Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281387/28/Py/Hu

Linz, 30.04.2013

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 5. Kammer (Vorsitzende: Mag. Michaela Bismaier, Berichterin: Dr. Andrea Panny, Beisitzer: Mag. Thomas Kühberger) über die Berufung der Frau x,  vertreten durch x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 26. Jänner 2012, GZ: Ge96-87-2011/DJ, wegen Verwaltungsübertretung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 27. Februar und 25. April 2013, zu Recht erkannt:

 

 

I.              Die Berufung wird hinsichtlich des Schuldspruches als unbegründet abgewiesen. Hinsichtlich der verhängten Strafhöhe wird der Berufung insofern Folge gegeben, als eine Geldstrafe von 700 Euro je Arbeitnehmer (insgesamt somit 2.100 Euro) und eine Ersatzfreiheitsstrafe in Höhe von 10 Stunden je Arbeitnehmer verhängt wird.

 

II.            Der Kostenbeitrag der Berufungswerberin zum Verfahren vor der belangten Behörde verringert sich auf 210 Euro. Zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat ist kein Kostenbeitrag zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu  I.:  § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 19, 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.:  §§ 64 und 65 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 26. Jänner 2012, GZ: Ge96-87-2011/DJ, wurde über die Berufungswerberin (in der Folge: Bw) wegen Verwaltungsübertretung nach § 130 Abs.5 Z1 iVm § 118 Abs.3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, BGBl.Nr. 450/1994 idgF iVm § 87 Abs.3 Bauarbeiterschutzverordnung, BGBl.Nr. 340/1994 idgF eine Geldstrafe in Höhe von 3.000 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 10 Tagen verhängt. Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 300 Euro vorgeschrieben.

 

Dem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:

 

"Sie haben als Gewerbeinhaberin und somit verwaltungsstrafrechtlich Verantwortliche der Arbeitgeberin x, FNr. x, Geschäftsanschrift und Standort x, folgende Übertretung der Bauarbeiterschutzverordnung zu verantworten:

 

Am 14.07.2011 führte der Arbeitsinspektor x auf der Baustelle x, der x eine Baustellenkontrolle durch und stellte fest, dass folgende gesetzliche Bestimmungen nicht erfüllt waren.

 

Am 14.07.2011 waren drei Arbeitnehmer (x, geb. x, x, geb. x und x, geb. x) der x auf der o.a. Baustelle auf dem ca. 23 ° geneigten Dach mit der Neueindeckung des Daches bei einer Absturzhöhe von ca. 6 m beschäftigt, wobei keine geeigneten Schutzeinrichtungen vorhanden waren, die den Absturz von Menschen in sicherer Weise hätten verhindern können.

 

Dies stellt eine Übertretung des § 87 Abs. 3 BauV dar, wonach bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von mehr als 20 ° und einer Absturzhöhe von mehr als 3,0 m geeignete Schutzeinrichtungen vorhanden sein müssen, die den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten in sicherer Weise verhindern, wie insbesondere durch Dachfanggerüste.

 

Die vom Arbeitsinspektor angefertigten Beweisfotos werden in Kopie angeschlossen und bilden einen Bestandteil dieses Straferkenntnisses."

 

In der Begründung führt die belangte Behörde unter Wiedergabe des Verfahrensganges und der Rechtsgrundlagen aus, dass für die gegenständliche Baustelle von der x die Arbeitskleidung und der Firmenbus zur Verfügung gestellt wurde. Weiters war auf dieser Baustelle eine Firmentafel der x angebracht. Auch wird erwähnt, dass von der x kein eigenes Werk geschaffen wurde, weshalb die x als Arbeitgeberin anzusehen ist und die Arbeitnehmer im Sinn des ASVG als Dienstnehmer der x anzusehen sind.

 

Zur verhängten Strafhöhe wird angeführt, dass als strafmildernd kein Umstand gewertet wurde. Hinsichtlich des Unrechtsgehalts der Verwaltungsübertretung ist insbesondere auf die Verletzung des Schutzzweckes der Norm, nämlich die Hintanhaltung der Gefährdung und Beeinträchtigung der Gesundheit der Arbeitnehmer hinzuweisen. Die verhängte Strafe erscheint somit im Sinne der Spezialprävention angemessen.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig von der Bw im Wege ihrer rechtsfreundlichen Vertretung eingebrachte Berufung vom 13. Februar 2012. Darin bringt die Bw zusammengefasst vor, dass die Erstbehörde den Sachverhalt nicht hinreichend erhoben hat und dadurch nicht festgestellt hat, dass die auf der Baustelle angetroffenen Personen der x zuzurechnen waren, die auch über eine entsprechende Gewerbeberechtigung verfügte. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass die betroffenen Personen Arbeitskleidung der Beschuldigten trugen. Die Beschuldigte habe die x lediglich als Subunternehmer beauftragt. Die drei angetroffenen Personen waren Gesellschafter der x und jeweils selbstständig vertretungsbefugt und zahlten auch Beiträge nach dem GSVG. Die Bestrafung der Beschuldigten erfolgte daher zu Unrecht. Zudem wurde bei der Strafbemessung außer Acht gelassen, dass die Beschuldigte bislang unbescholten ist, was als wesentlicher Milderungsgrund zu gelten hat. Da die drei Personen nachweislich nicht bei der Beschuldigten beschäftigt waren, komme eine Bestrafung nicht in Betracht.

 

3. Mit Schreiben vom 17. Februar 2012 legte die belangte Behörde die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vor. Da eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist dieser zur Entscheidung durch seine nach der Geschäftsverteilung zuständige Kammer berufen (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsicht und Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 27. Februar und 25. April 2013, an der der Rechtsvertreter der Bw sowie ein Vertreter des Arbeitsinspektorates Linz als am Verfahren beteiligte Organpartei teilnahmen. Als Zeugen wurden Herr x, Herr x sowie der Arbeitsinspektor Herr x einvernommen. Auf die Befragung der ebenfalls zur mündlichen Berufungsverhandlung geladenen Zeugen x und x wurde von den Parteien einvernehmlich verzichtet. Des Weiteren wurde vom Magistrat Linz aus dem die gegenständliche Baustelle betreffenden Bauakt die auf das Ausmaß der Dachneigung bezugnehmenden Baupläne beigeschafft und ebenfalls den Verfahrensparteien zur Verfügung gestellt.

 

4.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:

 

Die Bw ist Gewerbeinhaberin und Betreiberin der Firma x am Standort x (in der Folge: Firma x).

 

Die Firma x führt Spenglereiarbeiten, Bedachungen und Fassadengestaltungen durch. Für die Spengler- und Dachdeckerarbeiten beschäftigte die Firma x im Jahr 2011 einen Spenglermeister, Herrn x, kein sonstiges eigenes Personal. Für die Ausführung der Arbeiten bekam Herr x die ungarischen Staatsangehörigen x, geb. x, x, geb. x und x, geb. x, zur Verfügung gestellt. Damit diese in Österreich Spenglerarbeiten durchführen durften, unterstützte die Firma x die ausländischen Staatsangehörigen bei der Gründung der x mit Sitz in x (in der Folge: Firma x), in der die ungarischen Staatsangehörigen als persönlich haftende Gesellschafter fungierten. Herr x wurde als gewerberechtlicher Geschäftsführer der Firma x eingesetzt, nahm jedoch keine Agenden in der Firma x war. In der Folge arbeiteten die Gesellschafter der Firma x ausschließlich für die Firma x.

 

Am 14. Juli 2011 waren Herr x, Herr x und Herr x auf der Baustelle x, auf einer 24° geneigten  Dachfläche mit der Neueindeckung des Daches bei einer Absturzhöhe von ca. 6 m beschäftigt. Geeignete Schutzeinrichtungen, die den Absturz von Menschen in sicherer Weise hätten verhindern können, waren nicht vorhanden. Nur auf einer Seite des Hauses war ein Gerüst aufgestellt, das bereits unterhalb der Dachtraufen endete. Eine sichere Aufstiegsmöglichkeit auf das Dach war ebenfalls nicht vorhanden. Im Baustellenfahrzeug der Firma x, das von den ungarischen Arbeitern benutzt wurde, war auch keine persönliche Schutzausrüstung vorhanden, weshalb der Arbeitsinspektor die Einstellung der Arbeiten bis zur Nachrüstung der Schutzeinrichtungen veranlasste. Da der Hauseigentümer dem Arbeitsinspektor mitteilte, dass für ihn die Firma x Ansprechpartner für den Auftrag ist, rief er bei der Firma x und erhielt von Herrn x die Information, dass er sich um die ordnungsgemäße Ausführung von Schutzmaßnahmen kümmern wird.

Die Firma x stellte – neben dem Firmenfahrzeug - das für die Arbeiten verwendete Material sowie größeres Werkzeug bei, lediglich kleines Handwerkzeug führten die ungarischen Arbeiter selbst mit sich. Büroräumlichkeiten sowie Lagerräume standen der Firma x nicht zur Verfügung. Die Arbeiter verwendeten Arbeitskleidung mit der Firmenaufschrift der Firma x. Das auf der Baustelle aufgestellte Gerüst stammte ebenfalls von der Firma x und wurde von den ungarischen Arbeitern gemeinsam mit einem Arbeiter der Firma x errichtet.

 

Vor Abwicklung einer Baustelle fuhr Herr x, der Lebensgefährte der Bw, der mit der Geschäftsführung der Firma x betraut war, mit den ungarischen Arbeitern zur jeweiligen Baustelle und vereinbarte mit ihnen einen Gesamtpreis für ihre Arbeiten. Schriftliche Angebote bzw. Verträge wurden nicht abgeschlossen.

 

Herr x von der Firma x hat die Einweisung der Arbeiter auf der Baustelle durchgeführt und die Arbeiten überwacht.

 

Die Firma x übernahm gegenüber der Firma x keine Garantie für die durchgeführten Arbeiten.

 

Am 11. Oktober 2011 legte die Firma x der Firma x mit dem Betreff "Montagen von Dächer" eine Rechnung für das Bauvorhaben x, in Höhe von 1.900 Euro.

 

4.2. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt, dem vom Magistrat Linz beigeschafften, die Dachneigung des gegenständlichen Baus betreffenden Bauplan des Hauses x sowie dem Ergebnis der mündlichen Berufungsverhandlung vom 27. Februar und 25. April 2013.

 

Der Umstand, dass die Arbeiter zum Kontrollzeitpunkt bei einer Absturzhöhe von ca. 6 m auf der Dachfläche beschäftigt waren und keine geeigneten Schutzeinrichtungen vorhanden waren, die den Absturz von Menschen in sicherer Weise hätten verhindern können, geht aus den vorgelegten Fotoaufnahmen anlässlich der Kontrolle sowie den Aussagen des Arbeitsinspektors x als Zeuge in der mündlichen Berufungsverhandlung vom 27. Februar 2013 hervor. Dass die Neigung des Daches mehr als 20 °, nämlich 24 ° betrug, geht zweifelsfrei aus dem vom Magistrat Linz übermittelten Bauplan des gegenständlichen Wohnhauses x hervor.

 

Der Zeuge x gab bei seiner Einvernahme an, dass das verwendete Material sowie das Werkzeug – ausgenommen kleines Handwerkzeug –, das die Arbeiter verwendeten, von der Firma x zur Verfügung gestellt wurde. Seinen Angaben ist auch – ebenso wie der Aussagen des Zeugen x – zu entnehmen, dass die Arbeiter in einem Firmenbus der Firma x zur Baustelle gefahren sind und dass sie ausschließlich für die Firma x arbeiteten. Nicht bestritten wurde, dass sie auch Arbeitskleidung mit der Aufschrift der Firma x verwendeten, was auch den der Anzeige beiliegenden Fotoaufnahmen zu entnehmen ist. Wie der Zeuge x in der mündlichen Berufungsverhandlung vom 27. Februar 2013 zudem ausführte, verfügte die Firma x über keine eigene betriebliche Infrastruktur.

 

Nicht bestritten wird, dass Herr x zu diesem Zeitpunkt als Meister – und einziger Arbeitnehmer im Bereich der Dachdeckerei – bei der Firma x beschäftigt war. Nach Aussage des Zeugen x in der mündlichen Berufungsverhandlung hat die Firma x dafür gesorgt, dass die Ungarn in Österreich arbeiten konnten und er deshalb als gewerberechtlicher Geschäftsführer eingesetzt wurde. Auch der Zeuge x gab an, dass er davon ausgeht, dass die Person, die ihn bei der Firmengründung unterstützte, der Firma x zuzurechnen ist und eine eigene betriebliche Infrastruktur ebenso wie eine Garantieübernahme seitens der Firma x nicht vorlag.

 

Den Aussagen des Zeugen x ist weiters zu entnehmen, dass das gegenständliche Gerüst gemeinsam mit Arbeitern der Firma x aufgestellt wurde, eine Information, die der Arbeitsinspektor x auch bei der Baustellenkontrolle erhielt.

 

Den Aussagen des Zeugen x ist zu entnehmen, dass zwischen der Firma x und der Firma x weder schriftliche Anbote noch schriftliche Vereinbarungen getroffen wurden. Seinen Aussagen, die Ungarn seien mit einem eigenen Fahrzeug zur Baustelle gefahren, kann jedoch nicht gefolgt werden, da sowohl die Ungarn selbst als auch der Zeuge x angab, dass sie auf der Baustelle mit dem Fahrzeug der Firma x waren, was im Übrigen auch aus den der Anzeige beiliegenden Fotoaufnahmen ersichtlich ist.

 

Der Zeuge x, der bei seiner Vernehmung einen glaubwürdigen Eindruck vermittelte, gab an, dass "... die Arbeiter, die ich zur Verfügung gestellt bekommen habe für die Abwicklung unserer Aufträge, immer die selben waren, nämlich jene um die es heute hier geht." (vgl. Tonbandprotokoll vom 25.4.2013, Seite 2) und dass die Firma x "es ... so gemacht hat, dass ich als geweberechtlicher Geschäftsführer in der Firma x aufscheine, damit die Ungarn hier arbeiten können" (TBP v. 25.4.2013, S.2). Seiner Aussage ist auch zu entnehmen, dass er die Arbeiter einwies und kontrollierte: "Es ist aber schon richtig, dass ich natürlich die Kommunikation mit dem Bauherrn übernommen habe und die Einweisungen durchgeführt habe und es musste ja auch die Arbeit überwacht werden, das machte ich. ... Ich bin gekommen, wenn sie Material brauchten bzw. bin nachschauen gekommen und habe die Arbeiten kontrolliert." (TBP v. 25.4.2013, S. 1). Diese Angaben wurden auch durch die Zeugenaussage des Zeugen x in der mündlichen Berufungsverhandlung vom 25. April 2013 bestätigt.

 

5. In der Sache hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 118 Abs.3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG), BGBl.Nr. 450/1994 idgF. gilt die Bauarbeiterschutzverordnung, BGBl.Nr. 340/1994, (BauV), nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.

 

Gemäß § 87 Abs.3 Bauarbeiterschutzverordnung (BauV), BGBl.Nr. 1994/340 idgF, müssen bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von mehr als 20 ° und einer Absturzhöhe von mehr als 3 m geeignete Schutzeinrichtungen vorhanden sein, die den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten in sicherer Weise verhindern, wie insbesondere Dachfanggerüste (§ 88). Bei besonderen Gegebenheiten, wie auf glatter, nasser oder vereister Dachhaut, die ein Ausgleiten begünstigen, müssen auch bei geringerer Neigung solche Schutzeinrichtungen vorhanden sein. Wenn Arbeiten auf Dächern gleichzeitig oder aufeinander folgend sowohl an der Dachfläche als auch an der Traufe durchgeführt werden, müssen solche Schutzeinrichtungen verwendet werden, die sowohl für die Arbeiten an der Dachfläche als auch für die Arbeiten an der Traufe wirksam sind.

 

Gemäß § 130 Abs.5 ASchG in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 Euro bis 14.530 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber den nach dem 9. Abschnitt weiter geltenden Bestimmungen zuwider handelt.

 

Gemäß § 9 Abs.1 ASchG liegt eine Überlassung im Sinn dieses Bundesgesetzes vor, wenn Arbeitnehmer Dritten zur Verfügung gestellt werden, um für sie und unter deren Kontrolle zu arbeiten. Überlasser ist, wer als Arbeitgeber Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung an Dritte verpflichtet. Beschäftiger ist, wer diese Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung einsetzt.

 

Gemäß § 9 Abs.2 ASchG gelten für die Dauer der Überlassung die Beschäftiger als Arbeitgeber im Sinn dieses Bundesgesetzes.

 

Anlässlich einer Kontrolle am 14. Juli 2011 wurden drei Arbeiter auf dem 24° geneigten Dach bei einer Absturzhöhe von ca. 6 m mit der Neueindeckung des Daches beschäftigt, ohne dass geeignete Schutzeinrichtungen vorhanden waren, die den Absturz von Menschen in sicherer Weise hätten verhindern können. Aufgrund des Beweisverfahrens ist erwiesen, dass diese drei Arbeiter unter der Kontrolle der Firma x gearbeitet haben.

 

Entgegen dem Berufungsvorbringen konnte nicht erwiesen werden, dass die drei Arbeiter auf der Baustelle in Erbringung einer Werkleistung durch die Firma x tätig waren.

 

Ein Werkvertrag liegt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor, wenn die Verpflichtung zur Herstellung eines Werkes gegen Entgelt besteht, wobei es sich um eine im Vertrag individualisierte und konkretisierte Leistung, also eine in sich geschlossene Einheit handeln muss. Die Verpflichtung aus einem Werkvertrag besteht darin, die genau umrissene Leistung (in der Regel bis zu einem bestimmten Termin) zu erbringen. Das Interesse des Bestellers bzw. die Vertragsverpflichtung des Werkunternehmers sind auf das Endprodukt als solches gerichtet. Für einen Werkvertrag essentiell ist ein "gewährleistungstauglicher" Erfolg der Tätigkeit, nach welchem die für den Werkvertrag typischen Gewährleistungsansprüche bei Nichtherstellung oder mangelhafter Herstellung des Werkes beurteilt werden können.

 

Dazu ist festzuhalten, dass aufgrund des festgestellten Sachverhaltes die drei Arbeitnehmer in persönlicher Abhängigkeit zur Firma x tätig wurden, was aus dem Umstand hervorgeht, dass sie ausschließlich für die Firma x arbeiteten, von dieser Material und größeres Werkzeug sowie das erforderliche Baustellenfahrzeug zur Verfügung gestellt bekamen, vom zuständigen Meister der Firma x eingewiesen und laufend kontrolliert wurden und mit Arbeitskleidung der Firma x ausgestattet wurden. Der Umstand, dass die Firma x über einen Gewerbeschein verfügte, ändert nichts daran, dass mangels Erbringung eines selbstständigen Werkes die Arbeiter auf der gegenständlichen Baustelle als Beschäftigte der Firma x eingesetzt wurden. Es ist keineswegs ausgeschlossen, dass ein Dienstverhältnis vorliegt, wenn der Dienstnehmer zusätzlich über einen Gewerbeschein verfügt (vgl. VwGH vom 2. April 2008, Zl. 2007/08/0038). Die Definition der Überlassung in § 9 ASchG umfasst neben der Überlassung nach dem AÜG, BGBl. Nr. 196/1988, auch die vom Geltungsbereich des AÜG ausgenommene Überlassung von Arbeitskräften z.B. in Zusammenhang mit der Inbetriebnahme von Anlagen, innerhalb einer Arbeitsgemeinschaft oder innerhalb eines Konzerns. Für die Dauer der Überlassung gelten die Beschäftiger als Arbeitgeber iSd ASchG (vgl. § 9 Abs.2 ASchG).

 

Gemäß § 4 Abs.1 AÜG ist für die Beurteilung, ob eine Überlassung von Arbeitskräften vorliegt, der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend.

 

Gemäß § 4 Abs.2 AÜG liegt Arbeitskräfteüberlassung insbesondere auch vor, wenn die Arbeitskräfte ihre Arbeitsleistung im Betrieb des Werkbestellers in Erfüllung von Werkverträgen erbringen, aber

1.     kein von den Produkten, Dienstleistungen und Zwischenergebnisses des Werkbestellers abweichendes, unterscheidbares und dem Werkunternehmer zuzurechnendes Werk herstellen oder an dessen Herstellung mitwirken oder

2.     die Arbeit nicht vorwiegend mit Material und Werkzeug des Werkunternehmers leisten oder

3.     organisatorisch in den Betrieb des Werkbestellers eingegliedert sind und dessen Dienst- und Fachaufsicht unterstehen oder

4.     der Werkunternehmer nicht für den Erfolg der Werkleistung haftet.

 

Da die drei bei der Kontrolle angetroffenen Arbeiter auf der Baustelle ihre Arbeit unter der Kontrolle der Firma x durchführten, ist diese als Arbeitgeber für die Einhaltung der Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes strafrechtlich verantwortlich. Den Schilderungen des Zeugen x ist zu entnehmen, dass er als zuständiger Meister in der Firma x eine begleitende Fachaufsicht über die Arbeiter durchführte. Ob und welche Rechtsbeziehungen zwischen dem Beschäftiger und der Arbeitskraft, aber auch zwischen dem Beschäftiger und dem Überlasser bestehen, ist für das Vorliegen von Arbeitskräfteüberlassung nicht entscheidend. Maßgebend ist vielmehr, ob nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt eine Überlassung von Arbeitskräften im Sinn des § 4 AÜG vorliegt. Eine solche Arbeitskräfteüberlassung ist jedenfalls gegeben, wenn einer der Alternativen, in § 4 Abs.2 Z1 bis 4 AÜG demonstrativ aufgezählten Tatbestände verwirklicht ist (vgl. VwGH vom 23. Mai 2012, Gz. 2009/11/0250). Wie sich aus § 3 Abs.1 bis 3 AÜG ergibt, kommt es überdies darauf an, dass faktisch Arbeitskräfte einem Beschäftiger zur Verfügung gestellt werden, um vorübergehend unter dessen Aufsicht und Leitung zu arbeiten, und dass die Arbeitskräfte vom Überlasser vertraglich verpflichtet sind, die ihm geschuldete Arbeitsleistung dem Beschäftiger zu erbringen. Unter diesen Voraussetzungen gilt der Beschäftiger gemäß § 6 AÜG für die Dauer der Beschäftigung als Arbeitgeber im Sinn der Arbeitnehmerschutzvorschriften (VwGH vom 23.5.2012, Zl. 2009/11/0250, vom 22.10.1996, Zl. 94/08/0178).

 

Folgende Sachverhaltsmerkmale sprechen im Hinblick auf den für die Beurteilung des Vorliegens einer Beschäftigung von überlassenen Arbeitskräften maßgeblichen wahren wirtschaftlichen Gehalt für das Vorliegen einer Arbeitskräfteüberlassung durch die Firma x an die Firma x:

 

-      für die Arbeiten wurde Material und Werkzeug – ausgenommen einfaches Handwerkzeug – der Firma x verwendet;

-      die Arbeiter verwendeten einen Firmenwagen der Firma x;

-      die Gerüstung wurde von den Arbeitern gemeinsam mit einem Dienstnehmer der Firma x errichtet;

-      die Arbeiter verwendeten von der Firma x zur Verfügung gestellte Arbeitskleidung;

-      die Arbeiter übernahmen gegenüber der Firma x keine Garantie;

-      die Tätigkeit der Arbeiter wurde von einem Dienstnehmer der Firma x regelmäßig beaufsichtigt und kontrolliert;

-      ein Arbeitnehmer der Firma x stellte seine Gewerbeberechtigung der Firma x zur Verfügung, damit diese in Österreich tätig werden konnten.

 

Aufgrund dieser Sachverhaltsmerkmale tritt der Umstand, dass das zwischen der Firma x und der Firma x vereinbarte Entgelt in Form eines Pauschalbetrages vereinbart und abgerechnet wurde sowie der Umstand, dass die Firma x über einen Gewerbeschein verfügte, in den Hintergrund.

 

Da somit die drei bei der Kontrolle angetroffenen Arbeitnehmer bei den gegenständlichen Dacharbeiten am 14. Juli 2011 von der Firma x zur Arbeitsleistung eingesetzt wurden, ohne dass geeignete Schutzeinrichtungen vorhanden waren, die bei dem 24° geneigten Dach und einer Absturzhöhe von ca. 6 m den Absturz von Menschen in sicherer Weise hätten verhindern können, ist der objektive Sachverhalt der gegenständlichen Verwaltungsübertretung als erfüllt zu werten.

 

5.2. Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (Ungehorsamsdelikt).

 

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar. Es genügt daher fahrlässige Tatbegehung. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bw initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringung von Beweismitteln oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die "Glaubhaftmachung" nicht.

 

Es ist daher zu prüfen, ob sich die Bw entsprechend sorgfältig verhalten hat, um glaubhaft machen zu können, dass sie an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Dies ist der Bw mit ihrem Vorbringen jedoch nicht gelungen. Im Sinn der Arbeitnehmerschutzbestimmungen und der dazu ergangenen ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Arbeitgeber dafür zu sorgen, dass die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sowie der dazu erlassenen Verordnungen eingehalten werden. Ist er selbst nicht anwesend, hat er einen geeigneten Arbeitnehmer zu bestimmen, der auf die Durchführung und Einhaltung der zum Schutz der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen zu achten hat. Dieser Pflicht ist die Bw nicht ausreichend nachgekommen.

 

Es ist daher die gegenständliche Verwaltungsübertretung der Bw auch in subjektiver Hinsicht vorwerfbar.

 

5.3. Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

 

Nach § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides so weit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist. § 19 Abs.1 VStG enthält somit jene objektiven Kriterien, die Grundlage für jede Strafbemessung sind. Darüber hinaus normiert Abs.2 für das ordentliche Verfahren eine Reihe weiterer subjektiver Umstände.

 

Die Bestimmungen des ASchG bzw. der auf ihrer Grundlage erlassenen Verordnungen haben den Schutz des Lebens und der Gesundheit der ArbeitnehmerInnen zum Ziel und sind daher entsprechend der Verstöße mit einem besonderen Unrechtsgehalt der Tat behaftet, weil hiedurch genau jene Gefährdungen herbeigeführt werden, denen die genannten Bestimmungen entgegenwirken sollen.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Judikatur ausgeführt, dass Schutzeinrichtungen an allen Gefahrenstellen von Dächern anzubringen sind, bei denen jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann, dass Arbeitnehmer sie im Zuge der Durchführung ihres Auftrages betreten können (vgl. VwGH vom 31. Juli 2007, Zl. 2006/02/0237 mit weiteren Nachweisen, sowie vom 5.9.2008, Zl. 2008/02/0129-3). Wie aus den eingesehenen Aufnahmen, die vom Arbeitsinspektor angefertigt wurden, ersichtlich ist, waren die erforderlichen Schutzeinrichtungen für die durchgeführten Dacharbeiten auf einer Gebäudeseite gar nicht vorhanden und endeten auf der anderen unterhalb der Dachtraufe. Auch war erkennbar, dass eine sichere Aufstiegsmöglichkeit auf das Dach nicht gegeben war. Im Hinblick auf die Absturzhöhe von ca. 6 m ist es daher durchaus gerechtfertigt und angemessen, über die Bw eine deutlich über der Mindeststrafe liegende Geldstrafe zu verhängen. Als Milderungsgrund kommt der Bw dagegen ihre zum Tatzeitpunkt vorliegende verwaltungsbehördliche Unbescholtenheit sowie die lange Dauer des gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahrens zugute.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt bei namentlich genannten Arbeitnehmern einer Übertretung nach § 87 Abs.3 BauV jedoch je Arbeitnehmer eine Verwaltungsübertretung vor, da der Schutzzweck der Norm hinsichtlich eines jeden Arbeitnehmers verletzt wurde. Hinsichtlich der von der belangten Behörde verhängten Gesamtstrafe war daher durch den Unabhängigen Verwaltungssenat je Arbeitnehmer eine Strafe zu verhängen (vgl. VwGH vom 16.12.2011, Zl. 2010/02/0105). Im Hinblick auf die angeführten Milderungsgründe konnten diese Strafen jedoch auf das nunmehrige Ausmaß herabgesetzt werden. Ein Vorgehen nach § 20 VStG scheidet jedoch aus, da ein Überwiegen der Milderungsgründe über die Erschwerungsgründe nicht festgestellt werden kann. Für das beträchtliche Überwiegen der Milderungsgründe gegenüber den Erschwerungsgründen kommt es zudem nicht auf die Zahl der Milderungs- und Erschwernisgründe, sondern ausschließlich auf deren Bedeutung – somit dem Gewicht nach – im Rahmen des konkret gegebenen Sachverhalts an und ist danach zu urteilen (vgl. u.a. VwGH 92/02/0095 v. 27.2.1992). Ebenso scheidet eine Anwendung des § 21 VStG aus, da die dafür erforderlichen kumulativen Voraussetzungen nicht vorliegen.

 

Nach Ansicht der erkennenden Kammer des Unabhängigen Verwaltungssenates erscheinen die nunmehr herabgesetzten Strafen angemessen und geeignet, der Bw die Unrechtmäßigkeit ihres Handelns eindringlich vor Augen zu führen und sie künftig zu einem gesetzeskonformen Verhalten anzuleiten.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

7. Die Kostenentscheidung ist in den angeführten gesetzlichen Bestimmungen begründet.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Michaela Bismaier

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VfGH vom 26.06.2013, Zl.: B 692/2013-4

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde eingestellt.

VwGH vom 25. Oktober 2013, Zl.: 2013/02/0138-5

 

 

 

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