Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-101574/23/Sch/Rd

Linz, 11.10.1994

VwSen-101574/23/Sch/Rd Linz, am 11. Oktober 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Schön über die Berufung der Frau M, vertreten durch die RAe Dr. Wolfgang D, vom 27. Oktober 1993 gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 12. Oktober 1993, VU/P/3392/92 K, wegen einer Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 nach öffentlicher mündlicher Berufungsverhandlung am 20. April 1994 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt.

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 und 45 Abs.1 Z1 VStG.

zu II.: §§ 64ff VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat mit Straferkenntnis vom 12. Oktober 1993, VU/P/3392/92 K, über Frau Maria L, wegen der Verwaltungsübertretung gemäß § 19 Abs.7 iVm § 19 Abs.4 StVO 1960 eine Geldstrafe von 800 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 48 Stunden verhängt, weil sie am 29. April 1992 gegen 12.30 Uhr in L, auf der A Richtung Linz kommend, in Richtung Ortsteil Berg die Kreuzung Holzheimerstraße/Aichbergstraße in gerader Richtung überquerend als Lenkerin des PKW mit dem Kennzeichen trotz des Vorschriftszeichens "Vorrang geben" den Vorrang eines Fahrzeuges verletzt habe, weil dessen Lenkerin zu einem unvermittelten Bremsen ihres Fahrzeuges genötigt worden sei.

Überdies wurde die Berufungswerberin zu einem Kostenbeitrag zum Verfahren in der Höhe von 80 S verpflichtet.

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat die Berufungswerberin rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht und die Berufung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat folgendes erwogen:

Eingangs ist festzuhalten, daß die Berufungsbehörde die Beweisaufnahme insofern ergänzt hat, als ein Ortsaugenschein durchgeführt und das Gutachten eines verkehrstechnischen Amtssachverständigen eingeholt wurde. Überdies haben die Rechtsvertreter der Berufungswerberin die mit 26. August 1994 datierte fotogrammetrische Ausfertigung von im Tatortbereich festgestellten Bremsspuren, erstellt von Dipl.-Ing. J, vorgelegt. Letztere wurde dem verkehrstechnischen Amtssachverständigen zur gutachtlichen Stellungnahme weitergeleitet. Nach Verwertung dieser Beweisaufnahmen bzw. Unterlagen ist zusammenfassend nachstehendes festzuhalten:

Außer Zweifel steht, daß die Berufungswerberin aufgrund des zum hier relevanten Zeitpunkt ordnungsgemäß verordneten und aufgestellten Vorschriftszeichens "Vorrang geben" gegenüber dem Querverkehr wartepflichtig gewesen ist. Mangels eines gegenteiligen Beweisergebnisses ist auch davon auszugehen, daß das Blickverhalten der Berufungswerberin vor dem Einfahren in die Kreuzung dergestalt war, daß sie zuerst nach links, also in Richtung der in der Folge ankommenden Zeugin K, geblickt hat, dann nach rechts und in der Folge wiederum nach links. Als sie keinen Querverkehr erkennen konnte, fuhr sie in die Kreuzung ein. Zu bemerken ist, daß die Sicht nach links, also in Richtung Leonding zweifellos durch die dort gegebene Fahrbahnkuppe sehr eingeschränkt ist. Es kam dann zum Zusammenstoß zwischen den Fahrzeugen der Berufungswerberin und der Zeugin.

Der verkehrstechnische Amtssachverständige kommt in seinem schlüssigen Gutachten vom 10. August 1994, BauME-010191/2821994/Lau/Kl, im Hinblick auf die Frage, ob die Berufungswerberin, nachdem sie nach dem Anhalten nach links, nach rechts und dann wieder nach links geblickt habe und erst dann angefahren sei, nach diesem Blickverhalten vor der Anfahrt das Fahrzeug der von links kommenden Zeugin noch hätte erkennen und daraufhin den Anfahrvorgang abbrechen können, ohne eine Vorrangverletzung zu begehen, zu folgendem Schluß:

"Wenn der Querverkehr die erlaubte Geschwindigkeit von 50 km/h überschreitet, ist es der Berufungswerberin nur schwer möglich, mittels einer Schnellfahrt einen Unfall zu vermeiden. Die Querungszeit für die Holzheimerstraße wurde im Versuch mit einer Fahrzeit von 4 sec. festgestellt. Wenn man eine Reaktionszeit für das Anfahren von 1 sec. und daraufhin die Entscheidungszeit von 1 sec. für Abbrechen oder Beschleunigen hinzurechnet, ergibt sich, daß die Vorrangverletzung des Wartepflichtigen auch bei gehöriger Vorsicht und Aufmerksamkeit nicht erkannt werden kann, da dieser in der Anfahrphase zwar möglicherweise den Querverkehr bemerkt, jedoch den Unfall nicht vermeiden kann." Wenngleich die Zeugin K anläßlich der eingangs angeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung angegeben hat, vor Einleitung des Bremsmanövers eine Fahrgeschwindigkeit von etwa 40 bis 50 km/h eingehalten zu haben, kann nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, daß die Fahrgeschwindigkeit geringfügig über diesem Wert gelegen war, was bei der Angabe von "Zirka-Werten" in der Natur der Sache liegt.

Zur fotogrammetrischen Auswertung von im Unfallbereich vorgefundener Bremsspuren durch den Sachverständigen Dipl.-Ing. J ist zu bemerken, daß diese zur Klärung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes nichts wesentliches beitragen konnte. Dies ergibt sich daraus, daß einerseits eine zweifelsfreie Zuordnung dieser Bremsspuren zum Fahrzeug der Zeugin S nicht möglich ist und zum anderen, daß der daraus gezogene Schluß, die Zeugin hätte eine Bremsausgangsgeschwindigkeit von 80 km/h eingehalten, vom verkehrstechnischen Amtssachverständigen nicht gestützt worden ist. Mittelbar spricht die fotogrammetrische Auswertung dennoch für die Verantwortung der Berufungswerberin, da auch nicht ausgeschlossen werden kann, daß die Bremsspur vom Fahrzeug der Zeugin stammt, zumal die Spurweite des Fahrzeuges mit den Bremsspuren in Einklang gebracht werden kann.

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vertritt die Ansicht, daß eine Vorrangverletzung einem Wartepflichtigen nur dann vorgeworfen werden kann, wenn ihm schuldhaftes Verhalten in der Weise zur Last zu legen ist, daß er ein bevorrangtes Fahrzeug deshalb nicht rechtzeitig erkannt hat, weil er etwa kein ausreichendes Blickverhalten, kein langsames Vortasten etc. an den Tag gelegt hat. Der objektive Umstand, daß der bevorrangte Verkehr zum unvermittelten Abbremsen bzw. zum Ablenken genötigt wurde, reicht jedenfalls nicht aus. Die Berufungsbehörde sieht sich in dieser Frage nicht im Widerspruch zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bzw. insbesondere der ordentlichen Gerichte (vgl. OLG Wien, 12.5.1982, ZVR 1983/214). Es muß also ein Fehlverhalten des Wartepflichtigen gegeben sein, das ihn an der Wahrnehmung eines bevorrangten Fahrzeuges gehindert hat (OGH 10.9.1985, ZVR 1986/12).

Im vorliegenden Fall konnte der Berufungswerberin ein solches Fehlverhalten nicht mit der nötigen Sicherheit nachgewiesen werden, sodaß das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren einzustellen war.

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

S c h ö n

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