Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-253396/2/MK/HK

Linz, 19.06.2013

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Mag. Markus Kitzberger über die Berufung des X, vertreten durch RA Mag. X, X, X, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Eferding vom 11.02.2013, SV96-19-2012, wegen einer Übertretung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) zu Recht erkannt:

I.        Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II.     Der Berufungswerber hat keinen Kostenbeitrag zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 idgF.

zu II.: § 66 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

1.           Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes des Bezirkes Eferding vom 11.02.2013, SV96-19-2012, wurde über die Berufungswerberin (in der Folge Bw) wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 33 Abs.1 iVm. § 111 Abs.1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), eine Geldstrafe in der Höhe von 1.000 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Höhe von 6 Tagen, verhängt. Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag in der Höhe von 100 Euro vorgeschrieben.

 

Dem Straferkenntnis liegt der Tatvorwurf zugrunde, dass das Finanzamt Grieskirchen Wels, Team FinPol, bei einer Kontrolle am 14.04.2012 um 19.40 Uhr im X in X, X, festgestellt habe, dass X (in weiterer Folge: Bw) als Betreiber dieses Lokals und Dienstgeber im Sinne des § 35 ASVG zu verantworten habe, dass er Frau X, geb. X, polnische Staatsangehörige, wohnhaft X, X, zumindest am Kontrolltag ab 19.30 Uhr als Kellnerin beschäftigt habe, obwohl die Genannte nicht vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger zur Pflichtversicherung als vollversicherte Person angemeldet worden wäre.

Der Bw habe dadurch die §§ 33 iVm 111 Abs.1 Z1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) verletzt.

 

In der Begründung wurde dazu – neben der Anführung der gesetzlichen Bestimmungen – Folgendes ausgeführt:

 

1.1. Anlässlich der oben angeführten Kontrolle durch Organe des Finanzamtes Grieskirchen Wels sei die polnische Staatsangehörige X als Kellnerin hinter der Bar in dem vom Bw betriebenen X in X, X, angetroffen worden. Zum Kontrollzeitpunkt hätten sich weitere 4 Gäste im Lokal befunden für die X verantwortlich gewesen sei. Nach telefonischer Verständigung durch Frau X sei der Bw ins Lokal gekommen und habe zum Sachverhalt angegeben, dass Frau X nur Gast im Lokal sei, da sie selbst einen Dartclub gründen wolle. Der Bw würde einen engeren Kontakt mit Frau X haben, sie sei an diesem Tag auch bei ihm zu Hause Gast gewesen. Er habe Frau X gebeten das Lokal aufzusperren, wozu sie von seiner Nichte um ca. 19.15 Uhr zum Lokal gebracht worden sei. Frau X würde kein Entgelt bekommen, da ihre Unterstützung auch nicht als Arbeitsleistung gewertet werden könne. Gäste würden im Lokal Kaffee gratis erhalten. Bei den anwesenden Gästen hätte es sich um Kunden des Bw gehandelt, da dieser auch eine Schwarzdeckerei betreibe. Für sonstige Getränke würde ein Automat zur Verfügung stehen. Speisen könne man bei einer Firma in X bestellen.

 

In dem von Frau X anlässlich der Kontrolle ausgefüllten Personenblatt habe diese selbst ausgeführt, dass sie am 14.04.2012 seit 19.30 Uhr als Kellnerin und „Aufpasserin“ im Lokal beschäftigt gewesen sei. Den Schlüssel zum Lokal habe sie vom Bw bekommen.

 

Frau X sei hinsichtlich ihrer Tätigkeit nicht zur Sozialversicherung angemeldet gewesen, sodass eine Übertretung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz vorliegen würde.

 

1.2. In einer rechtfertigenden Stellungnahme habe der Bw angegeben, Frau X zu keinem Zeitpunkt als Kellnerin beschäftigt zu haben. Frau X sei zwar am Kontrolltag ab 19.30 Uhr im Lokal anwesend gewesen. Es habe sich dabei aber um eine kurzzeitige freundschaftliche Hilfe gehandelt. Der Bw habe am 14.04. seinen 43. Geburtstag gefeiert, weshalb er mit etlichen Berufskollegen zusammengesessen und auf Grund dieses besonderen Umstandes Frau X ersucht habe, das Lokal aufzusperren und bis zu seiner Ankunft „aufzupassen“. Die Verabreichung von Kaffee sei unentgeltlich. Ebenso unentgeltlich sei der Freundschaftsdienst von Frau X gewesen, weshalb sich aus den Umständen eindeutig ergebe, dass diese vom Bw zu keinem Zeitpunkt beschäftigt wurde.

 

Etwaige Angaben im Personenblatt, aus denen andere Schlüsse gezogen werden könnten, würden daher rühren, dass derartige Formulare für Frau X nicht wirklich verständlich seien, bzw. dass sie bei der Ausfüllung des Personenblattes von den Kontrollorganen des Finanzamtes unterwiesen worden sei.

 

Selbst wenn man eine Entlohnung annehmen würde - was allerdings ausdrücklich bestritten würde – so wäre diese jedenfalls unter einem Betrag von 20,00 Euro gelegen. Dies begründe keine Meldepflicht. Das Verfahren sei daher einzustellen.

 

1.3. Im Zuge einer zeugenschaftlichen Einvernahme habe Frau P angegeben, dass ihr – was die finanziellen Verhältnisse anbelange – für sich und ihre Tochter im Monat ein Nettobetrag von rund 725,00 Euro zum Leben bleibe.

 

Sie habe vor etwa einem Jahr selbst in X ein Wettbüro betrieben, dies aber aufgegeben, da sie mit ihrer derzeitigen Tätigkeit als Teilzeitbeschäftigte bei der Firma X mehr Einkommen mit weniger Zeitaufwand erzielen könne.

 

Mit der Familie des Bw, insbesondere mit dessen Frau, sei sie seit etwa 5 Jahren bekannt und würde Frau X als gute Freundin bezeichnen. Frau X habe, während sie das Wettlokal im X betrieb, des Öfteren auf Ihre Tochter aufgepasst.

 

Am Kontrolltag habe sie Herr X angerufen und ersucht das X aufzusperren. Zum Kontrollzeitpunkt seien 3 polnische Gäste anwesend gewesen, welche den Bw geschäftlich hätten kontaktieren wollen. Diesen Personen habe sie in Tassen Kaffee von einem Automaten geholt.

 

Zu den Angaben im Personenblatt sei sie von den Kontrollorganen gezwungen worden. Der Bw habe sie zu keinem Zeitpunkt beschäftigt. Sie habe von ihm auch kein Geld bekommen.

 

1.4. In einer ergänzenden Stellungnahme zum Ermittlungsergebnis habe die Finanzpolizei angegeben, dass zum Zeitpunkt der Kontrolle Frau X als einzige und damit verantwortliche Person in dem vom Bw betriebenen Lokal angetroffen worden sei. Es wären auch Gäste anwesend gewesen, die Kaffee getrunken hätten. Zwischen dem Bw und Frau X habe Einvernehmen darüber bestanden, dass diese das Lokal aufsperren und „aufpassen“ solle, wobei es sich dabei um die ureigensten Tätigkeiten eines Lokalbetreibers handeln würde.

 

Unentgeltlichkeit könne auf der Grundlage der Bestimmungen der §§ 1151 ff ABGB nicht nachvollzogen werden, da darin normiert sei, dass – sofern kein bestimmtes Entgelt oder Unentgeltlichkeit vereinbart sei – ein angemessenes Entgelt als bedungen gelte. Dass keine Entlohnung stattgefunden habe, sei unglaubwürdig.

 

Dienstgebereigenschaft ergebe sich alleine daraus, dass der Bw Frau X veranlasst habe, das Lokal aufzusperren. Sie habe den Schlüssel von ihm gehabt und den Auftrag erhalten, auf das Lokal aufzupassen. Die von Frau X ausgeführte Tätigkeit entspreche nicht der höchstgerichtlichen Definition eines Freundschaftsdienstes, worunter kurzfristige freiwillige und unentgeltliche Dienste zu verstehen wären, die vom Leistenden auf Grund spezifischer Bindungen zwischen ihm und dem Leistungsberechtigten erbracht würden. Eine solche spezifische Bindung sei im diesbezüglichen Fall nicht anzunehmen.

 

Entgegen der Meinung des Bw würde auch ein geringer Entgeltbetrag die Meldepflicht begründen. Es sei weiters nicht angedacht gewesen, Frau X nur kurzfristig zu beschäftigen, da der Bw erst nach einem Telefonanruf ins Lokal gekommen sei, um zur Beschäftigung von X Stellung zu nehmen.

 

Es sei weiters unzutreffend, dass Frau X zum Ausfüllen des Personenblattes gezwungen worden wäre. Sie sei von den Kontrollbeamten lediglich aufgefordert worden, ihre persönlichen Daten und den Umstand ihrer Tätigkeit, bei der sie angetroffen wurde, im vorgelegten Formblatt anzugeben.

 

1.5. In einer darauf replizierenden Stellungnahme gab der Bw an, dass nicht ersichtlich sei, was dagegen sprechen solle, dass Frau I P tatsächlich einen reinen Gefälligkeits – bzw. Freundschaftsdienst verrichtet habe. Sie sei für den Bw kurz eingesprungen, da dieser seinen Geburtstag gefeiert und nicht früher habe im Lokal sein können. Zwischen Frau X und Familie X bestehe eine enge Freundschaft, was alleine dadurch dokumentiert würde, dass Frau X bei Herrn X zu Hause gewesen sei und von einem Familienmitglied ins Lokal gebracht worden wäre.

 

Beide würden übereinstimmend angeben, dass sie niemals daran gedacht hätten für diesen kurzen Freundschaftsdienst ein Entgelt zu vereinbaren. Im Sinne der privatrechtlichen Ausführungen der Finanzpolizei sei daher davon auszugehen, dass konkludent Unentgeltlichkeit vereinbart worden sei.

 

Es sei weiters nicht nachvollziehbar worin eine allfällige Verpflichtung von Frau X gegenüber dem Bw bestanden haben soll, da diese das Lokal jederzeit wieder hätte zusperren bzw. nach Hause gehen können.

 

Zum Beweis des tatsächlich freundschaftlichen Verhältnisses zwischen der Familie X und Frau X würde die zeugenschaftliche Einvernahme der Gattin des Bw beantragt.

 

1.6. In der daraufhin durchgeführten Einvernahme habe Frau X angegeben, dass Frau X bei der Geburtstagsfeier ihres Gatten eingeladen war und gemeinsam mit anderen Familienmitgliedern gefeiert habe. Frau X sei tatsächlich eine gute Freundin, auf deren Tochter sie wiederholt aufgepasst habe. Dies sei insbesondere dann der Fall gewesen, wenn Frau X in ihrem Lokal in X arbeitete. Umgekehrt habe Frau X auf die Tochter von Frau X aufgepasst, wenn Frau X krank war. Diese familiäre Unterstützung sei in der letzten Zeit seltener, da Frau X im nunmehr Supermarkt arbeiten und ihre Tochter in den Kindergarten gehen würde.

 

1.7. Im Rahmen der Beweiswürdigung gehe die belangte Behörde davon aus, dass der Bw zum Tatzeitpunkt am 14.04.2012 verantwortlicher Betreiber des Wettlokals in X gewesen sei. Außer Streit stehe auch, dass er Frau X einen Schlüssel ausgefolgt und veranlasst habe, dass diese zum Wettlokal gefahren werde, um dieses um ca. 19:30 Uhr aufzusperren. In der Folge habe sie zumindest 3 polnischen Staatsangehörigen als Gäste im Lokal Kaffee verabreicht.

 

Zum Dienstverhältnis sei auszuführen, dass für den Fall, dass jemand bei der Erbringung einer Dienstleistung arbeitend und unter solchen Umständen angetroffen werde, dass nach der Lebenserfahrung üblicherweise von einem Dienstverhältnis ausgegangen werden könne, auch das angemessene Entgelt als bedungen anzusehen sei. Atypische Umstände, wie dies die im konkreten Fall behauptete Unentgeltlichkeit darstelle, könnten tatsächlich nur im Sinne eines Freundschaftsdienstes untermauert werden. Dazu wären aber besondere freundschaftliche Bande zwischen den betreffenden Leistungspartnern zu konkretisieren. Die geschilderte Beziehung sei aber nicht in der Lage, eben dieses Naheverhältnis plausibel zu begründen bzw. darzulegen. Dies würde dadurch dokumentiert, dass Frau X bei der privaten Geburtstagsfeier des Bw nicht anwesend gewesen sei, sondern stattdessen auf dessen Veranlassung das Lokal aufgesperrt, dem dort anwesenden polnischen Gästen Kaffee verabreicht und mit diesen geplaudert habe, wie es bei Servierkräften im Gastgewerbe üblich sei. Demzufolge sei die Angabe, dass die Gäste auf den Bw gewartet hätten, um ihn in der Folge geschäftlich zu kontaktieren, unglaubwürdig.

 

Es sei daher zusammenfassend davon auszugehen, dass zumindest konkludent ein Dienstvertrag entstanden und daher der Kollektivvertrag für das Gastgewerbe, im Zweifel jedenfalls eine angemessene Entlohnung gemäß § 1152 ABGB als bedungen gelte. Dass keine Entlohnung in Geldform stattfand sei zum einen nicht glaubwürdig und würde dies zum anderen in der Regel erst nach erfolgter Arbeit geschehen.

 

Der Berufungswerber habe daher den ihm zur Last gelegten Sachverhalt verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten.

 

Die Festsetzung der Strafe sei tat- und schuldangemessen, wobei kein Umstand als strafmildernd, hingegen vorliegende, bereits rechtskräftige Übertretungen nach der Gewerbeordnung als Erschwerungsgrund zu werten gewesen wären.

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Bw innerhalb offener Frist Berufung in gesamtem Umfang eingebracht und als Berufungsgründe mangelnde Beweiswürdigung, mangelnde Sachverhaltsfeststellung sowie unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt wie folgt:

 

2.1. Zum Kontrollzeitpunkt sei die polnische Staatsbürgerin X in den Räumlichkeiten des Bw gemeinsam mit weiteren 4 Personen angetroffen worden.

 

Der Bw betreibe in diesen Räumlichkeiten weder eine Gastwirtschaft noch ein X. Die Räumlichkeiten würden vom Berufungswerber sowohl Landsleuten als auch einem Dartclub zur Verfügung gestellt, welche sich selbst versorgen würden. Kaffee würde den Besuchern gratis angeboten. Der Berufungswerber erhalte lediglich Trinkgeld und Erlöse aus den aufgestellten Automaten bzw. eine geringe Standgebühr vom Eigentümer des aufgestellten Getränkeautomaten. Diese Gelder würden für die Bestreitung der Betriebskosten bzw. der Miete verwendet werden. Es könne keinesfalls von einem klassischen Lokal, insbesondere nicht von einem Wettlokal gesPen werden, da auch keine regelmäßigen Öffnungszeiten bestünden, sondern die Räumlichkeiten immer nur am Abend geöffnet würden.

 

Frau X sei dem Grunde nach nicht als Kellnerin tätig gewesen. Sie habe die Räumlichkeiten lediglich geöffnet und damit den Gästen zugänglich gemacht. Auch habe sie den anwesenden Gästen gratis Kaffee zur Verfügung gestellt, bzw. diesen Kaffee zubereitet. Diese „Arbeiten“ habe Frau X ausschließlich deshalb erbracht, da sie von einem sehr guten Bekannten, eben dem Bw, der an diesem Tag Geburtstag feierte, darum gebeten worden sei.

 

Sowohl Frau X als auch dem Bw wäre klar gewesen, dass dieser kleine Freundschaftsdienst unentgeltlich verrichtet würde. Insbesondere habe Frau X nie erwartet, dafür eine Gegenleistung zu erhalten. Sie habe sich für diesen Freundschaftsdienst bereit erklärt, da sie die Familie des Bw schon seit Jahren sehr gut kenne und insbesondere die Gattin des Bw eine ihrer besten Freundinnen sei.

 

Darüber hinaus sei festzuhalten, dass die „Tätigkeit“ von Frau X um 19:30 Uhr begonnen und um 20:08 bereits wieder geendet habe, da zu diesem Zeitpunkt der Bw in die Räumlichkeiten gekommen sei.

 

2.2. Als mangelnde Beweiswürdigung sei geltend zu machen, dass den nachvollziehbaren Aussagen des Bw und von Frau X, insbesondere im Zusammenhang mit der Unentgeltlichkeit der erbrachten Leistung, mit dem lapidaren Hinweis auf § 1152 ABGB kein Glauben geschenkt wurde, um dadurch eine Strafbarkeit begründen zu können. Bei rechtsrichtiger Beweiswürdigung hätte die belangte Behörde zum Ergebnis kommen müssen, dass weder ein Entgelt vereinbart noch erwartet worden sei. Ebenso sei nicht nachvollziehbar, wie die belangte Behörde zum Ergebnis kommt, es handle sich bei den Räumlichkeiten in P 2 um ein Wettlokal, da hiefür jegliche Anhaltspunkte fehlen würden.

 

2.3. Als mangelnde Sachverhaltsfeststellung sei vorzuwerfen, dass die belangte Behörde die Angaben von Frau X und der Gattin des Bw in Bezug auf ihr freundschaftliches Verhältnis nicht ausreichend geprüft habe. Bei rechtsrichtiger Sachverhaltsfeststellung hätte die belangte Behörde zu einem Ergebnis kommen müssen, dass auf Grund des langjährigen freundschaftlichen Verhältnisses sehr wohl ein Gefälligkeits- bzw. Freundschaftsdienst vorliege und Frau X, die selbst Mitglied des in den Räumlichkeiten agierenden Dartvereins sei, nur die Clubräumlichkeiten aufgesperrt, also zugänglich gemacht habe.

 

2.4. Eine unrichtige rechtliche Beurteilung sei der belangten Behörde dahingehend vorzuwerfen, als sie den Bw fälschlicherweise als Dienstgeber von Frau X qualifiziere. Frau X sei niemals verpflichtet gewesen, die erbetene Gefälligkeit des Aufsperrens auch tatsächlich zu erbringen. Dem entsprechend handle es sich bei Frau X auch um keine Dienstnehmerin im Sinne der sozialversicherungsrechtlichen Begriffsbestimmungen. Frau X hätte die Räumlichkeiten in P jederzeit wieder schließen und nach Hause fahren können. Es habe weder Weisungs- noch Kontrollbefugnisse des Bw gegeben und es habe keine persönliche Arbeitspflicht bzw. eine Verpflichtung gegeben, die Räumlichkeiten in P 2 offen zu halten. Frau X hätte die Gäste „hinauskomplimentieren“ können oder – bei Eintreffen weiterer Mitglieder des Dartvereins – diesen die Aufsicht über die Räumlichkeiten übertragen können.

 

Bei einem derartigen Freundschaftsdienst entstünde keine Meldepflicht zur Sozialversicherung.

 

Auch wenn Entgeltlichkeit kein bloßes Merkmal des Beschäftigungsverhältnisses, sondern eine weitere Voraussetzung der Vollversicherungspflicht sei, sei nochmals darauf hinzuweisen, dass zwischen den Leistungsparteien Unentgeltlichkeit zumindest konkludent vereinbart worden sei. § 1152 ABGB sei bezüglich der „Freundschaftsdienste“ der Frau X nicht anwendbar.

 

Selbst bei gegenteiliger Annahme – was ausdrücklich bestritten würde – wären die Grenzwerte des § 5 Abs.2 Z1 ASVG nicht überschritten worden, sodass jedenfalls nicht von einer Vollversicherungspflicht ausgegangen werden könne.

 

Es sei daher festzuhalten, dass der Bw das inkriminierte Verhalten schon objektiv nicht verwirklicht habe.

 

2.5. Das angefochtene Straferkenntnis sei daher jedenfalls materiell rechtswidrig. Ergänzend würde die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung zum Zweck der Einvernahme von Frau X und der Gattin des Bw beantragt. Darüber hinaus würden die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens gegen dem Bw begehrt.

 

3.            Die Bezirkshauptmannschaft Eferding hat mit Schreiben vom 25.02.2013, eingelangt am 01.03.2013, die Berufung samt bezughabendem Verwaltungsstrafakt zur Entscheidung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

 

4.           Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme.

Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 51e Abs.2 VStG unterbleiben, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass das mit Berufung angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist.

 

4.1.          Danach steht folgender erwiesener Sachverhalt fest:

 

Der Bw hat im Standort X, X, Räumlichkeiten angemietet, die er in den Abendstunden Landsleuten und einem Dartclub als Treffpunkt zur Verfügung stellt. In diesen Räumlichkeiten, in denen sich auch ein Pokertisch befindet, wird Kaffee unentgeltlich aus einem Automaten angeboten, andere Getränke können ebenfalls über einen Automaten konsumiert werden, Speisen können bei einem Zustelldienst bestellt werden. Es handelt sich um keinen Gastgewerbebetrieb und insbesondere um kein Wettlokal. Der Bw erhält aus dieser Tätigkeit lediglich geringfügige Trinkgelder sowie Erlöse aus der Automatenaufstellung, die für die Deckung der Miete herangezogen werden. In seinem Hauptberuf betreibt der Bw eine Schwarzdeckerei.

 

Am 14.02.2012, dem 43. Geburtstag des Bw, ersuchte dieser gegen 19.15 Uhr die ihm gut bekannte X, die selbst teilweise bei seiner Geburtstagsfeier anwesend war, die oben angeführten Räumlichkeiten aufzusperren und auf das Lokal „aufzupassen“, da er selbst noch mit Arbeitskollegen beisammensaß. Der Bw veranlasste in der Folge, dass Frau X in den Besitz des Schlüssels gelangte und von seiner Nichte zu den Räumlichkeiten gefahren wurde. Um etwa 19.30 Uhr hat Frau X die Räumlichkeiten geöffnet und vier polnischen Staatsangehörigen, die den Bw beruflich treffen wollten, gratis Kaffee aus dem Automaten verabreicht.

 

Diese Situation wurde anlässlich einer Kontrolle durch Organe des Finanzamtes Grieskirchen Wels um 19.40 Uhr vorgefunden. Frau X wurde ersucht, ein Personenblatt auszufüllen, in dem sie angab, (nur) heute seit 19.30 Uhr, unentgeltlich als „aufpasen und kelnerin“ beschäftigt ist. Im Feld, in dem die Entlohnung einzutragen ist wurde, neben einer 0 für das Ausmaß der Bezahlung handschriftlich eingefügt: „ich bin eine gute bekante von her X und ich arbeiten für en heute 14.04.2012“. In der Rubrik ‚Arbeitsanweisungen erhalte ich von:‘ wurde eingefüllt: „Schlusel von Gescheft von X“

 

Frau X verständigte daraufhin den Bw, der kurz nach 20.00 Uhr eintraf, und verließ in weiterer Folge die Amtshandlung. Sie ist eine seit mehreren Jahren Bekannte der Familie, insbesondere der Frau des Bw. Das Verhältnis ist, abgesehen von der Einladung zur Geburtstagsfeier, zumindest so ausgeprägt, dass die beiden Frauen einander ihre Kinder bedenkenlos zur Beaufsichtigung anvertrauten.

 

Für die Leistung von Frau X wurde kein Entgelt vereinbart, es hat auch kein Zahlungsfluss stattgefunden. Frau X ist bei der Fa. X beschäftigt und finanziell soweit unabhängig, dass die Notwendigkeit einer zusätzlichen Tätigkeit nicht gegeben ist. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass Frau P auch nur ein weiters Mal auf die Räumlichkeiten des Bw „aufgepasst“ oder andere Dienstleistungen erbracht hätte.

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

Im Wesentlichen gehen sowohl die Anzeige als auch das angefochtene Straferkenntnis vom Zustandekommen eines (Dienst-)Vertrages und damit (im Zweifel) vereinbarte Entgeltlichkeit aus. Gestützt wird diese Rechtsansicht, mit der das Vorliegen eines (unentgeltlichen) „Freundschaftsdienstes“ ausgeschlossen wird, damit, dass der Bw das besondere Naheverhältnis bzw. die freundschaftlichen Bande – iSv „atypischen Elementen“ zum Unterscheid eines „normalen“ Leistungsverhältnisses – nicht näher konkretisiert hat bzw. nachweisen konnte. Dieser Ansicht kann aus folgenden Gründen nicht gefolgt werden:

 

5.1. Es stellt durchaus ein – auch als freundschaftlich zu bezeichnendes – Naheverhältnis dar, wenn man – wie Frau P – sein Kind einer Person bzw. deren Familie wiederholt anvertraut, damit es in der Zeit der eigenen, zudem abendlichen Arbeit beaufsichtigt und betreut wird, insbesondere wenn dies gegenseitig der Fall ist.

 

Es ist weiters ein Zeichen enger Verbundenheit, zu einer Geburtstagsfeier eingeladen zu sein. Üblicher Weise sind dem Jubilar weniger oder garnicht bekannte Personen dort nicht anzutreffen.

 

5.2. Der Tag der eigenen Geburtstagsfeier stellt ebenfalls eine vom normalen Arbeitsalltag abweichende Situation dar. Dass der Jubilar im Kreise der Gäste länger als sonst zusammensitzt, ist zwar für eine Feier an sich nicht atypisch, wohl aber – und hier auch zu beurteilen – für den sonst üblichen, geregelten Tagesablauf.

 

5.3. Frau X hat sich spontan bereit erklärt, für den Bw einzuspringen und die von ihm angemieteten Räumlichkeit zu öffnen. Sie verfügte weder über einen Schlüssel noch hatte sich im Vorhinein damit gerechnet, diese Tätigkeit zu übernehmen, da sie auch für keine selbständige Hinfahrt gesorgt hatte. Dem Bw war es auch an seinem Geburtstag wichtig, die Räumlichkeiten zugänglich zu machen, weshalb er sich an diesem speziellen Tag der Unterstützung durch einen seiner Gäste bediente. Er hatte Frau X gegenüber offensichtlich auch das notwendige Vertrauen.

 

All diese Situationen und Abläufe entsprechen der allgemeinen Lebenserfahrung und sind in dieser oder ähnlicher Form wohl schon jedem untergekommen. Für das erkennende Mitglied stellt diese Konstellation den geradezu klassischen Fall eines freundschaftlichen Dienstes dar. In deartigen Einzel- bzw. Ausnahmefällen versicherungspflichtige Dienstverhältnisse annehmen zu wollen, würde der – für eine Gesellschaft darüber hinaus auch ganz allgemein wichtigen – Hilfsbereitschaft unter guten Bekannten einen Riegel vorschieben, der auch vom Gesetzgeber so nicht beabsichtigten ist, sofern derartige Leistungen in einem wirtschaftlichen Minimalbereich bleiben. Das ist hier aber – in Ermangelung zusätzlicher Anhaltspunkte oder Fakten – anzunehmen und unterscheidet die hier zu beurteilende Situation grundlegend von der dem auch in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnis zitierten Erkenntnis des VwGH vom 22.02.2006, 2005/09/0020, zu Grunde liegenden, bei der ein „langjähriger Bekannter“ polnischer Staatsangehöriger an 3 Tagen (!) tatsächlich bei Grabungsarbeiten betreten wurde.

 

5.4. Daneben finden sich weitere Elemente, die das Vorliegen eines Dienstvertrages mehr als konstruiert erscheinen lassen.

 

5.4.1. Aus der gesamten oben dargestellten Situation schließen zu wollen, dass im Zweifel (!) ein angemessenes Entgelt als bedungen gilt, entbehrt jeder lebensnahen Plausibilität. Die Ausführungen der Finanzbehörde, dass ja eigentlich gar kein kurzfristiges Einspringen, sondern eine länger andauernde Dienstlistung beabsichtigt war und üblicher Weise erst im Nachhinein bezahlt würde, kann nicht einmal im Ansatz belegt werden, und ist als „a priori-Einschätzung“ hart an der Grenze zur unterstellenden Spekulation. Der Beurteilungsmaßstab einer für ein Strafverfahren notwendigen Sicherheit ist bei dieser Faktenlage bei Weitem nicht erfüllt.

 

Hier fehlen für eine anderslautende Beurteilung entscheidende weitere Ermittlungsschritte, die wohl schon vor der Einbringung des Strafantrages hätten erfolgen müssen. So wäre es im Sinne der gebotenen Strafverfolgung durchaus wichtig zu wissen, ob Frau P nicht doch ab und zu „einspringt“. Im Verfahrensstadium der erstbehördlichen Ermittlungen, umso mehr im Berufungsverfahren, ist aufgrund der „einzementierten“ Argumentationslage die Erlangung weiterer Fakten nicht zu erwarten, wenn schon die aktenkundigen Vorbringen über weite Strecken nur noch das Bisherige wiederholen (können).

 

5.4.2. Worin eine die Arbeitnehmereigenschaft begründende Tätigkeit in diesen Räumlichkeiten u.U. über das „Aufpassen“ hinaus besteht, wäre ebenfalls tatbilddokumentierend, denn wodurch im konkreten Fall das klassische Berufsbild der Kellnerin hätte erfüllt werden sollen, ist bei Angebot und Ausstattung des „Lokals“ in keiner Weise ersichtlich.

 

Die Angaben im Personenblatt für sich können ein tatsächliches „Kellnern“ nicht darlegen, wenn der Nachweis allein in der Anführung des Wortes besteht. Aus dem (oben ansatzweise dargestellten) Gesamtbild dieses Formulars ergeben sich nachhaltige Zweifel, ob Frau X Inhalt und (die bis hin zu Strafverfolgung reichende) Bedeutung dieser Angaben bewusst war. Zudem gibt die Finanzbehörde in diesem Zusammenhang selbst an, Frau X aufgefordert zu haben, „den Umstand ihrer Tätigkeit, bei der sie betreten wurde anzugeben“. Das Kellnern kann zwar objektiv schon im Transport der Kaffeebecher vom Automaten zum Konsumenten erblickt werden. Dadurch entsteht aber sicherlich kein Dienstvertrag, da das Anbieten und Servieren von Kaffee ebenso gut als Geste der Höflichkeit gegenüber möglichen Geschäftspartnern des Bw (was ebenfalls nicht wiederlegt ist) gesehen werden kann, wenn es sich bei diesen Gästen zudem um polnische Landsleute handelt.

 

Ebensowenig entsteht ein Dienstvertrag durch das „Plaudern mit den Gästen, wie es von Servierkräften im Gastgewerbe erwartet wird“. Sich mit Landsleuten zu unterhalten, während diese  auf den Bw warten, ist wohl als normal zu bezeichnen. Daraus lässt sich nichts ableiten außer der Tatsache, dass der Bw offenkundig doch in der nächsten Zeit zu kommen gedachte und dies Frau X bekannt war.

 

5.4.3. Reduziert auf die belegbar dargestellte Situation ist von einer einmaligen, kurzfristigen freundschaftlichen Hilfe von Frau X auszugehen. Die finanzielle Notwendigkeit, zusätzliche Tätigkeiten auszuüben besteht augenscheinlich nicht. Ein tatsächlicher Zahlungsfluss ist nicht anzunehmen und noch weniger nachzuweisen. Geht man – wiederum in Ermangelung weiterer Anhaltspunkte – von einer tatsächlichen Ausnahmesituation aus, muss vor dem wirtschaftlichen Hintergrund der beteiligten Personen und der erbrachten Leistung tatsächlich Unentgeltlichkeit angenommen werden, wofür Konkludenz ausreicht (vgl. Krejci in Rummel, § 1152 [Rz 23]).

 

5.4.4. Auf der Basis dieser Beurteilung der erwiesenen Umstände ist die Annahme der persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit von Frau X weit überzogen.

 

Das Entstehen eines Dienstverhältnisses kann daher nicht angenommen werden, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Markus Kitzberger

 

 

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