Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231339/2/Gf/Rt

Linz, 13.06.2013

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mit­glied Dr. Gróf über die Berufung des L gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Urfahr-Umgebung  vom 19. April 2013, Zl. Sich96-304-2012-BER, wegen zwei Übertretungen des Sicherheitspolizeigesetzes zu Recht:

I. Der Berufung wird insoweit stattgegeben, als die zu Spruchpunkt 2. des angefochtenen Straferkenntnisses verhängte Geldstrafe auf 7 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 3 Stunden herabgesetzt wird; im Übrigen wird diese hingegen abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

II. Der Berufungswerber hat keinen Beitrag zu den Kosten des  Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 65 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Urfahr-Umgebung  vom 19. April 2013, Zl. Sich96-304-2012-BER, wurden über den Beschwerdeführer zwei Geldstrafen in einer Höhe von jeweils 80 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: jeweils 36 Stunden; Verfahrenskostenbeitrag: insgesamt 16 Euro) verhängt, weil er sich gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht aggressiv verhalten und dadurch eine Amtshandlung behindert sowie die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt gestört habe. Dadurch habe er eine Übertretung des § 82 Abs. 1 und des § 81 Abs. 1 des Sicherheitspolizeigesetzes, BGBl.Nr. 566/1991 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl.Nr. I 13/2012 (im Folgenden: SPG), begangen, weshalb er jeweils nach diesen Bestimmungen zu bestrafen gewesen sei.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass das dem Rechtsmittelwerber angelastete deliktische Verhalten auf Grund einer Anzeige der einschreitenden Polizeibeamten als erwiesen anzusehen sei.

Im Zuge der Strafbemessung seien die Einkommens-, Vermögens und Familienverhältnisse mangels entsprechender Mitwirkung des Beschwerdeführers von Amts wegen zu schätzen gewesen.

1.2. Gegen dieses ihm am 30. April 2013 zugestellte Straferkenntnis wendet sich die vorliegende, am 13. Mai 2013 – und damit rechtzeitig – per e-mail eingebrachte, lediglich gegen die Strafhöhe gerichtete Berufung.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung zu Zl. Sich96-304-2012; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ und die Verfahrensparteien einen entsprechenden Antrag nicht gestellt haben, konnte im Übrigen von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

2.2. Nach § 51c VStG hatte der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – weil mit dem angefochtenen Straferkenntnis eine den Betrag von 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde – nicht durch eine Kammer, sondern durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

 

 

3. Über die vorliegende Beschwerde hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

 

3.1. Gemäß § 82 Abs. 1 SPG begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist hierfür mit einer Geldstrafe bis zu 350 Euro zu bestrafen, der sich trotz vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht, während dieses seine gesetzlichen Aufgaben wahrnimmt, aggressiv verhält und dadurch eine Amtshandlung behindert.

 

Nach § 81 Abs. 1 SPG begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist hierfür mit einer Geldstrafe bis zu 350 Euro zu bestrafen, der durch ein besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt stört.

 

In § 82 Abs. 2 SPG ist explizit festgelegt, dass eine Bestrafung nach § 82 Abs. 1 SPG eine Bestrafung wegen derselben Tat nach § 81 SPG ausschließt.

 

3.2. Im gegenständlichen Fall ergibt sich aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Akt, dass beiden gegen den Rechtsmittelwerber ausgesprochenen Bestrafungen jeweils die Anzeige des Stadtpolizeikommandos Linz vom 19. August 2012, Zl. A2/48102/2012, zu Grunde liegt. Diese bezieht sich auf einen sich am 18. August 2012 ereignet habenden, im Lichte der neueren Judikatur des EGMR als ein einheitliches Geschehen zu qualifizierenden Sachverhalt („identical facts“ – vgl. z.B. grundlegend EGMR vom 10. Februar 2009, 14939/03 [Fall Zolotukhin], sowie VwSen-231318 vom 15. März 2013, m.w.N.).

 

Nun schließt zwar die Garantie des Art. 4 des 7. ZPMRK eine Mehrfachbestrafung wegen ein und desselben Verhaltens nicht bzw. nur insoweit aus, als bereits eine rechtskräftige Verurteilung vorliegt. Die Anordnung des § 82 Abs. 2 SPG geht aber über diese Grundrechtsgewährleistung insoweit hinaus, als eine Doppelverfolgung und ‑bestrafung nicht nur im Falle des Vorliegens einer bereits rechtskräftigen Erledigung, sondern – wie aus deren Textierung unmissverständlich hervorgeht – vielmehr kategorisch gehindert ist: Bei identischer Faktenlage ist somit keine Fallkonstellation denkbar, in der sowohl eine Bestrafung nach § 82 Abs. 1 SPG (wegen aggressiven Verhaltens) als auch eine Bestrafung nach § 81 Abs. 1 SPG (wegen Ordnungsstörung) erfolgen kann.

 

Wie insbesondere aus dem vorzitierten EGMR-Urteil hervorgeht, darf diese gesetzgeberische Festlegung freilich auch nicht dadurch umgangen werden, dass ein Sachverhaltsganzes durch Setzung einer nicht sachgerechten zeitliche Zäsur in zwei isoliert zu betrachtende Geschehensabläufe zerlegt wird; vielmehr ist in diesem Zusammenhang eine objektiv-lebensnahe Betrachtung geboten. Vor diesem Hintergrund kann es keinem Zweifel begegnen, dass im vorliegenden Fall – wie dies auch aus der Anzeige des Stadtpolizeikommandos Linz vom 19. August 2012, Zl. A2/48102/2012 (vgl. S. 2) hervorgeht – das aggressive Verhalten und die Ordnungsstörung selbst dann eine Einheit bildeten, wenn diese allenfalls tatsächlich als zeitlich nacheinander folgende und voneinander abgesetzte Handlungen wahrgenommen werden konnten.

 

Somit erweist sich die zusätzlich zu jener wegen einer Übertretung des § 82 Abs. 1 SPG vorgenommene Bestrafung wegen einer Übertretung des § 81 Abs. 1 SPG (zwar nicht wegen eines Verstoßes gegen das Doppelverfolgungs- und ‑bestrafungsverbot des Art. 4 des 7. ZPMRK, wohl aber) im Lichte des § 82 Abs. 2 SPG als offenkundig rechtswidrig.

 

3.3. Da sich die gegenständliche Berufung jedoch nicht gegen den Schuldspruch (sondern nur gegen die Höhe der verhängten Strafe) richtet, ist dieser als in Rechtskraft erwachsen anzusehen und damit unabänderlich; dies insbesondere auch deshalb, weil eine amtswegige Aufhebung gemäß § 52a Abs. 1 VStG nicht in Betracht kommt, da ein Unabhängiger Verwaltungssenat keine Oberbehörde i.S. dieser Gesetzesstelle verkörpert.

 

Im Ergebnis kann die aufgezeigte Rechtswidrigkeit daher nur dadurch weitestmöglich beseitigt werden, dass diesbezüglich die Strafhöhe – bei unverändertem Schuldspruch und angesichts des Umstandes, dass die Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 VStG hier nicht vorliegen – auf das gesetzliche Mindestmaß von 7 Euro (vgl. § 13 VStG) herabgesetzt wird.           

 

3.4. Der gegenständlichen Berufung war daher gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG insoweit stattzugeben, als die zu Spruchpunkt 2. verhängte Geldstrafe auf 7 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe gemäß der durch § 16 Abs. 2 VStG vorgegebenen Relation auf 3 Stunden herabzusetzen war; im Übrigen war diese hingegen abzuweisen und das angefochtene Straferkenntnis zu bestätigen.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Rechtsmittelwerber für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat nach § 65 VStG kein Kostenbeitrag vorzuschreiben.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden, wobei für jede dieser Beschwerden eine Gebühr von 240 Euro zu entrichten ist.

Dr.  G r ó f

 

VwSen-231339/2/Gf/Rt vom 13. Juni 2013

 

Erkenntnis

 

 

Rechtssatz

 

MRKZP 07te Art4;

SPG 1991 §81;

SPG 1991 §82

 

Die Garantie des Art 4 7. ZP-EMRK schließt eine Mehrfachbestrafung wegen ein und desselben Verhaltens nicht bzw. nur insoweit aus, als bereits eine rechtskräftige Verurteilung vorliegt; die Anordnung des § 82 Abs 2 SPG geht aber über diese Grundrechtsgewährleistung insoweit hinaus, als eine Doppelverfolgung und -bestrafung nicht nur im Falle des Vorliegens einer bereits rechtskräftigen Erledigung, sondern – wie aus deren Textierung unmissverständlich hervorgeht – vielmehr kategorisch gehindert ist: Bei identischer Faktenlage ist somit keine Fallkonstellation denkbar, in der sowohl eine Bestrafung nach § 82 Abs 1 SPG (wegen aggressiven Verhaltens) als auch eine Bestrafung nach § 81 Abs 1 SPG (wegen Ordnungsstörung) erfolgen kann.

 

Wie insbesondere aus dem Urteil des EGMR vom 10. Februar 2009, 14939/03 (Fall Zolotukhin), hervorgeht, darf diese gesetzgeberische Festlegung freilich auch nicht dadurch umgangen werden, dass ein Sachverhaltsganzes durch Setzung einer nicht sachgerechten zeitliche Zäsur in zwei isoliert zu betrachtende Geschehensabläufe zerlegt wird; vielmehr ist in diesem Zusammenhang eine objektiv-lebensnahe Betrachtung geboten.

 

Da sich die vorliegende Berufung nicht gegen den Schuldspruch – sondern nur gegen die Höhe der verhängten Strafe – richtet, ist dieser als in Rechtskraft erwachsen anzusehen und damit unabänderlich; dies insbesondere auch deshalb, weil eine amtswegige Aufhebung gemäß § 52a Abs 1 VStG nicht in Betracht kommt, da ein Unabhängiger Verwaltungssenat keine Oberbehörde iS dieser Gesetzesstelle verkörpert.

 

Im Ergebnis kann die aufgezeigte Rechtswidrigkeit daher nur dadurch weitestmöglich beseitigt werden, dass die Strafhöhe – bei unverändertem Schuldspruch und angesichts des Umstandes, dass die Voraussetzungen des § 21 Abs 1 VStG hier nicht vorliegen – auf das gesetzliche Mindestmaß von 7 Euro (vgl § 13 VStG) herabgesetzt wird.

 

 

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