Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-252767/12/BP/Wu

Linz, 10.06.2013

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des Finanzamtes Grieskirchen Wels, 4601 Wels, Dragonerstraße 31, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Wels-Land vom 21. Februar 2011, GZ.: SV96-19-2010, wegen einer Verwaltungsübertretung durch Frau X nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz, nach Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshofes erneut zu Recht erkannt:

Aus Anlass der Berufung wird der angefochtene Bescheid aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 24, 44a und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG;

 

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Wels-Land vom
21. März 2011, GZ.: SV96-19-2010, wurde über Frau X eine Geldstrafe von 730 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 22 Stunden) verhängt, weil sie als Verantwortliche der Firma X, mit Sitz in X, welche für die Erfüllung der sozialversicherungsrechtlichen Meldepflichten keinen Bevollmächtigten bestellt habe, folgende Verwaltungsübertretung begangen habe.

Sie habe als Dienstgeber im Sinne des § 35 Abs. 1 ASVG am 15. November 2008, gegen 22:20 Uhr, 22 namentlich angeführte Personen als "Dienstgeber" (gemeint wohl Dienstnehmer) in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit, gegen Entgelt bei der Veranstaltung "X" in X, beschäftigt. Obwohl diese Dienstnehmer nicht von der Vollversicherung im Sinne des § 5 ASVG ausgenommen und daher in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung vollversichert gewesen seien, sei hierüber eine zumindest mit den Mindestangaben ausgestattete Meldung beim zuständigen Sozialversicherungsträger nicht vor Aufnahme der Tätigkeit erstattet worden.

Als verletzte Rechtsgrundlagen werden § 111 Abs. 1 iVm. § 33 Abs. 1 ASVG genannt.

Nach Schilderung des bisherigen Verfahrensganges und nach Darstellung der einschlägigen Rechtsgrundlagen sieht die belangte Behörde sowohl die objektive als auch die subjektive Tatseite als gegeben an. Dabei geht die belangte Behörde vom Vorliegen einer einzigen – sämtliche Beschäftigungen umfassenden - Verwaltungsübertretung aus.

1.2. Gegen diesen Bescheid, der der Amtspartei am 24. Februar 2011 zugestellt wurde, richtet sich die vorliegende Berufung vom 9. März 2011.

Auf das Wesentliche zusammengefasst führt die Amtspartei aus, dass im vorliegenden Fall nicht ein sondern 22 Delikte vorzuwerfen gewesen seien, weshalb hinsichtlich der Strafbemessung 22 mal 730 Euro zu verhängen gewesen wären.

Abschließend wird in diesem Sinn auch der Berufungsantrag gestellt, im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren von 22 Verwaltungsübertretungen gemäß § 33 Abs. 1 iVm. §111 ASVG auszugehen und entsprechende Geldstrafen zu verhängen, die sich an dem im § 111 Abs. 2 erster Satz ASVG angeführten Mindestbetrag (730 Euro) je Verwaltungsübertretung orientieren würden.

 

2.1.1. Mit Schreiben vom 24. März 2011 übermittelte die belangte Behörde den Bezug habenden Verwaltungsstrafakt dem Oö. Verwaltungssenat. Dieser erhob Beweis durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde.

2.1.2. Mit Bescheid vom 31. März 2011, VwSen-252767/2/BP/Ga, wies der UVS des Landes Oberösterreich die Berufung der Amtspartei als unbegründet ab und bestätigte den angefochtenen Bescheid ua. mit folgender Begründung:

"Im vorliegenden Fall hat die Beschuldigte keinerlei Rechtsmittel gegen den in Rede stehenden Bescheid erhoben. Auch die Amtspartei wendet sich nicht gegen den Schuldspruch, weshalb dieser zwei Wochen nach jeweiliger Zustellung des nunmehr angefochtenen Bescheids in Rechtskraft erwachsen ist. Er liegt somit nicht mehr der Überprüfung durch den Oö. Verwaltungssenat. Es sei jedoch angemerkt, dass der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses – mangels näherer Beschreibung der von den mutmaßlichen Dienstnehmern ausgeübten Tätigkeiten sowie mangels Präzisierung des Entgelts – wohl nicht den Konkretisierungserfordernissen des § 44a VStG genügt haben würde.

Es ist also konsequenter Weise davon auszugehen, dass von Frau X zu vertreten ist, dass am 15. November 2011 22 Personen von dem in Rede stehenden Unternehmen beschäftigt wurden, ohne dass diese vor Arbeitsantritt als Arbeitnehmer zumindest mit den Mindestangaben zur Pflichtversicherung aus der Krankenversicherung beim zuständigen Sozialversicherungsträger angemeldet wurden. Wegen dieser Übertretung wurde über die Beschuldigte von der belangten Behörde eine Gesamtstrafe für sämtliche beschäftigte Arbeitnehmer verhängt.

Fraglich ist somit, ob – wovon die Amtspartei ausgeht – nach dem ASVG – gleichermaßen, wie nach dem AuslBG – je nicht gemeldeter Person ein Delikt anzunehmen ist oder die unterlassene Meldung mehrerer gleichzeitig beschäftigter Personen ein Delikt bildet und die Anzahl der Beschäftigten im Rahmen der Strafhöhe berücksichtigt werden muss.

Nach § 111 Abs.1 ASVG handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs. 3 ASVG Meldungen oder Anzeigen (jeweils Mehrzahl) nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet. Im Abs.2 dieser Bestimmung ist normiert, dass die Ordnungswidrigkeit (Einzahl) nach Abs.1 von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen ist und zwar, mit einer Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro, im Wiederholungsfall von 2.180 Euro bis zu 5.000 Euro. Eine Wortinterpretation dieser Bestimmung legt es somit - indem von „Meldungen“ oder „Anzeigen“ in der Mehrzahl gesprochen wird, die allerdings nur eine Ordnungswidrigkeit bilden – nahe, dass die unterlassene Meldung mehrerer gleichzeitig beschäftigter Personen nur ein Delikt darstellt.

Eine dem AuslBG vergleichbare Regelung, wonach eine Bestrafung für jeden beschäftigten Ausländer vorgesehen ist – diese Regelung im AuslBG erfolgte gerade in der Absicht, hier eine Mehrfachbestrafung festzulegen (siehe Regierungsvorlage 449 BlgNR. XVII. GP, S. 15) –, findet sich in der Strafbestimmung des § 111 Abs.1 und 2 ASVG nicht. Auch aus den Erläuterungen zu § 111 ASVG (vgl. dazu 77 BlgNR., XXIII. GP, S. 4) ergibt sich nicht, dass für jede nicht angemeldete Person eine Bestrafung erfolgen soll (in diesem Sinn auch die teleologische Argumentation von Franz Schrank, Neue Melde- und Sanktionsprobleme im ASVG, ZAS 2008, S. 8).

Der Unabhängige Verwaltungssenat kommt daher – korrespondierend zu seiner mittlerweile ständigen Rechtsprechung (vgl. u.a. die Erkenntnisse VwSen-252114, VwSen-252153, VwSen-252208, VwSen-252330 usw.) zum Ergebnis, dass es sich im gegenständlichen Fall bloß um eine Ordnungswidrigkeit handelt, womit der belangten Behörde in ihrer Rechtsansicht vollinhaltlich zu folgen war.

Das von der Amtspartei  zur Stützung ihrer Argumentation herangezogene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes führt zwar die Feststellungskriterien für eine Meldepflicht grundlegend aus, nimmt jedoch nicht Stellung zu der hier zu beurteilenden Problematik."

2.1.3. Dagegen erhob die Amtspartei Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, der mit Erkenntnis vom 14. März 2013, Zl. 2011/08/0101-6, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufhob.

In seiner Begründung verwies das Höchstgericht auf sein Erkenntnis vom 6. Juli 2011, Zl. 2011/080066, das wiederum auf ein Erkenntnis vom 16. März 2011, Zl. 2009/08/0056 Bezug nimmt. Darin heißt es ua.:

"Eine Verletzung der Verpflichtung, einen Dienstnehmer zur Pflichtversicherung anzumelden, beeinträchtigt damit auch Rechtsgüter, die dem einzelnen Dienstnehmer zuzuordnen sind und kann daher – da kein Verstoß gegen dasselbe Rechtsgut vorliegt – nicht gemeinsam mit anderen unterlassenen Anmeldungen weiterer Dienstnehmer als einheitliches (fortgesetztes) Delikt angesehen werden (vgl. dem gegenüber für Angriffe auf ein identes – aber nicht höchstpersönliches – Rechtsgut das hg. Erkenntnis vom 18. März 1998, Zl. 96/09/0313, zu den Voraussetzungen für die Annahme eines fortgesetzten Delikts vgl. das Erkenntnis vom 14. Jänner 1993, Zl. 92/09/0286). Die belangte Behörde ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass die Verletzung der Meldepflicht hinsichtlich jedes einzelnen Dienstnehmers eine – gesondert zu verfolgende – Verwaltungsübertretung im Sinne des § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG darstellt."

2.2. Nachdem bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der mit Berufung bekämpfte Bescheid aufzuheben war, hatte gemäß § 51e Abs. 2 VStG die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu entfallen.

2.3. Bei seiner Entscheidung geht der Oö. Verwaltungssenat von dem unter Punkt 1.1. dieses Erkenntnisses dargestellten, entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus.

2.4. Da im angefochtenen Bescheid keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Gemäß § 33 Abs.1 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes – ASVG, BGBl. Nr. 189/1955, in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung, haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach dem ASVG in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden. Die Unterlassung dieser Meldung ist gemäß § 111 ASVG strafbar.

Nach § 111 ASVG handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 ASVG meldepflichtige Person (Stelle) entgegen den Vorschriften des ASVG u.a. Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet. Eine derartige Ordnungswidrigkeit ist von der Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen und zwar mit Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro, im Wiederholungsfall von 2.180 Euro bis zu 5.000 Euro (bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen), sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, noch nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist. Unbeschadet der §§ 20 und 21 VStG kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erstmaligem ordnungswidrigen Handeln die Geldstrafe bis zu 365 Euro herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.

3.2. Wie sich aus dem oben zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. März 2011, Zl. 2009/08/056 zweifelsfrei ergibt, handelt es sich bei Unterlassung der Meldung von mehreren Beschäftigten nicht um ein Delikt, sondern korrespondierend um mehrere. Es ist daher davon auszugehen, "dass die Verletzung der Meldepflicht hinsichtlich jedes einzelnen Dienstnehmers eine – gesondert zu verfolgende – Verwaltungsübertretung im Sinne des § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG darstellt."

Daraus wiederum folgt aber, dass die vorliegende Berufung nicht (wie vom UVS des Landes Oö. angenommen) als bloße Strafberufung angesehen werden kann, sondern sich gegen den Spruch umfassend richtet. Es handelt sich daher also um eine "Vollberufung", die den UVS im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG zur vollinhaltlich materiellen Entscheidung verpflichtet.

Wie schon in seinem Erkenntnis vom 31. März 2011 ausgeführt, ergeben sich erhebliche Zweifel daran, dass der Spruch des angefochtenen Bescheides den Vorgaben des § 44a VStG genügt. 

 

3.3.1. Nach der vom Verwaltungsgerichtshof zu § 44a Z. 1 VStG entwickelten Judikatur ist die dem Beschuldigten angelastete Tat im Spruch des Straferkenntnisses so weit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (vgl. VwSlg 11.466A/1984 und VwSlg 11.894A/1985, jeweils verstärkter Senat). Im Spruch sind alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind. Insbesondere ist dabei die Identität der Tat (Ort, Zeit und die näheren Umstände) möglichst genau zu beschreiben. Das an Tatort- und Tatzeitumschreibung zu stellende Erfordernis ist daher nicht nur von Delikt zu Delikt (vgl. z.B. VwGH vom 14. Februar 1985, Zl. 85/02/0013), sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an Rechtschutzüberlegungen zu messendes Erfordernis.

3.3.2. Wenn nun § 44a Z. 1 und Z. 2 VStG als einen allgemeinen Grundsatz des
Verwaltungsstrafverfahrens festlegen, dass der Spruch eines Straferkenntnisses den genauen Tatvorwurf sowie die Verwaltungsvorschrift(en) zu bezeichnen hat, die durch die Tat verletzt wurde(n), so wird der Spruch des hier angefochtenen Bescheides diesem Erfordernis nicht gerecht.

Zum einen werden die mutmaßlichen Dienstnehmer zwar namentlich angeführt, jedoch fehlt jeglicher Hinweis darauf, worin die unangemeldete Tätigkeit bestanden haben soll. Ob Auf- bzw. Abbau-, ob Ordner- oder Getränke- oder Speisenservice, ob andere Tätigkeiten ausgeübt wurden, lässt sich dem in Rede stehenden Spruch nicht entnehmen. Darüber hinaus findet die Feststellung, dass die Tätigkeiten (welche auch immer) gegen Entgelt ausgeübt wurden, keinerlei Konkretisierung oder Differenzierung nach Personen und Entgelthöhen.

In diesem Sinne war es der Beschuldigten auch nicht möglich sich entsprechend zu verteidigen, zumal tatsächlich wesentliche Sachverhaltselemente nicht in den Tatvorwurf Eingang fanden.

Es liegt somit eine Verletzung des § 44a VStG eindeutig vor.

3.4. Da die Verfolgungsverjährungsfrist schon lange erschöpft ist und innerhalb dieser im Verwaltungsstrafverfahren der Tatvorwurf nicht entsprechend erhoben wurde, war eine Spruchkorrektur dem UVS des Landes Oberösterreich verwehrt.

Es war daher aus Anlass der Berufung der angefochtene Bescheid wegen Spruchmangels aufzuheben, das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen und spruchgemäß zu entscheiden. 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

Bernhard Pree

 

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