Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420777/14/Gf/Rt VwSen-440153/4/Gf/Rt

Linz, 27.03.2013

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mit­glied Dr. Gróf über die Beschwerde des F, vertreten durch RA Dr. W, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt sowie wegen rechtswidrigen Polizeihandelns durch dem Bezirkshauptmann von Vöcklabruck zurechenbare Exekutivorgane am 14. Dezember 2012 in einer Discothek in G nach der am 22. März 2013 durchgeführten öffentlichen Verhandlung zu Recht:

I. Die angefochtenen Maßnahmen werden als rechtswidrig festgestellt.

 

II. Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in einer Höhe von insgesamt 1.696,- Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlage:

§ 67c Abs. 3 AVG; § 79a AVG.

Entscheidungsgründe:

 

 

1.1. In seiner am 21. Dezember 2012 – und damit rechtzeitig – per Telefax beim Oö. Verwaltungssenat eingebrachten Beschwerde wird vom Rechtsmittelwerber im Wesentlichen vorgebracht, dass am 14. Dezember 2012 gegen 23:15 Uhr ca. 20 Polizeibeamte in die von ihm in  G betriebene Discothek "X" gestürmt seien und von ihm Auskunft darüber begehrt hätten, ob bzw. wo die vom Bezirkshauptmann von Vöcklabruck auf Grund des Oö. Jugendschutzgesetzes erlassene Verordnung vom 8. Oktober 2012 ausgehängt sei; dieser zufolge sei nämlich Jugendlichen unter 18 Jahren der Aufenthalt in seinem Lokal verboten. Dann sei dem Beschwerdeführer aufgetragen worden, die Beleuchtung vollständig aufzudrehen und die Musik abzuschalten. Hierauf habe der Einsatzleiter das Mikrofon ergriffen und den Lokalbesuchern bekannt gegeben, dass nun eine Razzia durchgeführt werde und sämtliche unter 18 Jahre alten Personen die Diskothek zu verlassen hätten. Dieser Anordnung hätten die Jugendlichen nach Durchführung einer Ausweiskontrolle auch anstandslos entsprochen. Nach Beendigung der etwa zwei Stunden dauernden Amtshandlung sei das Lokal nahezu leer gewesen, wodurch dem Rechtsmittelwerber ein Verdienstausfall von mindestens 3.000 Euro entstanden sei; außerdem seien der Discothek wegen dieses vollkommen überzogenen Polizeieinsatzes auch am folgenden Abend fast alle potentiellen Besucher ferngeblieben.

 

Da es sich bei der Verordnung der BH Vöcklabruck vom 8. Oktober 2012 in Wahrheit um einen Rechtsformenmissbrauch und damit um einen verfassungswidrigen Eingriff in die Rechtssphäre des Beschwerdeführers handle und auch das konkrete Vorgehen der Beamten – Aufforderung zum Aushang der Verordnung, Aufdrehen der vollen Beleuchtung und Abschalten der Musik, Ergreifen des Mikrofones durch den Einsatzleiter, Räumung des Lokales und Androhung der Wiederholung – jeweils unverhältnismäßig gewesen sei, wurde einerseits angeregt, die Verordnung der belangten Behörde beim Verfassungsgerichtshof auf ihre Gesetzmäßigkeit hin überprüfen zu lassen, und andererseits beantragt, kostenpflichtig die Rechtswidrigkeit dieser Zwangsakte festzustellen.

 

1.2. Der Bezirkshauptmann von Vöcklabruck hat den Bezug habenden Akt zu Zl. Sich20-13137-2012 vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, mit der kostenpflichtig die Zurück-, in eventu die Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

 

Begründend wird dazu in rechtlicher Hinsicht vorgebracht, dass der Beschwerdeführer gewerberechtlich nicht befugt sei, die Discothek "X" zu betreiben. Da er zudem nicht Dienstnehmer des tatsächlichen Gewerbeberechtigten sei, habe er sohin durch die von den Exekutivorganen vorgenommene Jugendschutzkontrolle auch nicht in seinen Rechten verletzt werden können. Davon abgesehen sei beim Polizeieinsatz ein Zwang weder ausgeübt noch angedroht, sondern dem Rechtsmittelwerber vielmehr freigestellt worden, auf welche Art die Überprüfung durchgeführt werden soll. Da die Verordnung der BH Vöcklabruck bereits am 10. November 2012 in Kraft getreten, vom Beschwerdeführer in der Folge jedoch konsequent ignoriert worden sei, habe sich die am 14. Dezember 2012 durchgeführte Kontrolle sohin in jeder Weise als legitim erwiesen; insbesondere habe diese dadurch, dass ohnehin eine möglichst zeitsparende Vorgangsweise gewählt worden sei, nicht nur dem Wunsch des Rechtsmittelwerbers, sondern auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprochen.

 

1.3. Mit ergänzendem Schriftsatz vom 14. Jänner 2013 hat der Beschwerdeführer über entsprechende Aufforderung des Oö. Verwaltungssenates klargestellt, dass sein Rechtsbehelf nicht bloß als Maßnahmenbeschwerde i.S.d. Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG i.V.m. § 67a Z. 2 AVG, sondern auch als Beschwerde gemäß Art. 129a Abs. 1 Z. 3 B-VG i.V.m. § 88 Abs. 2 des Sicherheitspolizeigesetzes, BGBl.Nr. 566/1991 i.d.g.F. BGBl.Nr. I 53/2012 (im Folgenden: SPG) – sog. "Polizeibeschwerde" –, nicht jedoch auch als "Richtlinienbeschwerde" i.S.d. Art. 129a Abs. 1 Z. 3 B-VG § 89 SPG anzusehen ist.

 

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der BH Vöcklabruck zu Zl. Sich20-13137-2012 sowie im Wege der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung am 22. März 2013, zu der einerseits als Parteien der Beschwerdeführer und sein Rechtsvertreter sowie Dr. J als Vertreter der belangten Behörde und andererseits die Zeugen P, D (beide Dienstnehmer des Rechtsmittelwerbers) und KontrInsp K (Bezirkspolizeikommando Vöcklabruck und Einsatzleiter bei der Lokalkontrolle) erschienen sind.

 

2.1.1. Im Zuge dieser Beweisaufnahme wurde folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt:

 

Zum Vorfallszeitpunkt war aus gewerberechtlicher Sicht nicht der Beschwerdeführer selbst (insbesondere auch nicht infolge einer weiterhin aufrechten Verpachtung des Gewerbes nach früher maßgeblichen Vorschriften), sondern ausschließlich ein Dritter – nämlich ein gewisser J W – zum Führen der verfahrensgegenständlichen, in der P in G situierten Discothek "X" befugt. Auch eine nach deutschem Recht errichtete GmbH (die "X+Y"), die pro futuro handelsrechtliche Trägerin dieses Unternehmens sein, über eine Zweigniederlassung in Österreich verfügen und als deren Geschäftsführer der Rechtsmittelwerber fungieren wird, befand sich damals erst in der Gründungsphase: der entsprechende Gesellschaftsvertrag war zwar am 27. November 2012 errichtet worden, die Eintragung ins Firmenbuch beim LG Linz erfolgte aber erst am 20. März 2013. Allerdings bestand zum Zeitpunkt der behördlichen Kontrolle in Bezug auf die Räumlichkeiten des Lokales bereits ein zivilrechtlicher Pachtvertrag zwischen dem Beschwerdeführer und dem Liegenschaftseigentümer (G B); weiters wurde die Diskothek vom Rechtsmittelwerber – allseits unbestritten und insbesondere auch nach den diesbezüglich unwidersprochen gebliebenen Aussagen der beiden ersten Zeugen – jedenfalls seit Oktober 2012 faktisch als verantwortlicher Unternehmer betrieben und insbesondere wurde er auch von den Behördenorganen als solcher qualifiziert, indem sich entsprechende den Discothekbetrieb betreffende Verfügungen – insbesondere mehrfache behördliche Lokalkontrollen – stets und ausschließlich gegen seine Person richteten. In der Regel hält der Beschwerdeführer die Discothek jeweils von 21:00 Uhr bis 4:00 Uhr geöffnet.

 

Am 14. Dezember 2012 betraten zwischen 23:30 Uhr und 23:45 Uhr insgesamt ca. 14 Polizeibeamte und 5 Beamte der Finanzpolizei das verfahrensgegenständliche Lokal und begehrten vom Beschwerdeführer Auskunft darüber, ob bzw. wo die vom Bezirkshauptmann von Vöcklabruck auf Grund des Oö. Jugendschutzgesetzes erlassene, speziell auf diese Discothek bezogene Verordnung vom 8. Oktober 2012 im Lokal zur Kenntnisnahme durch Besucher aushängt. Nachdem der Rechtsmittelwerber geäußert hatte, dass diese Verordnung, der zufolge Jugendlichen unter 18 Jahren der Aufenthalt in dieser Discothek verboten ist, nicht im Lokal ausgehängt ist, wurde ihm vom Einsatzleiter – dem dritten Zeugen – erklärt, dass nunmehr eine Alterskontrolle durchgeführt werden müsse. Bezüglich der konkreten Vorgangsweise wurde der Beschwerdeführer vor die Wahl gestellt, die Kontrolle entweder bei laufendem Betrieb – was naturgemäß einen vergleichsweise längeren Zeitraum in Anspruch nehmen würde – oder derart vornehmen zu lassen, dass der Discothekbetrieb für die Dauer der Kontrolle unterbrochen wird. Da sich der Rechtsmittelwerber für die zweite Alternative entschieden hatte, wurde ihm aufgetragen, die Beleuchtung des Lokals auf volle Lichtstärke einzuschalten und die Musik abzustellen. Dann ergriff der Einsatzleiter ein Mikrofon und erklärte den ca. 100 anwesenden Lokalbesuchern sinngemäß, dass auf Grund des Oö. Jugendschutzgesetzes eine Alterskontrolle durchgeführt wird und sämtliche unter 18 Jahre alten Personen die Diskothek zu verlassen, jedoch keine polizeiliche Anzeige bei der Behörde zu befürchten haben. Dieser Anordnung haben die Jugendlichen in der Folge auch ohne nennenswerten Widerstand entsprochen, indem sie sich zum Ausgang begeben und dort ihre Ausweise vorgewiesen haben, wobei von den Polizeibeamten ihre Personaldaten notiert wurden. Danach wurde eine Alterskontrolle der im Lokal verbliebenen Gäste vorgenommen, während parallel dazu von den Beamten der Finanzpolizei die Kontrolle der Angestellten des Beschwerdeführers weitergeführt wurde.

 

Nach Beendigung der gesamten Kontrolltätigkeit befanden sich noch zwischen 25 und 50 Personen im Lokal; der Normalbetrieb konnte etwa gegen 1:00 Uhr wieder aufgenommen werden. Mangels entsprechender Stimmung und wegen der geringen Gästezahl wurde die Discothek in der Folge jedoch bereits gegen 3:00 Uhr, also eine Stunde früher als üblich, geschlossen.

 

2.1.2. Diese Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf die in sich widerspruchsfreien und glaubwürdigen sowie – soweit entscheidungswesentlich – sowohl wechselseitig als auch mit dem Vorbringen des Rechtsmittelwerbers übereinstimmenden Aussagen der in der öffentlichen Verhandlung einvernommenen Zeugen, die insoweit zudem auch in dem von der belangten Behörde vorgelegten Akt jeweils eine entsprechende Deckung finden.

 

2.1.3. Darüber hinaus wird die Niederschrift über die öffentliche Verhandlung zu einem integrierenden Bestandteil der Begründung dieser Entscheidung erklärt.

 

2.2. Gemäß § 67a AVG hatte der Oö. Verwaltungssenat über die vorliegende
Beschwerde durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

 

 

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

 

3.1. Nach § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG i.V.m. Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG entscheiden die Unabhängigen Verwaltungssenate (UVS) über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein.

 

Außerdem erkennen die UVS gemäß § 88 Abs. 2 SPG über Beschwerden von Menschen, die behaupten, auf andere Weise durch die Besorgung der Sicherheitsverwaltung in ihren Rechten verletzt worden zu sein, sofern dies nicht in Form eines Bescheides erfolgt ist.

 

3.2. Im gegenständlichen Fall hat der Rechtsmittelwerber über Aufforderung des Oö. Verwaltungssenates – sowie unter bewusster Inkaufnahme des doppelten Kostenrisikos – erklärt, dass sich seine Beschwerde sowohl gegen die Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt als auch gegen das schlicht-hoheitliche Tätigwerden der eingeschrittenen Exekutivorgane wendet. Der vorliegende Rechtsbehelf ist daher sowohl unter dem Aspekt einer sog. "Maßnahmenbeschwerde" als auch unter jenem einer sog. "Polizeibeschwerde" zu prüfen.

 

Wenngleich der Rechtsmittelwerber zum Zeitpunkt der Kontrolle über keine entsprechende gewerberechtliche Befugnis verfügte, steht dennoch zweifelsfrei fest, dass er zumindest in zivilrechtlicher und vor allem auch in faktischer Hinsicht als Betreiber der verfahrensgegenständlichen Discothek fungierte. Als auf Grund eines Pachtvertrages über die Räumlichkeiten Verfügungsberechtigter konnte er daher durch das Einschreiten der Polizeibeamten (das Vorgehen der Finanzpolizei wurde demgegenüber explizit von der Beschwerde ausgenommen und bedarf daher im Weiteren keiner Überprüfung) durchaus denkmöglich in seiner subjektiven Rechtssphäre beeinträchtigt werden (vgl. J. Hengstschläger – D. Leeb, Kommentar zum Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz, Bd. 3, Wien 2007, RN 63 zu § 67a AVG).

 

Da auch die übrigen in § 67c Abs. 1 und 2 AVG angeführten Prozessvoraussetzungen vorliegen, erweist sich die gegenständliche Maßnahmen- und Polizeibeschwerde sohin als zulässig.

 

3.3. Im vorliegenden Fall haben die einschreitenden Sicherheitsorgane dem Rechtsmittelwerber gegenüber festgestellt, dezidiert und ausschließlich eine Kontrolle nach dem Oö. Jugendschutzgesetz, LGBl.Nr. 93/2001 i.d.g.F. LGBl.Nr. 67/2011 (im Folgenden: OöJSchG), sowie auf Grund der gemäß § 5 Abs. 3 OöJSchG erlassenen "Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 8. Oktober 2012 betreffend die Festlegung eines Aufenthaltsverbotes für Jugendliche in der Diskothek 'X' in G", Zl. Sich20-13137-2012 (im Folgenden kurz: AufenthaltsverbotsVO), vorzugehen.

 

Die am 14. Dezember 2012 vorgenommene Kontrolle der Discothek verkörperte zweifelsfrei weder die Erlassung eines Bescheides noch eine Verordnungserlassung; vielmehr kann sie nur als eine Kombination von Befehls- bzw. Zwangsausübung i.S.d. Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG einerseits und schlichtem Polizeihandeln i.S.d. § 88 Abs. 2 SPG andererseits qualifiziert werden, wobei hier Zwangsakte – wie insbesondere die Anordnung der Durchführung einer Lokalkontrolle – deshalb und insoweit vorliegen, weil bzw. als der Beschwerdeführer den damit einhergehenden und an ihn gerichteten Aufforderungen – wie z.B. zur Unterbrechung des Lokalbetriebes, zum Einschalten der vollen Beleuchtung und zum Abstellen der Musik – keineswegs aus freien Stücken entsprach, sondern diese nur angesichts der offenkundigen Aussichtslosigkeit jeglichen Widerstandes über sich ergehen ließ.

 

Für die Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt, aber auch für die Setzung schlicht-hoheitlicher Individualakte durch Polizeibeamte findet sich allerdings im OöJSchG keine taugliche Rechtsgrundlage.

 

Den einzigen Ansatzpunkt hierfür könnte allenfalls § 10 Abs. 2 OöJSchG bilden, wonach die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes durch vorbeugende Maßnahmen gegen drohende Verwaltungsübertretungen (Z. 1) oder Maßnahmen, die für die Einleitung oder Durchführung von Verwaltungsverfahren erforderlich sind (Z. 2), zur Unterstützung der Bezirksverwaltungsbehörde einzuschreiten haben. Aber abgesehen davon, dass die Kontrolle hier – wo der Einsatzleiter ausdrücklich bekannt gegen hat, dass "auf Grund des Oö. Jugendschutzgesetzes eine Alterskontrolle durchgeführt wird und sämtliche unter 18-jährige Personen die Discothek zu verlassen, jedoch keine Anzeige bei der Behörde zu befürchten haben" – ohnehin gerade nicht im Zusammenhang mit Verwaltungsübertretungen, sondern dezidiert und ausschließlich zu dem Zweck erfolgte, um das für die Discothek behördlich verfügte Aufenthaltsverbot durchzusetzen, ergibt sich auch aus den Gesetzesmaterialien (vgl. Blg 1142/2011, 25. GP), dass "im Vordergrund des Jugendschutzes" generell "nicht mehr die behördlichen Maßnahmen stehen" sollen (S. 20), sondern dass "es in erster Linie den Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten" obliegt, "dafür zu sorgen, dass die ihrer Obhut unterstehenden Jugendlichen die Jugendschutzbestimmungen einhalten" (S. 22), und dass auch "die Unternehmer und Veranstalter ....., auf deren Liegenschaft die Bezirksverwaltungsbehörde den Aufenthalt von Jugendlichen begrenzt oder verboten" hat, "besondere Verpflichtungen treffen", wobei die Unternehmer – und nicht die Behörden ! – "beispielsweise bei begründeten Zweifeln verpflichtet" sind, "das Alter der Jugendlichen ..... zu überprüfen und ihnen gegebenenfalls auch den Zutritt zu den Betriebsräumlichkeiten, ‑grundstücken oder Veranstaltungsorten zu verweigern oder sie zum Verlassen aufzufordern. Dass sie diesen Kontrollverpflichtungen nachgekommen sind, sollten Unternehmer und Veranstalter auch nachweisen können." (S. 23).

 

Die Gesetzesmaterialien sprechen somit nicht nur klar gegen die Annahme einer spezifischen Befugnis zur Ausübung von behördlichen Zwangsbefugnissen, sondern überhaupt generell gegen eine polizeiliche Mitwirkung zum Zweck des Jugendschutzes; ausgenommen ist davon nur der – vor dem dargelegten Hintergrund daher eng zu interpretierende – Bereich der Prophylaxe und Verfahrenssicherung i.S.d. § 10 Abs. 2 OöJSchG.

 

Die im vorliegenden Fall gesetzten Maßnahmen konnten daher weder auf die letztgenannte noch auf eine andere Bestimmung des OöJSchG gestützt werden; im Übrigen dürfte auch die AufenthaltsVO – deren Inhalt nach Ansicht des Oö. Verwaltungssenates (und damit entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers) keinen Bedenken im Hinblick auf Art. 139 Abs. 1 B-VG begegnet, weshalb auch die begehrte Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof unterbleiben konnte – eine solche Eingriffsermächtigung nicht vorsehen (und sieht diese auch tatsächlich eine solche nicht vor).

 

Ob die mit einer Betriebsstörung verbundene Kontrolle und die damit einhergehenden Verfügungen (Verweisung von Gästen aus dem Lokal, Identitätsfeststellung, Erhebung von Personaldaten) im Hinblick darauf, dass diese explizit nicht im Zusammenhang mit einem Verdacht des Vorliegens einer Verwaltungsübertretung gesetzt wurden, im gegenständlichen Fall allenfalls auf eine andere Rechtsgrundlage – wie z.B. auf das SPG (wobei es sich hier allerdings nicht um eine Besorgung der Sicherheitsverwaltung i.S.d. § 2 SPG handelte) oder auf die Gewerbeordnung (vgl. z.B. jüngst VwGH vom 31. Jänner 2013, Zl. 2008/04/0216) – hätten gestützt werden können, brauchte bzw. konnte vom Oö. Verwaltungssenat schon deshalb nicht geprüft zu werden, weil das nachträgliche Hervorkommen einer tauglichen Rechtsgrundlage den im Zeitpunkt seiner Setzung auf eine unzutreffende Bestimmung gestützten Behördenakt nicht als rückwirkend rechtmäßig erscheinen lassen kann (vgl. z.B. VwGH vom 19. Mai 2011, Zl. 2009/21/0214; dieser Aspekt ist allerdings davon zu unterscheiden, dass der UVS umgekehrt nicht an das Vorbringen des Beschwerdeführers gebunden ist, sondern die angefochtene Maßnahme aus eigenem nach jeder Richtung hin auf ihre Rechtmäßigkeit zu prüfen hat [vgl. z.B. VwGH vom 15. November 2000, Zl. 99/01/0067]).

 

3.4. Bot das OöJSchG hier schon von vornherein keine taugliche Rechtsgrundlage für das Einschreiten der Exekutivorgane, konnte sohin auch die Frage, inwieweit das polizeiliche Vorgehen jeweils eine Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt i.S.d. Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG oder bloß eine schlicht-hoheitliche Maßnahme i.S.d. § 88 Abs. 2 SPG verkörperte, auf sich beruhen.

 

Vielmehr war der ohnehin auf beide vorgenannten Bestimmungen gestützten Beschwerde stattzugeben und die angefochtene Lokalkontrolle gemäß § 67c AVG als rechtswidrig festzustellen.

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war das Land Oberösterreich als jener Rechtsträger, dem die Tätigkeit der belangten Behörde im gegenständlichen Fall funktionell zuzurechnen ist, dazu zu verpflichten, dem Beschwerdeführer nach § 79a Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 Z. 1 und Z. 3 AVG i.V.m. § 1 Z. 1 und Z. 2 der UVS-Aufwandersatzverordnung, BGBl.Nr. II 456/2008, Kosten in einer Höhe von insgesamt 1.696,- Euro (Gebühren: 36,40 Euro; Schriftsatzaufwand: 737,60 Euro; Verfahrensaufwand: 922 Euro) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweise:

 

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in einer Höhe von 36,40 Euro entstanden; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

Dr.  G r ó f

VwSen-420777/14/Gf/Rt vom 27. März 2013

 

Erkenntnis

 

 

Rechtssatz

 

B-VG Art129a Abs1 Z2;

SPG 1991 §88 Abs2;

JSchG 2001 §10

 

* § 10 Abs. 2 OöJSchG bildet keine taugliche Rechtsgrundlage für eine polizeiliche Lokalkontrolle, die explizit weder zur Vorahme vorbeugender Maßnahmen gegen drohende Verwaltungsübertretungen noch zur Einleitung oder Durchführung von Verwaltungsverfahren erfolgte, in deren Zuge jedoch sowohl Zwangsakte iSd Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG als auch schlicht-hoheitliche Maßnahmen iSd § 88 Abs. 2 SPG gesetzt wurden;

 

* Ob die mit einer Betriebsstörung verbundene Kontrolle und die damit einhergehenden Verfügungen (Verweisung von Gästen aus dem Lokal, Identitätsfeststellung, Erhebung von Personaldaten) allenfalls auf eine andere Rechtsgrundlage – wie zB. auf das SPG oder auf die GewO (vgl. zB. VwGH 31. Jänner 2013, 2008/04/0216) – hätten gestützt werden können, braucht bzw. kann vom UVS nicht geprüft werden, weil das nachträgliche Hervorkommen einer tauglichen Rechtsgrundlage den im Zeitpunkt seiner Setzung auf eine unzutreffende Bestimmung gestützten Behördenakt nicht als rückwirkend rechtmäßig erscheinen lassen kann (vgl. VwGH 19. Mai 2011, 2009/21/0214; dieser Aspekt ist allerdings davon zu unterscheiden, dass der Unabhängige Verwaltungssenat umgekehrt nicht an das Vorbringen des Beschwerdeführers gebunden ist, sondern die angefochtene Maßnahme nach jeder Richtung hin auf ihre Rechtmäßigkeit zu prüfen hat [vgl. zB. VwGH 15. November 2000, 99/01/0067]).

 

 

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