Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730694/9/Wg/GRU

Linz, 16.04.2013

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Wolfgang Weigl über die Berufung der x, geb. x, x, x, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Oö. vom 19.11.2012, Az. 1055105/FRB, betreffend Antrag auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 20.3.2013 zu Recht erkannt:

 

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG), § 69 Abs 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG)

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Die Landespolizeidirektion Oö. (im Folgenden: belangte Behörde) wies mit Bescheid vom 19.11.2012, Az. 1055105/FRB, den Antrag der Berufungswerberin (im Folgenden: Bw) vom 26.5.2011 auf Aufhebung des mit Bescheid der vormaligen Sicherheitsdirektion für Oö. vom 28.12.2006 unter der Zahl St‑254/06, im Instanzenzug (erstinstanzlicher Bescheid der vormaligen BPD Linz vom 25.10.2006 unter der Zahl 1055105/FRB) gegen sie erlassenen unbefristeten Aufenthaltsverbotes gem. § 69 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) ab. Die belangte Behörde argumentierte, die damalige gesamte private familiäre Situation sei bereits bei Erlassung des Aufenthaltsverbotes von der Behörde berücksichtigt worden. Zwischenzeitlich hätten sich die privaten und familiären Umstände lediglich dahingehend geändert, dass die Bw ihre am 2.9.2009 geborene Tochter x betreue. Von entscheidender Relevanz sei vor allem der Umstand, dass gegen die Bw und die Tochter x seit Februar 2011 rechtskräftig und durchsetzbare Ausweisungen in das Heimatland bestehe. Maßgeblich für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes und demzufolge für die zu treffende Prognose sei der Zeitpunkt der rechtskräftigen Erlassung des Aufenthaltsverbotes. Auf diesen Zeitpunkt bezogen sei die relevante Gefährlichkeitsprognose unter Berücksichtigung aller bis dahin eingetretenen relevanten Umstände getroffen worden.

 

2. Dagegen richtet sich die Berufung vom 29.11.2012. Die Bw beantragt darin, der ggst. Berufung gegen den Bescheid der LPD Oö. stattzugeben und das über die Bw verhängte Aufenthaltsverbot aufzuheben. Begründend führte sie aus, dass das Oberlandesgericht Linz eine unbedingte Freiheitsstrafe von 15 Monaten erlassen habe sei hier nicht von entscheidungswesentlicher Bedeutung, weil die Fremdenpolizeibehörden die Beurteilung der Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes eigenständig und unabhängig von den eine bedingte Entlassung begründenden Erwägungen des Strafgerichtes zu treffen hätten. Der Bw sei es aus psychischen Gründen nicht möglich gewesen, folgende Angaben sowohl vor den Strafverfolgungsbehörden als auch gegenüber der Fremdenpolizei zu machen: "Sehr geehrte Damen und Herren, … im Falle der Abschiebung nach x muss ich mit folgenden Konsequenzen rechnen: Polizeiliche Verfolgung (Doppelbestrafung); Verfolgung von einer kriminellen Gruppe (Misshandlungen und andere körperliche Eingriffe, unmenschliche Behandlung). Bei dieser Gelegenheit möchte ich eine ganz unangenehme Geschichte erzählen, die mir vor mehr als 6 Jahren geschehen ist und die ich bis jetzt ohne hysterische Anfälle nicht erzählen kann. Aber denke auch, dass ich sie erzählen soll. Im Sommer 2006 wurde ich vergewaltigt … Stundenlang hat er mich missbraucht, geschlagen, gedemütigt. … Und dann später am Ende hat er gesagt, dass er das gemacht hat, nur weil ich nach Österreich nicht fahren will. Aber ich muss fahren, er will weiter die Leute nach Europa schleppen und viel Geld verdienen. Und bevor mich gehen zu lassen, hat er mit der grausamen Abrechnung gedroht, wenn ich zur Polizei gehen werde. … Bis jetzt Albträume, Blitzerinnerungen über die Vergewaltigung verlassen mich nicht. … Und ich habe mich entschieden, nach Österreich zu fahren und am 6. August wurde ich festgenommen. Nachdem ich mit den österreichischen Strafverfolgungsbehörden kooperiert und die ganze Wahrheit erzählt habe, werde ich wegen meiner Zeugenaussagen durch die Rädelsführer und Hintermänner dieser Schleppereidelikte zwischen x und Österreich verfolgt. … Ich bin eine ambitionierte, fähige, arbeitswillige und lebensfähige Frau. Ich könnte mein eigenes Leben in die Hand nehmen. Ich habe vorgenommen, so zu leben, dass ich meine Taten zutiefst bereue. Wie Sie schon wissen, im September 2009 bin ich Mutter geworden. x wurde in Österreich zur Welt gebracht und jetzt bin ich verantwortlich für ein anderes Leben – das Leben meiner Tochter. Ich glaube, ein Kind sollte die Möglichkeit bekommen, ohne Angst aufzuwachsen und durch eigene Mutter erzogen zu werden, was in x unmöglich für sie sein würde. Ich würde mein Bestes dafür tun, dass eines Tages Österreich auf meine Tochter sowie auf mich stolz sein kann." Weiters wird im Berufungsschriftsatz ausgeführt, die Bw befürchte bei einer Rückkehr nach x weiterhin Verfolgung durch organisierte Frauenhändler ausgesetzt zu sein. Zum Frauenhandel berichte der ehemalige UN-Sonderberichterstatter für Folter, x, das x als ärmstes Land in Europa für Frauenhändler besonders attraktiv sei.

 

3. Die belangte Behörde legte dem Unabhängigen Verwaltungssenat als zuständige Berufungsbehörde den Verfahrensakt zur Entscheidung vor.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch die öffentliche mündliche Verhandlung am 20.3.2013. In der mündlichen Verhandlung wurde einvernehmlich festgehalten, dass die vorgelegten Verfahrensakte der LPD Oö. sowie der LPD Stmk. als verlesen gelten. Der Verfahrensakt des UVS 730694 wurde einvernehmlich verlesen. Weiters wurde die Bw als Partei einvernommen. Sie legte dem UVS folgende Urkunden vor: Sprachzertifikat vom 27.11.2008, Ladung des UVS Steiermark vom 11.1.2013, Beschäftigungszusage vom 12.2.2013, Bescheid der steiermärkischen Landesregierung betreffend Grundversorgung vom 13.6.2012. Abschließend verzichteten die Verfahrensparteien auf eine weitere Beweisaufnahme.

 

4.1. Der Vertreter der Landespolizeidirektion erstattete folgendes Schlussvorbringen:

"Die heutige Verhandlung hat keine wesentliche Änderung in den persönlichen Verhältnissen der Bw seit dem relevanten Stichtag 8.2.2011 ergeben. Es wird darauf verwiesen, dass sowohl die Bw als auch ihre Tochter über ausgezeichnete Russischkenntnisse verfügen. Die Bw verfügt über einen intakten Familienverband im Heimatland. Aus diesem Grund wird die Abweisung der Berufung und die Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides beantragt."

 

4.2. Die Bw erstattete gemeinsam mit ihrem Rechtsbeistand folgendes Schlussvorbringen:

"Seit 1.9.2012 besteht die Möglichkeit, dass man Zeugen bzw. Opfern von Menschenhandel oder grenzüberschreitenden Prostitutionshandel eine Aufenthaltsbewilligung für besonderen Schutz gem. § 69a Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz erteilt. Bislang wurde aber kein solcher Antrag gestellt, weil das Aufenthaltsverbot einen Versagungsgrund darstellen würde. Frau x wurde ja selber verurteilt, der Strafprozess hat sich sehr lange hingezogen, was mitunter wahrscheinlich auch der Grund ist, weshalb bislang keine Abschiebung durchgeführt wurde. Es wird die Stattgabe der Berufung und Behebung des Aufenthaltsverbotes beantragt. Weiters möchte ich ergänzen, dass ich nur russisch spreche. Auch die Eltern sprechen nur russisch. Amtssprache in x ist mittlerweile aber rumänisch."

 

 

 

 

5. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht folgender Sachverhalt fest:

 

Gegen die Bw, eine StA von Moldawien, war im Hinblick auf eine strafgerichtliche Verurteilung wegen Schlepperei zu einer 15-monatigen Freiheitsstrafe mit im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland OÖ. vom 28.12.2006 gem. § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden. Bereits davor, im Oktober 2006, hatte die Bw einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, welcher letztinstanzlich – unter gleichzeitiger Erlassung einer Ausweisung nach § 10 Abs. 1 Z. 2 Asylgesetz 2005 – mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 2.2.2011 abgewiesen wurde. Mit Eingabe vom 26.5.2011 beantragte die Bw die Aufhebung des gegen sie erlassenen Aufenthaltsverbotes. Die Bundespolizeidirektion Linz wies diesen Antrag mit Bescheid vom 25.8.2011 mangels gesetzlicher Grundlage als unzulässig zurück. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich behob mit Erkenntnis vom 1.6.2012, Zl. VwSen-730509/6/Wg/WU, diesen Bescheid und verwies die Angelegenheit zur Sachentscheidung an die Bundespolizeidirektion zurück. Der Verwaltungsgerichtshof hat die dagegen erhobene Amtsbeschwerde der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oö. mit Erkenntnis vom 28.8.2012, Zl. 2012/21/0159-3, als unbegründet abgewiesen.

 

In weiterer Folge erließ die belangte Behörde den nunmehr bekämpften Bescheid vom 19.11.2012, gegen den sich die verfahrensgegenständliche Berufung richtet.

 

Ergänzend festzustellen ist, dass x, die Tochter der Bw, am x geboren wurde und ebenfalls Staatsangehörige von x ist. x stellte ebenfalls einen Asylantrag, der letztinstanzlich unter gleichzeitiger Erlassung einer Ausweisung nach § 10 Asylgesetz 2005 – mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 2.2.2011 abgewiesen wurde. Die Bw lebt mit ihrer Tochter gemeinsam in einem Haushalt. Abgesehen davon ist sie alleinstehend. x spricht wie ihre Mutter Russisch und Deutsch. Wenn x nicht im Kindergarten ist, ist sie mit der Bw zusammen, die auch für sie sorgt. In der Zeit, währenddessen sich die Tochter im Kindergarten aufhält, lernt die Bw Deutsch, liest und bildet sich weiter.

 

In Wien lebt die Schwester des Mannes des Cousine der Bw. Abgesehen davon halten sich keine Angehörigen im Bundesgebiet auf. Die Bw verfügt aber in Österreich über einen Freundeskreis. Darunter befinden sich auch Österreicher. Bspw. ist hier Herr x anzuführen. Herr x ist bei der Lebenshilfe angestellt. Die Lebenshilfe stellte für die Bw mit Schreiben vom 12.2.2013 eine Beschäftigungszusage aus. Darin wird ausgeführt: "Ich darf Ihnen mitteilen, dass wir an einer Beschäftigung ihrer Person im Bereich der Raumpflege in Behinderteneinrichtungen interessiert sind und eine Anstellung nach Erfüllung aller formalen gesetzlichen Voraussetzungen hiermit in Aussicht gestellt wird."

 

Im Versicherungsdatenauszug der vom 19.11.2012 ist kein sozialversicherungs­pflichtiges Beschäftigungsverhältnis eingetragen. Die Bw lebte zum Zeitpunkt des Abschlusses des Asylverfahrens am 8.2.2011 in der Grundversorgung. Sie lebt auch nach wie vor von der Grundversorgung. Sie suchte am 20.4.2012 für sich und ihre Tochter x um Mitunterstützung und Verpflegsgeld an. Diesem Antrag wurde von der steiermärkischen Landesregierung mit Bescheid vom 13.6.2012, Gz. FA-11A17.18-7443/09-36, gem. § 10 Steiermärkisches Betreuungsgesetz iVm Art. 9 Z. 2 Grundversorgungsvereinbarung Art. 15a B-VG LGBl.Nr. 39/2004 mit Wirkung vom 1.5.2012 für obige Adresse (x) stattgegeben. Als monatlicher Leistungsbezug wurde für x ein Verpflegsgeld von 200,-- Euro und für x ein Verpflegsgeld von 90,-- Euro zuerkannt. Die Mietunterstützung für die Familie beträgt 188,10 Euro.

 

Die Bw verfügt über ein Zertifikat über Deutschkenntnisse auf dem Niveau B2 vom 27.11.2008. In der mündlichen Verhandlung war eine Verständigung mit der Bw ohne weiteres möglich. Sie benötigte keinen Dolmetscher.

 

Vom Verhandlungsleiter zur in der Berufung angesprochenen Vergewaltigung befragt und dazu befragt, weshalb das Vorbringen nunmehr erstmals im Berufungsverfahren vor dem UVS erstattet wurde, gab die Bw in der mündlichen Verhandlung an, dass sie sich bislang nicht getraut habe, das zu erzählen. Weiters: "Ich hatte Angst, dass mich der Vergewaltiger findet und sich rächen wird. Außerdem habe ich mich sehr geschämt." Vom Verhandlungsleiter befragt, wohin sie gehen würde, wenn sie jetzt nach x ausreisen müsste, gab sie in der mündlichen Verhandlung an, dass sie keine Ahnung habe, wohin sie gehen würde. Weiters: "Ich verweise dazu auf die katastrophalen Verhältnisse in x Strafanstalten bzw. x Strafvollzug. Ich befürchte, dass ich in x eingesperrt werde und dass sich der Vergewaltiger an mir rächen wird." Der Verhandlungsleiter wies die Berufungswerberin in der mündlichen Verhandlung auf die asylrechtliche Relevanz dieses Vorbringens hin und fragte die Bw, ob sie einen Asylantrag stellen möchte. Die Bw hielt dazu fest: "Ich möchte keinen Asylantrag stellen." Fest steht, dass die Bw zur Zeit in Österreich nicht ärztlich behandelt wird. Sie nimmt auch keine Medikamente. Sie nimmt nur hie und da Vitaminpräparate.

 

Zu Ihrer Herkunftsfamilie ist festzustellen, dass ihr Vater und ihr Bruder in x leben. Ihre Mutter wohnt in Griechenland. Sie pendelt zwischen Griechenland, Österreich und x hin und her. Sie ist die einzige aus der Familie der Bw, die über einen EU-Aufenthaltstitel verfügt. Die Bw hat ihren Bruder und ihren Vater zuletzt im Jahr 2006 vor ihrer Ausreise persönlich gesehen. Sie hält zu den beiden aber Kontakt über Skype.

 

Ihre Mutter fährt 1-mal im Jahr, wenn sie Urlaub hat, nach x. Sie lebt dann beim Vater der Bw und beim Bruder der Bw. Die Ehe zwischen den Eltern der Bw ist nach wie vor aufrecht. Diese leben in x, einer kleinen x Stadt an der x Grenze. Ihre Eltern besitzen dort ein kleines Haus. Sie leben mit ihrem Bruder gemeinsam in diesem kleinen Haus. Die Bw ist in diesem Haus bei ihren Eltern ausgewachsen und zog dort aus, als sie 17 war. Zum Zeitpunkt ihrer Ausreise nach Österreich hatte sie eine Mietwohnung in der Hauptstadt x.

 

Fest steht, dass die Bw sich seit der angeführten strafrechtlichen Verurteilung in Österreich nichts mehr zu Schulden kommen hat lassen.

 

6. Zur Beweiswürdigung:

 

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich unstrittig aus dem Vorbringen der Bw, den vorgelegten Verfahrensakten und den von der Bw vorgelegten Urkunden.

 

7. Der Verwaltungssenat hat dazu in rechtlicher Hinsicht erwogen:

 

Gemäß § 63 Abs. 1 FPG 2005 idgF kann gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt

  1. die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder
  2. anderen in Art 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

 

Bestimmte Tatsachen im Sinne des § 63 Abs. 1 FPG 2005 idgF sind insbesondere jene des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 und Abs. 3. § 53 Abs. 5 und 6 gelten.

 

Ein Aufenthaltsverbot ist gemäß § 63 Abs. 3 iVm Abs. 1 FPG 2005 idgF in den Fällen des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 FPG 2005 idgF für die Dauer von mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für 5 Jahre, in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 1 bis 4 FPG 2005 idgF für höchstens zehn Jahre und in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 5 bis 8 FPG 2005 idgF auch unbefristet zu erlassen. Die Frist beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

 

Gemäß § 53 Abs. 2 FPG 2005 idgF ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für fünf Jahre zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat die Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, ob der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige

  1. wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungs-gesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;
  2. wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;
  3. wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt;
  4. wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;
  5. wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;
  6. den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag, es sei denn, er ist rechtmäßig zur Arbeitsaufnahme eingereist und innerhalb des letzten Jahres im Bundesgebiet mehr als sechs Monate einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen;
  7. bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;
  8. eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat oder
  9. an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat.

 

Gemäß § 53 Abs. 3 FPG 2005 idgF ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

  1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;
  2. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;
  3. ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;
  4. ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;
  5. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;
  6. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);
  7. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder
  8. ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

 

Wird durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist gemäß § 61 Abs. 1 FPG 2005 idgF die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Gemäß § 61 Abs. 2 FPG 2005 idgF ist bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

  1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;
  2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;
  3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;
  4. der Grad der Integration;
  5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;
  6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;
  7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;
  8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;
  9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 28.8.2012, Zl. 2012/21/0159-3, klargestellt, dass im vorliegenden Fall § 69 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) anzuwenden ist.

 

Eine Ausweisung und ein Aufenthaltsverbot sind gem. § 69 Abs. 2 FPG auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu ihrer Erlassung geführt haben, weggefallen sind.

 

Das mit im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oö. vom 28.12.2006 erlassene Aufenthaltsverbot wurde unbefristet verhängt. Seit Inkrafttreten des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2011 (FrÄG 2011) ist ein unbefristetes Aufenthaltsverbot gem. § 63 Abs. 3 FPG nur mehr in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z. 5 – 8 FPG vorgesehen. § 53 Abs. 3 Z. 5 – 8 FPG stellt – kurz zusammengefasst – auf besonders schwerwiegende Verbrechen ab. So wäre eine bestimmte Tatsache im Sinn des § 53 Abs. 3 Z. 5 FPG erst bei einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als 5 Jahren gegeben. Im Falle der Bw ist kein Tatbestand nach § 53 Abs. 3 Z. 5 – 8 FPG erfüllt, weshalb nach der Rechtslage des FrÄG 2011 als Konsequenz der strafgerichtlichen Verurteilung wegen Schlepperei zu einer 15-monatigen Freiheitsstrafe (lediglich) gemäß § 53 Abs 3 Z 1 iVm § 63 Abs 3 FPG ein bis zu 10-jähriges Aufenthaltsverbot verhängt würde. Dem Umstand, dass nach derzeitiger Rechtslage kein unbefristetes Aufenthaltsverbot gegen die Bw erlassen werden dürfte, ist in der Form nachzukommen, dass die Behörde nach Ablauf von zehn Jahren das Aufenthaltsverbot von Amts wegen oder auf Antrag des Bw aufzuheben hat (vgl VwGH vom 2. Oktober 2012, GZ 2012/21/0028). Dass sich die Bw zum jetzigen Zeitpunkt schon nachhaltig gebessert hätte, ist ausgehend von der Rechtskraft des Berufungsbescheides der Sicherheitsdirektion für das Bundesland für Oö. vom 28.12.2006 noch nicht ersichtlich. Allein die Beteuerung der Berufungswerberin ein ordentliches Mitglied der Gesellschaft zu sein bzw. zu werden, reicht nicht aus, um auf eine nachhaltige Besserung schließen zu können. Abgesehen davon hält sich die Bw entgegen der asylrechtlichen Ausweisung nach wie vor im Bundesgebiet auf und beeinträchtigt damit das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens.

 

Dem gegenüber stehen die von der Bw eingewendeten persönlichen Interessen an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet. So führte sie – kurz zusammengefasst – aus, sie befürchte eine Doppelbestrafung und die katastrophalen Verhältnisse im x Strafvollzug. Sie befürchtet, in x eingesperrt zu werden und dass sich der Vergewaltiger an ihr rächen werde. Sie führte aus, sie sei Opfer von Menschenhandel geworden, was bei der strafrechtlichen Verurteilung nicht entsprechend berücksichtigt worden sei.

 

Soweit sie vermeint, sie sei Opfer von Menschenhandel geworden, was bei der strafrechtlichen Verurteilung nicht entsprechend berücksichtigt worden sei, ist sie auf die Rechtsmittel im gerichtlichen Strafverfahren zu verweisen. Im Verfahren nach § 69 Abs. 2 FPG sind nur nach Rechtskraft des Aufenthaltsverbotes eingetretene Änderungen zu berücksichtigen. Bei einem Antrag auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes iSd § 69 Abs 2 FPG wird die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltsverbotes wie auch der zu Grunde liegenden strafrechtlichen Verurteilung nicht überprüft (vgl. VwGH vom 2.9.2008, Gz. 2006/18/0512). Umstände, die vor Erlassung des Aufenthaltsverbotes stattgefunden haben, können allenfalls gem. § 69 AVG mit einem Antrag auf Wiederaufnahme des fremdenpolizeilichen Verfahrens geltend gemacht werden. Entscheidendes Beweisthema in diesem Wiederaufnahmeverfahren wäre gem. § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG insbesondere, ob die behaupteten neuen Tatsachen im Verfahren ohne Verschulden der Parteien nicht geltend gemacht werden konnten.

 

Soweit sie eine (unzulässige) strafrechtliche Verfolgung in x bzw. den dortigen Strafvollzug befürchtet, ist zu erwidern: Die Frage, ob der Bw wegen drohender Verfolgung eine Ausreise in das Herkunftsland nicht zumutbar wäre, ist in einem gesonderten Verfahren gem. § 51 FPG bzw. in einem allfälligen Verfahren über die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gem. § 8 Asylgesetz 2005 zu beurteilen (vgl. VwGH vom 22.3.2011, Gz. 2007/18/0628). Dies gilt auch für das Vorbringen, sie befürchte, dass sich der Vergewaltiger an ihr rächen werde. Die Bw stellte in der mündlichen Verhandlung aber ausdrücklich klar, sie wolle keinen Asylantrag stellen.

 

Änderungen im Privat- und Familienleben eines Fremden können im Lichte des Art. 8 EMRK iVm § 61 FPG sehr wohl im Verfahren nach § 69 Abs. 2 FPG von Relevanz sein. So wurde nach der Erlassung des Berufungsbescheides der Sicherheitsdirektion vom 28.12.2006 die Tochter x geboren. Jedoch wurden sowohl Bw als auch ihre Tochter rechtskräftig im Asylverfahren ausgewiesen. Es ist nicht ersichtlich, dass sich seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes bzw. der darauffolgenden Ausweisung im Asylverfahren die familiären Verhältnisse der Bw dermaßen geändert hätten, dass eine Ausweisung bzw. ein Aufenthaltsverbot nunmehr unzulässig wäre. Die Bw und ihre Tochter sprechen Russisch und können sich damit in x verständlich machen. Daran ändert der Umstand, dass mittlerweile Rumänisch Amtssprache ist, nichts. Die Tochter besucht noch nicht die Schule, weshalb ihr eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft des Heimatstaates und der dortige Schulbesuch ohne weiteres zumutbar sind. In x leben die Eltern und der Bruder der Bw. Zu diesen hält die Bw Kontakt, womit ein entsprechender sozialer Anknüpfungspunkt gegeben ist. Es bestehen nach wie vor ausreichende Bindungen zum Heimatstaat (§ 61 Abs 2 Z 5 FPG). Vor diesem Hindergrund haben sich keine Änderungen ergeben, die gem. § 69 Abs. 2 FPG zur Aufhebung des Aufenthaltsverbotes führen würden.

 

Eine Aufhebung des Aufenthaltsverbotes kommt im Sinn des § 53 Abs. 3, §§ 63 und 69 Abs. 2 FPG unter den derzeitigen Verhältnissen (d.h. bei weiterem Wohlverhalten) erst nach Ablauf von 10 Jahren – gerechnet ab der Durchsetzbarkeit des im Instanzenzug ergangenen Aufenthaltsverbotes vom 28.12.2006 – in Betracht. Aus diesem Grund war spruchgemäß zu entscheiden.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren sind Stempelgebühren für die Beschwerde von 29,90 Euro angefallen (Eingabegebühr 14,30 Euro; 15,60 Euro Gebühren für Beilagen).

 

 

Mag. Wolfgang Weigl

 

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