Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401280/6/WEI/Ba

Linz, 25.04.2013

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Beschwerde des A A, geb. X, Staatsangehöriger des Kosovo, vormals in Schubhaft im PAZ Salzburg, vertreten durch D-F gem. GmbH, p.A. A R – D und V, K, W, wegen Rechtswidrigkeit der Schubhaftverhängung und Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann von Linz-Land zu Recht erkannt:

 

 

I.   Der Beschwerde wird Folge gegeben und es werden der Schubhaftbescheid vom 10. März 2013 sowie die darauf beruhende Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft in der Zeit vom 10. bis 21. März 2013 für rechtswidrig erklärt.

 

II.   Der Bund hat dem Beschwerdeführer den notwendigen Verfahrensaufwand in Höhe von 759,70 Euro (darin enthalten Bundesstempelgebühren von 22,10 Euro) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 und 83 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl I Nr. 100/2005, zuletzt geändert mit BGBl I Nr. 38/2011) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm UVS-Aufwandersatzverordnung 2008 (BGBl II Nr. 456/2008).

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Der unabhängige Verwaltungssenat geht auf Grund der Aktenlage vom nachstehenden Gang des Verfahrens und Sachverhalt aus:

 

1.1. Mit Mandatsbescheid vom 10. März 2013, Zl. Sich47-6-2013, ordnete die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer (im Folgenden nur Bf) auf der Grundlage des § 76 Abs 1 FPG iVm § 57 AVG die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung (§ 46 FPG) an. Den Bescheid, dessen Spruch und Rechtsmittelbelehrung ins Albanische und damit in eine für den Bf verständliche Sprache übersetzt wurden, übernahm der Bf noch am gleichen Tag persönlich. Er wurde in der Folge im polizeilichen Anhaltezentrum (PAZ) Salzburg bis zum 21. März 2013 um 07:30 Uhr angehalten und reiste an diesem Tag auf dem Luftweg über Wien im Rahmen der freiwilligen Rückkehrhilfe durch den Verein M Ö in den Kosovo aus.

 

Der Bf wurde am 9. März 2013 gegen 18:00 Uhr von Polizeibeamten im Bereich A/E am Parkplatz der Fa. B wegen illegalen Aufenthalts festgenommen. Er wurde in der Nacht vom 9. auf den 10. März 2013 von der belangten Behörde unter Beiziehung einer Dolmetscherin niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er an, am 8. März 2013 mit dem Bus von Prizren nach Belgrad gefahren zu sein, wo er in einen anderen Bus umstieg und nach Ungarn weiterreiste. Dort seien sie am Vormittag des 9. März 2013 ausgestiegen, um über eine ihm unbekannte Grenze zu gehen. Nach der Grenze hätte ein rotes Taxi gewartet, mit dem sie durch Ungarn und dann noch bis zu einer Raststation in der Nähe von Linz gefahren wären, wo sie am späten Nachmittag eintrafen. Auf der Raststation hätten sie ein Sandwich gekauft und den Fahrer eines VW Golf beim Tanken gesehen. Der Mitreisende B habe den Mann angesprochen und der Lenker des Golf nahm sie daraufhin Richtung Linz mit. Als er danach die Polizei gesehen hätte, verlangte er, dass sie sofort aussteigen. Darauf stiegen sie aus und rannten davon. Die Polizei nahm sie in der Folge bei einer Fabrik fest.

 

Nach den weiteren Feststellungen der belangten Behörde verfügte der Bf über Barmittel von ca. 130 Euro. Er hatte keinen Wohnsitz in Österreich und keinen Krankenversicherungsschutz. Der Bf verfügte auch über keinen gültigen Aufenthalts- oder Einreisetitel für Österreich und hielt sich daher illegal im Bundesgebiet auf. Die belangte Behörde teilte dem Bf bei der Einvernahme mit, dass sie die Abschiebung in sein Heimatland plane, weshalb er zur Sicherung der Abschiebung in Schubhaft genommen werde. Der Bf ist im Kosovo verheiratet und hat zwei Kinder. Er konnte sich mit einem gültigen Personalausweis ausweisen.

 

1.2. Im Schubhaftbescheid wird rechtlich begründend angeführt, dass auf Grund des bisherigen Verhaltens des Bf zu befürchten sei, dass sich der Bf auf freiem Fuß dem weiteren Zugriff der Behörde entziehen und versuchen werde, einer organisierten zwangsweisen Ausreise zu entkommen. Deshalb sei zur Sicherung seiner Abschiebung seine Anhaltung in Schubhaft unbedingt erforderlich. Der Bf sei offensichtlich nicht gewillt, die Rechtsordnung in Österreich zu respektieren. Auf Grund des Sachverhaltes bestehe ein konkreter Sicherungsbedarf. Der Zweck der Schubhaft könne nicht durch Anwendung eines gelinderen Mittels erreicht werden. Der Fluchtgefahr könne verlässlich nur mit Schubhaft begegnet werden, weil realistische Ansätze für die Anwendung gelinderer Mittel gemäß § 77 FPG nicht ersichtlich seien, insbesondere weil derzeit kein Hauptwohnsitz angemeldet wurde. Der mit der Schubhaftverhängung verbundene Eingriff in die persönliche Freiheit stehe im Hinblick auf das besondere öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens nicht außer Verhältnis.

 

1.3. Die belangte Behörde stimmte am 14. März 2013 der freiwilligen Rückkehr des Bf zu. Der Verein M Ö leistete Rückkehrhilfe und organisierte die freiwillige Rückreise des Bf auf dem Luftweg in den Kosovo, wobei die zuständige Abteilung des Bundesministeriums für Inneres mit Schreiben vom 15. März 2013 die Übernahme der Ausreisekosten zusagte. Ein Flug ab Wien konnte für 21. März 2013 gebucht werden. Eine Ausreisebestätigung ist aktenkundig.

 

1.4. Am 15. April 2013 langte per Telefax von der D, Rechtsberatung Salzburg, unter Vorlage einer Vollmacht für die D F gem. GmbH mit Sitz in W samt Substitutionsvollmacht eine Schubhaftbeschwerde für den bereits ausgereisten Bf mit dem Begehren ein, die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung und die Anhaltung des Bf in Schubhaft kostenpflichtig für rechtswidrig zu erklären

 

 

2.1. Die Beschwerde geht vom dargestellten Sachverhalt aus und bekämpft den im Schubhaftbescheid auf der Grundlage des § 76 Abs 1 FPG angenommenen Schubhaftgrund "Sicherung der Abschiebung". Da es zu gar keiner Abschiebung gekommen war, sei auch die entsprechende Schubhaft rechtswidrig, zumal der gesetzliche Grund nicht erfüllt wurde. Außerdem sei die Anwendung eines gelinderen Mittels lediglich mit dem Fehlen eines Hauptwohnsitzes begründet worden, obwohl der Bf über ausreichende Barmittel für eine Jugendherberge verfügte oder bei seiner Cousine Frau K auf seine freiwillige Rückkehr hätte warten können.

 

Die Schubhaft müsse dem Verhältnismäßigkeitsprinzip entsprechen und notwendig sein. Unverhältnismäßigkeit liege zum Beispiel vor, wenn eine Abschiebung aus faktischen Gründen unmöglich oder rechtlich unzulässig sei. Dies gelte ebenso, wenn gelindere Mittel hinreichend wären. Im Fall des Bf sei keine Abschiebung geplant worden, weshalb es schon an einem Grund für die Schubhaft mangle.

 

Die Bescheidbegründung enthalte im Wesentlichen pauschale Unterstellungen. Es könne nicht nachvollzogen werden, weshalb die belangte Behörde kein gelinderes Mittel verhängt wurde und der Bf nicht in Freiheit auf seien freiwillige Rückkehr warten durfte. Die Schubhaft sollte immer ultima ratio sein und nicht schon bei Vorliegen der Basisvoraussetzungen wie einem unrechtmäßigen Aufenthalt und der fehlenden familiären Bindungen verhängt werden. Eine fehlende Ausreisewilligkeit könne für sich allein die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung nicht rechtfertigen (Hinweis auf VwGH 22.06.2006, Zl. 2006/21/0081). Im Fall des Bf habe explizit Heimreisewilligkeit vorgelegen und er sei mittlerweile auch ausgereist. Das Institut des gelinderen Mittels verpflichte die Fremdenbehörde zur Abstandnahme von der Anordnung der Schubhaft, wenn deren Zweck auf andere Weise erreicht werden kann. Die Verhängung und Anhaltung in Schubhaft sei daher auch aus diesem Grund rechtswidrig.

 

2.2. Mit E-Mail vom 16. April 2013 teilte die belangte Behörde dem Oö. Verwaltungssenat mit, dass sich der Bf vom 10. März 2013, 02:15 Uhr, bis zum 21. März 2013, 07:45 Uhr, in Schubhaft befunden habe und am 21. März 2013 per Flug X von Wien nach Pristina ausgereist sei. Nach der Übermittlung per E-Mail werde auch die postalische Übermittlung des Fremdenaktes sofort veranlasst.

 

Mit Vorlageschreiben vom 16. März 2013, eingelangt am 18. März 2013, legte die belangte Behörde ihren Verwaltungsakt im Original vor und wies darauf hin, dass der Bf bereits am 21. März 2013 per Flugzeug ausreiste. Fraglich sei, warum die Schubhaftbeschwerde am 15. April 2013 erst nach bereits erfolgter Ausreise des Bf eingebracht wurde.

 

 

3. Der erkennende Verwaltungssenat hat auf Grundlage der vorgelegten Verwaltungsakten und unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens festgestellt, dass bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde der entscheidungswesentliche Sachverhalt hinreichend geklärt erscheint, weshalb von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte.

 

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 9 Abs 2 Satz 2 FPG ist gegen die Anordnung der Schubhaft weder eine Vorstellung noch eine Berufung zulässig.

 

Gemäß § 82 Abs 1 FPG hat der Fremde das Recht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung den unabhängigen Verwaltungssenat anzurufen,

 

  1. wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;
  2. wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde oder
  3. wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs 1 FPG (idF seit BGBl I Nr. 122/2009) ist zur Entscheidung über eine Beschwerde gemäß § 82 Abs 1 Z 2 oder 3 der unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen Sprengel die Behörde ihren Sitz hat, welche die Anhaltung oder die Schubhaft angeordnet hat. In den Fällen des § 82 Abs 1 Z 1 richtet sich die Zuständigkeit nach dem Ort der Festnahme.

 

Nach § 83 Abs 2 FPG gelten die §§ 67c bis 67g sowie 79a AVG mit der Maßgabe, dass

  1. eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, und
  2. die Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates über die Fortsetzung der Schubhaft binnen einer Woche zu ergehen hat, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet.

 

Gemäß § 83 Abs 4 FPG hat der unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

 

Der Bf wurde im vorliegenden Fall auf Grund des Schubhaftbescheides vom 10. März 2013 in Schubhaft genommen und bis zum 21. März 2013 angehalten. Seine innerhalb der Sechswochenfrist am 15. April 2013 eingelangte Beschwerde ist zulässig, weshalb der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit berufen ist.

 

4.2. Gemäß § 76 Abs 1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung, einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft nur verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

 

Nach § 76 Abs 1a FPG dürfen unmündige Minderjährige nicht in Schubhaft angehalten werden.

 

Die Schubhaft ist nach dem § 76 Abs 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

 

4.3. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs verlangt die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit einer Schubhaft nach § 76 Abs 1 FPG eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Außerlandesschaffung und dem privaten Interesse an der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen. Dabei ist der Frage nach dem Sicherungsbedürfnis nachzugehen, was die gerechtfertigte Annahme voraussetzt, der Fremde werde sich dem Verfahren oder der Abschiebung durch Untertauchen entziehen oder diese Maßnahmen zumindest wesentlich erschweren.

 

In der neueren Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs vermag die fehlende Ausreisewilligkeit eines Fremden für sich allein die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung nicht zu rechtfertigen. Deshalb kann auch die Nichtbefolgung eines Ausreisebefehls die Schubhaft noch nicht rechtfertigen. Es ist nämlich in einem zweiten Schritt die Frage des Bestehens eines Sicherungsbedarfes zu prüfen, der insbesondere im Fall mangelnder sozialer Verankerung im Inland in Betracht kommt. Dabei hat der Verwaltungsgerichtshof auch schon mehrfach betont, dass in Bezug auf die Annahme eines Sicherungsbedarfes aus Überlegungen zu einem strafgerichtlichen Verurteilungen zugrundeliegenden Fehlverhalten alleine nichts zu gewinnen sei (ständige Rspr; vgl ua. VwGH 8.9.2005, Zl. 2005/21/0301; VwGH 22.6.2006, Zl. 2006/21/0081; VwGH 27.3.2007, Zl. 2005/21/0381; VwGH 28.6.2007, Zl. 2005/21/0288 und Zl. 2004/21/0003; VwGH 30.8.2007, Zl. 2006/21/0107; VwGH 28.5.2008, Zl. 2007/21/0246).

 

Überdies ist nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs beim Sicherungserfordernis die konkrete Situation des Beschwerdeführers (Einzelfallprüfung) zu prüfen. Deswegen verbietet sich auch ein Abstellen auf allgemeine Erfahrungen im Umgang mit Asylwerbern oder aus anderen Fällen (vgl VwGH 28.6.2007, Zl. 2006/21/0051; VwGH 28.6.2007, Zl. 2006/21/0091).

 

4.4. Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 10. März 2013 die Schubhaft aus dem alleinigen Grunde der Sicherung der Abschiebung (§ 46 FPG) auf Basis des Schubhafttatbestands nach § 76 Abs 1 FPG über den Bf verhängt, weil der illegal aufhältige Bf lediglich 130 Euro Barmitteln mitführte und über keinen Wohnsitz in Österreich verfügte. Sie ging ohne weitere Erläuterungen von Fluchtgefahr aus, der nur mit Schubhaft begegnet hätte werden können. Für die Anwendung gelinderer Mittel nach § 77 FPG sah sie keine realistische Ansatzpunkte, insbesondere mangels Hauptwohnsitzes des Bf.

 

Die vorliegende Beschwerde ist im Ergebnis schon deshalb im Recht, weil die Rechtswidrigkeit der gegenständlichen Schubhaft schon daraus folgt, dass der Schubhaftbescheid nur die Sicherung der Abschiebung als Zweck der Schubhaft anführte und ein Rechtstitel für eine allfällige Abschiebung noch gar nicht vorlag.

 

Gemäß § 46 Abs 1 FPG sind Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung (§§ 61, 66 FPG, § 10 AsylG 2005) oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag der Behörde zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn

 

1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,

2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,

3. aufgrund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder

4. sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

 

Schon nach dem Wortlaut dieser Bestimmung steht fest, dass Grundlage und Voraussetzung für die Abschiebung ein die Aufenthaltsbeendigung anordnender Rechtstitel, wie eine Rückkehrentscheidung, Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot, ist. In Ermangelung eines solchen Titels kann eine Abschiebung von vornherein nicht rechtmäßig durchgeführt werden.

 

Wenn ein Schubhaftbescheid als Sicherungszweck nur die Abschiebung anführt, obwohl kein durchsetzbarer aufenthaltsbeendender Rechtstitel vorliegt, ist er a priori mit Rechtswidrigkeit behaftet, die sich in der Folge auch auf die Anhaltung erstreckt, deren Grundlage der Bescheid bildet. Existiert kein Titel kann die Verhängung und Aufrechterhaltung der Schubhaft allein zur Sicherung der Abschiebung nicht rechtmäßig sein (vgl etwa VwGH 29.02.2012, Zl. 2009/21/0198).

 

4.5. Im konkreten Fall bestand zwar wegen der mangelnden sozialen Verankerung des illegal (ohne Einreise- bzw Aufenthaltstitel) in Österreich eingereisten Bf grundsätzlich ein Sicherungsbedarf. Der Bf zeigte sich allerdings nach Ausweis der Aktenlage einsichtig und war bereit auszureisen. Er nahm die Rückkehrhilfe des Vereins M Ö in Anspruch und die belangte Behörde stimmte bereits am 14. März 2013 der freiwilligen Rückkehr des Bf zu, die in der Folge problemlos durchgeführt wurde. Auch wenn der Bf nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt war und über keinen Wohnsitz und nur geringe Mittel von 130 Euro verfügte, wäre die Anwendung eines gelinderen Mittels durchaus in Betracht zu ziehen gewesen, zumal Schubhaft nur ultima ratio sein darf und die Identität des Bf auf Grund eines kosovarischen Personalausweises feststand. Der begründende Hinweis der belangten Behörde auf fehlende realistische Ansatzpunkte, insbesondere wegen des Fehlens eines Hauptwohnsitzes, geht nach Ansicht des Oö. Verwaltungssenats fehl, weil dann stets Schubhaft gegen Reisende verhängt werden könnte, die noch keinen Hauptwohnsitz begründet haben. Die Schubhaft muss aber zur Sicherung der gesetzlichen Zwecke unbedingt notwendig sein und darf nicht einfach vorbeugend angeordnet werden, um der belangten Behörde die Verwaltungsarbeit zu erleichtern. Das Argument der Beschwerde einer möglichen billigen Unterkunft (Jugendherberge) oder des Aufenthalts bei einer Cousine kann nach der Aktenlage nicht widerlegt werden. Bei der niederschriftlichen Einvernahme vom 10. März 2013 wurde die Frage der freiwilligen Heimreise und der allfälligen Anwendung eines gelinderen Mittels gar nicht mit dem Bf erörtert.

 

Die von der belangten Behörde behauptete Fluchtgefahr kann nach der Aktenlage auf keinerlei konkrete Tatsachen gestützt werden. Es handelte sich daher nur um eine ganz allgemeine, vom konkreten Einzelfall losgelöste Befürchtung, die nach der höchstgerichtlichen Judikatur jedenfalls nicht ausreicht, um Schubhaft zu rechtfertigen. Es ist nach der Begründung des Schubhaftbescheides auch für den erkennenden Verwaltungssenat nicht nachvollziehbar, wieso beim nachweislich heimreisewilligen Bf, dessen Identität gesichert war, für die belangte Behörde nicht ein gelinderes Mittel gemäß § 77 Abs 3 FPG (zB.: Anordnung der Unterkunft in bestimmten Räumen und/oder periodische Meldung bei einem Polizeikommando) als mögliche Alternative zur Schubhaft in Betracht kam.

 

Die belangte Behörde hat im Schubhaftbescheid die Anwendung gelinderer Mittel unter Hinweis auf eine substanzlos unterstellte Fluchgefahr nur pauschal ausgeschlossen. Sie hat es entgegen der Judikatur rechtswidriger Weise unterlassen, sich mit der Anwendung eines gelindere Mittels gemäß § 77 FPG im Fall des Bf inhaltlich näher auseinander zu setzten.

 

5. Im Ergebnis war aus den dargelegten Gründen der Schubhaftbescheid vom 10. März 2013 und die darauf beruhende Anhaltung des Bf in Schubhaft bis zur Entlassung am 21. März 2012 für rechtswidrig zu erklären. Bei diesem Verfahrensergebnis war die belangte Behörde als unterlegene Partei anzusehen und dem Bf Aufwandersatz antragsgemäß zuzuerkennen.

 

Gemäß § 79a Abs 1 AVG iVm § 83 Abs 2 FPG hat die im Verfahren nach § 67c obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wird die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen oder zurückgezogen, dann ist die belangte Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei (§ 79a Abs 3 AVG).

 

Nach § 79a Abs 4 AVG gelten als Aufwendungen gemäß Abs 1 neben Stempel- und Kommissionsgebühren sowie Barauslagen vor allem die durch Verordnung des Bundeskanzlers festgesetzten Pauschbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand. Nach der geltenden UVS-Aufwandersatzverordnung 2008 (BGBl II Nr. 456/2008) beträgt der Ersatz für Schriftsatzaufwand des Bf als obsiegende Partei 737,60 Euro.

 

Der Bund hat daher als Rechtsträger, für den die belangte Behörde tätig geworden ist, dem Bf den Schriftsatzaufwand von 737,60 Euro und die Eingabengebühr von insgesamt 22,10 Euro für die Beschwerde (14,30 Euro) und für 2 beigelegte Vollmachten (2 x 3,90 = 7,80 Euro), für die der Bf aufzukommen hat (vgl § 79a Abs 4 Z 1 AVG), insgesamt daher den Betrag von 759,90 Euro zu ersetzen.

 

Analog dem § 59 Abs 4 VwGG 1985 war eine Leistungsfrist von 2 Wochen festzusetzen, zumal das Schweigen des § 79a AVG 1991 nur als planwidrige Lücke aufgefasst werden kann, sollte doch die Neuregelung idF BGBl Nr. 471/1995 im Wesentlichen eine Angleichung der Kostentragungsbestimmungen an das VwGG bringen (vgl Erl zur RV, 130 BlgNR 19. GP, 14 f).

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

Im gegenständlichen Verfahren sind Bundestempelgebühren für die eingebrachte Beschwerde samt Beilagen in Höhe von 22,10 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

Dr. W e i ß

 

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