Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-360071/2/AL/BZ

Linz, 25.04.2013

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Mag. Dr. Astrid Lukas über die Berufung des X, geb. X, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. X, X, X, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Linz-Land vom 25. Oktober 2012, Zl Pol96-848-2010, betreffend Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 AVG, zu Recht erkannt:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

 Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs. 4 iVm § 71 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG

§§ 51 und 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG

 

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Linz-Land vom 25. Oktober 2012, Zl Pol96-848-2010, wurde, gestützt auf § 71 Abs 1 AVG iVm § 24 VStG, der Antrag des Berufungswerbers (im Folgenden: Bw) auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 26. September 2012 wegen Versäumung einer Frist in der Verwaltungsstrafsache gemäß § 52 Abs 1 iVm § 2 Abs 2 und 4 Glücksspielgesetz – GSpG, Zl Pol96-834-2010 (Straferkenntnis vom 3. Juli 2012), abgewiesen.


Begründend führt die belangte Behörde aus, dass mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 3. Juli 2012, Zl Pol96-834-2010, über den Bw gemäß § 52 Abs 1 GSpG eine Geldstrafe in Höhe von 1.000 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit 15 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe, zuzüglich eines Verfahrenskostenbeitrags in Höhe von 100 Euro verhängt worden sei. Dieses Straferkenntnis sei dem Bw zu Handen seines rechtsfreundlichen Vertreters am 6. Juli 2012 zugestellt worden.

Die wider diesen Bescheid erhobene Berufung sei am 23. Juli 2012 und damit nach Ablauf der zweiwöchigen Berufungsfrist zur Post gegeben bzw per Mail an die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land übermittelt worden und sei daher mit Beschluss des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 10. August 2012 als verspätet zurückgewiesen worden.

 

Gegen die Versäumung der Berufungsfrist richte sich der gegenständliche Wiedereinsetzungsantrag vom 26. September 2012, welcher zufolge dem Poststempel am selben Tag zur Post gegeben worden sei und bei der belangten Behörde am 28. September 2012 eingelangt sei.

 

In dem Wiedereinsetzungsantrag werde vorgebracht, dass das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 3. Juli 2012 dem Rechtsvertreter am Freitag, den 6. Juli 2012 zugestellt und offenkundig von dessen überaus sorgfältiger Kanzleikraft, Frau X, mit einem entsprechenden Eingangsstempel versehen und in die Unterschriftenmappe gelegt worden sei, welche an diesem Tag aufgrund ständiger Termine des Rechtsvertreters in und außerhalb der Kanzlei im Sekretariat verblieben sei. Die Fristen würden gewöhnlich vom Rechtsvertreter selbst im Fristenbuch eingetragen werden.

 

Montag Früh habe die Kanzleikraft des Rechtsvertreters die Post vom 9. Juli 2012 übernommen, diese mit einem Eingangsstempel versehen und in die Postmappe gelegt. Während dieses Vorganges sei ihr aufgefallen, dass sie das Datum des Eingangsstempels der Kanzlei noch nicht auf den 9. Juli 2012 umgestellt hätte. Sie habe sohin den Stapel Post, den sie vorher abgestempelt hätte, aus der Unterschriftenmappe genommen und das Eingangsdatum per Hand auf den 9. Juli 2012 umgeändert. Dabei dürfte sie versehentlich auch das gegenständliche Straferkenntnis – welches bei der Post vom Freitag an oberster Stelle gelegen habe – mit herausgezogen und das Eingangsdatum umgeändert haben.

 

Bei Durchsicht der Postmappe sei dem Rechtsvertreter das handschriftlich geänderte Eingangsdatum aufgefallen und habe ihm die Sekretärin auf Nachfrage, warum hier eine Ausbesserung vorgenommen worden sei und welches Datum nun stimme, mitgeteilt, dass es zu dem beschriebenen Versehen gekommen sei, sohin das handschriftlich angeführte Eingangsdatum das Richtige sei. Nachdem sich in der Unterschriftenmappe auch Unterlagen mit dem nicht ausgebesserten Eingangsstempel vom 6. Juli 2012 befunden hätten, sei diese Erklärung auch schlüssig gewesen und vom Rechtsvertreter die Rechtsmittelfrist für den 23. Juli 2012 im Fristenbuch eingetragen worden. Aufgrund der immer fehlerlosen Arbeit der Assistentin des Rechtsvertreters habe dieser auf die Ausführungen derselben vertrauen können.

 

Das der Assistentin unterlaufene Versehen sei im äußerst unteren Bereich der Fahrlässigkeit anzusiedeln, zumal ein derartiger Fehler – nämlich dass der Poststempel noch nicht umgestellt wurde – wohl in jedem Sekretariat selbst bei sorgfältigster Arbeitsweise vorkommen könne. Dass bei einem Griff in die Postmappe versehentlich auch ein Poststück, das sich schon vorher darin befunden habe, mit herausgezogen werde, sei ebenso ein Missgeschick, das dem sorgfältigsten Assistenten passieren könnte. Die zuständige Sekretärin sei ordnungsgemäß ausgebildet und habe ihre Tätigkeit immer zur vollsten Zufriedenheit des Rechtsvertreters verrichtet.

 

Der Rechtsvertreter sei bis zur Zustellung des Erkenntnisses des Oö. Verwaltungssenates am 12. September 2012 davon ausgegangen, dass die Berufung rechtzeitig eingebracht worden sei. Der Wiedereinsetzungsantrag sei daher rechtzeitig erfolgt.

 

Nach Wiedergabe der maßgeblichen Rechtsgrundlagen begründet die belangte Behörde ihre rechtlichen Erwägungen unter Hinweis auf einschlägige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes damit, dass die vom Rechtsvertreter dargelegten Umstände nicht geeignet seien, die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs 1 Z 1 AVG, insbesondere dass ihn an der Versäumung kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens träfe, zu begründen. Zudem sei der rechtsfreundliche Vertreter am 6. Juli 2012 zumindest zeitweise (arg "... aufgrund ständiger Termine in und außerhalb der Kanzlei...") in den Kanzleiräumlichkeiten anwesend gewesen und habe trotzdem die Post dieses Tages und damit die Richtigkeit des vermerkten Zustelldatums nicht kontrolliert. Selbst wenn dieser dafür am 6. Juli 2012 unmöglich Zeit gefunden haben sollte, hätte er die entsprechenden Poststücke am darauf folgenden Arbeitstag, dem 9. Juli 2012, einer besonders sorgfältigen Prüfung unterziehen müssen.

 

Dem sich aus dem Gesetz und der dargelegten Rechtsprechung ergebenden besonders hohen Sorgfaltserfordernis sei mit der bloßen Rückfrage bei der – wenngleich ansonsten verlässlichen – Sekretärin nicht entsprochen, zumal dem rechtsfreundlichen Vertreter die Unstimmigkeit betreffend das auf dem Straferkenntnis vom 3. Juli 2012 angebrachte Zustelldatum auch aufgefallen sei. Vielmehr hätte es insbesondere in Ansehung der besonderen Bedeutung des Zustelldatums weiterer Nachforschungen bedurft, zB durch (spätere) Nachfrage bei der Behörde. Aus Vorsichtsgründen hätte, jedenfalls bis zur eindeutigen Klärung des richtigen Zustelldatums, die Berufungsfrist von dem früheren Datum (daher dem 6. Juli 2012) berechnet werden müssen.

 

Darüber hinaus hätte das im Wiedereinsetzungsantrag geschilderte Versehen ganz einfach dadurch verhindert werden können, dass nicht die Post mehrerer Tage in eine Mappe gelegt, sondern für jeden Tag eine eigene Mappe verwendet wird. In diesem Fall hätte kein Zweifel darüber bestanden, welche Poststücke vom 9. Juli 2012 stammten und auf welchen daher der falsch angebrachte Poststempel auszubessern war. Dadurch wäre das versehentliche "Mitherausziehen" eines bereits früher (hier am 6. Juli 2012) zugestellten Poststücks verhindert worden. In diesem Sinne liege im Kanzleibetrieb des rechtsfreundlichen Vertreters ein Organisationsmangel vor.

 

1.2. Gegen diesen Bescheid, zugestellt am 5. November 2012, richtet sich die am 19. November 2012 zur Post gegebene (Poststempel) und damit rechtzeitige Berufung vom selben Tag.

 

Der Bw führt darin begründend aus:

 

"Berufung

1.       Der angefochtene Bescheid leidet an inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

 

2.       Der Wiedereinsetzungswerber hat in dessen Wiedereinsetzungsantrag vom 26.09.2012 ausführlich dargelegt, unter welchen unvorhersehbaren Umständen das unterlaufende Versehen entstanden ist. Es liegt hier eine entschuldbare Fehlleistung der jedenfalls bewährten Kanzleikraft des Rechtsvertreters des Beschuldigten vor und hätte die Wiedereinsetzung zugelassen werden müssen.

 

3.       Die Behörde 1. Instanz verweist in deren Entscheidung auf den strengen Maßstab, der an Parteienvertreter betreffend die Einhaltung von Fristen vom Verwaltungsgerichtshof angelegt wird.

 

Übersehen wird jedoch, dass bei genauer Betrachtung der Situation der strenge Maßstab, den der VwGH anlegt, seitens des Rechtsvertreters eingehalten wurde. Die Behörde erster Instanz stellt die Rechtslage so dar, wie wenn keinerlei Versehen oder Fehler unterlaufen dürfte. Dies steht im klaren Widerspruch zur gesetzlichen Bestimmung des § 71 AVG. Diese räumt gerade für derartige Ausnahmefälle die Möglichkeit ein, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erreichen, nämlich wenn ein minderer Grad des Versehens oder gar kein Verschulden an der Versäumung einer Frist vorliegt bzw. vorwerfbar ist.

 

Wichtig sind die Kanzleiorganisation und die Mitarbeiterüberwachung. Beide wurden eingehalten.

 

Nach der Rechtsprechung kann das Verschulden eines Bediensteten eines rechtskundigen Parteienvertreters nicht schlechterdings dem Verschulden des Vertreters oder Partei gleichgehalten werden (VwGH 26.09.1990, 90/10/0062). Derartiges Fehlverhalten ist dem rechtskundigen Vertreter bzw. dessen Partei nur dann zuzurechnen, wenn der Vertreter die ihm zumutbare und nach der Sachlage gebotene Kontrolle der Tätigkeit der Mitarbeiter unterlassen hat und damit seiner Überwachungspflicht nicht nachgekommen ist. Wurden daher diese Überwachungsmaßnahmen getroffen, ist nach der Judikatur von einer die Wiedereinsetzung rechtfertigenden entschuldbaren Fehlleistung auszugehen (VwGH 31.07.2006, 2006/05/0081).

 

Insbesondere wird im hier vorliegenden Fall auf die seitens der Behörde 1. Instanz zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshof vom 06.10.2011 verwiesen. Eine wirksame Überwachung der Angestellten wurde jedenfalls gewährleistet. Nur so lässt sich auch erklären, dass, wie bereits im Wiedereinsetzungsantrag dargestellt, der Rechtsvertreter dessen Sekretariat nach dem konkreten Zustelldatum gefragt hat, da hier eine Ausbesserung vorgelegen ist.

 

Auf Grund der sonst immer äußerst sorgfältigen Tätigkeit der Kanzleiangestellten des Rechtsvertreters des Wiedereinsetzungswerbers konnte dieser letztlich auch darauf vertrauen, dass die Zustellung tatsächlich erst am 09.07.2012 erfolgt ist.

 

Der seitens des Verwaltungsgerichtshofs angesetzte hohe Maßstab wurde hier jedenfalls eingehalten. Der hier vorliegende Fall ist mit jenen Fällen vergleichbar, in denen der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit der Wiedereinsetzung geduldet hat. Der Rechtsvertreter des Berufungswerbers hat die eingehende Post nach dessen Abwesenheit sofort nach der Rückkehr im Sinne der Judikatur sorgfältig kontrolliert. Wäre keine Kontrolle erfolgt, hätte der Rechtsvertreter nicht in seinem Sekretariat extra noch betreffend das Zustelldatum nachgefragt, sondern hätte den angebrachten Eingangsstempel ohne  gesonderte  Kontaktaufnahme  als  richtig  gewertet.   Gerade  zur Verhinderung der Falscheintragung eines Zustelldatums ist über dieses Schriftstück nochmals entsprechend kommuniziert worden, und wurde dem Rechtsvertreter gegenüber bestätigt,  dass  dieses  erst  am  09.07.2012 eingegangen wäre.

 

Die gebotene Überwachungspflicht wurde daher eingehalten und darf diese auch nicht überspannt werden. Zum Beleg, wann ein Schriftstück eingegangen ist, wird am selben Tag der Eingangsstempel auf den Schriftstücken angebracht.

 

4.       Das Versehen der Kanzleiangestellten lag sohin darin, dass sie am Montag, der dem 06.07.2012 folgte, versehentlich noch immer den Stempel des 06.07.2012 auf Schriftstücke angebracht hatte und diese erst später korrigierte und ihr dabei offensichtlich das Missgeschick unterlief, dass sie auch das hier gegenständliche Schriftstück mit ausbesserte und trotz Anfrage durch deren Vorgesetzten das Versehen nicht erkannte, ja sogar noch einmal den Eingang am 09.07.2012 bestätigte.

 

5.       Durch die Einhaltung der gebotenen Sorgfalt des Rechtsanwaltes gegenüber seinen Angestellten, liegt daher jedenfalls kein Grund vor, der der Zulassung der Wiedereinsetzung widersprechen würde.

 

6.       Das Verhalten des Rechtsvertreters des Wiedereinsetzungswerbers entspricht der ebenso zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 08.07.1992, 92/03/0093.

 

7.       Trotz dieser Überprüfung wurde das Versehen der Kanzleiangestellten nicht erkannt.

 

8. Abweichend von der Entscheidung, die dem letztzitierten Leitsatz zu Grunde
liegt (VwGH vom 08.07.1992, 92/03/0093) hat der Rechtsvertreter des
Wiedereinsetzungswerbers sehr wohl am darauffolgenden Montag eine genaue
Prüfung der Fristen vorgenommen, insbesondere vor dem Hintergrund, als eine
handschriftliche Ausbesserung angebracht war.

 

Wie bereits dargestellt wurde dem Rechtsvertreter über dessen gesonderte Nachfrage die ausdrückliche Mitteilung erteilt, dass es sich hiebei um ein erst am Montag zugestelltes Schriftstück handelte.

 

Im Fall, der in der angefochtenen Entscheidung zitiert wurde (92/03/0092), wurde abweichend vom hier vorliegenden Fall keinerlei Überprüfung vorgenommen. In jenem Fall wurde auch keinerlei diesbezügliches Vorbringen erstattet, sondern lediglich darauf verwiesen, dass es sich um eine 'langjährig tätige Kanzleikraft' handelte, der das Versehen unterlaufen ist.

 

9. Im hier gegenständlichen Fall wurde jedoch die Tätigkeit noch einer
gesonderten Überprüfung zugeführt, doch wurde der Fehler leider nicht erkannt.

 

10. Eine weitere Prüfpflicht, die das Vertrauen in die Arbeitsleistung der immer vorzüglich arbeitenden Assistentin in Frage stellen würde, oder eine persönliche Übernahme der Poststücke würde die Aufsichtspflicht wesentlich überspannen.

 

11. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte daher die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land dem Wiedereinsetzungsantrag stattgeben müssen, zumal trotz Überprüfung ein Versehen einer bestens eingeschulten und arbeitenden Kanzleikraft eingetreten ist."

 

Der Bw stellt daher den Antrag, der UVS Oö. möge den angefochtenen Bescheid aufheben und dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattgeben.

 

2. Mit Schreiben vom 5. Dezember 2012 legte die belangte Behörde die Berufung samt dem Bezug habenden Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vor.

2.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte mangels gesonderten Antrages und der Tatsache, dass sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet und der für das Verfahren wesentliche Sachverhalt hinreichend geklärt vorliegt und auch in der Berufung in keiner Weise bestritten wurde, unterbleiben (§ 51e Abs 3 Z 4 VStG).

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter Punkt 1.1. und 1.2. dargestellten, in den entscheidungswesentlichen Passagen unbestrittenen Sachverhalt aus. Zusammengefasst ist festzuhalten:

Das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 3. Juli 2012, das im Übrigen eine nicht zu beanstandende Rechtsmittelbelehrung enthält, wurde dem Rechtsvertreter des Bw unstreitig am Freitag, den 6. Juli 2012 zugestellt, von dessen Kanzleikraft, Frau X, mit einem entsprechenden Eingangsstempel versehen und in die Unterschriftenmappe gelegt. Diese Unterschriftenmappe wurde an diesem Tag aufgrund ständiger Termine des Rechtsvertreters in und außerhalb der Kanzlei im Sekretariat belassen. Die Fristen trägt gewöhnlich der Rechtsvertreter selbst im Fristenbuch ein.

 

Montag Früh hat die Kanzleikraft des Rechtsvertreters die Post vom 9. Juli 2012 übernommen, diese mit einem Eingangsstempel versehen und in die Postmappe gelegt. Während dieses Vorganges ist ihr aufgefallen, dass sie das Datum des Eingangsstempels der Kanzlei noch nicht auf den 9. Juli 2012 umgestellt hatte. Sie hat sohin den Stapel Post, den sie vorher abgestempelt hatte, aus der Unterschriftenmappe genommen und das Eingangsdatum per Hand auf den 9. Juli 2012 umgeändert. Dabei hat sie auch das gegenständliche Straferkenntnis – welches bei der Post vom Freitag an oberster Stelle gelegen haben dürfte – mit herausgezogen und das Eingangsdatum umgeändert.

Dem Rechtsvertreter ist bei Durchsicht der Postmappe das handschriftlich geänderte Eingangsdatum aufgefallen und auf Nachfrage, warum hier eine Ausbesserung vorgenommen wurde und welches Datum nun stimmt, hat ihm die Sekretärin mitgeteilt, dass es zu dem beschriebenen Versehen gekommen ist und das handschriftlich angeführte Eingangsdatum das richtige ist. Vom Rechtsvertreter wurde daraufhin die Rechtsmittelfrist für den 23. Juli 2012 im Fristenbuch eingetragen.

2.3. Gemäß § 51c VStG entscheidet der Unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied.

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Gemäß § 71 Abs 1 AVG – der nach § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden ist – ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:

1. die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder

2. die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss nach § 71 Abs 2 leg.cit. binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die  Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

Gegen die Ablehnung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand steht gemäß § 72 Abs 4 AVG dem Antragsteller das Recht der Berufung an die im Instanzenzug übergeordnete Behörde, wenn aber in der Sache eine Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat vorgesehen ist, an diesen zu.

Gemäß § 51 Verwaltungsstrafgesetz – VStG steht im Verwaltungsstrafverfahren den Parteien das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den erstinstanzlichen Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat.

3.2. Wie der Rechtsvertreter des Bw selbst ausführt, hat dieser erst mit der Zustellung des mit 10. August 2012 datierten Beschlusses des Oö. Verwaltungssenates am 12. September 2012, mit welchem die eingebrachte Berufung gegen das bezogene Straferkenntnis als verspätet zurückgewiesen wurde, von der Versäumung der Frist in diesem Verfahren Kenntnis erlangt.

Der verfahrensgegenständliche Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde daher rechtzeitig am 26. September 2012 der Post als Zustelldienst übergeben.

3.3. Nach der stRsp des Verwatungsgerichtshofes zu § 71 AVG ist an berufliche rechtskundige Parteienvertreter (wie insbesondere Anwälte) ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige Personen (vgl ua VwGH 1.6.2006, 2005/07/0044; VwGH 11.6.2003, 2003/10/0114). Diese strengen Anforderungen gelten auch hinsichtlich der Tätigkeit ihrer Mitarbeiter. Diesbezüglich hat ein beruflicher rechtskundiger Parteienvertreter Vorkehrungen vor allem bezüglich der Organisation des Kanzleibetriebes und in Hinsicht auf die Überwachung der Angestellten in Bezug auf die Einhaltung der Fristen, die Richtigkeit und Vollständigkeit von Eingaben an die Behörden, aber auch von die Präklusion verhindernden Einwendungen etc, zu treffen (vgl VwGH 17.7.2008, 2008/20/0305; VwGH 27.1.1997, 96/10/0253 mwN).

Der Rechtsvertreter des Bw muss demnach auch bezüglich der Tätigkeit seiner Kanzleikraft besonders strengen Anforderungen genügen.

In einem vergleichbaren Fall konstatierte der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 8.7.1992, 92/03/0093, dass "[das] Zustelldatum einer besonderen Prüfungspflicht [unterliegt], zumal es ein wesentlicher Umstand für das Ende der Rechtsmittelfrist ist. Der Rechtsanwalt hat daher die eingehende Post täglich der erforderlichen Kontrolle zu unterstellen, um Unzukömmlichkeiten bei der Anmerkung des Zustelldatums zu vermeiden. Ist er ... überhaupt einen ganzen Tag dienstlich abwesend, so hat er, sofern er nicht einen Vertreter betraut hat, am darauffolgenden Arbeitstag die Fristen betreffenden Poststücke einer besonders sorgfältigen Prüfung hinsichtlich des Tages des Einlaufes zu unterziehen."

Wenn der rechtsfreundliche Vertreter des Bw in der Berufung daher vorbringt, dass die gebotene Mitarbeiterüberwachung durch Nachfrage in seinem Sekretariat eingehalten wurde sowie dass "[e]ine weitere Prüfpflicht, die das Vertrauen in die Arbeitsleistung der immer vorzüglich arbeitenden Assistentin in Frage stellen würde, oder eine persönliche Übernahme der Poststücke die Aufsichtspflicht wesentlich überspannen [würde]", ist ihm entgegenzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof in der zitierten Entscheidung weiter ausführte, dass "[m]it der Behauptung, es habe sich bei den Angestellten des Rechtsanwaltes um langjährige erfahrene Kräfte gehandelt, nichts zu gewinnen [ist], zumal den Rechtsanwalt eine besondere Überwachungspflicht trifft, aber in keiner Weise dargelegt wurde, dass und wie er dieser Verpflichtung konkret nachgekommen ist."

Entgegen der in der Berufung vertretenen Auffassung erfüllt aber der Umstand, dass der Rechtsvertreter bei seiner Kanzleikraft nachgefragt hat, welches Datum nun das korrekte Zustelldatum sei, keinesfalls die von der Rechtsprechung geforderten Anforderungen an eine besondere Überwachungspflicht. Vielmehr hätte sich der berufliche rechtskundige Parteienvertreter durch Rückfrage bei der belangten Behörde vergewissern müssen, ob das angenommene Zustelldatum richtig ist bzw mit welchem Tag die Zustellung tatsächlich erfolgte bzw zumindest seine Kanzleikraft mit dieser Nachfrage beauftragen müssen. Dabei wiegt es umso schwerer, dass dem Rechtsvertreter bewusst war, dass keine völlige Klarheit über das Zustelldatum herrsche. Sich auch bei der erneuten Nachfrage bei einer Sekretärin, die gerade aufgrund der geschilderten Umstände ihre Nachlässigkeit dargelegt hat, wiederum alleine auf ihre Ausführungen zu verlassen, reicht in diesem Fall für die Erfüllung der Überwachungspflicht eines Rechtsanwaltes jedenfalls nicht aus. Selbst wenn die Einholung von Erkundigungen bei der belangten Behörde über das richtige Zustelldatum – aus welchen Gründen auch immer – nicht in Betracht gezogen wurde, so hätte jedenfalls das "frühere" Fristende – somit der 20. Juli 2012 – herangezogen und ins Fristenbuch eingetragen werden können, um die Rechtsmittelfrist keinesfalls zu versäumen. Die Einbringung eines Rechtsmittels einen Arbeitstag früher sieht der Oö. Verwaltungssenat gerade bei derartigen Umständen, wie sie im Einzelfall vorlagen, jedenfalls als zumutbar an.

Ferner hätte zumindest auch der Versuch unternommen werden können, durch Vergleichen der am 9. Juli 2012 geöffneten Kuverts mit den in der Unterschriftenmappe einliegenden, zweifelhaften Schriftstücken zu rekonstruieren, ob der in Rede stehende Bescheid der belangten Behörde tatsächlich erst an diesem Tag zugestellt worden war.

4. Zusammengefasst kann daher erkannt werden, dass den beruflichen rechtskundigen Parteienvertreter ein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden an der Versäumung der Rechtsmittelfrist traf. So hätte er sich nicht weiterhin auf die bloßen Erklärungen seiner Sekretärin – die eine mangelnde Verlässlichkeit in diesem Punkt durch die genannten Umstände ja gerade eindrücklich unter Beweis gestellt hat – verlassen dürfen, sondern die diesbezüglichen Ausführungen überprüfen müssen.

 

Die Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lagen demnach nicht vor und es war spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

 

Dr.  L u k a s

 

 

 

 

 

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