Linz, 06.05.2013
E R K E N N T N I S
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des Herrn x, x x, xstraße x, vertreten durch Rechtsanwälte/Lawfirm Prof. Dr. x, Dr. x, Dr. x, FH-Prof. Dr. x, Mag. x, Dr. x, Mag. x Dr. x, x x, xstraße x/x, vom 26. März 2013 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems vom 7. März 2013, VerkR96-25334-2012, wegen Übertretungen der StVO 1960, nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 2. Mai 2013, zu Recht erkannt:
I. Der Berufung wird dahingehend Folge gegeben, dass die verhängten Geldstrafen hinsichtlich Punkt 1. auf 200 Euro, hinsichtlich Punkt 2 auf 150 Euro und hinsichtlich Punkt 3 auf 50 Euro bzw. die Ersatzfreiheitsstrafen hinsichtlich Punkt 1 auf 72 Stunden, hinsichtlich Punkt 2 auf 48 Stunden und hinsichtlich Punkt 3 auf 20 Stunden herabgesetzt werden. Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.
II. Für das Berufungsverfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist kein Kostenbeitrag zu entrichten.
zu I.: §§ 19, 24 und 51 VStG imV § 66 Abs 4 AVG
zu II.: § 65 VStG
Entscheidungsgründe:
1.1. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems hat am 7. März 2013 unter VerkR96-25334-2012 gegen den Berufungswerber nachstehendes Straferkenntnis erlassen:
"Sehr geehrter Herr x!
1.2 Gegen dieses Straferkenntnis hat der Rechtsmittelwerber mit Schriftsatz vom 26. März 2013 nachstehende Berufung erhoben:
gangen werden kann, dass der Berufungswerber den Anstoß kinetisch
hat, da nicht sichergestellt ist, dass der bei der Kontaktierung zwischen den beiden Fahr-
zeugen entstandene "Ruck" die Wahrnehmungsschwelle überstiegen hat.
räusche durch den üblichen Straßen- bzw. Umgebungslärm sowie durch das übliche Be-
triebsgeräusch" des (wohl gemeint) LKW überlagert werden. Laut Sachverständigen war
die Kontaktierung der Fahrzeuge für den Berufungswerber akustisch
nehmbar war.
Berufungswerber aufgrund der Fahrzeugkonturen keine direkte Sicht auf die Schadens-
stellen an beiden Fahrzeugen hatte.
langt, dass der Lenker eines Fahrzeuges den Geschehnissen um sein Fahrzeug besonde-
re Aufmerksamkeit widmen muss. Bei einem riskanten Fahrmanöver, bei dem die drin-
gende Gefahr besteht, dass es zu einer Kollision mit einem anderen Straßenverkehrsteil-
nehmer kommen kann, hat der Fahrzeuglenker den Geschehnissen um sein Fahrzeug
volle Aufmerksamkeit zuzuwenden und sich erforderlichenfalls zu vergewissern, ob sein
Fahrverhalten für einen Verkehrsunfall ursächlich gewesen ist. Unterlässt er dies, so ist
sein Nichtwissen von einem derart verursachten Unfall verschuldet (E 26.5.1993,
92/03/0125).
2.1. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems hat die Berufung ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Schreiben vom 27. März 2013 vorgelegt.
2.2. Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich ist gemäß § 51 Abs.1. VStG gegeben. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hatte, da weder primäre Freiheitsstrafen noch 2.000 Euro übersteigende Geldstrafen verhängt wurden, durch das lt. Geschäftverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.
2.3. Die Berufung wurde innerhalb der zweiwöchigen Rechtsmittelfrist bei der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems eingebracht und sie ist daher rechtzeitig.
2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 2. Mai 2005. An dieser Verhandlung nahmen der Berufungswerber im Besein seines Rechtsvertreters sowie der verkehrstechnische Amtssachverständige des Amtes der Oö. Landesregierung, T.OAR. Dipl.-HTL-Ing. x, teil. Die belangte Behörde hat sich entschuldigt.
2.5. Aus dem vorliegenden Akt ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich folgender Sachverhalt, der der Entscheidung zugrunde liegt:
Lt. Verkehrsunfallsanzeige der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 4. Dezember 2012 meldete am 19. November 2012 um 13.30 Uhr eine Verkehrsteilnehmerin, dass der Lkw mit dem Kennzeichen xx, im Vorbeifahren ihren linken Außenspiegel beschädigt hatte und weitergefahren war. Weiters sei der Lkw auf dem Fahrstreifen für Linksabbieger in gerader Richtung weiter gefahren und somit die Übertretung – Weiterfahrt entgegen der Bodenmarkierungen – gegeben gewesen. Der nunmehrige Berufungswerber wurde als Lenker des Lkw festgestellt. Der Vorfall ereignete sich am 19. November 2013, 20:30 Uhr in Linz, Kreuzung xStraße/x Straße.
Der Rechtsmittelwerber rechtfertigte sich im Wesentlichen damit, dass er nicht bemerkt habe, dass er am Linksabbiegestreifen gerade weitergefahren sei, da er die Bodenmarkierung übersehen habe. Hinsichtlich Verkehrsunfall habe er keine Wahrnehmung (Spüren und Hören) gehabt. Er habe auch den neben ihm fahrenden Pkw nicht bemerkt.
Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems hat zunächst gegen den Berufungswerber eine Strafverfügung (VerkR96-25334-2012) erlassen, nachdem die örtlich zuständige Landespolizeidirektion Oberösterreich das Verfahren gemäß § 29a VStG abgetreten hat.
Der Rechtsmittelwerber erhob gegen diese Strafverfügung Einspruch und es wurde letztlich nach Durchführung weiterer Ermittlung das nunmehr angefochtene Straferkenntnis erlassen.
Der Berufungswerber hat im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung die Verursachung des Verkehrsunfalls mit Sachschaden nicht bestritten, verblieb jedoch dabei, dass er diesen Verkehrsunfall nicht bemerkt hat. Er habe den angeblich beschädigten Pkw nicht gesehen, in Anbetracht der Situation, dass er auch nicht bemerkt habe, dass er sich falsch eingereiht habe, sei er auch nicht zu einer besonderen Sorgfalt verpflichtet gewesen.
Der bei der Verhandlung anwesende verkehrstechnische Amtssachverständige führte aus technischer Sicht aus, dass unter Zugrundelegung der im Akt aufliegenden Lichtbilder die Situation mit einem Lkw und einem kleinen Pkw (Renault Clio) nachgestellt wurde um die Sichtverhältnisse grundsätzlich darzustellen. Aus den Lichtbildern geht hervor, dass zwischen der zweiten und der dritten Achse (des Lkw) Streifspuren am dort angebrachten seitlichen Unterfahrschutz erkennbar sind und auch Streifspuren bei der Radabdeckung des rechten vorderen Rades. Aufgrund der vorliegenden Messlappenfotos sei festzustellen, dass in Bezug auf die Höhe die Streifspur mit dem Außenspiegel des gegenständlichen Pkw korrespondiert. Es zeige sich eindeutig, dass in diesem Falle ein Pkw erkennbar sei. Diese Erkennbarkeit bestehe in beiden Spiegeln.
Aus technischer Sicht sei sicher festzustellen, dass zweifelsfrei im Bereich der Markierungen, im Bereich der nachgewiesenen Kontaktstellen über den Außenspiegel, das rechts neben dem Lkw befindliche Fahrzeug in dem rechten Außenspiegel, der aus zwei Außenspiegeln besteht, eindeutig erkennbar gewesen sei.
2.6. In freier Beweiswürdigung erachtet der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich, dass der der Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt eindeutig erwiesen ist.
3. In der Sache selbst hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wie folgt erwogen:
3.1. Gemäß § 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 36 Euro bis 2.180 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 24 Stunden bis sechs Wochen, zu bestrafen, der Lenker eines Fahrzeuges, dessen Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, sofern er den Bestimmungen des § 4 Abs.1 und 2 zuwider handelt, insbesondere nicht anhält, nicht Hilfe leistet oder herbeiholt oder nicht die nächst Polizeidienststelle verständigt.
Gemäß § 99 Abs.3 lit.b StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen, zu bestrafen, wer in anderer als der in Abs.2 lit.a bezeichneten Weise gegen die Bestimmungen des § 4 verstößt, insbesondere die Herbeiholung einer Hilfe nicht ermöglicht, den bei einen Verkehrunfall entstandenen Sachschaden nicht meldet oder als Zeuge eines Verkehrsunfalls nicht Hilfe leistet.
Gemäß § 4 Abs.1 lit.a StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten.
Gemäß § 4 Abs.5 StVO 1960 haben die im Abs.1 genannten Personen, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die nächste Polizeidienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs.1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.
Voraussetzung für die Erfüllung der in § 4 StVO enthaltenen Verpflichtungen sind als objektives Tatbildmerkmal der Eintritt wenigstens eines Sachschadens und in subjektiver Hinsicht das Wissen von dem Eintritt eines derartigen Schadens, wobei der Tatbestand schon dann gegeben ist, wenn dem Täter objektive Umstände zu Bewusstsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalls mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermochte (VwGH 23. Mai 2002, 2001/03/0417).
Der Rechtsmittelwerber bestreitet nicht, ursächlich an dem Verkehrsunfall mit Sachschaden beteiligt gewesen zu sein, er vermeint jedoch, dass er diesen Umstand nicht bemerkt hat bzw. auch nicht erkennen konnte. Er habe nicht gewusst, dass er sich falsch eingereiht hatte und sei schon aus diesem Grunde nicht zu einer besonderen Sorgfalt verpflichtet gewesen. Er habe den rechts an ihm vorbeifahrenden Pkw nicht gesehen.
Dieser Rechtfertigung sind jedoch die technischen Feststellungen des verkehrstechnischen Amtssachverständigen entgegen zu halten, aus denen abzuleiten ist, dass bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt durch Blick in den rechten Außenspiegel das rechts neben dem Lkw befindliche Fahrzeug eindeutig erkennbar gewesen sein muss. Mit der Argumentation, er habe nicht gewusst, dass er sich falsch eingereiht habe und sei daher nicht zur entsprechenden Sorgfalt verpflichtet gewesen, ist nichts zu gewinnen. Bei einer Gesamtbetrachtung muss dazu festgestellt werden, dass durch ein fahrlässig herbeigeführtes Fehlverhalten eine Exkulpierung eines anderen Fehlverhaltens nicht angenommen werden kann.
Demnach stellt der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich fest, dass hinsichtlich der Punkte 1 und 2 nicht nur der objektive Tatbestand erfüllt ist, sondern, dass der Rechtsmittelwerber diese Übertretungen auch aus subjektiver Hinsicht zu verantworten hat. Beide Schuldsprüche sind daher zu Recht erfolgt.
3.2. Gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen, zu bestrafen, wer unter anderem als Lenker eines Fahrzeuges gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der aufgrund dieses Bundesgesetzes oder der aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs.1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 2e oder 4 zu bestrafen ist.
Gemäß § 9 Abs.6 StVO 1960 haben, sind auf der Fahrbahn für das Einordnen zur Weiterfahrt Richtungspfeile angebracht, die Lenker ihre Fahrzeuge je nach der beabsichtigten Weiterfahrt einzuordnen. Die Lenker von Fahrzeugen müsse jedoch auch dann im Sinne der Richtungspfeile weiterfahren, wenn sie sich nicht der beabsichtigen Weiterfahrt entsprechend eingeordnet haben.
Dieser Sachverhalt wird vom Rechtsmittelwerber nicht bestritten. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich stellt dazu fest, dass auch in diesem Punkt sowohl der objektive als auch der subjektive Tatbestand erfüllt ist und somit der Schuldspruch zu Recht erfolgte.
3.3. Zur Strafbemessung:
Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 – 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Die belangte Behörde hat in der Begründung zur Strafbemessung ausgeführt, dass das Ausmaß des Verschuldens und das Nichtvorliegen von Vormerkungen gewertet wurde und somit die Erschwerungs- und Milderungsgründe gegeneinander abgewogen wurden. Die Einkommen-, Familien- und Vermögensverhältnisse seien berücksichtigt worden. Diesbezüglich sei von einer amtlichen Schätzung ausgegangen worden.
Gegen eine niedere Straffestsetzung würden auch general- und spezialpräventive Überlegungen sprechen.
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich stellt dazu fest, dass es sich bei den dem Rechtsmittelwerber zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen um keine Bagatellfälle handelt. Unter Berücksichtigung der bisherigen Unbescholtenheit wird jedoch eine Herabsetzung sowohl der Geld- als auch der Ersatzfreiheitsstrafe auf das nunmehrige Ausmaß für vertretbar erachtet.
Die nunmehr festgelegten Strafen entsprechen sowohl spezialpräventiven- als auch generalpräventiven Überlegungen. Eine weitere Herabsetzung kann jedoch nicht in Erwägung gezogen werden.
4. Der Kostenausspruch stütz sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils durch einen Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 240 Euro zu entrichten.
Mag. Alfred Kisch