Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-167735/6/Sch/AK/AE

Linz, 13.05.2013

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schön über die Berufung des Herrn X, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Grieskirchen vom 18. Februar 2013, VerkR96-1195-2013, wegen einer Übertretung der Straßenverkehrsordnung (StVO) 1960, nach öffentlicher mündlichen Berufungsverhandlung am 8. Mai 2013 zu Recht erkannt:

 

 

I.            Der Berufung wird insofern Folge gegeben, was die verhängte Geldstrafe auf 70 Euro herabgesetzt wird.

Im Übrigen wird die Berufung abgewiesen.

 

II.          Der Kostenbeitrag zum Verfahren erster Instanz wird mit 10 Euro festgesetzt.

Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages zum Berufungsverfahren.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu  I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 und 19 VStG.

zu II.: §§ 64 ff VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Grieskirchen vom 18. Februar 2013, VerkR96-1195-2013, wurde über Herrn X, geb. 11.06.19XX, wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 52 lit.a Z10a StVO 1960, eine Geldstrafe in der Höhe von 90 Euro – ohne Festsetzung einer Ersatzfreiheitsstrafe - gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 verhängt, weil er am 6. Jänner 2013 um 15.02 Uhr im Gemeindegebiet Haag am Hausruck, Bezirk Grieskirchen, Gaspoltshofener Straße X, Höhe Strkm X, Fahrtrichtung Rieder Straße X, die durch Straßenverkehrszeichen in diesem Bereich kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 26 km/h überschritten habe.

 

Überdies wurde der Berufungswerber gemäß § 64 VStG zu einem Kostenbeitrag zum erstinstanzlichen Verfahren in der Höhe von 9 Euro verpflichtet.

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Berufungswerber rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht und die Berufung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Folgendes erwogen:

Die von der Erstbehörde ursprünglich erlassene Strafverfügung wegen des verfahrensgegenständlichen Geschwindigkeitsdeliktes ist vom Berufungswerber rechtzeitig beeinsprucht worden. Im Einspruch rügt der Rechtsmittelwerber "die Verletzung rechtlichen Gehörs". Diesbezüglich ist der Vollständigkeit halber anzufügen, dass zum einen die Strafverfügung durch den Einspruch ohnehin ex lege außer Kraft getreten und somit nicht mehr im Rechtsbestand ist. Zum anderen liegt es im Wesen einer Strafverfügung, dass dieser kein Verfahren vorangeht (vgl. § 47 Abs.1 VStG, wo es heißt, dass die Behörde ohne weiters Verfahren eine Strafverfügung unter gewissen Voraussetzungen erlassen kann).

 

Bezüglich des Vorwurfes der Geschwindigkeitsüberschreitung bringt der Berufungswerber im Einspruch vor, dass er sich weder an diese selbst erinnern könne noch dass er selbst der Lenker des Fahrzeuges gewesen sei. Weiters fordert der Berufungswerber den Nachweis seiner Lenkereigenschaft.

In der Folge wurde von der Erstbehörde eine Aufforderung gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 an den Berufungswerber abgefertigt, woraufhin dieser mitteilte, dass er von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch mache. Des weiteren rügt der Berufungswerber in dieser Stellungnahme die Aufforderung an sich und ortet einen Verstoß gegen Artikel 6 EMRK.

 

Schließlich erging das nunmehr berufungsverfahrensgegenständliche Straferkenntnis wegen der eingangs erwähnten Geschwindigkeitsüberschreitung. Im Bezug auf die Lenkereigenschaft verweist die Erstbehörde auf die einschlägige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und leitet auch für den konkreten Fall daraus ab, dass der Berufungswerber eben als Lenker anzusehen sei.

In der dagegen erhobenen Berufung wird neuerlich der schon eingangs erwähnte Einwand im Hinblick auf einen Verstoß gegen die EMRK erhoben, des weiteren bemängelt der Berufungswerber wiederum die Beweiswürdigung der Erstbehörde und vermeint schließlich, dass die Geschwindigkeitsmessung an sich unzulässig sei, da diese von Privatgrund aus erfolgt wäre.

 

4. Am 8. Mai 2013 wurde in der gegenständlichen Angelegenheit eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung abgeführt, zu der der Berufungswerber persönlich erschienen ist. Mit ihm wurde der Vorgang entsprechend erörtert, wobei im Hinblick auf die Lenkereigenschaft vom Berufungswerber behauptet wurde, dass es ihm ohne entsprechenden Hinweis auf den Lenker, etwa in Form einer erkennbaren Person auf einem Radarfoto, nicht möglich sei, den Lenker im Nachhinein zu benennen. Sein Fahrzeug werde auch von Familienangehörigen benützt.

 

Von der Berufungsbehörde wird dazu folgendes bemerkt:

Die Einwände des Berufungswerbers gegen die Aufforderung gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 treffen gegenständlich nicht den Tatvorwurf an sich, sondern eine von mehreren Beweismöglichkeiten, die Lenkereigenschaft einer bestimmten Person als erwiesen anzunehmen. Diese kann nämlich nicht nur im Wege einer Aufforderung nach § 103 Abs.2 KFG 1967 ermittelt werden, vielmehr handelt sich bei der Feststellung, wer für ein KFZ gelenkt hat, um einen Akt der Beweiswürdigung im Sinne des § 45 Abs.2 AVG (VwGH 29.3.1989, 88/03/0116, 0117u.a.).

Da der Berufungswerber die gewünschte Auskunft nicht erteilt hat, stand somit der Behörde dieses Beweismittel nicht zur Verfügung. Damit stellt sich folglich die Frage, ob und inwieweit der Nachweis der Lenkereigenschaft des Berufungswerbers auf einem anderen Wege schlüssig begründbar angenommen werden kann.

Hiezu ist vorauszuschicken, dass eine Tatsache nicht erst dann als erwiesen anzunehmen ist, wenn sie mit "absoluter Sicherheit" erweislich ist. Es genügt, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (VwGH 26.04.1995, 94/07/0033). Es kann grundsätzlich als der allgemeinen Lebenserfahrung entsprechend angenommen werden, dass im Regelfall der Zulassungsbesitzer (Halter) jene Person ist, die das Fahrzeug benützt. Im anderen Fall hätte es – bei einer Privatperson als Zulassungsbesitzer – ja keinen Sinn, ein Kraftfahrzeug überhaupt auf seinen Namen behördlich zuzulassen. Immerhin treffen den Zulassungsbesitzer auch mehrere Pflichten, die in § 103 KFG 1967 normiert sind. Dies schließt naturgemäß keinesfalls aus, dass das Fahrzeug auch von anderen Personen benützt werden kann. Der bloße Hinweis eines Zulassungsbesitzes, sich an die Übertretung nicht erinnern zu können bzw. einen Nachweis in Form eines Radarfotos mit einem darauf abgelichteten Lenker zu verlangen, reicht noch nicht aus, den Verdacht der eigenen Lenkereigenschaft zu entkräften.

 

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 22. September 2011, B 1369/10, nachstehendes ausgeführt:

"Im Fall X hatte EGMR eine Verletzung des Artikel 6 Abs.1 und 2 EMRK festgestellt. Der Beschwerdeführer war ebenfalls wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung bestraft worden. Zu seiner Rechtfertigung hat er vorgebracht, dass er das Fahrzeug zum fraglichen Zeitpunkt nicht gelenkt habe. Er habe sich nicht einmal in Österreich aufgehalten und könne auch nicht angeben, wer das Fahrzeug gelenkt hat. Die Berufungsbehörde hatte den Beschwerdeführer ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung bestraft, weil anzunehmen sei, dass er als Halter das Fahrzeug auch gelenkt habe. Der EGMR erblickte darin eine unzulässige Überwälzung der Beweislast auf den Beschwerdeführer. Nach Ansicht des EGMR wäre die Berufungsbehörde zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung verpflichtet gewesen, wenn sie aus der – dargestellten – Verantwortung des Beschwerdeführers den Schluss ziehen möchte, er selbst habe die Verwaltungsübertretung begangen. Im Rahmen einer mündlichen Verhandlung hätte sich die Behörde nämlich ein Bild von der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers machen können.

Im vorliegendem Fall ist das Ergebnis der Beweiswürdigung durch den UVS Salzburg nicht zu beanstanden, wonach die Beschwerdeführerin zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens glaubhaft dargelegt habe, dass sie zum fraglichen Zeitpunkt das Fahrzeug nicht gelenkt hätte. Die Beschwerdeführerin hatte mehrmals im Verlauf des Verwaltungsstrafverfahrens die Möglichkeit, eine Stellungnahme abzugeben, hat aber nie nähere Angaben gemacht oder Beweismittel vorgelegt. Aus diesem Versäumnis hat der UVS Salzburg mit nachvollziehbarer Begründung seine Schlüsse gezogen.

Überdies hat der UVS Salzburg im Unterschied zum Fall X eine mündliche Verhandlung durchgeführt, zu der die Beschwerdeführerin aber nicht persönlich erschienen ist. Wie aus dem Protokoll zur mündlichen Verhandlung ersichtlich, wurde von ihrem rechtsfreundlichen Vertreter vor dem UVS Salzburg nicht vorgebracht, dass die Beschwerdeführerin erkrankt sei. Ebenso wenig wurde die Vertagung der mündlichen Verhandlung beantragt. Es ist daher der benannten Behörde kein Vorwurf zu machen, dass sie die mündliche Verhandlung nicht vertagt hat und ohne weitere amtswegige Ermittlungen davon ausgegangen ist, dass die Beschwerdeführerin als Halterin des KFZ dieses zum Tatzeitpunkt auch gelenkt hat."

 

5. Auch im vorliegenden Fall hat sich der Berufungswerber auf die Verteidigungslinie zurückgezogen, er könne ohne ein aussagekräftiges Radarfoto nicht angeben, wer das Fahrzeug gelenkt habe und es kämen mehrere Familienmitglieder in Betracht. Konkrete Beweisanbote wurden allerdings nicht gemacht. Im Unterschied zum voran zitierten Fall ist der Berufungswerber zwar persönlich zur Berufungsverhandlung erschienen, hat aber auch dort das schon bekannte Vorbringen wiederholt und es auch trotz Hinweises auf das erwähnte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes dabei belassen. Die Glaubwürdigkeit seines Einwandes, nicht selbst der Lenker gewesen zu sein, aber auch keinen anderen Lenker bekannt geben zu können, wurde dadurch keinesfalls gestärkt. Vielmehr hätte es Beweisanbote bedarft, um welche Personen es sich konkret handle, warum diese – offenkundig ohne sein Wissen – mit seinem Fahrzeug in Österreich fahren, wie sie zum Fahrzeugschlüssel kommen etc.

Die Berufungsbehörde geht daher davon aus, dass weiterhin die überragende Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Berufungswerber selbst der Lenker des Fahrzeuges zum Vorfallszeitpunkt gewesen ist. Zwar kann der 100%ige Nachweis, etwa in Form eines Lichtbildes, nicht erbracht werden, ein solcher ist aber auch nicht erforderlich, um dennoch eine schlüssige Beweiswürdigung diese Annahme tätigen zu können.

 

6. Die Geschwindigkeitsüberschreitung wurde zweifelsfrei auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr, dies ist gemäß § 1 Abs.1 StVO 1960 deren Geltungsbereich, begangen. Es kommt dabei nicht darauf an, wem der Straßengrund gehört, etwa einer Gebietskörperschaft, wie es der häufigste Fall ist, oder einem Privateigentümer. Schon gar nicht kommt es darauf an, wer Eigentümer jener Fläche ist, auf dem das Geschwindigkeitsmessgerät postiert war. Die Eigentumsverhältnisse am örtlichen Grund und Boden haben also im Hinblick auf die Verwertbarkeit eines Radarmessergebnisses nicht den geringsten Einfluss.

 

7. Zur Strafbemessung:

Die Erwägungen der Erstbehörde hiezu werden auch von der Berufungsbehörde grundsätzlich geteilt. Es kann daher, um unnötige Wiederholungen zu vermeiden, hierauf verwiesen werden.

Unberücksichtigt im angefochtenen Straferkenntnis ist allerdings im Hinblick auf die tatsächliche Auswirkung auf die Strafhöhe der Umstand, dass der Berufungswerber bislang noch nicht verwaltungsstrafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Sohin kommt ihm der sehr wesentliche Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit zugute, der aus spezialpräventiver Sicht eine Herabsetzung der verhängten Geldstrafe rechtfertigt. Es kann erwartet werden, dass auch mit der nunmehr festgesetzten Strafhöhe noch das Auslangen gefunden werden kann, um den Berufungswerber künftighin wieder zur genauen Einhaltung der erlaubten Höchstgeschwindigkeiten zu bewegen.

Auf die finanziellen Verhältnisse des Berufungswerbers war nicht weiter einzugehen, da von vornherein erwartet werden kann, dass jedermann, der als Lenker eines Kraftfahrzeuges am Straßenverkehr teilnimmt, in der Lage ist, entsprechende Geldstrafen, zumindest in der hier vorliegenden Höhe, ohne weiteres zu begleichen.

 

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen. Aufgrund der Neufassung des § 64 Abs.1 VStG mit Wirkung vom 1. März 2013 beträgt der Mindestkostenbeitrag zum erstbehördlichen- bzw. zum Berufungsverfahren jeweils 10 Euro. Auf diese geänderte Rechtslage war bei der Festsetzung des erstbehördlichen Kostenbeitrages durch die Berufungsbehörde mangels einer gegenteiligen gesetzlichen Übergangsregelung Bedacht zu nehmen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

 

S c h ö n

 

 

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