Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281388/41/TK/BRe

Linz, 26.04.2013

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die 5. Kammer (Vorsitzende Mag. Michaela Bismaier, Berichterin Dr. Ilse Klempt, Beisitzer Mag. Thomas Kühberger) über die Berufung des Herrn x, x, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. x, x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 31. Jänner 2012, Ge96-175-1-2011 und Ge96-175-2011, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 25.9.2012 und 19.12.2012 zu Recht erkannt:

 

1. Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass

 

- im Tatvorwurf die letzten beiden Absätze, nämlich "Die Ausnahme des § 87 Abs. 5" … bis … "(Straferkenntnis vom 3.7.2008)" zu entfallen haben,

- die verletzte Rechtsvorschrift gemäß § 44 a Z. 2 VStG zu lauten hat: "§§ 118 Abs. 3 und 130 Abs. 5 Z. 1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG, BGBl. Nr. 450/1994 i.d.F. BGBl. I Nr. 51/2011 iVm § 87 Abs. 2 Bauarbeiterschutzverordnung (BauV), BGBl. Nr. 340/1994 i.d.F. BGBl. Nr. II Nr. 3/2011 (in zwei Fällen)",

- eine Geldstrafe von 1.150 Euro je Arbeitnehmer und eine Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Stunden je Arbeitnehmer verhängt wird und

- die Verwaltungsstrafnorm im Sinn des § 44 a Z 3 VStG zu lauten hat: "§ 130 Abs. 5 Einleitungssatz ASchG".

 

2. Der Berufungswerber hat zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat einen Kostenbeitrag in der Höhe 460 Euro, das sind 20 % der verhängten Geldstrafen, zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 5, 9, 19 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II: § 64 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 31.1.2012, Ge96-175-1-2011 und Ge96-175-2011, wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 2.300 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 9 Abs. 1 VStG iVm § 130 Abs. 5 Einleitungssatz/Wiederholungsqualifikation und Z 1 iVm § 118 Abs. 3 ASchG iVm § 87 Abs. 2 und 5 Z 2 sowie §§ 7 - 10 BauV verhängt, weil er als handelsrechtlicher Geschäftsführer der x GmbH mit Sitz in x, verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten hat:

 

 

"Wie vom Arbeitsinspektorat Wels am 01.08.2011 auf der Baustelle Wohnhaus x in x unmittelbar dienstlich festgestellt und photographisch dokumentiert sowie bei uns angezeigt wurde, hat die x GmbH dort als Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer

 

 

 

• x, geb. x und

 

• x, geb. x

 

 

 

bei Dachdeckerarbeiten - nämlich Nagel- und Schraubarbeiten auf dem Dach und am Dachsaum - eingesetzt und nicht dafür gesorgt, dass dort Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen gemäß den §§ 7 bis 10 der Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) vorhanden waren, obwohl folgender, unter § 87 Abs. 2 der BauV einzuordnende Sachverhalt gegeben war:

 

 

 

• die Dachneigung betrug etwa 10° (und fällt somit in die Klassifizierung 'bis zu 20°') und

 

• die Absturzhöhe betrug etwa 7,00 m (und fällt somit in die Klassifizierung 'mehr als 3,00 m').

 

 

 

Die Ausnahme des § 87 Abs. 5 BauV, wonach bei Arbeiten auf Dächern in der besonderen Form des Arbeitens am Dachsaum das Anbringen von Schutzeinrichtungen entfallen kann, ist auf diesen Vorfall nicht anwendbar, weil beide Arbeitnehmer gleichzeitig bzw. aufeinanderfolgend auch an der Dachfläche Arbeiten durchführten (und sie abgesehen davon nicht mittels Sicherheitsgeschirr angeseilt waren).

 

 

 

Wegen Übertretung des § 87 Abs. 3 BauV wurden Sie bereits in drei Fällen mit Strafbescheid und in einem Fall mit Ermahnung der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land rechtskräftig bestraft/ermahnt, nämlich unter Ge96-98-2006 (Ermahnung vom 30.01.2007), Ge96-112-2006 (Straferkenntnis vom 20.07.2007), Ge96-39-2007 (Straferkenntnis vom 10.09.2007) und Ge96-64-2007 (Straferkenntnis vom 03.07.2008).

 

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens beantragt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Dacharbeiten ausschließlich zum Zweck der Errichtung der Sicherheitsseinrichtungen erfolgten, für welche es ebenso Nagel- und Schraubarbeiten auf dem Dach und Dachsaum bedarf. Die Einvernahme der beiden Arbeitnehmer x und x wäre unabdingbar erforderlich gewesen. Es seien genau zum Zweck der Anbringung der Schutzvorrichtungen die entsprechenden Dachdeckerarbeiten gesetzt worden. Auch sei dem Berufungswerber ein Entlastungsnachweis gelungen als im Unternehmen der Fa. x GmbH hinlängliche Vorkehrungen getroffen seien, dass sämtliche Mitarbeiter die entsprechenden Schutzvorrichtungen penibelst einhalten.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

Weil eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war die Zuständigkeit der nach der Geschäftsverteilung bestimmten Kammer, zusammengesetzt aus drei Mitgliedern des Oö. Verwaltungssenates, gegeben.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie durch Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 25.9.2012, fortgesetzt am 19.12.2012, zu welchen die Verfahrensparteien geladen wurden. Der Berufungswerber und sein Rechtsvertreter sowie ein Vertreter des zuständigen Arbeitsinspektorates haben an den Verhandlungen teilgenommen; die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat sich entschuldigt. Weiters wurden die Zeugen Dipl.-Ing. (FH) x, x, x und x einvernommen. Insbesondere werden die der Anzeige beigeschlossenen Fotos zugrunde gelegt.

 

4.1. Im Grunde des durchgeführten Beweisverfahrens steht folgender Sachverhalt als erwiesen fest:

Der Berufungswerber ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der x GmbH mit Sitz in x. Das Unternehmen hat eine Gewebeberechtigung für Zimmerei, Dachdeckerei und Spenglerei. Die Aufgaben sind zwischen dem Berufungswerber und seinem Bruder x aufgeteilt, wobei der Berufungswerber für die Zimmerei zuständig ist, für 90 % der Dachdeckerei und Spenglerei ist der Bruder x zuständig. Hinsichtlich der Zimmerarbeiten ist daher der Berufungswerber auf der Baustelle zuständig, für die weiteren Arbeiten hätte der Bruder die Baustelle weiter betreut. Die kaufmännischen Belange betreut der Berufungsweber für das gesamte Unternehmen.

Die gegenständliche Baustelle befindet sich in der Nähe des Firmensitzes. Es handelt sich um ein Wohnhaus x, wobei vom Unternehmen sowohl die Zimmereiarbeiten als auch Dachdecker- und Spenglerarbeiten vorgenommen wurden. Es wurde von den Zimmerern zunächst der Dachstuhl errichtet. Es handelt sich um ein Pultdach mit zirka 10° Dachneigung. Es handelt sich um ein 2-geschossiges Gebäude mit einer höheren Übermauerung an einer Hausseite. Die Dachstuhlarbeiten wurden schon 1 bis 2 Wochen vor dem Kontrollzeitpunkt (1.8.2011) fertig gestellt und die Baustelle geräumt. Für die Dacheindeckung und die dafür erforderlichen Dachdecker- und Spenglerarbeiten sollte wieder eine Baustelleneinrichtung dorthin verfracht werden. Üblicherweise werden einfache Sicherheitseinrichtungen wie Gerüstteile mit Anhänger mitgebracht. Bei der gegenständlichen Baustelle wurden diese Teile aber erst später nachgebracht. Der Berufungswerber, der für die Zimmereiarbeiten zuständig war, war Tage vor dem Kontrollzeitpunkt auf der Baustelle um nachzusehen, ob die Arbeiten ordentlich durchgeführt worden sind. Am 1.8.2011 war der Berufungswerber nicht auf der Baustelle. Für jede Baustelle gibt es eine Baustellenmappe mit den Plänen für die Baustelle mit entsprechenden Arbeitsschritten und den erforderlichen Materialien. Eine Checkliste ist ebenfalls hinsichtlich der Sicherheitseinrichtungen anzukreuzen. Die Baustellenmappe wird im Büro von den Sekretärinnen hergerichtet, wobei die Techniker sagen, was erforderlich ist. Die Mappe wird den Arbeitnehmern von den Technikern übergeben. Für Dachdeckerei und Spenglerei ist der Bruder x zuständig und hätte er dann die Baustelle weiter betreuen müssen. Ein Baustellenkoordinator war nicht bestellt. Der zuständige x war am 1.8.2011 nicht auf der Baustelle. Er wusste daher nicht, wie weit die Arbeiten zu diesem Zeitpunkt waren. Die Dachrinne und ein Teil der Dacheindeckung wurden bereits am Vortag des 1.8.2011 montiert, wobei zur Montage der Dachrinne ein Abstand vom Garagendach bis zur Traufenhöhe 3 m nach seiner Ansicht nicht übersteigt. Zu Beginn der Arbeiten hinsichtlich der Dachrinnenmontage hat der Bruder x aber die Arbeitnehmer angewiesen, Schutzmaßnahmen mitzunehmen, wobei die Arbeitnehmer entscheiden, welche konkreten Einrichtungen auf der Baustelle notwendig sind. Eine persönliche Schutzausrüstung wird immer zur Baustelle mitgebracht, technische Schutzeinrichtungen müssen von den Arbeitnehmern von der Firma geholt werden. Außer an der Garagenseite hätte an den übrigen drei Hausseiten ein Geländer mit Pfosten montiert werden sollen. Eine persönliche Schutzausrüstung war auf der Baustelle für die Arbeitnehmer vorhanden und auf dem Dach, wurde allerdings von den Arbeitnehmern nicht verwendet. Es gab weder vom Berufungswerber noch von seinem Bruder konkrete Anweisungen, welche technischen Maßnahmen konkret auf der Baustelle durchzuführen waren. Es gab auch keine Anweisung, wo sich die Arbeitnehmer mit dem Seil hätten befestigen sollen. Eine genaue Anweisung, wo die Sekuranten zu setzen sind, gibt es nicht. Die Arbeitnehmer sollen sich entweder am Kamin oder am Sekuranten anhängen. Die Arbeitnehmer wissen von sich aus, wo sie die Sekuranten setzen müssen. Das Setzen der Sekuranten fällt in die Eigenverantwortung der Arbeitnehmer.

Am 1.8.2011 wurde auf der Baustelle bei einer Kontrolle durch das Arbeitsinspektorat festgestellt, dass zwei Arbeitnehmer auf dem Dach bei Dacharbeiten angetroffen wurden. Es wurden Fotos angefertigt. Auf diesen Fotos ist ersichtlich, dass linksseitig bereits Spenglerarbeiten, nämlich das Anbringen der Dachrinne, ausgeführt waren, und anschließend auch ein Teil der Dacheindeckung bzw. Dachverblendung durchgeführt war. Konkret haben die Arbeitnehmer Nagel- und Schraubarbeiten durchgeführt. Ein Arbeitnehmer hat deutlich am äußeren Eckbereich des Daches Arbeiten vorgenommen. Technische Schutzeinrichtungen waren an der Baustelle nicht vorhanden. Auch waren offensichtlich keine Gerüstteile auf der Baustelle vorgelegen. Die Arbeitnehmer waren nicht angegurtet. Auf die Frage des Arbeitsinspektors, ob Gurten auf der Baustelle vorhanden sind, wurde dies verneint und geantwortet, dass keine persönliche Schutzausrüstung an der Baustelle vorhanden ist. Bei der Kontrolle wurden die Arbeitnehmer auch gesehen, wie sie am Dach herumgehen und Arbeiten durchführen.

Die Arbeitnehmer x und x sind gelernte Fachkräfte, nämlich Dachdecker und Spengler. Diese bestätigen, dass am Vortag die Dachrinne montiert wurde und bereits auf einer Seite des Daches Dachbleche des Kaltdaches montiert wurden. Die Arbeiter haben am 13.7.2011 eine Unterweisung vom Berufungswerber anhand des Datenblattes vom 13.7.2011 bekommen. Weiters wurde auch noch von Herrn x unterwiesen, nämlich dass bis 3 m Höhe keine Schutzmaßnahmen durchzuführen sind, ab 3 m Höhe ein Gerüst notwendig ist. Die Nagelarbeiten waren Vorbereitungsarbeiten. Zu den Vorbereitungsarbeiten wurde ausgeführt, dass es sich dabei um keine richtigen Arbeiten handelt. Am 1.8.2011 war auch Herr x nicht auf der Baustelle. Es gab die Anweisung, dass ein Schutzgerüst vorgesehen ist, weil die Baustelle neben der Bundesstraße gelegen ist und umso mehr Sicherheit notwendig ist wegen dem Arbeitsinspektor. Wenn auf dem Sicherheitsdatenblatt vom 13.7.2011 Dachschutzblenden vorgesehen sind, so sind diese für die Arbeitnehmer eigentlich ein Schutzgerüst. Die persönliche Schutzausrüstung sollte zwar grundsätzlich verwendet werden, allerdings wurde sie tatsächlich nicht verwendet, weil die Gefahr nicht so bewusst war. Weiters wird als Grund, warum der Sicherheitsgurt auf dem Dach nicht angelegt wurde, ausgeführt, dass die Reichweite rund um das Dach nicht ausreichte, also man sich immer wieder abhängen müsste und an einer anderen Stelle anhängen müsste.

Vorgaben für das Setzen von Sekuranten gibt es nicht. Die Arbeitnehmer wissen, wo sie einen Sekuranten brauchen und setzen müssen. Sekuranten gab es auf der Baustelle nicht. Es gab nur einen Fixpunkt zum Anhängen.

Neben dem Datenschutzblatt haben die Mitarbeiter eine Ausbildung, wie die persönliche Schutzausrüstung zu verwenden ist. Diese Ausbildung ist nicht alle Jahre. Die Mitarbeiter werden ab und zu dort hin geschickt.

Die Arbeitnehmer sind nach dem Vorfall mündlich abgemahnt worden. Eine schriftliche Abmahnung gab es nicht. Nach dem Vorfall wurde ein Holzgeländer montiert.

 

4.2. Diese Feststellungen gründen sich insbesondere auf die im Akt liegenden Fotos, auf welchen die Baustelle und die nicht vorhandene Sicherung ersichtlich ist. Weiters gründen sich die Feststellungen auf die Aussagen der einvernommenen Zeugen, sowie auch auf die Angaben des Berufungswerbers. Einhellig kam hervor, dass technische Sicherheitseinrichtungen nicht vorhanden waren und die Arbeitnehmer nicht angeseilt waren, und dass eine Kontrolle am 1.8.2011 durch den Berufungswerber nicht stattgefunden hat. Auch der innerbetrieblich verantwortliche Bruder des Berufungswerbers hat an diesem Tag vor der Kontrolle des Arbeitsinspektorates die Baustelle nicht kontrolliert. Der Sachverhalt ist daher einwandfrei erwiesen.

Dass für das Anbringen von Sicherheitseinrichtungen ebenso Nagel- und Schraubarbeiten notwendig sind, ist für das Verfahren nicht relevant und war daher diesbezüglich die Beiziehung eines Sachverständigen nicht erforderlich. Auch war weder ein Lokalaugenschein durchzuführen noch ein Sachverständiger dazu beizuziehen, dass die Absturzhöhe von dem Punkt, an dem der Arbeitnehmer x gearbeitet hat, bis zur Garage unter 3 m ist. Es sind sowohl auf den Fotos als auch nach den Zeugenaussagen Arbeiten auf dem gesamten Dach ersichtlich und durchgeführt worden und Sicherungen nicht gegeben.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 87 Absatz 2 Bauarbeiterschutzverordnung - BauV, BGBl. Nr. 340/1994 idF BGBl. II Nr. 3/2011, (zum Tatzeitpunkt geltende Fassung) müssen bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung bis zu 20° und einer Absturzhöhe von mehr als 3,00 m Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen gemäß §§ 7 bis 10 vorhanden sein.

Gemäß § 130 Abs. 5 Z. 1 ArbeitnehmerInnenschutz - ASchG, BGBl. Nr. 450/1994 idF BGBl. I Nr. 51/2011, begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 Euro bis 14.530 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in nach dem 9. Abschnitt weiter geltenden Bestimmungen zu wider handelt.

Gemäß § 118 Abs. 3 ASchG gilt die Bauarbeiterschutzvorordnung (BauV) als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.

 

5.2. Die Arbeitnehmer der x GmbH mit Sitz in x haben Arbeiten auf dem Dach bis 7,00 m ohne entsprechende Schutzeinrichtungen und ohne Anseilschutz ausgeführt. Es waren keine technischen Schutzeinrichtungen auf der Baustelle vorhanden. Die Arbeitnehmer waren auch nicht mit persönlicher Schutzausrüstung gesichert. Es war daher der objektive Tatbestand der Verwaltungsübertretung hinsichtlich beider Arbeitnehmer erfüllt. Der Berufungswerber ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der x GmbH und hat daher die Übertretung verwaltungsstrafrechtlich gemäß § 9 Abs. 1 VStG zu verantworten.

 

Wenn hingegen der Berufungswerber ausführt, dass an einer Seite des Hauses von der Traufenhöhe bis zur Garagendecke 3 m nicht überschritten sind, so ist ihm entgegen zu halten, dass an den übrigen 3 Seiten des Hauses ebenfalls keine Schutzeinrichtungen vorhanden waren, obwohl aufgrund der höheren Aufmauerung an einer Seite des Hauses und aufgrund des Umstandes, dass es sich um ein Pultdach handelt mit einer Dachneigung von 10°, auch an den übrigen Seiten eine höhere Absturzhöhe gegeben war. Dies wurde auch von den Zeugen bestätigt. Auch wurde von den Zeugen ausgeführt und insbesondere auch glaubwürdig vom Arbeitsinspektor dargelegt, dass an mehreren Stellen des Daches Arbeiten verrichtet wurden. So ist auch auf einem Foto ein Arbeitnehmer auf der höher gelegenen Dachfläche ersichtlich. So hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 5.9.2008, Zl. 2008/02/0129-3 ausgeführt, dass § 87 BauV keine Einschränkung etwa nach der Entfernung der durchzuführenden Arbeit von der Absturzkante enthält. Damit ist der Wortlaut eindeutig. Dies ist auch klar, wenn man nach dem Sinn aller Arbeitnehmerschutznormen berücksichtigt, dass es auf die Verhinderung abstrakter Gefahrenlagen ankommt. Bei Arbeiten auf Dächern ist grundsätzlich nie auszuschließen, dass sich ein Arbeitnehmer (etwa, weil er anderen Arbeitern ausweicht) der Absturzkante nähert und in konkrete Absturzgefahr gerät. Für die von der Beschwerdeführerin geforderte teleologische Reduktion des § 87 BauV jeweils nach dem Ort der gerade durchgeführten Arbeit verbleibt kein Raum. Auch führte der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16.12.2005, Zl. 2005/02/0238 aus, dass der 11. Abschnitt der BauV die Überschrift "Arbeiten auf Dächern" trägt. Für welche Art von Bauarbeiten die BauV gilt, ergibt sich aus § 1 Abs. 2 BauV. Werden daher "Arbeiten auf Dächern" verrichtet, so ist es unerheblich, um welche Art von Bauarbeiten im Sinn des § 1 Abs. 2 BauV es sich dabei "konkret" handelt. Vielmehr führt der VwGH im Erkenntnis vom 11.9.2009, Zl. 2008/02/0168 aus, dass es bei Arbeiten auf Dächern grundsätzlich nie auszuschließen ist, dass ein Arbeitnehmer in konkrete Absturzgefahr gerät. Vielmehr sind Schutzeinrichtungen an allen Gefahrenstellen von Dächern anzubringen, bei denen jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann, dass Arbeitnehmer sie im Zuge der Durchführung ihres Auftrages betreten könnten (VwGH vom 31.7.2007, Zl. 2006/02/0237). Im diesem Sinn ist daher auch der Einwand unerheblich, dass es sich zum Kontrollzeitpunkt lediglich um Vorarbeiten gehandelt hat, da auch diese Arbeiten auf dem Dach darstellen und daher Sicherheitsvorkehrungen erfordern.

Im Sinn der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes war aber entgegen dem Ausspruch erster Instanz von zwei Verwaltungsübertretungen (und nicht nur einer) auszugehen, weil sich der rechtswidrige Angriff gegen die Gesundheit mehrerer namentlich genannter Arbeitnehmer richtet. Dies war auch bei der Strafbemessung zu berücksichtigen. (vgl. zB. VwGH vom 16.12.2005, Zl. 2005/02/0238 mit weiteren Judikaturnachweisen). Zweifelsohne war dem Beweisergebnis aber eine Tätigkeit der Arbeitnehmer sowohl an verschiedenen Orten der Dachfläche als auch am Dachsaum gegeben und die Absturzhöhe bis 7,00 m vorhanden. Darüber hinaus ist aber auch anzumerken, dass im Fall einer Absturzhöhe über 3 m ein Anseilen gemäß § 87 Abs. 2 BauV nicht vorgesehen ist und daher nicht genügt. Abgesehen davon waren die Arbeitnehmer an sich nicht angeseilt.

 

5.3. Der Berufungswerber macht mangelndes Verschulden geltend, weil die Arbeitnehmer unterwiesen wurden und das Anlegen der Sicherheitsgurte angeordnet wurde.

 

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar, wobei zur Strafbarkeit bereits Fahrlässigkeit ausreicht und Fahrlässigkeit im Sinn der zitierten Bestimmung ohne weiteres anzunehmen ist, sofern vom Bw kein Entlastungsnachweis erbracht wird. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bw initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringen von Beweismittel oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die Glaubhaftmachung nicht aus.

Im Sinne der Arbeitnehmerschutzbestimmungen und der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen, dass die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sowie der dazu erlassenen Verordnungen eingehalten werden. Ist er selbst nicht anwesend, hat er einen geeigneten Arbeitnehmer zu bestimmen, der auf die Durchführung und Einhaltung der zum Schutz der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen zu achten hat. Es wird zwar darauf Bedacht genommen, dass die im heutigen Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung es nicht zulässt, dass sich der Unternehmer aller Belange und Angelegenheiten persönlich annimmt, es ist ihm vielmehr zuzubilligen, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf eine angemessene Kontrolle zu beschränken. Es ist der Unternehmer dann persönlich von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung befreit, wenn er den Nachweis zu erbringen vermag, dass er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Der dem Berufungswerber nach § 5 Abs.1 VStG obliegende Entlastungsnachweis kann aber nicht allein dadurch erbracht werden, dass die ihn betreffende Verantwortung auf eine hiezu taugliche Person übertragen wird. Es bedarf vielmehr des weiteren Beweises, dass auch für eine geeignete Kontrolle der mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben beauftragten Person Vorsorge getroffen worden ist (VwGH vom 18.9.1991, 90/19/0177, sowie vom 13.12.1990, 90/09/0141). Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reichen die bloße Erteilung von Weisungen und die Wahrnehmung einer „Oberaufsicht“ nicht aus (VwGH 30.6.1994, 94/09/0049). Entscheidend ist, ob auch eine wirksame Kontrolle über die Einhaltung der vom Verantwortlichen erteilten Weisungen erfolgte. In diesem Sinne führt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20.12.2002, 99/02/0220, aus, dass der Hinweis auf die Betrauung Dritter mit Kontrollaufgaben, auf die Erteilung entsprechender Weisungen und auf stichprobenartige Überprüfungen nicht den Anforderungen an ein wirksames Kontrollsystem genügt (vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichteshofes vom 23.5.2006, 2005/02/0248). Insbesondere bemängelt der Verwaltungsgerichtshof, dass der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht hat, dass er etwa die Einhaltung der erteilten Aufträge und Weisungen während deren Ausführung überprüft hätte. „Gerade für den Fall, dass die Arbeitnehmer aus eigenem Antrieb aufgrund eigenmächtiger Handlungen gegen die Arbeitnehmerschutzvorschriften verstoßen, hat das entsprechende, vom Arbeitgeber eingerichtete Kontrollsystem Platz zu greifen. Im Beschwerdefall zeigt jedoch das eigenmächtige Verhalten des verunfallten Arbeitnehmers zum Tatzeitpunkt, dass kein wirksames Kontrollsystem im Sinn der hg. Judikatur vorhanden war“.

Im Sinn dieser Judikatur reicht das Vorbringen des Berufungswerbers nicht aus, ihn von seinem Verschulden zu befreien. Insbesondere hat das Beweisverfahren gezeigt, dass es den Arbeitnehmern in Eigenverantwortung oblag, welche Schutzeinrichtungen verwendet werden. Auch lag es in der Eigenverantwortung der Arbeitnehmer, wo das Anseilen stattfindet, ob bei einem Kamin oder bei Anschlagpunkten und wo die Anschlagpunkte gesetzt werden. Das Beweisverfahren hat gezeigt, dass technische Schutzeinrichtungen erst vom Firmensitz geholt werden mussten. Der Berufungswerber und auch sein Bruder waren am Kontrolltag nicht bei der Baustelle anwesend und haben die Baustelle an diesem Tag nicht kontrolliert. Es konnte daher ein ausreichendes lückenloses Kontrollsystem nicht nachgewiesen werden. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reichen aber Unterweisungen und Anweisungen nicht aus, sondern hat der Berufungswerber durch lückenlose Kontrollen zu garantieren, dass die Anweisungen auch eingehalten werden. Auch hinsichtlich der vom Berufungswerber angeführten Konsequenzen ist anzumerken, dass schriftliche Ermahnungen nicht stattgefunden haben und sonstige Konsequenzen für das Verhalten der Arbeitnehmer nicht angeführt wurden. Es hat daher der Berufungswerber nicht aufgezeigt und unter Beweis gestellt, welche Maßnahmen im Einzelnen der unmittelbar übergeordnete im Rahmen des Kontrollsystems zu ergreifen verpflichtet war, um durchzusetzen, dass jeder in dieses Kontrollsystem eingebundene Mitarbeiter die arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften auch tatsächlich befolgt und welche Maßnahmen schließlich der an der Spitze der Unternehmenshierachie stehende Anordnungsbefugte vorgesehen hat, um das Funktionieren des Kontrollsystems insgesamt zu gewährleisten, das heißt sicherzustellen, dass die auf der jeweils übergeordneten Ebene erteilten Anordnungen (Weisungen) zur Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften auch an die jeweils untergeordnete, zuletzt also an die unterste Hierachie-Ebene gelangen und dort auch tatsächlich befolgt werden. Stichprobenartige Überprüfungen der Baustelle und die Erteilung von Weisungen für das geforderte Bestehen eines wirksamen Kontrollsystems zur Hintanhaltung von Verstößen gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften reichen nicht aus, gleiches gilt für eine Verwarnung für einen festgestellten Verstoß (VwGH vom 24.9.2010, Zl. 2009/02/0097-5 mit weiteren Judikaturnachweisen).

 

5.4. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1).

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides soweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist.

 

Die belangte Behörde hat in der Begründung des Straferkenntnisses zu Recht auf den Unrechtsgehalt der Tat hingewiesen. Auch hat sie erschwerend eine einschlägige Vorstrafe berücksichtigt. Milderungsgründe kamen nicht hervor und wurden auch vom Berufungswerber nicht vorgebracht. Hinsichtlich der Einkommensverhältnisse wurden durchschnittliche Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu Grunde gelegt. Der Berufungswerber bringt die Sorgepflicht für ein Kind vor. In Anbetracht der bereits länger verstrichenen Zeit hat die Behörde diesen Umstand mildern bewertet. Es konnte daher auch der Oö. Verwaltungssenat nicht finden, dass die belangte Behörde bei dem ihr zukommenden Ermessen bei der Strafbemessung in ungesetzlicher Weise vorgegangen wäre. Im Hinblick auf die Begehung von zwei Übertretungen, nämlich gesondert hinsichtlich jeden Arbeitnehmers, entfällt pro Übertretung eine Geldstrafe von 1.150 Euro bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Stunden. Diese Strafe ist tat- und schuldangemessen und auch den persönlichen Verhältnissen angepasst. Sie liegt auch im untersten Bereich des gesetzlichen Strafrahmes für eine wiederholte Tatbegehung. Es war daher kein Grund vorhanden, die Strafe entsprechend herab zu setzen.

Geringfügigkeit des Verschuldens liegt hingegen nicht vor, da das Verhalten des Berufungswerbers nicht weit hinter dem in der Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt der Tat zurück bleibt, und daher eine der kumulativen Voraussetzungen nach § 21 VStG nicht vorliegt. Auch war ein Überwiegen der Milderungsgründe nicht festzustellen, sodass eine außerordentliche Milderung nach § 20 VStG nicht anzuwenden war.

 

Hingegen war im Hinblick auf die berichtigte Beurteilung, dass zwei Delikte vorliegen, der Spruch entsprechend zu korrigieren. Eine Verschlechterung der Situation des Berufungswerbers ist damit nicht verbunden. Die Übrigen Spruchkorrekturen ergeben sich aus den gesetzlichen Bestimmungen.

 

6. Weil die Berufung keinen Erfolg hatte, war ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat in der Höhe von 460 Euro, das sind 20 % der verhängten Geldstrafe, gemäß § 64 VStG aufzuerlegen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

Mag. Michaela Bismaier

 

 

Beschlagwortung: Kontrollsystem

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VwGH vom 21.06.2013, Zl.: 2013/02/0117-3

 

 

 

 

 

 

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