Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-253252/30/Wim/Bu

Linz, 29.04.2013

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Leopold Wimmer über die Berufung des Herrn x, vertreten durch x Rechtsanwälte, Mag. x, x, gegen das Straferkenntnis im Namen des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 26.07.2012, BZ-Pol-09003-2011, wegen Verwaltungsübertretung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG) nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 8.1.2013 und 17.04.2013 zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben und das erstinstanzliche Straferkenntnis bestätigt.

 

II. Der Berufungswerber hat zusätzlich als Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat einen Beitrag von 200 Euro zu leisten, das sind 20 % der verhängten Strafe.

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 19, 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II: §§ 64 Abs. 1 u. 2 VStG.

 


Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber wegen Übertretung des § 130 Abs. 1 Z15 ASchG iVm mit § 10 Abs. 1 Z3 Arbeitsstättenverordnung eine Geldstrafe in der Höhe von 1.000 Euro, bei Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheits­strafe von 46 Stunden sowie ein 10 %-iger Verfahrenskosten­beitrag verhängt.

Im Einzelnen wurde ihm vorgeworfen:

" Sie haben es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als iSd § 9 Abs 1 VStG zur Vertretung nach außen Berufener der Firma x GmbH., x (Arbeitgeberin) zu vertreten, dass der Arbeitsinspektor x, Arbeitsinspektorat Wels am 25.11.2010, in der Betriebsstätte x feststellte, dass an der südöstlichen Wand des Kleinteilelagers ein Stahlsteckregal zur Lagerung von Waren aufgestellt wurde, ohne dass auf die Standfestigkeit der für die Lagerung verwendeten Einrichtung Bedacht genommen wurde, obwohl Lagerungen so vorzunehmen sind, dass Arbeitnehmer/innen durch das Lagergut oder durch die Gebinde oder Verpackungen nicht gefährdet oder beeinträchtigt werden können, wobei insbesondere auf die Standfestigkeit der für die Lagerung verwendeten Einrichtungen Bedacht zu nehmen ist und dadurch durch den Arbeitgeber die Verpflichtungen betreffend die Einrichtung und den Betrieb von Arbeitsstätten oder Baustellen einschließlich der Sozial- und Sanitäreinrichtungen verletzt wurden."

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber durch seine Rechtsvertretung rechtzeitig Berufung erhoben und darin zusammengefasst im Wesentlichen ausgeführt, dass von der Erstinstanz die Umstände warum sowohl die objektive als auch die subjektive Tatseite erfüllt sein sollten, nicht einmal ansatzweise begründet worden seien.

 

Der Beschuldigte habe nachvollziehbar ausgeführt, dass das gegenständliche Regal ordnungsgemäß entsprechend der Aufbauanleitung errichtet worden sei und nur infolge des weisungswidrigen Besteigens durch die Arbeitnehmerin in den Stehern eingeknickt sei.

 

Weiters sei im erstinstanzlichen Verfahren dem Beschuldigten das Schreiben des Arbeitsinspektorates Wels vom 19.9.2011, in dem dieses entscheidend von seiner ursprünglichen Darstellung des Sachverhaltes abweiche, zu keinem Zeitpunkt zur Kenntnis gebracht worden.

 

Das gegenständliche Regal habe eine bestehende Höhe von knapp unter 2 m und eine Regaltiefe von 60 cm gehabt und habe daher nach Herstelleranleitung weder am Boden noch an der Wand verankert werden müssen, da die Regalelemente fest miteinander verbunden gewesen seien.

 

Da die vorgeworfenen maßgeblichen Bestimmungen gar nicht verletzt worden seien, werde die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt.

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsicht­nahme in den erstinstanzlichen Verfahrensakt sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 8. Jänner und 17. April 2013 in welcher als Zeugen der ehemalige und zum Unfallszeitpunkt beschäftigte Lagerleiter, der anzeigende Arbeitsinspektor, die verunfallte Arbeitnehmerin und die Sicherheitsfachkraft des Betriebes einvernommen wurden.

 

3.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht von folgendem entscheidungs­wesent­lichen Sachverhalt aus:

 

Der Berufungswerber war zum Tatzeitpunkt ein handelsrechtlicher Geschäfts­führer der x GmbH, die einen Großhandel mit Büroartikeln betreibt.

 

In der Betriebsstätte x, wurde an der südöstlichen Wand des Kleinteilelagers ein Stahlsteckregal der Marke x der x GmbH mit einer Länge von ca. 6 m, einer Höhe von ca. 2 m und einer Fachbodentiefe von ca. 60 cm durch eine Fremdfirma freistehend ohne Verschraubung zum Boden oder zur Wand aufgestellt. Dabei wurden die dafür erforderlichen Fachböden teilweise geschraubt und teilweise nur eingehängt. Die nach der Aufbauanleitung erforderlichen rückseitigen Diagonalverbände wurden nicht angebracht. Eine Endabnahme nach der erfolgten Montage durch einen Fachkundigen hat nicht stattgefunden.

 

Am 25.11.2010 wollte die verunfallte Arbeitnehmerin vom obersten Fachboden des Regals eine etwas schwerere Schachtel entnehmen. Sie ist dazu mit einem Fuß auf den untersten der drei Fachböden des Regals gestiegen und mit dem anderen Fuß auf auf einer Palette lagernde Schachteln und hat die zu entnehmende Schachtel nach vorne gezogen. Sodann ist sie wieder auf den Boden gestiegen und wollte die Ware weiter nach vorne und nach unten ziehen. Währenddessen ist das Regal nach vorne gekippt und wurde die Arbeitnehmerin eingeklemmt. Sie befand sich 3 Tage lang in stationärer Behandlung, war bis einschließlich 1.12.2010 im Krankenstand und hatte 3 Wochen lang Schmerzen.

 

In der Lagerhalle gab es ausreichend Aufstiegshilfen. Die Arbeitnehmer waren angewiesen, die Regale nicht zu besteigen. Es fanden regelmäßig Schulungen über Arbeitnehmerschutz statt. In den Bedienungsvorschriften des Regal­her­stellers ist ein Heraus- bzw. Herunter­ziehen von Waren nicht untersagt.

 

3.3. Der gegenständliche Sachverhalt ergibt sich aus dem erstinstanzlichen Verfahrensakt und vorallem aus den Aussagen der einvernommenen Zeugen, unterstützt durch die vorgelegten Lichtbilder.

 

Hinsichtlich der Ausmaße des Regals bestätigen mit Ausnahme des Arbeitsinspektors alle befragten Zeugen die nunmehrigen Annahmen. Der Arbeitsinspektor hat seine ursprünglichen Anzeigeangaben später hinsichtlich der Höhe revidiert und liegen seinerseits nur Mutmaßungen über die tatsächliche Regalhöhe vor, die jedoch nicht verifiziert werden konnten.

 

Der Umstand, dass Diagonalverbände beim Regal montiert waren wurde von keinem Zeugen und auch nicht vom Berufungswerber behauptet. Hinsichtlich des Umstandes, dass ein Teil der Regalböden nur gesteckt war, wird auf die durchaus glaubwürdigen Aussagen des damals aktuellen Lagerleiters sowie der Sicherheitsfachkraft und auch des Arbeitsinspektors verwiesen. Diese haben das Regal auch zeitnahe zum Arbeitsunfall gesehen, während der ehemalige Lagerleiter dazumal schon für mehrere Monate aus der Firma ausgeschieden war.

 

Dass es keine Abnahme durch einen Fachkundigen nach der Regalmontage gegeben hat, ist unbestritten im Beweisverfahren hervorgekommen.

 

Ebenso wurde auch der Umstand, dass sich das Regal bei Entnahme der Ware nach vorgeneigt hat niemals bestritten. Hinsichtlich des näheren Unfallherganges folgt der Unabhängige Verwaltungssenat der durchaus glaubwürdigen Aussagen der verunfallten Arbeitnehmerin. So hat sie weder vor der Polizei noch in der öffentlichen mündlichen Verhandlung angegeben, dass sie während des Vorneigens des Regals noch auf diesem gestanden wäre. Sie war überdies die einzige, die das Geschehen direkt wahrgenommen hat.

 

Ob Regalsteher beim Vorneigen des Regals eingeknickt sind, konnte nicht eindeutig festgestellt werden. Dazu hat es keine eindeutigen Aussagen gegeben und ist dies auch auf den Lichtbildern nicht festzustellen. Auf jeden Fall hat sich das Regal erst dann vorgeneigt als die Arbeitnehmerin schon wieder auf dem Boden stand und die Ware vom obersten Regalfachboden ziehen wollte.

 


4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. Hinsichtlich der maßgeblichen Rechtsgrundlagen kann grundsätzlich auf die Ausführungen der Erstinstanz verwiesen werden.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z3 Arbeitsstättenverordnung sind Lagerungen so vorzunehmen, dass Arbeitnehmer/innen durch das Lagergut oder durch die Gebinde oder Verpackungen nicht gefährdet oder beeinträchtigt werden können, wobei insbesondere Bedacht zu nehmen ist auf die Standfestigkeit der für die Lagerung verwendeten Einrichtungen.

 

Nach § 130 Abs. 1 Ziffer 15 ASchG beträgt der Strafrahmen für die gegenständliche Verwaltungsübertretung 145 bis 7.260 Euro.

 

4.2. Aus dem festgestellten Sachverhalt, wonach beim Herunterziehen einer Ware vom obersten Regalboden das gesamte Regal nach vorne gekippt ist, ergibt sich schon dass das Regal nicht entsprechend standfest aufgebaut war.

Ob beim Vorkippen tatsächlich Regalsteher eingeknickt sind, ist für die Erfüllung des obigen Tatbestandes nicht relevant, da aufgrund der Beweisergebnisse erst als die Berufungswerberin wieder auf dem Boden gestanden ist und die Ware nach vorne gezogen hat, sich das Regal zu neigen begonnen hat. Ein allfälliges Besteigen davor ist im gegenständlichen Fall somit nicht unmittelbar unfalls­kausal.

 

Es wurde daher der objektive Tatbestand der Übertretung erfüllt.

 

Allfällige durchaus zu Recht gerügte Mängel betreffend Parteiengehör und Begründung im erstinstanzlichen Verfahren sind durch das umfassend durchgeführte Berufungs­verfahren saniert.

 

4.3. Hinsichtlich des Verschuldens ist zunächst auszuführen, dass es sich bei der angeführten Übertretung um ein so genanntes Ungehorsamsdelikt gemäß § 5 Abs. 1 VStG handelt, bei dem Fahrlässigkeit dann ohne weiteres anzunehmen ist, wenn der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Ver­waltungs­vorschrift kein Verschulden trifft.

 

Aufgrund seines Vorbringens und der obigen Ausführungen ist ihm dies nicht gelungen. So hätte sich der Berufungswerber durch einen Fachkundigen vergewissern müssen, dass sich das gegenständliche Regal auch wirklich in einem standsicheren Zustand befindet, zumal das Regal aufgrund der fehlenden Diagonalverbände zumindest nicht vollständig entsprechend den Herstelleran­weisungen aufgebaut war. Der Berufungswerber kann sich somit auch nicht auf die bloße Einhaltung der Herstelleranleitung berufen, die ihn in Bezug auf die Standfestigkeit schon daher nicht entlasten kann zumal in den Bedienungs­vorschriften auch ein Heraus- bzw. Herunter­ziehen von Waren nicht untersagt ist.

Die vorgenommenen Schulungen und Anweisungen entlasten für diese Übertretung ebenso wie die vorhandenen Aufstiegshilfen nicht, da das weisungswidrige Besteigen des Regals nicht unmittelbar unfallskausal war.

 

Der Berufungswerber hat daher die Übertretung daher auch in subjektiver Hinsicht zu verantworten.

 

4.4. Gemäß § 19 Abs. 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

 

Gemäß § 19 Abs. 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungs­strafrechtes sind die §§ 32 bis 35 StGB sinngemäß anzuwenden.

 

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafbemessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessenentscheidung, die von der Behörde nach den vom Gesetzgeber in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen ist. Eine Rechtswidrigkeit bei der Strafbemessung liegt dann nicht vor, wenn die Behörde von dem ihr eingeräumten Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat. Demgemäß obliegt es der Behörde die Befolgung des § 60 AVG (§ 24 VStG) in der Begründung des Bescheides die für die Ermessensausübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Ziel des Gesetzes erforderlich ist.

 

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurden die geschätzten persönlichen Verhältnisse des Berufungswerbers berücksichtigt.

 

Die Erstinstanz hat zu Recht die Unbescholtenheit des Berufungswerbers als mildernd gewertet. Das hohe Gefährdungspotenzial für Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer sowie der Umstand dass es zu einem Arbeitsunfall gekommen ist, wirken durchaus straferschwerend. Beim unwidersprochenen durchaus höheren Einkommen des Berufungswerbers ist die verhängte Strafe, die sich im untersten Bereich des Strafrahmens bewegt, auch aufgrund der Gesamtumstände der Tat absolut gerechtfertigt.

 

Sonstige Gründe für eine Strafherabsetzung liegen nicht vor und konnten mangels vorliegender gesetzlichen Voraussetzungen auch die §§ 20 und 21 VStG (außerordentliche Strafmilderung bzw. Absehen von der Strafe) nicht zur Anwendung gelangen.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

5. Der Kostenspruch ist in der zitierten Gesetzesstelle begründet. Da das Straferkenntnis bestätigt wurde, war daher ein zusätzlicher 20 %-iger Verfahrens­kostenbeitrag vorzuschreiben.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­gerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

Dr. Leopold Wimmer

 

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