Linz, 29.05.2013
E r k e n n t n i s
Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Mag. Dr. Bleier, über die Berufung von Frau X, geb. X, X, X, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. X, X, X, X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck, vom 22. April 2013, Zl. VerkR96-6333-2012/Hai, nach der am 29.5.2013 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:
I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.
Rechtsgrundlage:
§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl.Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013 - AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.3 Z1 und § 51e Abs.1 Z1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013 - VStG.
II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.
Rechtsgrundlage:
§ 66 Abs.1 VStG.
Entscheidungsgründe:
1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit dem o.a. Straferkenntnis über die Berufungswerberin wegen einer Übertretung nach § 31 Abs.1 iVm § 99 Abs.2 lit.e StVO 1960 eine Geldstrafe von 220 Euro und im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 96 Stunden verhängt, wobei wider sie sinngemäß folgender Tatvorwurf erhoben wurde:
1.1. Die Behörde erster Instanz führt begründend inhaltlich folgendes aus:
2. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit seiner durch die ausgewiesenen Rechtsvertreter fristgerecht erhobenen Berufung:
3. Die Behörde erster Instanz hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt; somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser hat, da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt worden ist, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung war einerseits mit Blick auf die bestrittene Schadensverursachung aber auch die zu Gunsten der Berufungswerberin sprechende Gutachtenslage erforderlich (§ 51e Abs.1 VStG).
4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme und Verlesung des Verwaltungsstrafaktes der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck. Ferner durch neuerliche Erörterung des Amtssachverständigengutachtens vom 30. April 2012 und dessen Ergänzung vom 9. Jänner 2013 Gutachtenserörterung, durch den der Berufungsverhandlung beigezogenen technischen Amtssachverständigen, Dipl.-Ing. (FH) X. Die anwaltlich vertretene Berufungswerberin nahm trotz Verständigung vom Verhandlungstermin unmittelbarer durch den Unabhängigen Verwaltungssenat, angeblich aus beruflichen Gründen an der Berufungsverhandlung nicht teil.
5. Sachverhalt.
Wie aus der Unfallmeldung der Polizeiinspektion Vöcklabruck vom 10.2.2012, GZ: C1/3331/2012 hervorgeht, kam die Berufungswerberin mit ihrem Pkw am 07.02.2012 um ca. 05:45 Uhr, von X kommend in Fahrtrichtung X, auf der X bei Strkm 41,3 im Gemeindegebiet von X zu einem sogenannten Alleinunfall. Auslöser soll laut Berufungswerberin ein die Fahrbahn überquerendes Tier (Katze oder Marder) gewesen sein. Durch das von der Berufungswerberin eingeleitete Bremsmanöver geriet sie auf der Schneefahrbahn ins Schleudern und dadurch auf den Gehsteig und die dort befindliche Anhäufung von gefrorenem Schnee, was wiederum die Beschädigung der Fahrzeugfront verursacht haben könnte. Zu einem Kontakt des am Mondseeufers verlaufenden Geländers soll es dabei laut Berufungswerberin nicht gekommen sein.
Diese Beschädigung sei laut ihrer Darstellung vor der Polizei bereits vorher gewesen. Die fernmündliche Verständigung der Polizei erfolgte ihrerseits um 08:45 Uhr, nachdem sie im Zuge der Versicherungsmeldung auf diese Notwendigkeit hingewiesen wurde.
Die Erhebungen an der Unfallstelle seitens des Meldungslegers AbtInsp. X ergaben, dass die der Berufungswerberin zugerechnete Fahrspur an der Unfallstelle nicht ganz bis zum Geländer geführt hätte. Die Unfallschilderung der Berufungswerberin erschien dem Beamten „äußerst glaubhaft.“
Eine andere Einschätzung ergab sich seitens Bediensteter der Straßenmeisterei, die bereits um 07:00 Uhr des Unfalltages eine Reparatur des Geländers im Bereich der Anstoßstelle begonnen hatten. Die Reparatur dauerte bis 10:45 Uhr. Dabei wurden dort Teile des Pkw´s der Berufungswerberin gefunden bzw. konnten diese vermeintlich ihrem Pkw zugeordnet werden.
Abschließend wird in der Meldung auf den unfallbedingten Totalschaden des Pkws` der Berufungswerberin hingewiesen. Auf Seite 7 des Aktes findet sich ein Streckenprotokoll der Straßenmeisterei mit der Schadensdokumentation am Geländer.
5.1. Anlässlich der Berufungsverhandlung erklärte der Sachverständige unter Hinweis auf das Bild 3, dass die Berufungswerberin aus Aufnahmerichtung kommend ins Schleudern kam, wobei sich das Fahrzeug entgegen dem Urzeigersinn gedreht haben dürfte und dabei aus fachlicher Sicht im Bereich der Motorhaube und mit dem linken Heck knapp unter der Rückleuchte mit dem Geländer in Kontakt gekommen ist. Dass dabei beim Überfahren der Bordsteinkante das Fahrzeug aus den Federn gehoben wurde, wäre durchaus nachvollziehbar, dass die höhenmäßig mit der zweiten Querstange nicht übereinstimmende Kontaktstelle sehr wohl auf dem dort erfolgten Anstoß zurückgeführt werden könnte. Dies könne nicht statisch (gemessen bei stehenden Fahrzeug), sondern müsse dynamisch beurteilt werden.
Da jedoch weder die Endlage des Fahrzeuges noch eine Identifizierung des Lackabriebes am Brückengeländer noch das am Schneewall sichtbare ausgeronnene Kühlwasser auf Übereinstimmung mit dem Fahrzeug der Berufungswerberin erfolgte, erblickte auch der dem Berufungsverfahren beigezogene Sachverständige zumindest keine harte Fakten betreffend eine Schadensverursachung am Geländer durch dieses Unfallereignis.
Letztlich ist darauf hinzuweisen, dass auf Seite 6 der Unfallanzeige selbst der Meldungsleger die ihm gegenüber gemachte Darstellung der Berufungswerberin drei Stunden nach dem Vorfall „als äußerst glaubhaft“ darstellte.
Obwohl das so sorgfältig wie umfassend geführte Beweisverfahren der Behörde erster Instanz nicht nur plausible Gründe, sondern sogar starke Indizien in Richtung der Schadensverursachung ins Treffen führt, sieht sich die Berufungsbehörde dennoch veranlasst zumindest im Zweifel eine Schadensverursachung durch die Berufungswerberin nicht erwiesen zu erachten. Dies insbesondere vor dem Hintergrund des fachlichen Kalküls zweier Gutachter, gemäß deren Darstellung technisch eine einwandfreie Schadenszuordnung nicht möglich ist.
Letztlich hat sich die Berufungswerberin – wenngleich über Empfehlung ihres Versicherers und wohl nicht ohne unnötigen Aufschub – jedoch drei Stunden nach den Vorfall fernmündlich bei der Polizei gemeldet. Bereits gegen 07:00 Uhr wurde der vorerst durchaus logisch der Berufungswerberin zugeordnete Schaden vom Streckendienst der Straßenmeisterei entdeckt worden.
Die Berufungswerberin bestritt von Anbeginn mit dem Geländer in Kontakt gekommen zu sein.
In Verbindung mit den sich im Nachhinein als nicht hinreichend erweisenden Beweiserhebungen vor Ort kann daher ein Tatbeweis nicht erbracht gelten.
6. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:
Gemäß § 99 Abs.2 lit.e StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 36 Euro bis 2.180 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 24 Stunden bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs unbefugt anbringt, entfernt, verdeckt oder in ihrer Lage oder Bedeutung verändert oder solche Einrichtungen beschädigt, es sei denn, die Beschädigung ist bei einem Verkehrsunfall entstanden und die nächste Polizeidienststelle oder der Straßenerhalter ist von der Beschädigung unter Bekanntgabe der Identität der Schädigerin ohne unnötigen Aufschub verständigt worden!
Die Bekanntgabe der Identität dient u. a. der Regelung des Schadenersatzes. Die Bestimmung des § 99 Abs.2 lit.e StVO ist in Verbindung mit § 31 Abs.1 StVO 1960 anzuwenden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat etwa in seinem Erkenntnis vom 27. April 2000, Zl. 99/02/0373 ausgesprochen, dass es im Gegensatz zu § 4 Abs.5 StVO (Verständigungspflicht nach Verkehrsunfällen) - wie sich auch aus den Materialien zu dieser Gesetzesstelle ergebe - nicht erforderlich wäre und auch ein(e) BeschädigerIn selbst oder ihr/sein Bote oder Botin, die Verständigung der in dieser Gesetzesstelle angeführten Stellen vornehmen könnte. Das hier selbst eine fristgerechte Meldung - des hier der Berufungswerberin ohnehin nicht zurechenbaren Schadens – wohl kaum öffentliche Interessen begünstigt hätte, sei hier am Rande auch noch erwähnt. Die auf dem Weg zur Arbeit gewesene Berufungswerberin hatte wohl kein Motiv das Unfallgeschehen der Polizei vorzuenthalten. Auch das spricht letztlich dafür, dass der Berufungswerberin tatsächlich eine Beschädigung des Geländers zumindest nicht evident geworden sein dürfte.
Der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zur Beweiswürdigung nach § 45 Abs.2 AVG und einem fairen Verfahren folgend, ist an einen Beweis ein strengerer Maßstab als bloß eine aus der Lebensnähe gezogene Schlussfolgerung zu stellen (vgl. VfSlg 12649; sowie Schneider, Beweis und Beweiswürdigung, 5. Auflage, S 98, Fn 372).
Schon bei bloßem Zweifel an der Tatbegehung ist nämlich von der Fortführung eines Verwaltungsstrafverfahrens abzusehen und dessen Einstellung zu verfügen (vgl. VwGH 12.3.1986, Zl. 84/03/0251; ZfVB 1991/3/1122.
Das Verwaltungsstrafverfahren war demnach gegen die Berufungswerberin nach § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 240 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r