Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-523209/36/Zo/Ai/AK

Linz, 28.01.2013

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über die Berufung des Herrn x, geb. x vom 5.7.2012 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 14.6.2012, Zl. VerkR21-727-2011 wegen Entziehung der Lenkberechtigung zu Recht erkannt:

 

I.          Der Berufung wird teilweise stattgegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass die Lenkberechtigung des Berufungswerbers wie folgt eingeschränkt wird:

·   Befristung auf 1 Jahr, gerechnet ab 9.1.2013

·   Drogenhaaranalyse auf Cannabis spätestens im Juni und im Dezember 2013 und Vorlage der Untersuchungsergebnisse an die Führerscheinbehörde

·   Amtsärztliche Nachuntersuchung

 

II.      Der Berufungswerber wird verpflichtet, binnen 2 Wochen seinen     Führerschein zur Neuausstellung bei der Führerscheinbehörde             abzuliefern.

 

III.     Der Feststellungsantrag betreffend die gesundheitliche Lenkeignung bei     Verwendung von Dronabinol wird als unzulässig zurückgewiesen.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.:       §§ 66 Abs.4 und 67a Abs.1 AVG, §§ 24 Abs.1 und 8 Abs.3 FSG sowie § 14 Abs.5 und 2               Abs.1 FSG-GV

zu II.:      § 13 Abs.6 FSG

zu III.: § 66 Abs. 4 AVG

 

Hinweis:

Der Berufungswerber wird darauf hingewiesen, dass bei den beiden Haaruntersuchungen das Kopfhaar im Hinterhauptsbereich zumindest ca. 6 cm lang sein sollte.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit dem angefochtenen Bescheid dem Berufungswerber die Lenkberechtigung für die Klasse B für die Dauer der gesundheitlichen Nichteignung, gerechnet ab Rechtskraft dieses Bescheides, entzogen. Für denselben Zeitraum wurde ihm auch das Lenken eines 4-rädrigen Leicht-Kfz verboten und er wurde verpflichtet, seinen Führerschein nach Rechtskraft bei der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck oder bei der Polizeiinspektion Vöcklamarkt abzuliefern. Einer allfälligen Berufung wurde die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt.

 

2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung führte der Berufungswerber zusammengefasst aus, dass er seit der Verschreibung von Dronabinol am 30.12.2011 kein natürliches Cannabis mehr konsumiere. Dies ergebe sich auch aus der fachärztlichen Stellungnahme des Dr. x vom 13.2.2012. Auf Grund des amtsärztlichen Gutachtens vom 15.3.2012 sowie der Gefahr, dass ihm die Lenkberechtigung mit sofortiger Wirkung entzogen würde, habe er sich entschlossen, das Medikament Dronabinol abzusetzen. Zum Beweis dafür legte er 2 aktuelle Harntests vom 13.6. und 4.7.2012 vor, welche jeweils auf Cannabis negativ waren. Soweit sich die Entziehung daher darauf stütze, dass er beinahe täglich Cannabis konsumiere und davon abhängig sei bzw. den Konsum von Cannabis und die Teilnahme am Straßenverkehr nicht trennen könne, gehe die erste Instanz von einem völlig falschen und überholten Sachverhalt aus.

 

Auch beim Vorfall am 22.9.2011 habe er die Fahrt erst Stunden nach dem Konsum von Cannabis angetreten. Die Annahme, dass er von Cannabis abhängig sei, sei vor dem Hintergrund der fachärztlichen Stellungnahme vom 13.2.2012 ebenso willkürlich wie die Annahme, dass er (nach wie vor) den Konsum von Cannabis und die Teilnahme am Straßenverkehr nicht trennen könne.

 

Er behaupte nicht, dass er unter der Einwirkung von Cannabis fahrtauglich wäre, es sei allerdings wissenschaftlich umstritten, wie lange die psychotrope Wirkung von Cannabis anhalte. Üblicherweise werde von 3-4 Stunden ausgegangen, wobei jedoch diesbezüglich keine einheitliche Meinung besteht. Dazu legte der Berufungswerber ein Privatgutachten von Dr. x vom 26.2.2012 vor.

 

Die Amtsärztin habe die fachärztliche Stellungnahme von Dr. x nicht widerlegt, sie gehe nicht darauf ein, dass der Facharzt die Verschreibung von Dronabinol für plausibel halte und nehme zum psychischen Untersuchungsbefund nicht Stellung. Sie habe sich mit den Ausführungen des Psychiaters inhaltlich überhaupt nicht auseinandergesetzt sondern nur bemerkt, dass diese von einem "als Cannabisarzt" bekannten Facharzt stammen würde. Weiters habe sie das Medikament "Dronabinol" als Cannabisprodukt bezeichnet und ausgeführt, dass die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen bei gleichzeitigem Konsum von Cannabisprodukten nicht gegeben sei. Ihr Gutachten sei unschlüssig.

 

Soweit sie auf Anzeigen nach dem Suchtmittelgesetz aus den Jahren 1999 und 2005 zurückgreife, seien diese Sachverhalte durch die Überprüfung der gesundheitlichen Eignung und uneingeschränkte Erteilung der Lenkberechtigung vor mehr als 5 Jahren längst abgetan und nicht mehr relevant.

 

Die Erstbehörde habe weiters seinen Antrag auf Feststellung, dass die Verwendung des Medikamentes Dronabinol gemäß der ärztlichen Verschreibung seine gesundheitliche Eignung nicht berühre, nicht erledigt. Die Begründung, dass Dronabinol deshalb nicht verwendet werden dürfe, weil nicht geprüft werden könne, in welchem zeitlichen Abstand vor dem Lenken eines Kfz der Berufungswerber dieses Medikament eingenommen habe, sei völlig haltlos. Es gebe zahlreiche Medikamente, welche die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen und es liege in der Verantwortung des jeweiligen Lenkers, die Anweisungen für die Medikamenteneinnahme zu befolgen.

 

Es wurde die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung, die ersatzlose Behebung des Bescheides sowie die Feststellung beantragt, dass die Verwendung des Medikamentes Dronabinol im ärztlich verordneten Ausmaß unter Einhaltung der vom Hersteller angegebenen 6 Stunden ab Einnahme die gesundheitliche Lenkeignung des Berufungswerbers nicht berührt.

 

3. Der Bezirkshauptmann von Vöcklabruck hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

 

4. Der UVS des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Einholung weiterer amtsärztlicher Gutachten auf der Basis von ergänzten fachärztlichen Stellungnahmen und sonstiger Unterlagen sowie Wahrung des Parteiengehörs. Der Berufungswerber hat mit Schreiben vom 18.1.2013 auf die mündliche Verhandlung verzichtet, die Erstinstanz hat diesem Verzicht telefonisch zugestimmt.

 

 

 

 

4.1. Folgender Sachverhalt steht fest:

 

Der Berufungswerber ist im Besitz einer Lenkberechtigung für die Klasse B. Diese wurde ihm am 29.3.2006 zu Zl. 06079039 ohne Einschränkungen erteilt. Anlass für das gegenständliche Verfahren war offenbar eine Anzeige der Verkehrspolizeiinspektion Erlangen, nach welcher der Berufungswerber am 22.9.2011 in Bayern auf der A x den Pkw mit dem Kennzeichen x in einem durch Cannabis beeinträchtigten Zustand gelenkt hatte. Bei der im Zuge der Amtshandlung durchgeführten medizinischen Untersuchung gab der Berufungswerber an, beinahe täglich wegen seiner Schmerzen Cannabis zu  rauchen. Dem Berufungswerber wurde Blut abgenommen, die Auswertung ergab einen THC Wert von 4,8 ng/ml (bei einem Grenzwert von 1,0 ng/ml). Weiters wurden Abbauprodukte von THC festgestellt, die Untersuchung auf Amphetamine, Kokain und Opiate verlief negativ. Der Berufungswerber wurde wegen dieses Vorfalles mit einem Bußgeldbescheid der Zentralen Bußgeldstelle im bayrischen Polizeiverwaltungsamt rechtskräftig mit einer Geldstrafe bestraft und es wurde ein Fahrverbot in der Dauer von einem Monat angeordnet.

 

Der Berufungswerber wurde von der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck gemäß § 24 Abs.4 FSG verpflichtet, sich einer amtsärztlichen Untersuchung zur Überprüfung der gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen zu unterziehen. Diese Untersuchung erfolgte am 20.1.2012, der Berufungswerber legte eine fachärztliche Stellungnahme Dr. x vom 13.2.2012 sowie einen auf Cannabis positiven Harnbefund vom 24.1.2012 vor. Entsprechend der fachärztlichen Stellungnahme hatte der Berufungswerber in der Vergangenheit zur Schmerzdistanzierung und für einen besseren Schlaf versuchsweise Cannabis geraucht. Nach der Verkehrskontrolle habe ihm sein Hausarzt Dronabinol verschrieben, wobei diese Indikation nach Ansicht des Facharztes plausibel sei. Der psychische Untersuchungsbefund sei völlig unauffällig. Nach Ansicht des Facharztes bestünden keine Hinweise auf eine psychische Erkrankung, eine Überprüfung der kraftfahrzeugspezifischen Leistungsfähigkeit sei auf Grund des Gesamteindruckes nicht notwendig gewesen. Der Berufungswerber sei zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 geeignet, eine fachärztliche Kontrolle sei nicht notwendig, da keine psychiatrische Erkrankung vorliege.

 

Die erstinstanzliche Amtsärztin berücksichtigte auch eine fachärztliche Stellungnahme aus dem Jahr 2001, wonach damals ein Suchtmittelmissbrauch vorgelegen habe und eine befristete Verlängerung der Lenkberechtigung sowie 2- monatliche Harntest vorgeschlagen wurden. Eine weitere fachärztliche Stellungnahme aus dem Jahr 2005 geht von einem gehäuften Konsum von Cannabis aus, wobei es notwendig sei, dass der Berufungswerber den Cannabiskonsum beende. Dies müsse in regelmäßigen unangemeldeten Zeitpunkten überprüft werden. Unter Berücksichtigung dieser Unterlagen sowie der eigenen Untersuchung kam die Amtsärztin zum Schluss, dass der Berufungswerber nicht zum Lenken von Kfz der Gruppe B geeignet sei. Dies wurde zusammengefasst damit begründet, dass die Eignung zum Lenken von Kfz bei gleichzeitigem Konsum von Cannabisprodukten nicht gegeben sei.

 

Der Berufungswerber gab dazu in seiner Stellungnahme an, dass die Ausführungen der Amtsärztin nicht schlüssig seien und diese offenbar voreingenommen sei. Um eine Entziehung der Lenkberechtigung zu vermeiden habe er die Verwendung des Medikamentes Dronabinol abgesetzt. Er habe jedoch ein rechtliches Interesse an der Feststellung, dass die Verwendung dieses Medikamentes gemäß ärztlicher Verschreibung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen nicht berührt und daher keine Einschränkung seiner Lenkberechtigung rechtfertigt. Die Amtsärztin führte dazu in einer ergänzenden Stellungnahme vom 9.5.2012 aus, dass Dronabinol auch bei bestimmungsgemäßen Gebrauch das Reaktionsvermögen soweit verändern kann, dass die Fähigkeit zur aktiven Teilnahme am Straßenverkehr beeinträchtigt werden kann. Das erste Rezept für Dronabinol sei vom Hausarzt am 30.12.2011 ausgestellt worden, davorliegende positive Harnergebnisse könnten daher nicht auf die Einnahme dieses Medikamentes zurückgeführt werden. Zu den älteren fachärztlichen Stellungnahmen führte sie an, dass im Jahr 2005 Dr. x einen gehäuften Konsum von Cannabis bestätigt habe und im Jahr 2001 Dr. x einen Zustand nach Suchtmittelmissbrauch diagnostiziert habe.

 

Der Berufungswerber äußerte sich dazu dahingehend, dass er selbstverständlich bereit sei, die sich aus der Natur des Medikamentes (gemeint Dronabinol) ergebenden Einschränkungen einzuhalten. Er werde das Medikament nur unter Einhaltung der vom Hersteller angegebenen Zeitspanne zwischen Einnahme des Medikamentes und Lenken von Kraftfahrzeugen verwenden. Die fachärztlichen Stellungnahmen vom Februar 2001 und Juli 2005 seien aus rechtlichen Gründen nicht relevant und würden auch tatsächlich schon viel zu lange zurückliegen. Die Amtsärztin habe die Schlüssigkeit der Stellungnahme des Dr. x vom 13.2.2012 nicht widerlegt.

 

Daraufhin erging der oben bezeichnete Bescheid, gegen welchen der Berufungswerber die bereits angeführte Berufung eingebracht hat.

 

Vom UVS wurde mit Schreiben vom 9.8.2012 ein neuerliches amtsärztliches Gutachten von der Abteilung Gesundheit angefordert, welches schließlich am 15.10.2012 erstellt wurde. Dieses führt zusammengefasst aus, dass die Stellungnahme des Dr. x vom 13.2.2012 den Berufungswerber als verantwortungsbewusst in der Einstellung zur Teilnahme am Straßenverkehr beschreibe, was auf Grund der aktenkundigen Tatsache, dass dieser in einem durch Drogen beeinflussten Zustand ein Kfz gelenkt habe, nicht zutreffend sei. Weiters sei nach Vorliegen einer positiven fachärztlichen psychiatrischen Stellungnahme eine verkehrspsychologische Untersuchung durchzuführen, welche die kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit und die Bereitschaft zur Verkehrsanpassung überprüfe. Eine weitere Beurteilung sei erst nach Vorliegen dieser Befunde möglich. Diese Stellungnahme wurde dem Berufungswerber mit Schreiben vom 25.10.2012 übermittelt.

 

Der Berufungswerber hatte mit Schreiben vom 29.10.2012 eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wegen Verletzung der Entscheidungspflicht eingebracht, weshalb dem UVS vom VwGH mit Schreiben vom 6.11.2012 eine Frist von 3 Monaten zur Nachholung des Bescheides eingeräumt wurde.

 

Auf Grund einer verkehrspsychologischen Untersuchung vom 23.11.2012 ist beim Berufungswerber die kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit gegeben und die Bereitschaft zu verkehrangepasstem Verhalten kann angenommen werden. Der Berufungswerber ist daher aus verkehrspsychologischer Sicht zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B geeignet.

 

Mit Schreiben vom 29.11.2012 legte  der Berufungswerber eine Ergänzung der fachärztlichen Stellungnahme des Dr. x vom 26.11.2012 vor. Entsprechend dieser Ergänzung sei die Verwendung von Dronabinol als Schmerzmittel nachvollziehbar, allerdings habe der Berufungswerber den medizinischen Gebrauch von Dronabinol eingestellt und konsumiere kein THC mehr. Diese Angaben würden durch Harntest vom 13. Juni, 4. Juli, 31. Juli und 14. November 2012 unterstützt. Die Einstellung des Konsums seit etwa einem halben Jahr beweise auch, dass keine Abhängigkeitserkrankung bestehe. Es liege keine psychiatrische Erkrankung vor, weshalb der Führerschein belassen werden könne. Um die weitere Abstinenz zu dokumentieren empfahl der Facharzt, ein weiteres Jahr lang im Quartalsabstand Harntests vorlegen zu lassen.

 

Zum Vorfall vom 22.9.2011 könne aus psychiatrischer Sicht nicht viel ausgesagt werden. Der Berufungswerber habe offensichtlich Gesetze verletzt, andererseits bestand für ihn eine medizinisch nachvollziehbare Begründung, nämlich dahingehend, dass ihm der Konsum von Cannabis eine Schmerzerleichterung verschafft habe und der Konsum wäre ungefähr 17 Stunden vor der Kontrolle erfolgt. Er habe sich nicht beeinträchtigt gefühlt.

 

Dazu gab die Amtsärztin mit Schreiben vom 10.12.2012 zusammengefasst an, dass die fachärztliche Stellungnahme weiterhin nicht den Kriterien einer Stellungnahme gemäß FSG-GV entspreche. Insbesondere sei die Frage zu beantworten ob beim Berufungswerber gehäufter Drogenmissbrauch oder Abhängigkeit bestehe. Die Stellungnahme sei nicht nachvollziehbar und verharmlose den Vorfall vom 22.9.2011. Der Berufungswerber legte einen weiteren negativen Cannabisbefund vom 14.11.2012 vor. Er wurde mit Schreiben vom 17.12.2012 auf die Ergänzung der amtsärztlichen Stellungnahme hingewiesen und aufgefordert, die fachärztliche psychiatrische Stellungnahme dahingehend zu ergänzen, ob Abhängigkeit oder gehäufter Missbrauch vorliegt.

 

Dazu führte der Facharzt zusammengefasst aus, dass keine Hinweise auf eine Abhängigkeitserkrankung oder auf gehäuften Missbrauch in den letzen Monaten vorliegen. Der Vertreter des Berufungswerbers gab an, dass dieser den Konsum von natürlichem Cannabis im Dezember 2011 beendet habe und auch das Medikament Dronabinol im Frühjahr 2012 abgesetzt habe. Er habe seither seine gesundheitliche Lenkeignung mehrfach unter Beweis gestellt. Der Anlassfall vom 21.9.2011 sei kein zwingender Grund für den Entfall der gesundheitlichen Eignung. Der Berufungswerber wäre zur Vorlage von Befunden gar nicht verpflichtet gewesen, dennoch habe er diese aus freien Stücken beigebracht. Die Sache sei im Sinne einer Stattgebung der Berufung entscheidungsreif. Mit Schreiben vom 4.1.2013 übermittelte der Berufungswerber einen weiteren negativen Harntest betreffend Cannabis.

 

Die Amtsärztin führte in ihrer abschließenden Stellungnahme vom 9.1.2013 aus, dass nach den Ergebnissen der verkehrspsychologischen Untersuchung eine ausreichende kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit und Bereitschaft zur Verkehrsanpassung besteht. Unter Hinweis auf die ergänzte fachärztliche Stellungnahme des Dr. x bestehe keine psychiatrische Erkrankung, auch der Facharzt halte aber einen weiteren Abstinenznachweis für ein Jahr für notwendig. Aus amtsärztlicher Sicht sollte – da dies auch die Amtsärztin der Erstinstanz verlangt hatte – auch eine Untersuchung auf Opiate und Amphetamine eingefordert werden. Es sollte daher innerhalb des ersten Jahres 2-mal eine Untersuchung des Kopfhaares auf Suchmittel (Routineumfang) durchgeführt werden, erstmals im Mai 2013 und im November 2013. Diese Stellungnahme wurde dem Vertreter des Berufungswerbers zur Kenntnis gebracht und er führte dazu folgendes an:

 

Die Amtsärztin habe die verkehrspsychologische Stellungnahme als unbedenklich übernommen und lasse die fachärztliche Stellungnahme von Dr. x vom 26.11.2012 nun als schlüssig und vollständig gelten. Demnach liege keine Abhängigkeitserkrankung und seit Dezember 2011 kein Cannabiskonsum mehr vor. Seit April 2011 werde nicht einmal mehr das THC-hältige Medikament Dronabinol angewendet und regelmäßige Harnkontrollen würden die Abstinenz sei Mai 2012 dokumentieren.

 

Der Berufungswerber habe den aus medizinisch nachvollziehbaren Überlegungen zur Schmerzlinderung erfolgten Konsum von natürlichem Cannabis im Dezember 2011 nach Verschreibung des Medikaments Dronabinol beendet und aufgrund der drohenden Entziehung der Lenkberechtigung habe er dieses Medikament im Frühjahr 2012 abgesetzt. Aufgrund dieser Sachlage sei nach österreichischem Recht keine Einschränkung der Lenkberechtigung zulässig. Es sei weder eine Krankheit diagnostizierbar noch eine wahrscheinliche Verschlechterung einer Krankheit, die zum Verlust der gesundheitlichen Eignung führen könnte. Die vom Facharzt vorgeschlagenen Kontrolluntersuchungen seien entsprechend dem Führerscheinrecht nicht nachvollziehbar.

 

Die von der Amtsärztin geforderte zweimalige Haaranalyse mit der Begründung, dass auch Abstinenznachweise hinsichtlich Opiate und Amphetamine gefordert werden, sei sachlich nicht gerechtfertigt. Der Vorfall aus dem Jahr 1999 sei führerscheinrechtlich längst erledigt und rechtfertigte keinen neuen Überwachungskreislauf.

 

5. Darüber hat der UVS des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht folgendes erwogen:

 

5.1. Gemäß § 24 Abs.1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1.    die Lenkberechtigung zu entziehen oder

2.    die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diesfalls ist gemäß § 13 Abs. 5 ein neuer Führerschein auszustellen.

Für den Zeitraum einer Entziehung der Lenkberechtigung für die Klassen A, B oder F ist auch das Lenken von vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen unzulässig, es sei denn es handelt sich

1. um eine Entziehung gemäß § 24 Abs. 3 achter Satz oder

2. um eine Entziehung der Klasse A wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung, die ausschließlich mit dem Lenken von einspurigen Kraftfahrzeugen zusammenhängt.

 

Gemäß § 14 Abs. 3 FSG-GV darf Personen, die ohne abhängig zu sein, in einem durch Sucht- oder Arzneimittel beeinträchtigten Zustand ein Kraftfahrzeug gelenkt haben, eine Lenkberechtigung weder erteilt noch belassen werden, es sei denn, sie haben ihre Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen durch eine verkehrspsychologische und eine fachärztliche Stellungnahme nachgewiesen.

 

Gemäß § 14 Abs. 4 FSG-GV darf Personen, die aus medizinischen Gründen Sucht- oder Arzneimittel erhalten, die geeignet sind, die Fahrtauglichkeit zu beeinträchtigen, nach einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme eine Lenkberechtigung erteilt oder belassen werden.

 

Gemäß § 14 Abs.5 FSG-GV ist Personen, die alkohol, sucht- oder arzneimittel- abhängig waren oder damit gehäuften Missbrauch begangen haben, nach einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme und unter der Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen eine Lenkberechtigung der Gruppe 1 zu erteilen oder wiederzuerteilen.

 

Gemäß § 13 Abs. 5 FSG ist in den vorläufigen Führerschein jede gemäß § 8 Abs. 3 Z2 oder 3 oder aus anderen Gründen ausgesprochene Befristung, Beschränkung der Lenkberechtigung sowie die Vorschreibung etwaiger Auflagen einzutragen. Bei der Ereilung der Lenkberechtigung für eine weitere Fahrzeugklasse (Ausdehnung der Lenkberechtigung) oder bei Eintragung nachträglich ausgesprochener Befristungen, Beschränkungen oder Auflagen ist der Führerschein der Behörde zwecks Neuausstellung abzuliefern. Für die Durchführung weiterer Ergänzungen, wie etwa Änderung des Namens oder des Wohnsitzes, ist von der Behörde auf Antrag unter Vorlage der erforderlichen Dokumente die Herstellung eines neues Führerscheines zu veranlassen.

 

5.2. Der Berufungswerber hat am 22.09.2011 einen PKW in einem durch Cannabis beeinträchtigten Zustand gelenkt. Dieser Umstand ist aufgrund der rechtskräftigen Bestrafung durch die zentrale Bußgeldstelle im bayrischen Polizeiverwaltungsamt erwiesen. Es ist daher jedenfalls die Bestimmung des § 14 Abs. 3 FSG-GV anzuwenden, wonach er eine verkehrspsychologische und eine fachärztliche Stellungnahme beibringen musste. Die Bestimmung des § 14 Abs. 4 FSG-GV kann dagegen für den Berufungswerber nicht angewendet werden, weil es bei dieser Regelung um jene Fälle geht, in denen einer bestimmten Person Sucht- oder Arzneimittel aus medizinischen Gründen verordnet werden. Der Berufungswerber hat jedoch Cannabis (in Form von Joints) ohne medizinische Verschreibung konsumiert. Sein Vorbringen, dass er dadurch eine Schmerzlinderung erreichen konnte, ist zwar nachvollziehbar, das ändert aber nichts daran, dass es sich dabei nicht um eine medizinisch angeordnete Behandlung handelt. Die Verwendung von Dronabinol hat er nach einer relativ kurzen Zeit wieder eingestellt.

 

Der Berufungswerber hat hingegen nach seinen eigenen Angaben bis zum Vorfall im September 2011 beinahe täglich Cannabis konsumiert und den Konsum im Dezember 2011 beendet, was nach der von ihm vorgelegten fachärztlichen psychiatrischen Stellungnahme aber nicht zu einer Abhängigkeit geführt hat. Allerdings führt auch der Facharzt zur Frage eines gehäuften Suchtmittelmissbrauchs lediglich an, dass ihm keine Tatsachen vorliegen, die in den letzten Monaten gehäuften Missbrauchannehmen erlassen. Zu dem vorangegangen regelmäßigen Konsum von Cannabis bis Dezember 2011 führte der Facharzt lediglich aus, dass dieser Konsum aus medizinischer Sicht nachvollziehbar sei. Eine Bewertung, ob es sich dabei um gehäuften Missbrauch gehandelt habe, führte der Facharzt nicht durch.

 

Aus rechtlicher Sicht muss der regelmäßige Konsum von Cannabis über einen längeren Zeitraum jedenfalls als gehäufter Missbrauch gewertet werden. Bei Cannabis handelt es sich um ein verbotenes Suchtmittel und der Konsum wurde auch nicht medizinisch angeordnet, weshalb es sich um einen Missbrauch im rechtlichen Sinne handelt (siehe zB VwGH vom 23.05.2003, Zl. 2003/11/0042). Es darf nicht übersehen werden, dass der Konsum von Cannabis nach den Bestimmungen des Suchtmittelgesetzes verboten ist, weshalb es sich dabei – auch wenn es sich nur um geringe Mengen handelt – um einen "Missbrauch" handelt. Nach der ständigen Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes begründet zwar ein bloß gelegentlicher Konsum von Cannabis keine Bedenken an der gesundheitlichen Eignung, der Berufungswerber hat Cannabis jedoch nach seinen eigenen Angaben über einen längeren Zeitraum nahezu täglich konsumiert. In diesem Zusammenhang kann auch nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben, dass der Berufungswerber entsprechend der fachärztlichen psychiatrischen Stellungnahmen aus den Jahren 2001 und 2005 einen gehäuften Missbrauch von Suchtmitteln begangen hat. Wenn ihm auch in weiterer Folge im Jahr 2006 eine unbefristete Lenkberechtigung erteilt worden war, so sind diese Vorbefunde im Rahmen der Beurteilung des Krankheitsbildes dennoch zu berücksichtigen. Letztlich geht offenbar auch der Facharzt Dr. x (wenn auch nicht offen ausgesprochen) von einem gehäuften Missbrauch aus, weil sonst seine Forderung nach einer weiteren Abstinenzkontrolle für ein Jahr nicht verständlich wäre.

 

Die im amtsärztlichen Gutachten geforderte Abstinenzkontrolle für ein Jahr ist daher schlüssig und nachvollziehbar und entspricht § 14 Abs. 5 FSG-GV. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass seit der fachärztlichen Stellungnahme aus dem Jahre 2001 keinerlei Hinweise auf den Konsum von Opiaten oder Amphetaminen bestehen, weshalb die Forderung einer Abstinenzkontrolle hinsichtlich dieser Stoffe nicht gerechtfertigt ist.

 

Es ist bekannt, dass Cannabis im Harn – abhängig von Konsumdauer und Konsummenge – nur ca. eine Woche nachgewiesen werden kann. Harnkontrollen sind daher für einen verlässlichen Abstinenznachweis nur eingeschränkt geeignet. Die Forderung der Amtsärztin nach einer zweimaligen Untersuchung des Kopfhaares ist für die auch vom Facharzt empfohlene Abstinenzkontrolle wesentlich besser geeignet, weil mit jeder einzelnen Untersuchung ein Zeitraum von mehreren Monaten überprüft werden kann. Die Vorschreibung der beiden Haaranalysen ist daher im Vergleich zu einer relativ engmaschigen Harnkontrolle auch für den Berufungswerber günstiger, weil er lediglich zwei mal ein entsprechendes Labor aufsuchen muss und auch die Kosten gegenüber häufigen Harnuntersuchungen nicht höher sind. Da zwischen dem amtsärztlichen Gutachten und der Erlassung des Bescheides einen Zeitraum von ca. einem Monat liegt, wurde auch die Frist für die Haaruntersuchungen um ein Monat verschoben.

 

Da ärztliche Kontrolluntersuchungen gemäß § 14 Abs. 5 FSG-GV vorzuschreiben waren, war gemäß § 2 Abs. 1 letzter Satz FSG-GV zwingend eine Befristung der Lenkberechtigung und eine amtsärztliche Nachuntersuchung anzuordnen.  Gemäß § 13 Abs. 5 FSG ist der Berufungswerber verpflichtet, seinen Führerschein bei der Behörde abzuliefern, dort wird ihm ein neuer Führerschein ausgestellt, in welchem die angeordneten Einschränkungen eingetragen werden.

 

5.3. Zum Feststellungsantrag (Punkt 3 der Berufungsentscheidung) ist festzuhalten, dass der Berufungswerber diesen Antrag bereits bei der Erstinstanz am 08.06.2012 eingebracht hat. Im Spruch des nunmehr angefochtenen Bescheides hat die Erstinstanz dazu nicht Stellung genommen, weshalb der UVS als Berufungsbehörde auf diese Frage nicht eingehen darf. Sache des Berufungsverfahrens im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG ist (nur) der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides und die Berufungsbehörde ist nicht befugt, Entscheidungen zu einer Frage zu treffen, über welche die Erstinstanz nicht abgesprochen hat.

 

Der Antrag war daher zurückzuweisen.

 

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

 

 

 

 

Hinweis:

 

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 26,00 Euro angefallen.

 

 

 

 

 

 

Mag. Gottfried  Z ö b l

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehn.

VwGH vom 26.04.2013, Zl.: 2013/11/0072-3

 

 

 

 

 

 

 

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