Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-310499/6/Re/CG

Linz, 07.05.2013

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Werner Reichenberger über die Berufung des Herrn x, x, x, x, vom 25. April 2012 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 11. April 2012, UR96-12-2012, wegen einer Übertretung des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 zu Recht erkannt:

 

 

I.            Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II.         Der Berufungswerber hat keinen Kostenbeitrag zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 idgF (AVG) iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z.2 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 idgF (AVG)

zu II.: § 66 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn hat mit dem Straferkenntnis vom 11. April 2012, UR96-12-2012, über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 79 Abs.1 Z.1 iVm § 15 Abs.2 Z.1 AWG 2002 eine Geldstrafe in der Höhe von 730,00 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit derselben eine Ersatzfreiheitsstrafe von 7 Stunden verhängt, weil er am 16. Jänner 2012 auf einer Wiesenfläche neben dem Anwesen x, xstraße x, gefährlichen Abfall und zwar einen desolaten PKW der Marke x x, Farbe x, ohne Kennzeichen, mit der Schlüsselnummer x "Fahrzeuge, Arbeitsmaschinen und –teile, mit umweltrelevanten Mengen an gefährlichen Anteilen oder Inhaltsstoffen (Treibstoff, Motoröl, Getriebeöl)" entgegen den Bestimmungen des § 15 Abs.3 AWG außerhalb hiefür genehmigter Anlagen behandelt und zwar abgelagert hat. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, aufgrund der Anzeige der Polizeiinspektion E. vom 16. März 2012 sowie der Tatsache, dass er sich seit dem Abstellen des Fahrzeuges zumindest 2 Monate nicht mehr um das Fahrzeug gekümmert habe, stehe in objektiver Hinsicht fest, dass er sich des Fahrzeuges entledigen wollte. Fest stehe weiters, dass sich im Fahrzeug noch sämtliche Betriebsmittel befunden haben und es sich um gefährlichen Abfall gehandelt habe. Heranzuziehen seien einerseits die subjektive, andererseits eine objektive Komponente. Die Entledigungsabsicht des Inhabers von beweglichen Sachen sei dann anzunehmen, wenn der Inhaber die Sache weggibt um sie wegzuhaben. Der objektive Abfallbegriff sei dann erfüllt, wenn die Erfassung und Behandlung im öffentlichen Interesse geboten ist. Im gegenständlichen Fall sei zum subjektiven Abfallbegriff anzuführen, dass anzunehmen ist, dass er sich des Fahrzeuges entledigen habe wollen; die Tatsache, dass er trotz der wiederholten Aufforderung der Polizei das Fahrzeug von der Wiese zu entfernen, keinerlei Maßnahmen ergriffen habe, zeige, dass er das Fahrzeug an diesem Ort ablagern hätte wollen. Das Wiesengrundstück stelle jedoch keine genehmigte Anlage für die Lagerung bzw. Ablagerung von Kraftfahrzeugen dar und entspreche der Platz in keinster Weise der Altfahrzeugverordnung. Zur Strafbarkeit genüge fahrlässiges Verhalten und sei bei der Bemessung der Strafe unter Berücksichtigung des § 19 Abs.1 VStG lediglich die Mindeststrafe verhängt worden.

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Bw innerhalb offener Frist Berufung erhoben. Dies mit E-Mail vom 25. April 2012 nach telefonischer Kontaktaufnahme mit dem Bearbeiter der erstinstanzlichen Verwaltungsstrafbehörde. Vorgelegt wird im Rahmen dieser Berufung eine Rechtfertigung unter Bezugnahme auf den Tattag zum gegenständlichen PKW, welche der Berufungswerber am 19. April 2012 der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn übermittelt hat, dem Aktenvermerk des Bearbeiters der Bezirksverwaltungsbehörde jedoch zu entnehmen ist, dass dieser dem Berufungswerber gegenüber nach Einlangen dieser Rechtfertigung telefonisch darauf hingewiesen hat, dass diese Rechtfertigung zu spät eingelangt sei und das Straferkenntnis bereits erlassen worden sei, gegebenenfalls eine Berufung rechtzeitig einzubringen sei.

In dieser Rechtfertigung, die der Berufungswerber daraufhin zum Berufungsinhalt erhebt, habe er gegenüber der Behörde bereits telefonisch erklärt, dass er den PKW damals laut polizeilicher Anordnung abstellen hätte müssen. Er habe jedoch zu keiner Zeit vorgehabt, den PKW auf billige Weise loszuwerden oder das Risiko einzugehen, die Umwelt zu verschmutzen. Ihm sei gesagt worden, er solle einen Weg finden, den PKW zu entfernen. Er habe mit dem Grundeigentümer gesprochen und ihm versichert, den PKW sobald als möglich zu entfernen. Aufgrund seiner Montagetätigkeit war es schwierig, den Abtransport zu organisieren und habe er diesbezüglich auf die Urlaubsrückkehr eines Vorarbeiters seines Unternehmens warten müssen, welcher den Führerschein zur Verwendung des Anhängers besitze. Dass dies länger gedauert habe, täte ihm aufrichtig leid und sie ihm dies jedoch nicht gleichgültig gewesen. Nach Telefonat mit dem Polizeirevier habe er den PKW abtransportiert. Er werde sich auch noch beim Grundeigentümer entschuldigen und sich in weiterer Folge um die Reparatur des PKW, der fahrtechnisch in gutem Zustand sei, kümmern.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn hat diese Berufung samt bezughabenden Verwaltungsakt zur Berufungsentscheidung vorgelegt.

Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser aufgrund der Tatsache, dass keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung konnte gemäß § 51e Abs.2 VStG abgesehen werden, da  aufgrund der Aktenlage feststeht, dass das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist.

 

4. Nach Akteneinsichtnahme steht folgender Sachverhalt fest:

Der Bw wurde am 16. Jänner 2012 als Lenker des verfahrensgegenständlichen PKW, x, x, x, mit einem montierten Probefahrtkennzeichen zur Fahrzeugkontrolle angehalten. Bei der Überprüfung wurde festgestellt, dass der PKW wegen technischer Mängel nicht mehr verkehrs- und betriebssicher war, weshalb die am Fahrzeug montierten Probefahrtkennzeichen nach Rücksprache mit der Bezirkshauptmannschaft vorläufig abgenommen und die Weiterfahrt untersagt wurde. Der Angezeigte stellte das Fahrzeug nach der Amtshandlung in der Wiesenfläche neben der Fahrbahn ab und sagte zu, die Entfernung des Fahrzeuges zu veranlassen. Dieser Zusage wurde jedoch bis zumindest 8. März 2012 nicht nachgekommen. Lt. Polizeibericht vom 24. April 2012 wurde das Fahrzeug am 8. März 2012 entfernt und zwar durch den Arbeitgeber des Berufungswerbers nach Rücksprache mit der Polizeiinspektion E. Das Fahrzeug sei seinerzeit aufgrund augenscheinlicher schwerer technischer Mängel im Zuge der Lenker- und Fahrzeugkontrolle über Auftrag der Bezirkshauptmannschaft Braunau in der angeführten Wiesenfläche abgestellt worden. Der Grundeigentümer erteilte vor Abstellung des Fahrzeuges die mündliche Erlaubnis zur vorübergehenden Nutzung, durch den Bw wurde die ehest mögliche Entfernung des Fahrzeuges zugesagt.

Dieser Sachverhalt ergibt sich aus der polizeilichen Anzeige bzw. Sachverhaltsdarstellung vom 24. April 2012, andererseits auch aus dem mit dieser Anzeige übereinstimmenden Angaben des Bw in seiner Rechtfertigung vom 19. April 2012, welcher aus diesem Grund Glaubwürdigkeit zukommt.

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 2 Abs.1 AWG 2002 sind Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes bewegliche Sachen, die unter die in Anhang 1 angeführten Gruppen fallen und

1.    deren sich der Besitzer entledigen will oder entledigt hat oder

2.    deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich ist, um die öffentlichen Interessen (§ 1 Abs.3) nicht zu beeinträchtigen.

 

Gemäß § 1 Abs.3 AWG 2002 sind im öffentlichen Interesse die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich, wenn andernfalls

1.    die Gesundheit der Menschen gefährdet oder unzumutbare Belästigungen bewirkt werden können,

2.    Gefahren für die natürlichen Lebensbedingungen von Tieren oder Pflanzen oder für den Boden verursacht werden können,

3.    die nachhaltige Nutzung von Wasser oder Boden beeinträchtigt werden kann,

4.    die Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt werden kann,

5.    Brand- oder Explosionsgefahren herbeigeführt werden können,

6.    Geräusche oder Lärm im übermäßigen Ausmaß verursacht werden können,

7.    das Auftreten oder die Vermehrung von Krankheitserregern begünstigt werden können,

8.    die öffentliche Ordnung und Sicherheit gestört werden kann oder

9.    Orts- und Landschaftsbild erheblich beeinträchtigt werden können.

 

 

Gemäß § 15 Abs.3 AWG dürfen Abfälle außerhalb von

1.    hiefür genehmigten Anlagen oder

2.    für die Sammlung oder Behandlung vorgesehenen geeigneten Orten nicht gesammelt, gelagert oder behandelt werden.

 

Gemäß § 79 Abs.1 Z.1 AWG begeht - sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist - eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 730 € bis 36 340 € zu bestrafen ist, wer gefährliche Abfälle entgegen § 15 Abs. 1, 3 oder 4 oder entgegen § 16 Abs. 1 sammelt, befördert, lagert, behandelt oder beim sonstigen Umgang mit gefährlichen Abfällen entgegen § 15 Abs. 1 die Ziele und Grundsätze nicht beachtet oder Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen nicht vermeidet oder entgegen § 15 Abs. 2 vermischt oder vermengt; wer jedoch gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist, ist mit einer Mindeststrafe von 3 630 € bedroht.

 

5.2.        Einer Sache kommt die Abfalleigenschaft dann zu, wenn entweder der subjektive oder der objektive Abfallbegriff im Sinne des § 2 Abs.1 AWG verwirklich ist.

 

Der subjektive Abfallbegriff ist dann erfüllt, wenn eine Person in Entledigungsabsicht die Gewahrsame an der beweglichen Sache aufgibt und somit die tatsächliche Sachherrschaft aufgibt, wobei der Besitzer für sich beschließt, die Sache wegzuwerfen. Gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist klassisch der abfallrechtliche Begriff "entledigen" im Sinne von Preisgabe, Dereliktion, "wegschmeißen", "einer Entsorgung zuzuführen", "einen Abfall in einen Müllbehälter werfen" oder im Sinne von " loswerden" zu verstehen (VwGH 22.12.2005, 2005/07/0088). Diese Entledigungsabsicht konnte im gegenständlichen Fall gegenüber dem Berufungswerber nicht angenommen, da nicht nachgewiesen werden. Bereits dem Polizeibericht ist zu entnehmen, dass der Bw das Fahrzeug auf die Wiese lediglich abgestellt hat, da es ihm von der Polizei, dieser wiederum von der Behörde, aufgetragen wurde. Die polizeiliche Sachverhaltsdarstellung spricht auch ausdrücklich von einer lediglich vorübergehenden Nutzung der Wiesenabstellfläche durch den Berufungswerber und von einer zugesagten ehest möglichen Entfernung des Fahrzeuges. Schließlich steht der Bw in seiner Rechtfertigung selbst dazu, dass zwar technische Mängel vorliegen, er jedoch die Reparatur des PKW, welcher fahrwerkstechnisch in gutem Zustand sei, plane.

Der Ansicht, dass der Bw aufgrund der Tatsache, dass er trotz Aufforderung längere Zeit keinerlei Maßnahmen ergriffen habe, das Fahrzeug zu entfernen, und er es aus diesem Grund dort ablagern habe wollen, kann sich der Unabhängige Verwaltungssenat aus den oben angeführten Gründen nicht anschließen.

 

Eine Sache ist in objektivem Sinne Abfall, wenn die Sammlung, Lagerung, Beförderung oder Behandlung als Abfall erforderlich ist, um das öffentliche Interesse nicht zu beeinträchtigen. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Sache im objektiven Sinn dem Abfallregime zu unterstellen ist, ist zu klären, ob eine Sache eine mögliche Beeinträchtigung der Schutzkriterien des Abfallrechtes herbeiführen kann. Im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reicht für die Verwirklichung des objektiven Abfallbegriffs die Möglichkeit einer Gefährdung von Schutzgütern aus (VwGH 22.12.2005, 2005/07/0088 ua.).

 

Gemäß § 2 Abs.3 AWG 2002 ist eine geordnete Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung im Sinne des Bundesgesetzes jedenfalls solange nicht im öffentlichen Interesse (§1 Abs.3) erforderlich, solange

  1. eine Sache nach allgemeiner Verkehrsauffassung neu ist oder
  2. sie in einer nach allgemeiner Verkehrsauffassung für sie bestimmungsgemäßen Verwendung steht.

 

Fest steht im gegenständlichen Falle, dass das Fahrzeug nach allgemeiner Verkehrsauffassung mit Sicherheit nicht neu war, da von den Polizeibeamten glaubwürdig technische Mängel, welche zur Abstellung des Fahrzeuges geführt haben, bestätigt wurden, ohne jedoch im Detail die technischen Defekte anzuführen. Den Ausführungen sind jedoch keine Hinweise dahingehend zu entnehmen, dass Umweltgefährdungen in irgendeiner Art und Weise zu besorgen waren, da in diesem Falle das – wenn auch nur vorübergehende – Abstellen in der Wiese nicht angeordnet worden wäre.

Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass das Fahrzeug grundsätzlich in der nach allgemeiner Verkehrsauffassung zu prüfender bestimmungsgemäßen Verwendung stand, da das Fahrzeug mit Kennzeichen versehen war und keine Umstände darauf hindeuten, dass der Bw selbst diese aufgeben wollte.

Dass somit das gegenständliche Fahrzeug Abfall im objektiven Sinne darstellt, konnte nicht erwiesen werden und wurde im bekämpften Straferkenntnis auch nicht behauptet.

 

Aufgrund der vorliegenden Sachlage ist daher kein für die Verhängung einer Verwaltungsstrafe ausreichender Beweis für die Qualifizierung des gegenständlichen PKW x, x, als Abfall gegeben, weshalb – zumindest im Zweifel – auch den Angaben des Bw Glauben zu schenken war. Da somit die Abfalleigenschaft des Fahrzeuges nicht mit ausreichender Sicherheit festgestellt werden konnte, war daher die angelastete Verwaltungsübertretung nicht als erwiesen anzusenden.

 

Aus diesen Gründen war daher unter Hinweis auf die dargestellte Sach- und Rechtslage der Berufung des Berufungswerbers Folge zu geben, das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

6. Da der Berufung statt zu geben war und das Strafverfahren eingestellt wurde, entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge gemäß § 66 Abs.1 VStG.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Reichenberger

 

 

 

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