Antrag übermittelte die Bezirkshauptmannschaft Wolfsberg der belangten Behörde.

 

1.3. Die belangte Behörde wies daraufhin mit Bescheid vom 5.3.2009, GZ. Sich40-9839, in Spruchabschnitt I. den Antrag auf Überweisung des Verfahrens zur Aufhebung des Rückkehrverbotes an die BH Wolfsberg zurück. Im Spruchabschnitt II. wurde der Antrag vom 26.9.2008 auf Aufhebung des Rückkehrverbotes abgewiesen. Dies mit der Begründung, dass nicht absehbar sei, wann die vom Bw ausgehende Gefahr nicht mehr bestehen würde.

 

1.4. Mit – als Erkenntnis bezeichneten – Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes OÖ. vom 23.8.2011, GZ. VwSen-730345, wurde die Berufung gegen diesen Bescheid als unbegründet abgewiesen und der bekämpfte Bescheid bestätigt. In rechtlicher Hinsicht führte der UVS im Wesentlichen aus, dass einem Fremden gem. § 60 Abs. 1 FPG nur im Falle eines höchstens 5-jährigen Einreiseverbotes – nicht aber wie im ggst. Fall bei einem unbefristeten Einreiseverbot – das Recht zustehe, dessen Aufhebung zu beantragen. Die fehlende Antragslegitimation führe zwangsläufig zur Zurückweisung des vorliegenden Ansuchens.

 

1.5. Der Berufungswerber erhob dagegen Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof, der aus Anlass dieser Beschwerde amtswegig ein Gesetzesprüfungsverfahren des § 60 Abs. 1 FPG einleitete. Mit Erkenntnis vom 3. Dezember 2012, G74/12/6 hob der Verfassungsgerichtshof § 60 Abs. 1 FPG auf. Mit Erkenntnis  vom 11. Dezember 2012, B 1097/11-10, behob der VfGH den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Oö. vom 23. August 2011. Der UVS hatte daher das Verfahren über die Berufung gegen den Bescheid vom 5.3.2009 fortzusetzen.

 

1.6. Die belangte Behörde beantragte mit Eingabe vom 21.1.2013 die Abweisung der Berufung. Der Bw sei – so die belangte Behörde - offensichtlich nicht gewillt, sich an die Rechtsordnung zu halten. Sie wies darauf hin, dass er zuletzt am 27.8.2012 wegen des Vergehens nach § 127 StGB zu einer Geldstrafe verurteilt worden sei. Weiters sei er 2010 wegen des Vergehens nach § 223/2, 224 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 3 Monaten verurteilt worden. Weiters sei er nach Erlassung des Rückkehrverbotes illegal unter Verwendung einer falschen Identität eingereist.

 

1.7. Der UVS führte am 25. März 2013 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der die belangte Behörde nicht teilnahm. In der mündlichen Verhandlung wurde im Rahmen der Beweisaufnahme einvernehmlich festgehalten, dass die vorliegenden fremdenpolizeilichen Akte und der Verfahrensakt des Unabhängigen Verwaltungssenates Zl. VwSen-730345-2011 als verlesen gelten. Beweis wurde weiters erhoben durch die Einvernahme des Berufungswerbers, die Zeugenaussage seiner Lebensgefährtin x und die vom Berufungswerber in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Urkunden (Versicherungsdatenauszug vom 18. August 2011, Beschäftigungszusage vom 23. August 2011, Bestätigung der Firma x vom 18. Jänner 2010, Dienstzettel der x vom 7. März 2011, x vom 3. März 2011, Lohnzettel März, April, Mai, Juni, Juli 2011, Kopie Reisepass x, Staatsbürgerschaftsnachweis x, Kopie Reisepass x, Beurkundung der Anerkennung der Vaterschaft, von x unterfertigte schriftliche Erklärungen vom 22. August 2011, Nachweis Modul 2a, Mietvertrag betreffend x, Versicherungsdatenauszug vom 7. März 2013, Aktenvermerk der BPD Graz vom 7. Februar 2013, Mitteilung des AMS vom 21. Februar 2013, Auszug Melderegister vom 20. November 2012, Kopie Duldungskarte des Berufungswerbers).

 

1.7. In der mündlichen Verhandlung erstattete der Berufungswerber einleitend folgendes Vorbringen: "Vom Antragsteller geht keine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit aus. Seit der Erlassung des Rückkehrverbotes hat sich auch eine Änderung im Privat- und Familienleben ergeben. Er ist Vater einer Tochter mit österreichischer Staatsbürgerschaft. Er ist in Österreich integriert. Er ist über einen längeren Zeitraum einer geregelten Erwerbstätigkeit nachgegangen. Seit der Rechtskraft des Bescheides über die Verhängung des Rückkehrverbotes haben sich sohin die Umstände wesentlich geändert, als die privaten und familiären Interessen des Antragstellers an einem Verbleiben in Österreich das Interesse des österreichischen Staates an einer Aufenthaltsbeendigung von Herrn x überwiegen. Überdies liegen beim Antragsteller nach wie vor die Voraussetzungen der Duldung vor. Der Antragsteller leistet Unterhalt für seine Tochter. Ein Aufenthaltstitel ist Voraussetzung dafür, dass der Antragsteller künftig legal einer geregelten Erwerbstätigkeit nach gehen und weiterhin für den Unterhalt seiner Familie sorgen kann."

 

1.8. Nachdem er auf eine weitere Beweisaufnahme verzichtet hatte, erstattete der rechtsanwaltliche Vertreter des Bw folgendes Schlussvorbringen: "Ergänzend zum einleitenden Vorbringen wird darauf verwiesen, dass das gegenständliche Rückkehrverbot unbefristet verhängt wurde. Gemäß dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2011 ist aufgrund der vorliegenden Straftaten höchstens ein zehnjähriges Rückkehrverbot denkbar bzw. möglich. Das Rückkehrverbot ist daher schon wegen Zeitablauf zu beheben. Im übrigen wird auf das Berufungsvorbringen, das einleitende Vorbringen und die eingelangten Schriftsätze verwiesen. Es wird beantragt, der Berufung statt zu geben und das bekämpfte Rückkehrverbot zu beheben."

 

2. Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht folgender Sachverhalt fest:

 

Der Berufungswerber wurde am x geboren und ist armenischer Staatsangehöriger. Nachdem er illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist war, stellte er am 1. Oktober 2003 erstmals einen Asylantrag.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 12. Februar 2004, GZ: 0329.887-Ba, wurde der Asylantrag des Berufungswerbers gemäß § 7 Asylgesetz 1997 abgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Armenien gemäß § 8 Asylgesetz als zulässig festgestellt. Gegen diesen Bescheid erhob der Berufungswerber mit Eingabe vom 22. Februar 2004 fristgerecht Berufung. Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 19. Dezember 2007, Zl. 247.975/0/10M-VIII/23/04, wurde der Berufung des Berufungswerbers nicht stattgegeben. Dagegen erhob der Bw Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof. Der VwGH lehnte mit Erkenntnis vom 9. April 2008, Zl. AW2008/18/0093-4, die Behandlung der Beschwerde ab.

 

Zwischenzeitig hatte die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen unter Bezugnahme auf die strafrechtlichen Verurteilungen des Berufungswerbers mit dem Eingangs erwähnten Bescheid vom 14. Dezember 2007, Zl. Sich40-9839, ein unbefristetes Rückkehrverbot gemäß § 62 Abs. 1 und Abs. 2 iVm. §§ 60 Abs. 2 Z1, 63 und 66 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idF. BGBl. I Nr. 157/2005 verhängt.

 

Etwa im Jänner 2009 verließ der Bw freiwillig das Bundesgebiet der Republik Österreich und kehrte nach Armenien zurück. Dort war er etwa drei Monate lang aufhältig. Während seines Aufenthaltes in Armenien im Jahr 2009 lebte und nächtigte er bei einem Freund. Im März 2009 kehrte er nach Österreich zurück. (Aussage Berufungswerber Tonbandprotokoll Seite 4). Dazu führte er in der mündlichen Verhandlung aus: "Das ist kein Leben in Armenien. Darum bin ich nach Österreich zurückgekommen. Ich möchte in Österreich etwas erreichen."

 

Am 18. Dezember 2009 wies er in Wels bei einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle einen total gefälschten polnischen Führerschein mit der Nr. x sowie eine durch Auswechslung des Lichtbilds verfälschte polnische ID-Card x zum Nachweis seiner Identität und Lenkerberechtigung vor. Er beging dadurch das Vergehen der Fälschung besonders geschützten Urkunden nach den §§ 223 Abs. 2, 224 StGB und wurde deswegen vom Landesgericht Wels mit Urteil vom 11. März 2010, Zl 13 HV 14/10b, zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten sowie zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt. Die verhängte Freiheitsstrafe wurde unter Bestimmungen einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen. Bei der Strafbemessung war das Geständnis mildernd, erschwerend war der Umstand, dass zwei Urkunden verwendet wurden. Er wurde in der mündlichen Verhandlung vom Verhandlungsleiter zu dieser strafrechtlichen Verurteilung befragt. Dazu gab er an, dass der Beamte, der das Rückkehrverbot ausgestellt habe, letztlich dafür verantwortlich sei. Weiters: "Er hat mir ein Rückkehrverbot ausgestellt. Ich wollte aber in Österreich bleiben. Darum musste ich mir polnische Ausweise besorgen. Ich war verzweifelt. Ich wollte in Österreich bleiben."

 

Festzustellen ist weiters, dass er am 18. Dezember 2009 erneut  einen Antrag auf internationalen Schutz vor Sicherheitsorganen des LKA einbrachte. Bei der Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 8. Jänner 2010 wies er darauf hin, dass er nunmehr eine Freundin in Österreich habe. Sie sei seit 18 Jahren österreichische Staatsbürgerin und wäre nunmehr von ihm schwanger. Er habe sie im August 2009 kennen gelernt und wohne nunmehr seit Dezember 2009 bei ihr. Einen Geburtstermin gäbe es nicht, da die Freundin noch nicht beim Arzt gewesen sei. Sie habe lediglich einen Schwangerschaftstest gemacht, der positiv gewesen sei.

 

Das Bundesasylamt wies den Asylantrag daraufhin mit Bescheid vom 10. Jänner 2010 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück. Weiters wurde der Berufungswerber in diesem Bescheid aus dem Bundesgebiet ausgewiesen. Der Asylgerichtshof wies die dagegen erhobene Beschwerde mit Erkenntnis vom 5. Februar 2010 als unbegründet ab. Die im Asylverfahren angeordnete Ausweisung ist damit in Rechtskraft erwachsen.

 

In weiterer Folge hielt die Bundespolizeidirektion Graz aufgrund einer beim Berufungswerber diagnostizierten schweren depressiven Episode sowie einer Zwangsstörung und eines ausgeprägten PTBS (Posttraumatischen Belastungsstörung) mit Aktenvermerk vom 18. November 2010 fest, dass der Aufenthalt des Berufungswerbers bis zum 17. November 2011 geduldet ist.

 

Im vom Berufungswerber vorgelegten Aktenvermerk der LPD Steiermark vom 7. Februar 2013 wird festgehalten: "Der aktuellen Staatendokumentation (Informations- und Dokumentationsangelegenheiten) des BMI–BAA–GDA (Grundsatz- und Dublinabteilung) für Armenien, vom 22. Oktober 2010, kann explizit entnommen werden, dass zwar alle Arten von psychiatischen Krankheiten in Armenien behandelbar seien – problematisch ist jedoch die Verfügbarkeit der Medikamente. Letztendlich wird vollständigkeitshalber noch dargelegt, dass im Bescheid des Asylgerichtshofes vom Februar 2010 in keiner Weise weder auf die derzeit aktuelle familiäre Situation des Fremden (Lebensgemeinschaft mit österreichischen Staatsbürgerin, sowie Vater eines gemeinsamen minderjährigen Kindes) noch die Erkrankung des Fremden – welcher aufgrund fehlender Medikamente in der Heimat nicht behandelt werden kann, eingegangen wurde. Die Duldung kann von der Behörde mit Auflagen verbunden werden, sie endet jedenfalls mit den Wegfall der Hinderungsgründe. Da diese aufgrund der vorgelegten Bestätigungen wegen psychotherapeutischer Begleitung noch vorhanden sind, wird mit diesem Aktenvermerk festgestellt, dass der Aufenthalt des x gemäß § 46 a Abs. 1 Z3 FPG 2005 bis zum 6. Februar 2014 geduldet ist." Der Berufungswerber verfügt dementsprechend über eine bis 6. Februar 2014 befristete Duldungskarte.

 

Der Berufungswerber wurde in der mündlichen Verhandlung befragt, ob er zur Zeit Medikamente einnimmt. Dazu gab er an, dass er keine Medikamente einnehme. Weiters: "Ich besuche nach wie vor die Therapien beim Psychotherapeuten x. Vom Verhandlungsleiter befragt, seit wann ich keine Medikamente mehr einnehme, gebe ich an, dass ich seit etwa zwei Jahren keine Medikamente mehr einnehme. Vom Verhandlungsleiter nach meinen persönlichen Befinden befragt, gebe ich an, dass es mir dank der Therapie, die ich einmal im Monat regelmäßig besuche, gut geht. Ich sehe mich sehr wohl in der Lage, einer Erwerbstätigkeit nach zu gehen."

 

Fest steht, dass der Berufungswerber bereits vor Ausstellung der letzten Duldungskarte erneut straffällig geworden ist. So hatte er am 20. Mai 2012 gegen 23.25 Uhr in x, auf dem Parkplatz der x, eine fremde bewegliche Sache in einem 3.000 Euro nicht übersteigenden Wert, nämlich die am PKW x des x montierte vordere Stoßstange mit dem Vorsatz weggenommen, um sich oder Dritte durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern. Er beging dadurch das Vergehen des Diebstahls nach § 127 StGB. Das Bezirksgericht Graz – West verhängte deswegen im Urteil vom 27. August 2012, AZ 8U12/12p, über den Berufungswerber eine Geldstrafe im Ausmaß von 80 Tagessätzen à 4 Euro, im Uneinbringlichkeitsfall 40 Tage Ersatzfreiheitsstrafe. Mildernd war dabei das reumütige Geständnis. Erschwerend waren die vier einschlägigen Vorverurteilungen. Der Berufungswerber wurde in der mündlichen Verhandlung zu dieser strafrechtlichen Verurteilung befragt. Dazu gab er an, dass das Gerichtsverfahren nicht ganz korrekt abgelaufen sei. Weiters: "Ich war nachher bei meinem Anwalt. Die Richterin hat meine Bewährung verlängert und daneben eine Geldstrafe verhängt. Mein Anwalt hat gesagt, das hätte sie so nicht machen dürfen. Sie hätte entweder die Bewährung verlängern dürfen oder eine Geldstrafe verhängen dürfen. Beides gemeinsam ist aber nicht zulässig…. Das was mit Herrn x als Schadenersatz vereinbart war, habe ich ihm auch bezahlt. Vom Verhandlungsleiter befragt, ob ich damals in Geldnöten war, gebe ich an, dass ich Geld brauchte. Darum habe ich die Stoßstange abmontiert. Auf den Vorhalt des Verhandlungsleiter, dass ich laut Versicherungsdatenauszug damals Notstandshilfe und Überbrückungshilfe bekommen habe, gebe ich an, dass die Notstandhilfe sehr gering ist. Vom Verhandlungsleiter befragt, was sich nun seither geändert haben soll, da ich damals wie heute Notstandshilfe beziehe, gebe ich an, dass ich – wenn das Aufenthaltsverbot behoben ist – einen Aufenthaltstitel erhalte und arbeiten gehen kann. Es ermöglicht mir auf legalen Weg für meine Familie zu sorgen."

 

Der Bw wurde in der mündlichen Verhandlung auch zu den ersten drei strafrechtlichen Verurteilung, die Grundlage für das unbefristete Rückkehrverbot vom 14. Dezember 2007 waren, befragt. Dazu gab er an, dass er sich daran erinnere. Weiters: "Vom Verhandlungsleiter befragt, wie ich zu diesen strafrechtlichen Verurteilungen heute stehe, gebe ich an, dass es mir sehr leid tut, ich möchte aus meinen Leben etwas Gutes machen."

 

Zur Ausbildung des Berufungswerbers ist festzustellen, dass er bis zu seinem 13 Lebensjahr in Armenien lebte und dort bei seiner Ausreise gerade die siebte Schulstufe besuchte. Er schloss in Österreich den Polytechnischen Lehrgang erfolgreich ab. Er wurde in Deutsch mit der Note Gut beurteilt. Ergänzend führte er aus: "Ich durfte aber keine Lehre mache, das hat das AMS nicht erlaubt. Hätte ich eine Ausbildung machen dürfen, hätte ich jetzt wahrscheinlich nicht so viele Vorstrafen. Vom rechtsanwaltlichen Vertreter ergänzend zu den in Österreich absolvierten Ausbildungen befragt, gebe ich an, dass ich – wie aus meinem Führerschein hervorgeht – die Lenkberechtigung als Berufskraftfahrer erworben habe." Fest steht, dass der Berufungswerber nach wie vor fließend armenisch spricht. Er spricht fließend deutsch und benötigte daher in der mündlichen Verhandlung keinen Dolmetscher.

 

Bezüglich der im Bundesgebiet ausgeübten Erwerbstätigkeiten ist auf Grundlage des Versicherungsdatenauszuges vom 7. März 2013 festzustellen, dass der Bw vom 5. September 2007 bis 31. Dezember 2007 sowie vom 12. März 2008 bis 24. Dezember 2008 bei der x als Arbeiter beschäftigt war. Vom 24. Jänner 2011 bis 9. Februar 2011 war er bei der x als Arbeiter beschäftigt, vom 7. März 2011 bis 6. September 2011 war er als Arbeiter bei der x beschäftigt. Im Zeitraum 7. September 2011 bis 24. Jänner 2012 scheint ein Arbeitslosengeldbezug im Versicherungsdatenauszug auf, für den Zeitraum vom 25. Jänner 2012 bis 16. November 2012 und den Zeitraum 7. Februar 2013 bis 28. Februar 2013 Notstandshilfe, Überbrückungshilfe. Laut Mitteilung des AMS vom 21. Februar 2013 wurde dem Berufungswerber für den Zeitraum vom 7. Februar 2013 bis 5. Februar 2014 Notstandshilfe im Ausmaß von tgl. 13,19 Euro zuerkannt.

 

Der Berufungswerber wurde in der mündlichen Verhandlung zu seiner Erwerbstätigkeit befragt. Er sagte dazu aus: "Vom rechtsanwaltlichen Vertreter zu meiner Erwerbstätigkeit befragt, gebe ich an, dass ich zuletzt für die x gearbeitet habe. Das Dienstverhältnis endete am 6. September 2011, weil ich ab diesen Zeitpunkt nicht mehr arbeiten durfte. Vom Verhandlungsleiter ergänzend zum Hintergrund der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses bei der x befragt, gebe ich an, dass ich damals nicht länger als sechs Monate im Jahr als Saisonarbeiter arbeiten durfte."

 

Zu seinen Privat- und Familienverhältnissen ist fest zu stellen, dass er Mitte 2009 die nicht freizügigkeitsberechtigte österreichische Staatsbürgerin x kennen lernte. Seit Dezember 2009 leben die beiden in umfassender Lebensgemeinschaft (Zeugenaussage x Tonbandprotokoll Seite 7).

 

x beschrieb in der mündlichen  Verhandlung die Lebensgemeinschaft als harmonisch. Weiters führte sie aus: "Das einzige Problem ist, wie wir uns gemeinsam eine Zukunft aufbauen können. Wir möchten noch ein zweites Kind bekommen, letztlich lastet alles auf meinen Schultern, weil x nicht arbeiten gehen darf. Die ersten achtzehn Lebensmonate meiner kleiner Tochter über war ich zu Hause auf Karenz. Danach ging ich wieder arbeiten, um den Lebensunterhalt verdienen zu können. Ab diesem Zeitpunkt war mein Lebensgefährte zu Hause und hat auf die kleine Tochter aufgepasst. Vom Verhandlungsleiter befragt, ob Heirat ein Thema ist, gebe ich an, dass das sehr wohl ein Thema ist. Vom Verhandlungsleiter befragt, aus welchen Grund wir die Ehe bislang nicht geschlossen haben, gebe ich an, dass wir sehr wohl die Ehe schließen wollten. Beim Standesamt verlangte man von meinem Lebensgefährten einen Lichtbildausweis. Es wurde uns gesagt, dass weder die Duldungskarte noch der Führerschein ein entsprechender Lichtbildausweis sind. Daher konnten wir bislang nicht heiraten." Der Berufungswerber wurde in diesem Zusammenhang in der mündlichen Verhandlung zur Beschaffung eines Reisepasses über die armenische Botschaft befragt. Dazu sagte der Berufungswerber aus: "Ich habe sehr wohl mit der armenischen Botschaft gesprochen. Dort sagte man mir, dass man mir keinen Reisepass ausstellen könne, ich hätte nicht das Bundesheer besucht. In Armenien bekommt man erst ab dem 16. Lebensjahr einen Reisepass. Bis zum 16. Lebensjahr hat man nur die Geburtsurkunde. Die armenische Botschaft stellt mir auch jetzt keinen Reisepass aus."

 

Fest steht, dass der Beziehung zwischen x und dem Berufungswerber die nicht freizügigkeitsberechtigte österreichische Staatsbürgerin x, geb. x entstammt. Die Lebensgefährtin x wurde in der mündlichen Verhandlung zur Beziehung zwischen des Berufungswerber und der gemeinsamen Tochter befragt. Dazu gab sie an, dass die Tochter sehr auf den Berufungswerber fixiert ist. Weiters: "Es besteht ein sehr enges Naheverhältnis, wie es eben für Vater und Tochter üblich ist. Die Beziehung ist auch deshalb so intensiv, weil x ständig auf meine kleine Tochter aufpasst…. Vom Verhandlungsleiter befragt, wo meine Tochter gerade ist, gebe ich an, dass sie bei meiner Mutter ist. Meine Eltern sind ebenfalls österreichische Staatsbürger und leben ebenfalls in Graz. Wir unterstützen uns gegenseitig und halten einen engen Kontakt."

 

x ist gebürtige Bosnierin und lebt seit dem Jahr 1992 in Österreich. Seit dem Jahr 2001 ist sie österreichische Staatsbürgerin. Sie verfügt über einen Gewerbeschein für kleingewerbliche Transporte. Dabei erzielt sie monatlich ein Einkommen von ca. 1.200 Euro. Sie verwies in der mündlichen Verhandlung auf Einkommensspezifische Schwankungen. Wie sie ausführt, soll der Berufungswerber im Falle der Erteilung eines Aufenthaltstitels die Firma übernehmen. Er erklärte sich dazu auch bereit. x und der Berufungswerber würden dann – so ihre Angaben – die Firma gemeinsam ausbauen.

 

Laut Angaben des Berufungswerbers sind seine Eltern bereits verstorben. Es leben aber weitschichtig Verwandte in Armenien, so zB. sein Großonkel. Er hat – wie er aussagte – aber überhaupt keinen Kontakt nach Armenien.

 

3. Zur Beweiswürdigung:

 

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich unstrittig aus den angeführten Beweismittel, insb der Aussage des Bw und seiner Lebensgefährtin x.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

 

Das unbefristete Rückkehrverbot gilt gemäß § 62 Abs. 4 Fremdenpolizeigesetz (FPG) idF. vor dem 1. Juli 2011 mit der am 5. Februar 2010 eingetretenen Rechtskraft der asylrechtlichen Ausweisung als Aufenthaltsverbot. Vor in Kraft treten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 erlassene Aufenthaltsverbote gemäß § 60 oder Rückkehrverbote gemäß § 62 bleiben gemäß § 125 Abs. 16 FPG bis zum festgesetzten Zeitpunkt weiterhin gültig. Eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot sind gemäß § 69 Abs. 2 FPG auf Antrag oder von Amtswegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu ihrer Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Gleiches gilt gemäß § 60 Abs. 5 FPG bei Rückkehrverboten.

 

Ein Antrag auf Aufhebung eines Rückkehrverbotes kann nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung der Maßnahme die dafür maßgeblichen Umstände zugunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Rückkehrverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist (vgl. VwGH vom 3. November 2010, GZ: 2010/18/0358). Dabei ist vor allem auf die dem Rückkehrverbot zugrundeliegende Gefährdungsprognose und die Privat- und Familienverhältnisse einzugehen.

 

Das Rückkehrverbot wurde unbefristet verhängt. Seit Inkrafttreten wesentlicher Bestandteile des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2011 (FrÄG 2011) am 1. Juli 2011 ist ein unbefristetes Rückkehrverbot gem. § 54 Abs 3 FPG nur mehr in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z. 5 – 8 FPG vorgesehen. § 53 Abs. 3 Z. 5 – 8 FPG stellt – kurz zusammengefasst – auf besonders schwerwiegende Verbrechen ab. So wäre eine bestimmte Tatsache im Sinn des § 53 Abs. 3 Z. 5 FPG erst bei einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als 5 Jahren gegeben. Im Falle des Bw ist kein Tatbestand nach § 53 Abs. 3 Z. 5 – 8 FPG erfüllt, weshalb nach der Rechtslage des FrÄG 2011 als Konsequenz der angeführten strafgerichtlichen Verurteilungen gemäß § 53 Abs 3 Z 1 iVm § 54 Abs 3 FPG (lediglich) ein bis zu 10-jähriges Rückkehrverbot verhängt würde. Diese mit am 1. Juli 2011 in Folge des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2011, BGBl. I Nr. 38/2011, in Kraft getretene Änderung der Rechtslage führt aber nicht zwangsläufig zur Behebung des Rückkehrverbotes. Sofern die dem ursprünglichen Rückkehrverbot zu Grunde liegende Gefährdungsprognose noch aufrecht zu erhalten ist, kommt eine Behebung erst nach 10 Jahren - gerechnet ab Durchsetzbarkeit des Rückkehrverbotes - in Betracht (vgl VwGH vom 2. Oktober 2012, GZ 2012/21/0028). Dabei war zu beachten, dass der Bw selbst nach Erlassung des Rückkehrverbotes – zuletzt im Mai 2012 – einschlägig delinquierte. Nun mag es nicht ausgeschlossen sein, dass er nach Behebung des Rückkehrverbotes und der Erteilung eines Aufenthaltstitels erneut einer Erwerbstätigkeit nachgehen wird. Dies allein reicht aber nicht aus, um schon zum jetzigen Zeitpunkt eine nachhaltige Besserung des Bw annehmen zu können.

 

Jedoch wurde nach Eintritt der Rechtskraft des Rückkehrverbotes die Tochter des Bw geboren. Mit dieser führt er ein harmonisches Familienleben. Die Beziehung ist gerade deshalb so intensiv, weil der Bw ständig auf seine kleine Tochter aufpasst. Mj x ist damit gemäß § 61 Abs 3 FPG iVm § 54 Abs 2 FPG ein erhebliches persönliches Interesse an der Fortsetzung der Familiengemeinschaft mit dem Bw zuzubilligen. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Familiengemeinschaft im Falle einer erzwungenen Ausreise des Berufungswerbers auf Dauer aufgehoben würde, zumal die Kindesmutter x keinen erkennbaren Bezug nach Armenien aufweist (vgl dazu VwGH vom 15. Dezember 2011, GZ 2009/21/0303).

 

Zudem weist die LPD Steiermark in ihrem Aktenvermerk, welcher Grundlage für die Ausstellung der Duldungskarte ist, auf das Privat- und Familienleben des Berufungswerbers mit österreichischen Staatsbürgern hin. Infolge des von der LPD Steiermark eingeräumten Duldungsstatus konnte sich das Familienleben zwischen dem Berufungswerber und seiner minderjährigen Tochter intensivieren.  Als Vater ist der Berufungswerber mittlerweile – wie sich aus der Aussage der x ergibt - eine entscheidende Bezugsperson für seine kleine Tochter. Wenn die zuständige Fremdenpolizeibehörde eine Duldungskarte ausstellt und dabei auch die Familiengemeinschaft mit österreichischen Staatsbürger erkennbar als Grundlage heranzieht, relativiert dies das öffentliche Interesse an der Durchsetzung fremdenpolizeilicher Maßnahmen (vgl auch § 61 Abs. 2 Z9 FPG).

 

Nunmehr überwiegt das persönliche Interesse der x an der Fortsetzung der Familiengemeinschaft mit dem Berufungswerber gemäß § 61 Abs 3 iVm § 54 Abs 2 FPG das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung. Ein Rückkehrverbot bzw. Aufenthaltsverbot ist mittlerweile dauerhaft unzulässig. Infolge der Familiengemeinschaft mit x sind die Gründe, die zu Erlassung des Rückkehrverbotes geführt haben, weggefallen. Aus diesem Grund war spruchgemäß zu entscheiden.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Berufungsverfahren sind Stempelgebühren für die Berufung von 144,30 Euro angefallen (Eingabegebühr, Gebühr für Beilagen).

 

 

Mag. Wolfgang Weigl

 

 

 

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