Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730735/2/BP/JO

Linz, 05.06.2013

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des X, geb. X, StA des Kosovo, dzt. PAZ X, vertreten durch die X, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 29. April 2013, GZ.: 1077114/FRB, betreffend die Erlassung einer Rückkehrentscheidung sowie eines auf 18 Monate befristeten Einreiseverbots gegen den Berufungswerber nach dem Fremdenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird mit der Maßgabe stattgegeben, als die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheides ersatzlos aufgehoben werden; im Übrigen wird der angefochtene Bescheid bestätigt.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 AVG

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1.1. Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 29. April 2013, GZ.: 1077114/FRB, wurde gegen den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) auf Basis der §§ 52 Abs.1 und 53 Abs.1 iVm. Abs.2 Z6 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, eine Rückkehrentscheidung sowie ein auf 18 Monate befristetes Einreiseverbot für den gesamten Schengen-Raum erlassen. Gleichgehend wurde gemäß § 57 Abs. 1 FPG die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung ausgeschlossen.

 

Begründend führt die belangte Behörde zum Sachverhalt ua. aus, dass der Bw am 29.04.2013 von Polizeibeamten im Zug kurz vor Linz einer fremdenpolizeilichen Kontrolle unterzogen worden sei, wobei festgestellt worden sei, dass er sich nicht rechtmäßig in Österreich aufhalte und in Österreich nicht mit Wohnsitz gemeldet sei.

Er habe sich lediglich mit einer kosovarischen Idetitycard ausweisen können. Weiters habe der Bw Bahnfahrscheine der ÖBB gültig vom 28.04.2013 bis 27.05.2013 von Wien Westbahnhof nach Zürich HB und von Zürich HB nach Mulhouse (Frankreich) vorgewiesen.

 

In weiterer Folge sei er auf Grund eines von der Behörde erlassenen Festnahmeauftrages gem. § 74 Abs. 2 Zi. 1 FPG festgenommen, der Behörde vorgeführt und in das PAZ X eingeliefert worden.

 

Bei seiner fremdenpolizeilichen Einvernahme habe er angegeben, dass er in Österreich über keinen Wohnsitz verfüge, hier keine Verwandten habe, er noch nie in Österreich gewesen sei und auch zu Österreich keinerlei Beziehungen habe. Sein Lebensmittelpunkt sei im Kosovo. Er sei völlig mittellos. Den Kosovo hätte er nur aufgrund wirtschaftlicher Gründe verlassen.

 

1.1.2. In rechtlicher Hinsicht führt die belangte Behörde Folgendes aus:

 

Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Beachtung durch die Normadressaten kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Wenn nun Fremde den entsprechenden Vorschriften zuwider (ohne entsprechenden Sichtvermerk) nach Österreich einreisen und sich hier nicht rechtmäßig aufhalten und auch nicht über die erforderlichen Barmittel verfügen, läuft das massiv einem geordneten Fremdenwesen zuwider.

 

Abgesehen davon, dass Sie In Österreich keinerlei berufliche oder soziale Anknüpfungspunkte haben und daher durch die Rückkehrentscheidung nicht in relevanter Weise in Ihr Privat- und Familienleben eingegriffen wird, ist sie zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten und auch im Licht des § 61 Abs. 2 FPG zulässig.

 

Im Sinn eines geordneten Fremdenwesens kann nicht hingenommen werden, dass sich Fremde über die für die Einreise und den Aufenthalt geltenden fremdenpolizeilichen Normen einfach hinwegsetzen und die Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen versuchen, weshalb ihre sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist, und daher die aufschiebende Wirkung einer Berufung abzuerkennen war.

 

1.2. Gegen diesen Bescheid erhob der vertretene Bw mit Schreiben vom 7. Mai 2013 rechtzeitig Berufung, in welcher er vorerst die Anträge stellt, die Berufungsbehörde möge

  1. den hier angefochtenen, oben bezeichneten Bescheid zur Gänze beheben, in eventu
  2. den Spruchpunkt II.) betreffend das Einreiseverbot aufheben, in eventu
  3. den Spruchpunkt II.) betreffend das Einreiseverbot, soweit es sich auf den Schengen-Raum erstreckt, aufheben,
  4. der Berufung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

 

Begründend führt der Bw Folgendes aus:

 

Es wird nicht bestritten, dass die Formalvoraussetzung - der unrechtmäßige Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet - für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs.1 FPG 2005 im gegenständlichen Fall gegeben ist.

 

Da die belangte Behörde das mit der Rückkehrentscheidung verbundene Einreiseverbot jedoch auf den gesamten Schengenraum erstreckt, hätte der Eingriff in das Privat- oder Familienleben des Drittstaatsangehörigen nicht allein im Hinblick auf seine Verhältnisse in Österreich beurteilt werden, sondern auch die Situation in den anderen Mitgliedstaaten in den Blick genommen werden müssen.

 

Siehe dazu VwGH vom 15.12.2011. GZ: 2011/21/0237:

„§ 61 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 entspricht in weiten Bereichen dem bisher geltenden § 66 FrPolG 2005 alt, weshalb sinngemäß auf die dazu ergangene Judikatur verwiesen werden kann (vgl. E 22. Dezember 2009, 2009/21/0348). Es ist daher nach wie vor unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der im (nunmehr) § 61 Abs. 2 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus (nunmehr) § 61 Abs. 3 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Die Frage nach dem Eingriff in das Privat- oder Familienleben des Drittstaatsangehörigen darf nicht allein im Hinblick auf seine Verhältnisse in Österreich beurteilt werden, sondern ist auch die Situation in den anderen Mitgliedstaaten in den Blick zu nehmen. Das folgert unzweifelhaft daraus, dass Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot grundsätzlich auf das gesamte Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten bezogen sein sollen."

 

Diese Beurteilung betreffend die Situation in den anderen Mitgliedstaaten vorzunehmen hat die Behörde jedoch unterlassen und sohin den Bescheid mit einem wesentlichen Verfahrensfehler behaftet.

 

2.

Bestritten wird die Rechtmäßigkeit der Verhängung des Einreiseverbots gem. § 53 Abs. 1 FPG 2005.

 

Vorab sei festgehalten, dass - entgegen dem Gesetzeswortlaut - nicht zwingend mit der Rückkehrentscheidung auch ein Einreiseverbot erlassen werden muss:

 

VwGH vom 10.10.2012. GZ: 2012/18/0104

„Bei der Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes handelt es sich gemäß § 52 und § 53 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 - da unterschiedliche Rechtsinstitute vorliegen - um trennbare Spruchbestandteile. Dies ergibt sich auch aus der Übergangsbestimmung des §125 Abs. 14 FrPolG 2005 idF FrÄG 2005, in der der Gesetzgeber davon ausgeht, dass es eine Rückkehrentscheidung geben kann, ohne dass damit ein Einreiseverbot verbunden ist"

 

VwGH vom 15.05.2012, GZ: 2012/18/0029

„Auch in Fällen, die - bezogen auf das In-Kraft-Treten des FrÄG 2011 - keine "Übergangsfälle" sind, ist in bestimmten Konstellationen davon auszugehen, dass mit der Rückkehrentscheidung kein Einreiseverbot unter einem erlassen werden darf. Daraus ergibt sich aber zwingend, dass eine Rückkehrentscheidung auch dann (eigenständig) Bestand haben kann, wenn damit kein Einreiseverbot verbunden wird. An diesem Ergebnis können auch die in den Materialien zum FrÄG 2011 - in denen auf die unionsrechtlichen Vorgaben nicht hinreichend Bedacht genommen wurde -zu §53 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 enthaltenen Ausführungen (RV 1078 BlgNR 24. GP, 29), wonach die Entscheidungen über die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und die Dauer eines Einreiseverbotes nicht voneinander trennbar sind, nichts ändern. Die Materialien gehen nämlich in mit dem Unionsrecht nicht vereinbarer Weise - davon aus, dass "eine Rückkehrentscheidung stets mit einem Einreiseverbot" einherzugehen hätte."

 

VwGH vom 15.12.2011, GZ: 2011/21/0237

„Auch wenn das Fehlverhalten des Drittstaatsangehörigen auf den unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet beschränkt ist, soll nach § 53 Abs. 2 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 jedenfalls ein Einreiseverbot mit mindestens 18-monatiger Dauer festzusetzen sein. Nach den ErläutRV (1078 BlgNR 24. GP 29 ff) wurde diese Mindestgrenze in Ausschöpfung der Vorgaben der Rückführungs-RL eingezogen, um in sachgerechter Weise den Unrechtsgehalt eines nicht rechtmäßigen Aufenthaltes in Österreich und dem gesamten Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten deutlich zu machen sowie um gewähren zu können, dass eine sofortige Wiedereinreise und damit Unterwanderung der Zielsetzungen der Rückführungs-RL hintangehalten wird. Art. 11 Abs. 1 der Rückführungs-RL sieht zunächst nur dann die Anordnung eines Einreiseverbotes vor, wenn keine Frist für die freiwillige Ausreise eingeräumt wurde (lit. a) oder wenn der Rückkehrentscheidung nicht nachgekommen wurde (lit. b). Ersteres ist nach Art. 7 Abs. 4 der Rückführungs-RL insbesondere dann möglich, wenn der Fremde eine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit darstellt In anderen Fällen - also va. dann, wenn von ihm keine derartige Gefahr ausgeht - ist die Anordnung eines Einreiseverbotes nach dem letzten Satz des Art. 11 Abs. 1 der Rückführungs-RL bloß fakultativ. Art. 11 der Rückführungs-RL sieht keine Mindestfrist vor, wobei in Abs. 2 ohne Einschränkung angeordnet ist, dass die Dauer des Einreiseverbots "in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls" festgesetzt wird. In der Präambel zur Rückführungs-RL heißt es, dass "Entscheidungen gemäß dieser Richtlinie auf Grundlage des Einzelfalls und anhand objektiver Kriterien getroffen werden, was bedeutet, dass die Erwägungen über den bloßen Tatbestand des illegalen Aufenthalts hinausreichen sollten."

 

Das Einreiseverbot begründend führt die Behörde die Umstände der unrechtmäßigen Einreise, des unrechtmäßigen Aufenthalts (der sich auf den, für den benötigten Zeitraum für die Durchreise mit der Bahn nach Zürich erstreckt bzw. erstreckt hätte) und der Mittellosigkeit an.

 

Dazu führt der VwGH (15.12.2011. GZ: 2011/21/0237) bei ähnlich gelagertem Sachverhalt jedoch aus:

 

„Der bloße unrechtmäßige Aufenthalt stellt nach dem System der Rückführungs-RL noch keine derartige Störung der öffentlichen Ordnung dar, dass dies immer die Erlassung eines Einreiseverbotes gebieten würde. ...Es ist daher davon auszugehen, dass gegebenenfalls, wenn sich das Fehlverhalten des Drittstaatsangehörigen auf den unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet beschränkt und fallbezogen ausnahmsweise (etwa auf Grund seiner kurzen Dauer oder der dafür maßgebenden Gründe) nur eine geringfügige Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens darstellt, überhaupt kein Einreiseverbot zu verhängen ist."

 

Bei richtiger Beweiswürdigung und rechtlicher Beurteilung hätte die Behörde daher Abstand von der Verhängung eines Einreiseverbotes gem. § 53 Abs. 1 FPG 2005 nehmen müssen.

 

3.

Sollte der erkennende Senat diese Ansicht nicht folgen, möge er die Gültigkeit des Einreiseverbotes für den gesamten Schengen-Raum aufheben und auf das österreichische Bundesgebiet beschränken.

 

Verwiesen sei dazu auf die Entscheidung des UVS Wien vom 14.11.2011, FRG/46/12805/2011:

 

(...)

 

4.

Auch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 57 Abs.1 FPG erscheint rechtswidrig erfolgt zu sein, da die Behörde diese lediglich mit der unrechtmäßigen Einreise und dem damit zusammenhängenden unrechtmäßigen Aufenthalt begründet und daraus nicht ersichtlich wird, weshalb die sofortige Ausreise im Interessen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit geboten sein soll.

 

Die genannten Gründe scheinen keine tauglichen Aberkennungsgründe zu sein, da sie gerade die Voraussetzung für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung sind und sohin in allen Fällen der Erlassung einer Rückkehrentscheidung die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung die Folge wäre - was vom Gesetzgeber nicht gewollt sein konnte, da er der Behörde mit § 57 Abs.1 FPG Kriterien und Ermessen zugestand.

 

 

2.1. Die belangte Behörde legte den in Rede stehenden Verwaltungsakt mit Schreiben vom 15. Mai 2013 dem UVS des Landes Oberösterreich vor.

 

2.2.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde.

 

2.2.2. Aus dem Akt ergibt sich zusätzlich, dass der Bw am 7. Mai 2013 freiwillig aus dem österreichischen Bundesgebiet ausreiste.

 

2.2.3. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, da im vorliegenden Fall der Sachverhalt völlig unbestritten feststeht, lediglich die Klärung von Rechtsfragen vorzunehmen war und auch kein darauf gerichteter Parteienantrag (auch nicht vom vertretenen Bw) gestellt wurde.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1.1., 1.2. und 2.2.2. dieses Erkenntnisses dargestellten unwidersprochen gebliebenen Sachverhalt aus.

 

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

 

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1.1. Gemäß § 52 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch das Bundesgesetzblatt BGBl. I Nr. 68/2013, ist gegen einen Drittstaatsangehörigen, sofern nicht anderes bestimmt ist, mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Die Rückkehrentscheidung wird mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Berufung gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 66 Abs. 4 AVG auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

 

3.1.2. Im vorliegenden Fall ist zunächst auch vom Bw selbst unbestritten, dass er weder zum Zeitpunkt seiner Einreise noch danach über einen Aufenthaltstitel für das österreichische Bundesgebiet verfügte. Es sind die Voraussetzungen des § 52 Abs. 1 FPG somit grundsätzlich gegeben. Diese Feststellung wird unter dem Aspekt des § 52 Abs. 1 letzter Satz getroffen, da der Bw das Bundesgebiet bereits am 7. Mai 2013 verließ.

 

Es ist jedoch bei der Beurteilung der Rückkehrentscheidung bzw. des Einreiseverbotes auch auf Art. 8 EMRK sowie § 61 FPG Bedacht zu nehmen. 

 

3.2.1. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist allerdings ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts gemäß Abs. 1 (nur) statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

3.2.2. Gemäß § 61 Abs. 1 FPG ist, sofern durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 2 FPG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war;

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4. der Grad der Integration;

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl- Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltstatus bewusst waren;

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 3 FPG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein  aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51ff. NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

3.2.3.1. Im Sinne der zitierten Normen ist eine Interessensabwägung – basierend auf einer einzelfallbezogenen  Gesamtbetrachtung – vorzunehmen.

 

Es ist festzuhalten, dass es gestützt auf die ständige Rechtsprechung der Höchstgerichte grundsätzlich zulässig und erforderlich ist, Maßnahmen zu ergreifen, um den unrechtmäßigen Aufenthalt einer Person zu beenden, da ein solcher rechtswidriger Status fraglos dazu geeignet ist, die öffentliche Ordnung eines Staates massiv zu beeinträchtigen.

 

3.2.3.2. Im Fall des Bw ist von der fremdenpolizeilichen Maßnahme keine markant spürbare Beeinträchtigung seines Privat- bzw. Familienlebens festzustellen.

 

Er hielt sich nur wenige Tage im Bundesgebiet auf (dies illegal), ist hier weder beruflich noch sozial integriert, verfügt über keine nahen Angehörigen, weshalb auch das nur in Hinblick auf die Wirkung des allfälligen Einreiseverbotes für andere Schengenstaaten betroffene Privatleben als dennoch kaum schützenswert erachtet werden muss.

 

Strafrechtlich ist der Bw unbescholten. Auch rechtskräftige verwaltungsrechtliche Verurteilungen sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Besondere Verzögerung in behördlichen Verfahren sind nicht hervorgekommen. Von einem entstandenen Privatleben während des Aufenthalts hier kann nicht gesprochen werden.

 

3.2.3.3. Insgesamt ist also der belangten Behörde zu folgen, dass den öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK und zum Schutz der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenrechts im konkreten Einzelfall eindeutig der Vorrang vor den persönlichen Interessen des Bw gegeben werden muss; insbesondere, da letztere überdies nicht in erheblicher Weise vorliegen, verlagert sich das Hauptgewicht auf den Schutz der öffentlichen Interessen.

 

Der Bw kann sich somit nicht durchschlagend auf den Schutz seines Privat- und Familienlebens berufen.

 

3.3.1. Gemäß § 53 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung unter Einem ein Einreiseverbot erlassen. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

 

Gemäß § 53 Abs. 2 FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für Fünf Jahre zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes hat die Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen miteinzubeziehen und zu berücksichtigen, ob der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige

1.     wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm. § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1a, 1b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z. 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm. 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;

2.     wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1.000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;

3.     wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt;

4.     wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;

5.     wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;

6.     den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag, es sei denn er ist rechtmäßig zur Arbeitsaufnahme eingereist und innerhalb des letzten Jahres im Bundesgebiet mehr als sechs Monate einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen;

7.     bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für den selben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;

8.     eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat oder

9.     an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Aufrechterhaltung eines Aufenthaltstitels für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat.

 

3.3.2.1. Mit einer Rückkehrentscheidung ist also gemäß § 53 Abs. 1 FPG grundsätzlich gleichzeitig ein Einreiseverbot zu verhängen. Bei der Bemessung dessen Dauer hat die Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen miteinzubeziehen und zu berücksichtigen, ob der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

 

3.3.2.2. Nun ergibt sich aber aus der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass aufgrund der Verschiedenheit der beiden Instrumente sowie aus Gründen des Unionsrechts und der Verhältnismäßigkeit eben nicht zwingend mit einer Rückkehrentscheidung auch stets ein Einreiseverbot zu verhängen ist. Dies ist im Einzelfall zu überprüfen (vgl. ua. die in der Berufung zitierte Judikatur). Es kommt also auf das konkrete vom Fremden ausgehende Gefährdungspotential an.

 

3.3.2.3. Es ist unbestritten, dass der Bw illegal ins Bundesgebiet einreiste, hier aber keinen längeren Aufenthalt geplant hatte, da er ja Österreich nur als Transitland ansah. Bedenkt man, dass § 53 Abs. 2 Z. 3 FPG als besonderen Umstand für die Gefährdung der öffentlichen Interessen eine rechtskräftige Verurteilung nach dem FPG bzw. dem NAG normiert, so relativiert sich im Umkehrschluss aber ein nicht rechtskräftig festgestellter, nur kurzfristiger illegaler Aufenthalt, der somit nicht wesentlich zur Stützung der Gefährdungsannahme herangezogen werden kann.

 

3.3.2.4. Die Mittellosigkeit des Bw ist unbestritten. Aufgrund des Umstandes, dass der Bw aber keinen längeren Aufenthalt in Österreich geplant hatte, er damit nicht Gefahr lief, das Sozialsystem des Staates zu belasten, ist im konkreten Fall wohl von keiner sehr erheblichen Gefährdung der öffentlichen Interessen auszugehen.

 

3.3.3.5. Da aber keine weiteren Aspekte des Falles bekannt sind, die eine besondere Gefährdung der öffentlichen Interessen belegen könnten, war insgesamt nach einer Verhältnismäßigkeitsprüfung von der Verhängung eines Einreiseverbotes Abstand zu nehmen und der Berufung diesbezüglich stattzugeben.

 

3.4.1. Gemäß § 57 Abs. 1 FPG ist die aufschiebende Wirkung einer Berufung gegen eine Rückkehrentscheidung abzuerkennen, wenn

1. die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist,

2. der Drittstaatsangehörige einem Einreiseverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist oder

3. Fluchtgefahr besteht.

 

3.4.2. Aus § 57 Abs. 1 Z. 2 und 3 FPG lässt sich schließen, dass bei der Beurteilung der Erforderlichkeit der Maßnahme im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit nicht bloß von einer allgemeinen Gefährdung ausgegangen werden kann, sondern dass diese doch ein gewisses Maß an erheblichem Verhalten eines Fremden voraussetzt, das über einen bloßen illegalen Aufenthalt hinausgeht. Dies betrifft ua. massive Straffälligkeit mit akut negativer Zukunftsprognose.

 

In diesem Sinn kann der Belangten Behörde nicht gefolgt werden und die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung im vorliegenden Fall muss als unrechtmäßig erkannt werden. Nicht zuletzt zeigte sich der Bw auch zur freiwilligen Ausreise bereit. von einer akuten Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, die die sofortige Ausreise des Bw bedingt haben würde, kann sohin nicht ausgegangen werden.

 

Es war also auch Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides zu beheben.

 

3.5. Es war daher im Ergebnis der Berufung mit der Maßgabe stattzugeben, als die Spruchpunkte II. und III. ersatzlos zu beheben waren; im Übrigen war der angefochtene Bescheid zu bestätigen.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt unterschrieben werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro (Eingabegebühr) angefallen.

 

 

 

 

 

 

Bernhard Pree

 

 

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