Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-167606/6/MZ/WU

Linz, 05.03.2013

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Markus Zeinhofer über die Berufung des X, geboren am X, X, vertreten durch X, gegen das Straferkenntnis des Landespolizeidirektors von Oberösterreich vom 3. Jänner 2013, AZ: S-34856/12-3, betreffend eine Übertretung des Kraftfahrgesetzes zu Recht erkannt:

 

I.            Der Berufung wird stattgegeben, der bekämpfte Bescheid ersatzlos behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.         Der Berufungswerber hat keinen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: §§ 24, 45 Abs 1 Z 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 iVm § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991.

zu II.: § 65 Verwaltungsstrafgesetz.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis des Landespolizeidirektors von Oberösterreich vom 3. Jänner 2013, AZ: S-34856/12-3, wurde dem Berufungswerber (im Folgenden: Bw) angelastet, am 23. August 2012 um 09:53 Uhr in X, von der Xstraße kommend auf Höhe des Hauses X X (Fahrtrichtung stadtX) das Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen X gelenkt und als Lenker während der Fahrt ohne Benützung einer Freisprecheinrichtung im Sinne der Verordnung vom 11. Mai 1999, BGBl II 1999/152, telefoniert zu haben. Dies sei bei einer Anhaltung gemäß § 97 Abs 5 StVO 1960 festgestellt worden. Der Bw habe trotz Anbots die Zahlung einer Organstrafverfügung verweigert.

 

Der Bw habe dadurch § 102 Abs 3 fünfter Satz KFG 1967 verletzt, weshalb gemäß § 134 Abs 3c leg cit eine Geldstrafe in der Höhe von 60,00,- EUR, ersatzweise 18 Stunden Freiheitsstrafe, verhängt wurden.

 

Begründend wird im Straferkenntnis auf das Wesentliche verkürzt ausgeführt, dass der dem Spruch zugrundeliegende Sachverhalt durch die eigene dienstliche Wahrnehmung eines Organes der Straßenaufsicht und das behördlich durchgeführte Ermittlungsverfahren zweifelsfrei erwiesen sei.

 

Der Bw habe fristgerecht gegen die dem Straferkenntnis vorangegangene Strafverfügung geltend gemacht, nicht ohne Freisprecheinrichtung telefoniert zu haben. Das Mobiltelefon sei unbenützt in einer Ablage auf dem Armaturenbrett gelegen, der letzte angenommene Anruf sei um 08.29 Uhr gewesen und die letztmalige Rufnummer am 22. August 2012 um 17.12 Uhr gewählt worden.

 

Der meldungslegende Polizist habe hingegen bei seiner zeugenschaftlichen Einvernahme angegeben, dass er eindeutig auf eine Entfernung von etwa 15 bis 17 Metern hin wahrnehmen habe können, dass der Bw mit dem Handy telefoniert habe. Der Bw hätte dieses dabei mit der linken Hand an das linke Ohr gehalten, weshalb auch die Anhaltung erfolgt sei. Als Beweismittel wurde eine Übersichtsaufnahme des Tatortes sowie eine genaue Skizze der Tatörtlichkeit beigebracht.

 

Nach Zitierung der einschlägigen Rechtsvorschriften führt die belangte Behörde weiter aus, dass an der Richtigkeit des zugrundeliegenden Sachverhaltes kein Anlass zu zweifeln bestehe, zumal dieser von einem zur Beobachtung und Überwachung des öffentlichen Straßenverkehrs geschulten Organ der Straßenaufsicht im Zuge einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle einwandfrei festgestellt werden konnte. Es könne zudem nicht ausgeschlossen werden, dass der Bw mit einem weiteren Mobiltelefon ohne Freisprecheinrichtung telefoniert habe.

 

Für die Richtigkeit der vom meldungslegenden Polizisten angezeigten Wahrnehmungen spreche vor allem der Umstand, dass dieser die dem Bw zur Last gelegte Übertretung von der Rotlichtphase der Ampelanlage Xstraße/X beginnend bis zur Aufnahme der Weiterfahrt und dem Anhalten vor einem Schutzweg auf äußert kurze Entfernung von etwa 15 bis 17 Metern hin durchgehend beobachtet habe. Der Meldungsleger habe unter Diensteid angegeben, eindeutig gesehen zu haben, wie der Bw ein Handy mit der linken Hand zum linken Ohr gehalten habe, weshalb den Angaben des Beamten mehr Glauben beizumessen sei als jenen des Bw, der sich so verantworten könne, wie es für ihn günstig sei.

 

Es folgen keine auf den konkreten Fall bezogene Ausführungen zur Strafbemessung. Als mildernd wertete die belangte Behörde das Fehlen verwaltungsstrafrechtlicher Vormerkungen, Erschwerungsgründe hätten keine vorgelegen. Die belangte Behörde ging davon aus, dass der Bw kein für das Verfahren relevantes Vermögen besitzt, keine ins Gewicht fallenden Sorgepflichten hat und ein Einkommen von 1.000,- EUR monatlich bezieht.

 

2.1. Gegen das Straferkenntnis erhob der Bw im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung mit Schreiben vom 11. Jänner 2013, zur Post gegeben am 14. Jänner 2013, rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung.

 

Inhaltlich bringt der Bw sinngemäß vor, der Meldungsleger müsse sich aufgrund der hohen Distanz der Wahrnehmung von mehr als 15 Metern irren, da er die Verwaltungsübertretung nicht begangen habe. Ein entsprechender Augenschein würde Aufklärung bringen.

 

Der Bw führt weiters aus, dass es sich bei seinem Fahrzeug um einen Citroen Jumper und damit um ein relativ hohes Fahrzeug handle. Während der Fahrt stütze er sich manchmal gerne auf die Fahrertürkante und gleichsam an das Fenster. Vielleicht habe der Umstand, dass er sich dabei mit der linken Hand den Kopf abstütze, zu dem Irrtum geführt. Er sei im Besitz einer Freisprecheinrichtung und habe noch nie einen Gedanken daran verschwendet, ohne diese zu telefonieren.

 

Der Bw beantragt daher, das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, in eventu mit einer Ermahnung das Auslangen zu finden oder den Strafbetrag auf ein Minimum zu senken.

 

2.2. Festgehalten wird zudem, dass der Bw in seinem Einspruch gegen die dem angefochtenen Straferkenntnis vorangegangene Strafverfügung geltend macht, dem Meldungsleger auf dessen Vorhalt hin, der Bw könne auch mit einem anderen als dem auf der Ablage liegenden Mobiltelefon ein Gespräch geführt haben, angeboten zu haben, das Auto nach weiteren Telefonen zu durchsuchen. Ebenso habe er dem Meldungsleger angeboten, die Anruflisten des auf der Ablage am Armaturenbrett befindlichen Handys zu kontrollieren. Beide Anbote seien vom Meldungsleger abgelehnt worden.

 

3.1. Die belangte Behörde hat die Berufung samt Verfahrensakt mit Schreiben vom 31. Jänner 2013 dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt.

 

3.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt sowie die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 5. März 2013.

 

3.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:

 

Der Bw lenkte am 23. August 2012 um 09:53 Uhr in X, von der Xstraße kommend auf Höhe des Hauses X X (Fahrtrichtung stadteinwärts) das Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen X. Die Ampelanlage Xstraße/X zeigte Rotlicht. Nach dem Umschalten auf grünes Licht setzte der Bw das KFZ in Bewegung und hatte unmittelbar darauf vor dem Schutzweg wegen querender Fußgänger anzuhalten.

 

Der Lenkvorgang wurde vom ca 15 – 20 Meter entfernt stehenden Meldungsleger – der im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung angab, sich aufgrund der Vielzahl der von ihm durchgeführten Anhaltungen an den konkreten Vorfall nicht mehr erinnern zu können – beobachtet. Dieser vermeinte, den Bw von der Ampel weg bis zur Anhaltung vor dem Schutzweg beim Telefonat mit dem Handy in der linken Hand beobachtet zu haben. Daraufhin erfolgte die Anhaltung des Bw durch den Meldungsleger. Der Bw bestritt während der gesamten Amtshandlung, überhaupt – auch nicht unter Benutzung der im Fahrzeug vorhandenen Freisprecheinrichtung – telefoniert zu haben. Ein Handy lag zu diesem Zeitpunkt auf der Ablage am Amaturenbrett des Fahrzeuges. Der Bw bot dem Meldungsleger zum Nachweis seiner Aussage an, die Anruflisten des in der Ablage befindlichen Handys zu kontrollieren, was vom Meldungsleger abgelehnt wurde. Auch das Anbot, das Fahrzeug nach weiteren Telefonen durchsuchen zu können, wurde vom Meldungsleger abgelehnt.

 

Der Bw ist Pensionist, verheiratet und verfügt über 1.800,- EUR netto monatlich.

 

3.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl § 67a Abs 1 Z 1 AVG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Kraftfahrgesetzes 1967 – KFG 1967, BGBl 1967/267 in der im Tatzeitpunkt geltenden Fassung BGBl I 2012/50, lauten wie folgt:

 

" § 102 Pflichten des Kraftfahrzeuglenkers

(1) […]

(3) Der Lenker muß die Handhabung und Wirksamkeit der Betätigungsvorrichtung des von ihm gelenkten Kraftfahrzeuges kennen. Ist er mit ihrer Handhabung und Wirksamkeit noch nicht vertraut, so darf er das Fahrzeug nur mit besonderer Vorsicht lenken. Er muß die Lenkvorrichtung während des Fahrens mit mindestens einer Hand festhalten und muß beim Lenken Auflagen, unter denen ihm die Lenkerberechtigung erteilt wurde, erfüllen. Er hat sich im Verkehr der Eigenart des Kraftfahrzeuges entsprechend zu verhalten. Während des Fahrens ist dem Lenker das Telefonieren ohne Benützung einer Freisprecheinrichtung verboten. Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie hat unter Bedachtnahme auf die Verkehrssicherheit und den Stand der Technik durch Verordnung die näheren Vorschriften bezüglich der Anforderungen für Freisprecheinrichtungen festzulegen. Freisprecheinrichtungen müssen den Anforderungen der Produktsicherheitsbestimmungen für Freisprecheinrichtungen entsprechen.

 

§ 134. Strafbestimmungen.

 

(1) […]

(3c) Wer als Lenker eines Kraftfahrzeuges die in § 102 Abs. 3 fünfter Satz angeführte Verpflichtung nicht erfüllt, begeht, wenn dies bei einer Anhaltung gemäß § 97 Abs. 5 StVO 1960 festgestellt wird, eine Verwaltungsübertretung, welche mit einer Organstrafverfügung gemäß § 50 VStG mit einer Geldstrafe von 50 Euro zu ahnden ist. Wenn die Zahlung des Strafbetrages verweigert wird, ist von der Behörde eine Geldstrafe bis zu 72 Euro, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Freiheitsstrafe bis zu 24 Stunden, zu verhängen."

 

4.2. Im Sinne des § 102 Abs 3 fünfter Satz KFG 1967 verwirklicht einen Straftatbestand und ist in Folge gemäß § 134 Abs 3c leg cit zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges während des Fahrens ohne Benutzung einer Freisprecheinrichtung telefoniert.

 

Im Verwaltungsverfahren gilt die Offizialmaxime, dh der Nachweis einer Normübertretung ist von der Behörde zu führen. Insbesondere im Strafverfahren – in welchem der Grundsatz "in dubio pro reo" gilt – muss die Behörde daher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von der Verwirklichung eines Sachverhaltes, der eine strafbare Handlung darstellt, ausgehen können.

 

Im ggst Fall wirkte der Meldungsleger in der öffentlichen mündlichen Verhandlung grundsätzlich sehr sicher und glaubwürdig, auch wenn er angab, sich nicht im Detail an den konkreten Fall erinnern zu können. Dessen Aussage über seine Wahrnehmung wird daher vom Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in keinster Art und Weise in Zweifel gezogen. Der Meldungsleger räumte jedoch auch ein, generell keine Nachschau in fremden Telefonen (Abruf der Telefonprotokolle) zu halten, selbst wenn ihm dies freiwillig angeboten wird. Gleiches gelte für die freiwillig angebotene Nachschau nach weiteren Telefonen im angehaltenen KFZ.

 

4.3. Bestreitet der Lenker eines KFZ bei der Anhaltung, sein Mobiltelefon benutzt zu haben und bietet zum Nachweis seiner Unschuld die Einschau in die Protokolle seines Telefons (Anruflisten usw) sowie die Nachschau im KFZ zum Ausschluss dafür an, dass er im vorgeworfenen Zeitpunkt ein weiteres Telefon benützt hat, sind nach Ansicht des erkennenden Mitgliedes des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom amtshandelnden Organ diesbezügliche Ermittlungsschritte vorzunehmen. Ansonsten wird dem Beschuldigten faktisch die Möglichkeit genommen, sich vom Tatvorwurf zu entlasten.

 

Da sich der in der Verhandlung ebenfalls sehr glaubwürdig wirkende Bw während der gesamten Anhaltung dahingehend verantwortete, nicht – auch nicht mit der Freisprecheinrichtung – telefoniert zu haben, und zum Beweis seines Vorbringens dem Meldungsleger anbot, die Telefonprotokolle des auf der Ablage befindlichen Handys einzusehen bzw die Verwendung eines weiteren Telefons durch Nachschau im KFZ auszuschließen, steht es für das erkennende Mitglied des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich nicht mit der für ein Strafverfahren notwendigen Sicherheit fest, dass der Bw als Lenker eines KFZ während der Fahrt ohne Freisprecheinrichtung telefoniert hat.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

4.4. Bei diesem Ergebnis war gemäß § 65 VStG von einem Beitrag des Bw zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich abzusehen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils durch einen Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Markus Zeinhofer

 

 

Beschlagwortung:

Telefonieren am Steuer; § 102 (3) KFG

 

 

 

VwSen-167606/6/MZ/WU vom 05.März 2013

 

Erkenntnis

 

 

Rechtssatz

 

KFG 1967 §102 Abs3 fünfter Satz

 

Bestreitet der Lenker eines KFZ bei der Anhaltung, sein Mobiltelefon benutzt zu haben und bietet zum Nachweis seiner Unschuld die Einschau in die Protokolle seines Telefons (Anruflisten usw) sowie die Nachschau im KFZ zum Ausschluss dafür an, dass er im vorgeworfenen Zeitpunkt ein weiteres Telefon benützt hat, sind vom amtshandelnden Organ diesbezügliche Ermittlungsschritte vorzunehmen. Ansonsten wird dem Beschuldigten faktisch die Möglichkeit genommen, sich vom Tatvorwurf zu entlasten.

 

 

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