Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-550641/4/Wim/Rd/Bu

Linz, 29.05.2013

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Leopold Wimmer über den Antrag der x GmbH & Co KG, vertreten durch x Rechtsanwälte GmbH, x, vom 24. Mai 2013 auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Vergabeverfahren der Stadtgemeinde x betreffend das Vorhaben "Neugestaltung der Straßenzüge x und x Straßenbau- und Pflasterungsarbeiten", zu Recht erkannt:

 

 

Dem Antrag wird stattgegeben und der Auftraggeberin Stadtgemeinde x die Erteilung des Zuschlags bis zur Entscheidung in diesem Nachprüfungsverfahren, längstens aber bis 24. Juli 2013, untersagt.

Rechtsgrundlagen:

§§ 1, 2, 8 und 11 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz 2006 – Oö. VergRSG 2006, LGBl. Nr. 130/2006 idF LGBl. Nr. 68/2010.

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit Eingabe vom 24. Mai 2013 hat die x GmbH & Co KG (im Folgenden: Antragstellerin) Anträge auf Nichtigerklärung der Aus­scheidens- und der Zuschlagsentscheidung sowie auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, der Auftraggeberin die Zuschlagserteilung bis zur Entscheidung im Nachprü­fungs­verfahren, zu untersagen, gestellt. Im Übrigen wurde die Zuerkennung der entrichteten Pauschalgebühren in Höhe von insgesamt 3.750 Euro beantragt.

 

Begründend führte die Antragstellerin eingangs hiezu aus, dass es sich gegenständlich um einen Bauauftrag im Unterschwellenbereich handle. Die Auftraggeberin habe sich in den Ausschreibungsunterlagen (AU) festgelegt, dass neben dem Hauptangebot auch ein Variantenangebot anzubieten sei. Die Wahlpositionen der Variante würden vom Hauptangebot abweichende Pflaster­steine vorsehen, welche lediglich 10 Positionen betreffen würden. Weiters sei in der x vorgesehen gewesen, dass neben dem Gesamtpreis/Angebotspreis für das Hauptangebot auch der Gesamtpreis/Angebotspreis für die Variante anzugeben sei. Dies sei von der Antragstellerin irrtümlich unterlassen worden, sodass sich im Angebot nur der Gesamtpreis/Angebotspreis für das Haupt­angebot, nicht aber der für das Variantenangebot wiedergefunden habe. Die Auftraggeberin gehe nun zu Unrecht davon aus, dass es sich aufgrund der Unterlassung der Angabe des Gesamtpreises/Angebotspreis um ein ausschreibungswidriges Angebot handle, weil neben dem Hauptangebot auch die Variante verbindlich anzubieten gewesen sei. Dementsprechend sei das Angebot der Antragstellerin gemäß § 129 Abs.1 Z7 BVergG 2006 ausgeschieden worden.

 

Der Antragstellerin sei mit Telefax vom 17. Mai 2013 bekannt gegeben worden, dass ihr Angebot ausgeschieden werde und beabsichtigt sei, dem Angebot der x den Zuschlag zu erteilen.  

 

Diese Ausscheidensentscheidung sei jedoch rechtswidrig, zumal die Auftrag­geberin das Angebot aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen über die Behand­lung von Rechenfehlern korrigieren hätte müsse. Im BVergG 2006 finde sich keine explizite Definition des Rechenfehlers. Nach den Gesetzesmaterialien handle es sich bei einem Rechenfehler um eine mit einem evidenten Erklärungsirrtum behaftete Willenserklärung des Bieters. Diese Definition sei vom VwGH in seiner Leitentscheidung zu Rechenfehlern in einer mit der gegenständlichen Situation vergleichbaren Situation übernommen worden. Der VwGH habe ausgesprochen, dass das irrtümliche Mitaddieren von Eventualpositionen als eine korrigierbare, mit evidentem Erklärungsirrtum behaftete Willenserklärung einzuordnen sei. Auch das x habe zwischenzeitlich die fälschlicherweise Nichteinrechnung aller im Leistungsverzeichnis gekennzeichneten Positionen in den „Gesamtpreis Option“ als einen solchen Rechenfehler identifiziert. Diese Fälle seien mit dem gegenständlichen vergleichbar, zumal es sich auch hier um das Ein- oder Nichteinrechnen von Positionen in zu bildenden Summen bei der Erstellung des Angebots im Widerspruch zu den Festlegungen der Ausschreibung handle. Das irrtümliche Nichtaddieren der Wahlpositionen zum Variantenpreis stelle dementsprechend einen Rechenfehler dar und hätte die Rechenfehlerregel der Ausschreibung zur Anwendung kommen müssen.

 

Gemäß § 79 Abs.6 BVergG 2006 hat der Auftraggeber diesbezügliche Anord­nungen zu treffen. In der Ausschreibung werde nur auf die Bestimmung des § 126 Abs.4 BVergG 2006 verwiesen, treffe aber keine Anordnung, wie tatsächlich mit Rechenfehlern umgegangen werde und lege insbesondere nicht fest, dass eine Berichtigung des Rechenfehlers dann ausgeschlossen werde, wenn das Ausmaß des Rechenfehlers 2% der ursprünglichen Gesamtsumme ohne USt ausmache.

 

Unterlässt der Auftraggeber jedoch derartige Angaben, so komme die Rechenfehlerregel – selbst bei gravierenden Fehlern – nicht zur Anwendung und es sei das Ausscheiden des vom Rechenfehler betroffenen Angebots und eine Vorreihung jedenfalls nicht gestattet. Die Auftraggeberin wäre daher verpflichtet gewesen, den Variantenangebotspreis im Wege der Rechenfehlerkorrektur zu bilden und der Antragstellerin allenfalls Möglichkeit zur Auf­klärung einzuräumen.

 

Überdies handle es sich nach der Judikatur des VwGH auch um einen behebbaren Mangel. Die Auftraggeberin wolle offensichtlich ihre Festlegung dahingehend verstehen, dass bei sonstigem Ausscheiden zwingend der Variantenpreis im Angebotsformblatt mit dem gänzlichen Fehlen des Variantenangebots gleich­zusetzen sei. Eine solche Interpretation könne jedoch den x nicht entnommen werden.

 

x seien nach ständiger Rechtsprechung nach der Vertrauenstheorie auszulegen. Der objektive Erklärungsempfänger habe daher nach den Festlegungen der Ausschreibung davon ausgehen dürfen, dass die im Leistungsverzeichnis entsprechend als Wahlpositionen gekennzeichneten Positionen verbindlich anzubieten gewesen sind. Dass das Fehlen des Variantenangebotspreises ohne weitere Mängelbehebung zwingend mit dem Ausscheiden zu sanktionieren sei, könne der x nicht entnommen werden und liege es auch nicht im Ermessen des Auftraggebers.

 

Die Auftraggeberin habe bei der Ausscheidensentscheidung übersehen, dass die Antragstellerin – auch wenn sie irrtümlich die Addition der Wahlpositionen für den Variantenpreis im Angebotsformblatt nicht dargestellt habe – dennoch verbindlich die Wahlpositionen im Leistungsverzeichnis ausgepreist habe. Die Antragstellerin habe in dem, dem Angebot integrierten (elektronischen) Lei­stungs­­verzeichnis, sowohl die „Hauptpositionen“ als auch die entsprechenden Wahlpositionen verbindlich angeboten. Insofern entspreche das Angebot den Vorgaben der Ausschreibung. Es habe lediglich die Addition/Subtraktion der Wahlpositionen, die ohne weiteres zu beheben gewesen wäre, weil dadurch die Wettbewerbsstellung der Antragstellerin nicht verbessert worden wäre, gefehlt. Durch die Mängelbehebung wäre es auch nicht zu einer Besserstellung gekom­men.

 

Bezüglich der rechtswidrigen Zuschlagsentscheidung wurde ausgeführt, dass die dargestellten Rechtswidrigkeiten einen wesentlichen Einfluss auf den Ausgang des Vergabeverfahrens gehabt haben. Bei vergaberechtskonformer Angebotsprüfung und Nichtausscheides des Angebots der Antragstellerin sei dem Hauptangebot der Antragstellerin als dem Angebot mit dem niedrigsten Preis der Zuschlag zu erteilen gewesen. Der Angebotspreis der Antragstellerin betrage 1.271.004,44 Euro und liege damit vor dem Angebotspreis des für den Zuschlag in Aussicht genommenen Angebots (Variante 1) der präsumtiven Bestbieterin.  

 

Die Antragstellerin bekundete ihr Interesse am Vertragsabschluss. Zum Schaden wurde vorgebracht, dass der Verlust eines Referenzprojektes drohe. Weiters, dass die Antragstellerin einen Schaden durch die Nichtabdeckung des projektgegenständlichen Deckungsbeitrages samt entgangenem Gewinn erleide und Kosten für die Teilnahme am Vergabeverfahren und Rechtsberatungskosten frustriert seien.

 

Im Übrigen erachte sich die Antragstellerin im Recht,

-      dass gemäß § 129 BVergG 2006 nur Angebote und Bieter aus dem Vergabeverfahren ausgeschieden werden, bei denen ein Ausscheidens­grund erfüllt ist;

-      auf Korrektur eines Rechenfehlers;

-      auf eine vergaberechtskonforme und ausschreibungskonforme Prüfung des Angebots einschließlich der Möglichkeit zur Mängelbehebung und Auf­klärung;

-      dass der Zuschlag gemäß den Angaben in der Ausschreibung dem Angebot mit dem niedrigsten Preis erteilt wird (Recht auf Zuschlagserteilung);

-      auf Durchführung eines vergaberechtskonformen Vergabeverfahrens gemäß § 19 BVergG 2006,

verletzt.

 

Bezüglich des Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung verweist die Antragstellerin eingangs auf die Ausführungen im Hauptantrag und bringt weiters vor, dass einer einstweiligen Untersagung der Zuschlagserteilung weder ein allfälliges besonderes Interesse der Auftraggeberin noch öffentliche Interessen entgegenstehen würden und die Aussetzung keine unverhältnismäßige Belastung darstelle. Demgegenüber wären wesentliche Interessen der Antragstellerin bei einer Zuschlagserteilung gefährdet, weshalb die Interessensabwägung zu Gunsten der Antragstellerin auszufallen habe.          

 

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat die Stadtgemeinde x als Auftraggeberin am Nachprüfungsverfahren beteiligt. Mit Schreiben vom 28. Mai 2013 wurde im Wesentlichen dahingehend Stellung genommen, dass auf die derzeitigen Großprojekte mit einer Gesamtinvestition von ca 100 Mio Euro hingewiesen wurde. In diesem Zusammenhang würde auch eine Vielzahl von infrastrukturellen Einrichtungen neu verlegt bzw geschaffen werden. Aus diesem Grund seien die Oberflächen für die Straßenzüge x und x ausgeschrieben worden. Ziel sei auch gewesen, dass dies in einem möglichst kurzen Zeitraum umgesetzt werde, da die Verkehrsbehinderungen für die dort ansässige Wirtschaft eine große Belastung darstelle und die Sperrzeiten auf das geringstmögliche Maß reduziert werden müssen. Derzeit würden in allen von Pflasterungsarbeiten betroffenen Straßenzügen Grabungsarbeiten laufen, um eine Erneuerung der dort vorhandenen Infrastruktur (Wasser, Strom, Gas, Fernwärme) sicherzustellen. Eine Sperre aufgrund des Nachprüfungsverfahrens stelle eine enorme wirtschaftliche Belastung für die dortigen Betriebe dar, da auch bereits jetzt erkennbar sei, dass die Umsätze mangels schwerer Zugänglichkeit zurückgehen. Jede Verzögerung stelle in diesem Bereich und im Umfeld eine große Belastung dar. Mit der Bewilligung einer einstweiligen Verfügung würden die wirtschaftlichen Interessen der Stadtgemeinde x  wesentlich geschädigt werden. Eine allfällige Verzögerung der Auftragsdurchführung, die aus der Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens resultieren würde, stelle für die Stadtgemeinde x sehr wohl einen tauglichen Hinderungsgrund dar. Weiters werde noch darauf hingewiesen, dass die Stadtgemeinde x mit der Fertigstellung der infrastrukturellen Anlagen, Plätze und dem öffentlichen Verkehr auch an Termine privater Investoren gebunden sei, die sich aus wirtschaftlichen und organisatorischen Erwägungen ergeben würden. Es werde daher beantragt, dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nicht stattzugeben.

 

3.  Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 1 Abs.1 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz 2006 (Oö. VergRSG 2006) regelt dieses Landesgesetz den Rechtsschutz gegen Entscheidungen der Auftraggeber in Verfahren nach den bundesrechtlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesen (Vergabeverfahren), die gemäß Art.14b Abs.2 Z2 B-VG in den Vollzugsbereich des Landes fallen.

 

Gemäß Art.14b Abs.2 Z2 lit.a B-VG ist die Vollziehung Landessache hinsichtlich der Vergabe von Aufträgen durch die Gemeinde. Das gegenständliche Nachprüfungsverfahren unterliegt daher den Bestimmungen des Oö. VergRSG 2006.  

 

Gemäß § 2 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 obliegt dem Unabhängigen Verwaltungssenat die Gewährung von Rechtsschutz gemäß § 1 Abs.1 leg.cit.

 

3.2.  Gemäß § 2 Abs.3 Oö. VergRSG 2006 ist der Unabhängige Verwaltungssenat bis zur Zuschlagsentscheidung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen die bundesgesetzlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens und die dazu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht zuständig zur Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen (§ 2 Z16 lit.a BVergG 2006) des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin im Rahmen der vom Antragsteller bzw. der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkte.

 

Der gegenständliche Antrag ist rechtzeitig und zulässig. Aufgrund der Höhe des Auftragswertes des ausgeschriebenen Bauauftrages sind die Bestimmungen für den Unterschwellenbereich anzuwenden.

 

3.3.  Gemäß § 8 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 hat der Unabhängige Verwaltungssenat auf Antrag durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet scheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung ent­standene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin zu beseitigen oder zu verhindern.

 

Gemäß § 11 Abs.1 leg.cit. hat der Unabhängige Verwaltungssenat vor Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin, der sonstigen Bewerber oder Bieter bzw. Bewerberinnen oder Bieterinnen und des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabe­verfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf ihre Erlassung abzuweisen.

 

Gemäß § 11 Abs.3 leg.cit. ist in einer einstweiligen Verfügung die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Ver­fügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung über den Antrag auf Nichtigerklärung, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird, außer Kraft.

 

3.4.  Bereits zu der vorausgegangenen sinngemäßen Regelung des Bundes­vergabegesetzes 1997 führte Elsner, Vergaberecht (1999), auf Seite 86 aus: Die Entscheidung hängt von einer Abwägung der möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers und einem allfälligen besonderen öffentlichen Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens ab. Dabei muss es sich um ein "besonderes" öffentliches Interesse handeln. Es wird nämlich (hoffentlich) bei jeder öffentlichen Auftragsvergabe ein öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens und Vergabe eines Auftrages bestehen. Aber auch daran, dass Vergabeverfahren fehlerfrei ablaufen, besteht öffentliches Interesse. Eine Nichterlassung einstweiliger Verfügungen wird daher nur bei sonstiger Gefahr für Leib und Leben und besonderer Dringlichkeit zulässig sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn besondere Interessen der Daseinsvorsorge gefährdet würden.

 

Art.2 Abs.4 Satz 1 (entspricht nunmehr Art.2 Abs.5) der Rechtsmittelrichtlinie darf nicht fälschlicherweise so ausgelegt werden, dass der vorläufige Rechtsschutz regelmäßig leerläuft. Mit diesem Interesse ist nicht das bei jeder Auftragsvergabe bestehende öffentliche Interesse an der zügigen Abwicklung gemeint. Nach der Beschlusspraxis des EuGH kommt es in der Interessensabwägung maßgeblich darauf an, wer durch sein Verhalten die besondere Dring­lichkeit der Auftragsvergabe verursacht hat. Für die öffentlichen Auftraggeber ergibt sich daraus eine echte Obliegenheit zu rechtzeitig geplanten und durchgeführten Beschaffungsvorgängen. Das Rechtsschutzinteresse des dis­kriminierten Bieters kann insoweit nur vom vorrangigen Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter der Allgemeinheit zurückgedrängt werden (vgl. Schenk, Das neue Vergaberecht, 1. Auflage 2001, S. 172f).

 

Auch der Verfassungsgerichtshof hat insbesondere in seiner Entscheidung zu Zl. B 1369/01 vom 15.10.2001 ein öffentliches Interesse im Hinblick auf das Postulat effizienten Einsatzes öffentlicher Mittel in der Sicherstellung einer Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter gesehen, dem die Nachprüfung des Vergabe­verfahrens letztlich dienen soll.

 

3.5. In Anbetracht der Tatsache, dass es sich beim gegenständlichen Vorhaben nicht um eine vordringliche Leistungserbringung handelt, kann daraus ge­schlossen werden, dass eine Gefährdung von Leib und Leben nicht aktuell ist. Auch trifft die Auftraggeberin im Hinblick auf die Rechtsnatur des Provisorial­verfahrens und auf die allgemeine Mitwirkungspflicht der Parteien im Verwaltungsverfahren die Behauptungslast betreffend die gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen. Die Auftraggeberin hat im Verfahren konkrete, mit der Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung drohende Nachteile nicht dargelegt, sodass davon auszugehen ist, dass die nachteiligen Folgen des vorläufigen Zuschlagsverbotes nicht überwiegen und daher dem Antrag stattzugeben ist (vgl. BVA 1.12.2000, N-56/00-9).

 

Die Antragstellerin hat denkmöglich ausgeführt, dass ihr durch die behauptete Rechtswidrigkeit der Entgang des Auftrages droht, sohin ein Schaden, der nur durch die vorläufige Untersagung der Zuschlagserteilung abgewendet werden kann. Abgesehen von dem vorausgesetzten öffentlichen Interesse an der Vergabe des gegenständlichen Auftrages ist aber ein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens weder durch die Auftraggeberin vorgebracht worden noch dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Kenntnis gelangt. Vielmehr ist bei der Interessensabwägung iSd Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu berücksichtigen, dass die Auftraggeberin ein Interesse an einem rechtmäßigen Vergabeverfahren haben muss. Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung der Vergabekontrollinstanzen, dass ein öffentlicher Auftraggeber bei der Erstellung des Zeitplanes für eine Auftragsvergabe die Möglichkeit von Nachprüfungsverfahren und die damit einhergehende Verzögerung ins Kalkül zu ziehen hat, zu verweisen. Dass sich durch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung eine Verzögerung der Bedarfsdeckung und ein organisatorischer und finanzieller Mehraufwand ergeben können, liegt in der Natur der Sache. Da - wie bereits erwähnt - kein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an einem möglichst raschen Vertragsabschluss geltend gemacht wurde und auch nicht auf der Hand liegt, war dem Antrag stattzugeben.

 

Die im Vorbringen der Antragstellerin behaupteten Rechtswidrigkeiten sind zumindest denkmöglich. Eine Überprüfung, ob die behaupteten Rechtswidrig­keiten auch tatsächlich vorliegen, war im Rahmen des Provisorialverfahrens nicht durchzuführen.

 

Die Dauer der Aussetzung der Zuschlagserteilung ergibt sich aus § 11 Abs.3 Oö. VergRSG 2006 iVm § 20 Abs.1 Oö. VergRSG 2006.

Gemäß § 20 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 ist über Anträge auf Nichtigerklärung von Entscheidungen eines Auftraggebers bzw. eine Auftraggeberin unverzüglich, spätestens aber zwei Monate nach Einlangen des Antrages zu entscheiden.

 

Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass für den  Unabhängigen Verwaltungssenat somit die Möglichkeit besteht, die Aussetzung der Zuschlags­erteilung für zwei Monate, auszusprechen.

 

Die einstweilige Verfügung ist gemäß § 11 Abs.4 Oö. VergRSG 2006 sofort vollstreckbar.

 


4. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in der Höhe von 14,30 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsge­richts­hof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevoll­mächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

Dr. Leopold Wimmer

 

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