Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-531252/6/Re/CG

Linz, 16.05.2013

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Werner Reichenberger über die Berufung der Frau x, xstraße x, x, vertreten durch Rechtsanwalt x, xstraße x, x, vom 16. Februar 2012, gegen den Bescheid  der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 3. Februar 2012, Ge20-35130/07-2012, betreffend die Abweisung eines Antrages auf Bescheidzustellung gemäß § 8 AVG iVm §§ 74, 75 und 356 GewO 1994, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 18. Oktober 2012, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird Folge gegeben und der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 3. Februar 2012, Ge20-35130/07-2012, wird behoben.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs.4 und 67a Abs.1 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 idgF (AVG)

§§ 74, 75 und 356 Gewerbeordnung 1994 idgF (GewO 1994), BGBl. Nr. 194/1994 in der am 8. April 2003 geltenden Fassung

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.           Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden hat mit dem Bescheid vom 3. Februar 2012, Ge20-35130/07-2012, einen Antrag der Berufungswerberin auf Zustellung des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 8. April 2003, Ge20-35130/07-2003, gemäß § 8 AVG iVm §§ 74, 75 und 356 GewO 1994, abgewiesen. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, die Berufungswerberin habe die Bescheidzustellung beantragt, um Rechtsmittel ergreifen zu können.  Dies, da sie sowohl im baubehördlichen Verfahren der Stadtgemeinde Gmunden  als auch im gewerbebehördlichen Verfahren zum Gegenstand als Eigentümerin der Grundstücke Nr. x, x und x sowie x, jeweils KG x, Partei sei. Erst durch die Zustellung des Baubescheides der Stadtgemeinde Gmunden am 25. Juli 2011 sei ihr bekannt geworden, dass vor Jahren ein Zubau eines Käselagers genehmigt und ausgeführt worden sei, dies im Bereich einer Verdachtsfläche, da sich ein Teil der Liegenschaft der x reg. Gen.m.b.H. nach Ausweisung im Altlastenatlas des Umweltbundesamtes in einem kontaminierten Bereich befinde. In diesem Verfahren sei ihr gegenüber weder eine entsprechende Kundmachung, Ladung oder Beiziehung zum Verfahren als Partei erfolgt und auch keine Bescheidzustellung.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden habe im durchgeführten Verfahren mit Schriftstück vom 19. März 2003 eine mündliche Verhandlung für 7. April 2003 anberaumt; Gegenstand sei der Erteilung der gewerbebehördlichen Genehmigung für die Änderung der bestehenden Betriebsanlage im Standort x, xstraße x, durch Neubau eines Lagergebäudes mit Kiosk, Käsereifungslager und Kühlraum gewesen. Die Anberaumung sei unter Anführung der §§ 40 – 42 AVG sowie §§ 74 ff, 333 und 356 GewO 1994 erfolgt. Nachbarn seien gemäß § 42 AVG darauf hingewiesen worden, dass sie im Verfahren ihre Stellung als Partei verlieren, soweit sie nicht spätestens am Tag vor der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung zulässige Einwendungen im Sinne des § 74 Abs.1 Z.1, 2, 3 oder 5 GewO 1994 gegen die Anlage erheben. Weiters, dass Nachbarn im Sinne der GewO 1994 alle Personen seien, die durch die Errichtung, den Bestand oder den Betrieb der Betriebsanlage gefährdet oder belästigt oder deren Eigentum oder sonstige dingliche Rechte gefährdet werden könnten. Dieses Schreiben sei an der Amtstafel der Stadtgemeinde Gmunden am 20. März 2003 angeschlagen und am 7. April 2003 wieder abgenommen worden. Gleichzeitig sei das Stadtamt Gmunden unter anderem ersucht worden, je eine Kundmachung in den der Anlage unmittelbar benachbarten Häusern anzuschlagen. Die Berufungswerberin sei jedoch offensichtlich weder von der Bezirkshauptmannschaft Gmunden noch von der Stadtgemeinde Gmunden mit gesonderten Schreiben geladen worden. Sie sei Eigentümerin der Grundstücke Nr. x, x, x und x, KG x. Mit Bescheid vom 8. April 2003, Ge20-35130/07-2003, sei der x reg. Gen.m.b.H., Gmunden, die Änderung der im Standort Gmunden, xstraße x, bestehenden Betriebsanlage durch Zubau eines Lagergebäudes mit Kiosk, Käsereifungslager und Kühlraum nach Maßgabe des vorgelegten Projektes gewerbebehördlich genehmigt worden. Dabei ergäben sich durch den Zubau keine Veränderungen hinsichtlich der Zu- und Abfahrten. Nach den Darstellungen im zu Grunde liegenden Lageplan wären zwischen den Grundstücken der Berufungswerberin und dem geplanten Zubau die Grundstücke Nr. x und x (unmittelbar angrenzend an Grundstück Nr. x), Grundstück Nr. x mit den Bauflächen x und x, x (Straße) sowie Grundstück Nr. x. Der Zubau schließe direkt an die Baufläche x an und setze sich dann über das Grundstück x in nordwestlicher Richtung auf Grundstück Nr. x fort. Die Berufungswerberin sei, selbst, wenn sie Nachbarin im Sinne der GewO 1994 gewesen wäre, keine Partei mit Parteistellung im konkreten Verfahren, dies, da eine mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs.1 zweiter Satz und in der in den Verwaltungsvorschriften vorgesehenen besonderen Form kundgemacht worden sei. Dies habe zur Folge gehabt, dass die Person ihre Stellung als Partei verliere, soweit sie nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erhoben habe. Diese Rechtsfolge trete ein, wenn die mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs.1 zweiter Satz und in geeigneter Form kundgemacht worden sei. Die Kundmachung zur mündlichen Verhandlung sei an der Amtstafel der Stadtgemeinde Gmunden angeschlagen und darin ausdrücklich auf die Rechtsfolgen des § 42 AVG hingewiesen worden.

Ein Anschlag im Haus der Antragstellerin sei nicht in Betracht gekommen, da es von dem beantragten und mittlerweile genehmigten Zubau durch das Grundstück Nr. x und die damals noch bestehende Straße Grundstück Nr. x getrennt gewesen sei, demnach kein unmittelbar benachbartes Haus im Sinne des § 356 Abs.1 GewO 1994 gewesen sei. Die Berufungswerberin habe ihre Parteistellung im Sinne des § 42 Abs.1 AVG verloren, da die mündliche Verhandlung in der in § 356 Abs.1 GewO 1994 vorgesehenen besonderen Form kundgemacht worden sei und sie nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erhoben habe. Aus diesem Grund sei der Antrag auf Zustellung des Bescheides mangels Parteistellung abzuweisen.

 

2.           Gegen diesen Bescheid hat Frau x, x, vertreten durch Rechtsanwalt x, x, x Straße x, mit Schriftsatz vom 16. Februar 2012 innerhalb offener Frist Berufung erhoben und zusammenfassend beantragt, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen und den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmunden dahingehend abzuändern, als dem Antrag der Berufungswerberin stattgegeben werde, in eventu den Bescheid aufzuheben.

Dies im Wesentlichen mit der Begründung, die Berufungswerberin begründe ihre Parteistellung damit, als der gegenständliche Betrieb auf einer Verdachtsfläche – Altlast errichtet worden sei und diesem Verfahren nicht berücksichtigt worden sei, außerdem sich durch die Erweiterung eine massive Verstärkung der Lärm- und Staubimmissionen wegen der Ab- und Beladevorgänge ergebe und diese Immissionen die Berufungswerberin in ihren subjektiven Rechten beeinträchtige und verletze. Die Begründung der belangten Behörde widerspreche der Judikatur des VwGH, wonach sich aus § 75 Abs.2 GewO 1994 ergebe, dass die Nachbareigenschaft schon dann gegeben sei, wenn die bloße Möglichkeit bestehe, dass die betroffene Person durch die Errichtung der Betriebsanlage gefährdet oder belästigt werden könnte. Im Übrigen würde die Betriebsanlage auf einer Verdachtsfläche – Altlast betrieben und dies in keiner Weise berücksichtigt. Die Berufungswerberin habe keine Gelegenheit gehabt, hiezu Stellung zu nehmen und Einwendungen zu erheben. Die erstinstanzliche Behörde versuche, Verfahrensergebnisse ohne Einbeziehung der Berufungswerberin als Partei vorwegzunehmen und verletze das rechtliche Gehör der Berufungswerberin. Hätte die Berufungswerberin Gelegenheit gehabt, Einwendungen zu erheben und Beweisanträge zu stellen, hätte es zu einer anderen Entscheidung der Behörde kommen können. Im Sinne des § 75 Abs.2 GewO 1994 sei Parteistellung schon dann gegeben, wenn die bloße Möglichkeit bestehe, dass die betroffene Person durch die Errichtung, aber auch durch den Bestand oder den Betrieb einer Betriebsanlage gefährdet oder belästigt oder deren Eigentum oder sonstige dingliche Rechte gefährdet werden könnten. Auch die Frage, ob das Haus "unmittelbar benachbart" im Sinne des § 356 Abs.1 GewO 1994 zur Anlage ist, sei nicht korrekt beurteilt worden, da sie davon ausgehe, dass diese Frage anhand von gemeinsamen Grundstücksgrenzen zu regeln wäre. Nach der Judikatur des VwGH kämen als "unmittelbar benachbarte" Häuser in Betracht, die sich in unmittelbarer räumlichen Nähe zur Betriebsanlage befänden. "Unmittelbar benachbarte Häuser" seien jene, die rund um die zur Verhandlung stehende Betriebsanlage dieser Betriebsanlage am nächsten liegen, auch dann, wenn dazwischen eine Straße liege. Unmittelbare Nachbarschaft erfordere demnach keine gemeinsame Grundgrenze, wohl aber darf das Betriebsgrundstück vom bebauten Grundstück durch eine Straße oder einer dieser vergleichbaren Weise getrennt sein. Wenn die belangte Behörde dahingehend feststelle, als sich zwischen der Liegenschaft der Berufungswerberin und dem Betrieb das Grundstück Nr. x und das damalige Gründstück Nr. x der KG x befunden hätten, hätte man durch Beischaffung der digitalen Katastermappe auch feststellen können, dass es sich bei den dazwischen liegenden Grundstücken um Verkehrsflächen handelt, sodass im Sinne der Judikatur davon auszugehen ist, dass die Liegenschaft der Berufungswerberin samt dem darauf errichteten Haus als unmittelbar benachbart im Sinne des § 356 Abs.1 GewO 1994 zu betrachten sei und demnach ein Anschlag im Haus der Antragstellerin vorzunehmen gewesen wäre. Die Behörde hätte bei richtiger rechtlicher Beurteilung feststellen müssen, dass die Berufungswerberin Partei im gegenständlichen Verfahren gewesen wäre und die Bescheidzustellung durchzuführen gewesen wäre.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden hat diese Berufung gemeinsam mit dem zu Grunde liegenden Verfahrensakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Die belangte Behörde hat dabei keine inhaltlichen Äußerungen zum Berufungsvorbringen abgegeben und keinen Widerspruch im Sinne des § 67h Abs.1 AVG erhoben.

 

Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich durch Einzelmitglied ergibt sich aus § 359a GewO 1994  i.V.m. § 67a  Abs.1 AVG.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde zu Ge20-35130 sowie Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 18.10.2012. Bei dieser Verhandlung waren sowohl der Vertreter der Berufungswerberin als auch die belangte Behörde anwesend, weiters mehrere Vertreter der Konsenswerberin sowie auch deren rechtlicher Vertreter.

Im Rahmen dieser mündlichen Berufungsverhandlung wurde der gemeinsamen Diskussion betreffend die Beurteilung der Nachbarsituation der Berufungswerberin im Einvernehmen mit den Verfahrensparteien ein vom Vertreter der Konsenswerberin vorgelegter Lageplan, stammend vom Stadtamt Gmunden, Bauamt, mit Datum vom 13. Februar 2003 zu Grunde gelegt, welcher, wie einvernehmlich zur Kenntnis genommen, die Situation im Zeitraum des damals durchgeführten gewerbebehördlichen Änderungsverfahrens wiedergibt.

 

Eine Kopie dieses Plans wurde auch den Verfahrensparteien zur Verfügung gestellt.

Gegenstand des von der Berufungswerberin angesprochenen Genehmigungsverfahrens ist ein Zubau zur Anlage, nämlich ein Lagergebäude mit Kiosk, Käsereifungskeller und Kühlraum, im Plan gelb schraffiert dargestellt, unmittelbar an den Bestand angebaut. Dieser Zubau erstreckt sich lt. Plan von der bestehenden Anlage auf Parzelle Nr. x über die damalige xstraße, Parzelle Nr. x bis ins Grundstück Nr. x auf der gegenüberliegenden Seite der xstraße bis in die Nähe der neuen xstraße. Die nördlich an die damals bestehende Betriebsanlage angrenzenden Grundstücke Nr. x, x und x stehen im Eigentum der Konsenswerberin und grenzt Parzelle Nr. x an das Grundstück der Berufungswerberin x an.

In Anwesenheit sämtlicher Verfahrensparteien wird Einsicht genommen in den zu Grunde liegenden Verfahrensakt der Bezirkshauptmannschaft Gmunden, Verhandlungsschrift vom 7. April 2003, wonach lt. der protokollierten Beschreibung des Vorhabens sich durch den Zubau keine Veränderungen hinsichtlich der Zu- und Abfahrten ergeben. Asphaltflächen, die sich – wie auf Luftbildern ersichtlich – auf die Parzellen x und x beziehen, waren damals nicht Projektsbestandteil. Die neue Halle wurde direkt an das bestehende Anlagengebäude angebaut und in der Folge über die Parzelle x bis in die Parzelle x errichtet.

Im Einvernehmen mit sämtlichen anwesenden Verfahrensparteien wurden die Entfernungen des nächst gelegenen Zubauteiles von der Grundstücksgrenze der Berufungswerberin x mit einem Abstand von 106 m eruiert.

 

4.            In der Sache hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

Gemäß § 74 Abs. 1 GewO 1994 ist unter einer gewerblichen Betriebsanlage jede örtlich gebundene Einrichtung zu verstehen, die der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit regelmäßig zu dienen bestimmt ist.

 

Gemäß § 75 Abs.2 GewO 1994 sind Nachbarn im Sinne dieses Bundesgesetzes alle Personen, die durch die Errichtung, den Bestand oder den Betrieb einer Betriebsanlage gefährdet oder belästigt oder deren Eigentum oder sonstige dingliche Rechte gefährdet werden könnten. Als Nachbarn gelten nicht Personen, die sich vorübergehend in der Nähe der Betriebsanlage aufhalten und nicht im Sinne des vorherigen Satzes dinglich berechtigt sind. Als Nachbarn gelten jedoch die Inhaber von Einrichtungen, in denen sich, wie etwa in Beherbergungsbetrieben, Krankenanstalten und Heimen, regelmäßig Personen vorübergehend aufhalten, hinsichtlich des Schutzes dieser Personen, und die Erhalter von Schulen hinsichtlich des Schutzes der Schüler, der Lehrer und der sonst ständig beschäftigten Personen.

 

Gemäß § 356 Abs.1 GewO 1994 hat die Behörde, wenn eine mündliche Verhandlung anberaumt wird, den Nachbarn Gegenstand, Zeit und Ort der Verhandlung sowie die Voraussetzungen zur Aufrechterhaltung der Parteistellung (§ 42 AVG) durch Anschlag in der Gemeinde (§ 41 AVG) und durch Anschlag in den der Betriebsanlage unmittelbar benachbarten Häusern bekannt zu geben. Die Eigentümer der betroffenen Häuser haben derartige Anschläge in ihren Häusern zu dulden. Statt durch Hausanschlag kann die Bekanntgabe aus Gründen der Zweckmäßigkeit, Raschheit und Einfachheit durch persönliche Verständigung der Nachbarn erfolgen. Der Eigentümer des Betriebsgrundstückes und die Eigentümer der an dieses Grundstück unmittelbar angrenzenden Grundstücke sind persönlich zu laden.

 

Dem vorliegenden Verfahrensakt des in der gegenständlichen Angelegenheit angesprochenen Betriebsanlagengenehmigungsverfahrens ist zu entnehmen, dass das Ansuchen um Erteilung der Betriebsanlagenänderungsgenehmigung mit Eingabe vom 3. März 2003 bei der Bezirkshauptmannschaft Gmunden eingelangt ist. Nach Vorprüfung der Projektsunterlagen hat die Bezirkshauptmannschaft Gmunden mit Kundmachung vom 19. März 2003 eine mündliche Augenscheinsverhandlung für den 7. April 2003 anberaumt. Diese Kundmachung wurde an der Amtstafel im Zeitraum 24. März 2003 bis 10. April 2003 nachweisbar angeschlagen und steht unbestritten fest, dass ein Anschlag dieser Kundmachung im Objekt der Berufungswerberin nicht erfolgt ist und dieser eine Ausfertigung der Kundmachung auch nicht zugestellt worden ist. Die Kundmachung enthält unter anderem den Hinweis für Nachbarn, dass sie gemäß § 42 AVG ihre Stellung als Partei verlieren, soweit sie nicht spätestens am Tag vor der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung zulässige Einwendungen im Sinne des § 74 Abs.1 Z.1, 2, 3 oder 5 GewO 1994 gegen die Anlage erheben.

Weiters wird festgehalten, dass Nachbarn im Sinne der GewO 1994 alle Personen sind, die durch die Errichtung, den Bestand oder den Betrieb der Betriebsanlage gefährdet oder belästigt oder deren Eigentum oder sonstige dingliche Rechte gefährdet werden könnten.

 

Ob bei der Berufungswerberin ein Anschlag in ihrem Haus erforderlich gewesen wäre ist im Grunde des § 356 Abs.1 GewO 1994 zu prüfen. Demnach hat die Behörde den Nachbarn Gegenstand, Zeit und Ort der Verhandlung sowie die Voraussetzungen zur Aufrechterhaltung der Parteistellung durch Anschlag in der Gemeinde und durch Anschlag in den der Betriebsanlage unmittelbar benachbarten Häusern bekanntzugeben.

Entscheidende Bedeutung für das Schicksal der gegenständlichen Berufung kommt daher der Frage zu, ob es sich beim Objekt der Berufungswerberin um ein der Betriebsanlage unmittelbar benachbartes Haus im Sinne des § 356 Abs.1 GewO 1994 handelt und daher ein Anschlag erforderlich gewesen wäre. Hiezu ist aus dem Kommentar zur Gewerbeordnung Grabler-Stolzlechner-Wendl, zu zitieren, (3. Auflage, Randziffer 255/256), wonach "unmittelbar benachbart" alle Häuser zu verstehen sind, die rund um die zur Verhandlung stehende Betriebsanlage dieser zunächst liegen, und zwar auch dann, wenn etwa dazwischen eine Straße liegt. Unmittelbare Nachbarschaft erfordert demnach zwar keine gemeinsame Grundgrenze, wohl aber darf das Betriebsgrundstück vom verbauten Grundstück durch eine Straße oder auch auf vergleichbare Weise getrennt sein. Als "unmittelbar benachbarte Häuser" kommen daher jene Häuser in Frage, die in einem solchen Nahe- und Nachbarschaftsbereich der Betriebsanlage gelegen sind.

 

In Bezug auf das der Betriebsanlage zunächst liegende Grundstück der Berufungswerberin, Nr. x, verbunden mit der Baufläche x bzw. Grundstücke Nr. x und x ist festzustellen, dass diese Grundstücke direkt an die unbebauten Parzellen der Konsenswerberin, nämlich Parzellen x bzw. x angrenzen. Auch wenn diese Grundstücke der Berufungswerberin nicht direkt mit zur Betriebsanlage zählenden Gebäudeteilen bebaut sind, ist in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass einerseits über die Parzelle Nr. x, welche direkt an die Parzelle der Berufungswerberin x angrenzt, zur Betriebsanlage führenden Asphaltflächen führen, andererseits die oben genannte Grundstücksgrenze der Berufungswerberin zur bebauten Grundstücksgrenze der Konsenswerberin weniger als 14 m aufweist und sich dazwischen weder ein Grundstück noch ein Gebäude oder Gebäudeteil einer dritten Person befindet, aus diesen Gründen jedenfalls von einem "unmittelbar benachbarten Haus" im Sinne des § 356 Abs.1 GewO 1994 auszugehen ist, in welchem ein Anschlag der Kundmachung zur Verhandlung erforderlich gewesen wäre.

 

Unter Anwendung des § 42 Abs.1 AVG ist daher festzuhalten, dass die mündliche Verhandlung nicht vollständig gemäß § 41 Abs.1 zweiter Satz und in der nach den Verwaltungsvorschriften vorgesehenen besonderen Form kundgemacht wurde, weshalb gegenüber der Berufungswerberin eine Präklusion im Sinne des § 42 Abs.1 AVG nicht eintreten konnte.

 

Ob es sich darüber hinaus gehend bei der Berufungswerberin um eine Nachbarin im Sinne des § 356 Abs.1 handelt, ist wiederum nach § 75 Abs.2 GewO 1994 zu beurteilen, wonach Nachbarn im Sinne dieser Gesetzesstelle bereits ex lege Parteistellung zukommt und zwar aufgrund des § 8 AVG iVm mit den ihnen zustehenden subjektiv-öffentlichen Rechten gemäß § 74 Abs.2 Z.1 und 2. Diesbezüglich begründet die Eignung einer Betriebsanlage im Sinne des § 74 Abs.1, Nachbarn zu gefährden und zu belästigen, ihre Genehmigungspflicht.

Das für die Beurteilung nach dieser Gesetzesstelle maßgebende räumlichen Naheverhältnis zur Betriebsanlage wird durch den möglichen Immissionsbereich bestimmt (VwGH 21.06.1993, 92/04/0255). Entscheidend für die Nachbarstellung ist bereits nach der Gesetzeslage die bloße Möglichkeit einer Gefährdung oder Belästigung. Dem Grund- bzw. Hauseigentümer kommt daher nur dann keine Nachbarstellung zu, wenn jede von der Betriebsanlage mögliche ausgehende Gefährdung oder Belästigung von vorn herein ausgeschlossen wäre (VwGH 23.01.2002, 2001/04/0135).

 

Insgesamt ist die Berufungswerberin zur verfahrensgegenständlichen Betriebsanlage daher – auch aus dem faktisch vorliegenden räumlichen Naheverhältnis – als unmittelbar benachbart i.S.d. § 356 Abs.1 GewO 1994 anzusehen. Die Kundmachung zur mündlichen Genehmigungsverhandlung hätte ihr daher durch Anschlag im Haus oder durch persönliche Verständigung zur Kenntnis gebracht werden müssen. Da somit eine vollständige Kundmachung im Sinne des § 356 Abs.1 GewO 1994 iVm § 42 AVG gegenüber der Berufungswerberin nicht vorliegt, konnte auch Präklusion nicht zum Verlust der Parteistellung führen und war daher unter Bezugnahme auf diese Sach- und Rechtslage wie im Spruch zu entscheiden.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

Dr. Reichenberger

 

 

Beschlagwortung:

"unmittelbar benachbart", § 356 Abs.1 GewO

 

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