Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-167351/15/Bi/Ka

Linz, 27.06.2013

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn x vom 19. Oktober 2012, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshaupt­mannes von Urfahr-Umgebung vom 3. Oktober 2012, VerkR96-4801-2011-STU, aufgrund des Ergebnisses der am 20. Juni 2013 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung (samt mündlicher Verkündung der Berufungsentscheidung) zu Recht erkannt:

 

     Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren ohne Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen eingestellt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i, 45 Abs.1 Z1 und 66 VStG

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 16 Abs.1 lit.a iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 60 Euro (28 Stunden EFS) verhängt, weil er am 1. September 2011, 5.30 Uhr, mit dem Pkw x im Ortsgebiet x, x Straße – Kreuzungsbereich x Straße, ein Fahrzeug überholt habe, wodurch andere Straßenbenützer behindert oder gefährdet worden seien.

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 6 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 20. Juni 2013 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Bw, der Zeugen x (S), x (FH) und x (AH) sowie des technischen Amtssachverständigen Dipl.HTL-Ing x in x, vor dem Haus x Straße x, durchgeführt. Der Vertreter der Erstinstanz war entschuldigt. Die Berufungs­entscheidung wurde mündlich verkündet.   

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, er sei sich keiner Schuld bewusst, weil „seine wahrheitsgemäße Aussage übereinstimme; deswegen werde er keine Straftat vollziehen". Der Berufung beigelegt war die Kopie des Zeugenprotokolls vom 19. März 2012, aufgenommen vor der Erstinstanz mit seiner Freundin und damaligen Beifahrerin x (S), die sich damals gerade in der Führerscheinausbildung befand. Darin bestätigte sie, sie habe gerade mit dem Handy hantiert, dh nicht ihre ganze Aufmerksamkeit auf das Verkehrs­geschehen gerichtet, aber beim Überhol­manöver ihres Freundes aufgesehen. Ihr Freund habe kurz vor dem Kreisverkehr in der Nähe des Lagerhauses ein mit etwa 30 km/h fahrendes Fahrzeug überholt, wobei ihr dieser Überholvorgang ganz normal vorgekommen sei. Sie habe nicht gedacht, dass etwas nicht passen würde. Auch sei genügend Platz für ein gefahrloses Einordnen vorhanden gewesen. Den Abstand zwischen den beiden Fahrzeugen beim Einordnen könne sie nicht schätzen. Kurz darauf habe das Fahrzeug vor ihnen stark abgebremst und sei stehengeblieben genau vor der Einfahrt zum Kreisverkehr, obwohl sich dort gerade keine Fahrzeuge oder Fußgänger befunden hätten. Das abrupte Bremsmanöver sei nicht vorhersehbar gewesen. Ein Mann sei ausgestiegen, zu ihrem Fahrzeug gekommen und habe ihren Freund etwas scharf angeredet mit "Rotzbua" und was das Überholmanöver solle. Der Bw habe sich entschuldigt und entgegnet, sie hätten es etwas eilig. Der Mann sei wieder eingestiegen und weitergefahren. Das hintere Fahrzeug sei ihr nicht besonders aufgefallen. Sie habe nicht den Eindruck einer besonderen Gefährdung oder Behinderung eines Beteiligten, weder vor noch hinter ihnen, gehabt.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der der Bw gehört, die Ausführungen der Erstinstanz in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses berück­sichtigt und die oben angeführten Zeugen unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht des § 289 StGB einvernommen wurden. Nach Besichtigung der Örtlichkeit wurde ein technisches Gutachten durch den AmtsSV zur Nachvollziehbarkeit der Aussage des Privatanzeigers, des Zeugen AH, als Grundlage für den Tatvorwurf erstellt.

 

Das Beweisverfahren hat ergeben, dass FH und AH – Vater und Sohn – jeweils mit ihrem Fahrzeug am 1. September 2011 gegen 5.30 Uhr von Alberndorf kommend in Richtung Linz auf der Linzer Straße im Ortsgebiet x unterwegs waren. Kurz nach der Brücke über die Gusen, auf Höhe der „Zielpunkt“-Einfahrt begann der bis dahin hinter AH fahrende Bw, den Pkw des AH, dessen Abstand zum Pkw FH er auf ca 20 bis 30 m bei einer Geschwindigkeit von etwa 30 km/h schätzte, zu überholen, zumal er keinen Gegenverkehr hatte und der Straßenverlauf übersichtlich und gerade war. Er ordnete sich nach eigenen Angaben auf Höhe der Polizeiinspektion, Linzer Straße 6, zwischen der Tankstelle und dem Opelhändler vor dem Pkw AH ein.  Der SV qualifizierte das Überholmanöver bei einer Überholgeschwindigkeit von ca 50 km/h und einem dafür erforderlichen Überhol­weg von 85 – 90 m als technisch nachvollziehbar, zumal die zur Verfügung stehende Strecke von der „Zielpunkt“-Einfahrt bis zur PI ca 115 m beträgt. Der Bw bestätigte auch in der Verhandlung einen völlig gefahrlosen Überholvorgang.

 

Die Zeugin x sah nach eigenen Angaben beim Überholen von ihrem Handy auf und bekam lediglich das Wiedereinordnen mit, das sie keinesfalls als für irgendje­manden behindernd oder gar gefährdend ansah. Sie schätzte des Abstand zwischen den beiden Pkw der Zeugen H anhand bei der Verhandlung vorbeifahrender Fahrzeuge auf etwa 20 m.

 

Fest steht, dass der Zeuge FH unmittelbar vor dem Kreisverkehr seinen Pkw anhielt, obwohl sich im Kreisverkehr kein Fahrzeug befand, ausstieg, zum Bw zurückging und diesen beschimpfte, weil er im Ortsgebiet und dazu noch vor einem Kreisverkehr überhole und nicht auszuschließen sei, dass er vor dem Kreisverkehr stehen­bleiben müsse, weil ein eventueller im Kreisverkehr befindlicher Lenker Vorrang habe und dem Bw dann ein rechtzeitiges Abbremsen unmöglich sei, sodass die Gefahr eines Auffahrunfalls bestehe. Der Bw, den er als „Rotzbuben“ beschimpfte, möge aufpassen, dass er nicht einmal angezeigt werde. Mit seinem Sohn hatte der Zeuge FH dabei – und auch später an diesem Tag, wie er angab – keinerlei Kontakt. Er bestätigte in der Verhandlung, er habe den Bw auch nicht wegen des Überholmanövers seinen Sohn betreffend beschimpft, sondern aus grund­sätzlichen Überlegungen, zumal sich auch im Kreisverkehr gerade kein Fahrzeug befunden habe, es also gerade günstig gewesen sei.

 

Der Bw gab – von der Zeugin x bestätigt – an, er sei so perplex gewesen, dass er sich beim Zeugen FH entschuldigt habe. Er habe sich auch gewundert, als er später erfahren habe, dass ihn nicht der Vater sondern der Sohn angezeigt habe, der weder mit ihm gesprochen noch ihm irgendwie sonst zu verstehen gegeben habe, er habe sich durch sein Verhalten behindert oder gar gefährdet gefühlt. AH sei, wie er im Spiegel gesehen habe, ganz normal von hinten auf seinen stehenden Pkw zugerollt.

 

Beide Zeugen H schilderten in der Verhandlung den Überholvorgang unabhängig voneinander in einer Weise, die für den SV technisch sowohl von der Geschwindigkeit als auch von der Überholstrecke her nicht nachvollziehbar war. FH meinte, ca 40 km/h, AH meinte, 45 bis 50 km/h gefahren zu sein, was eine Überholgeschwindigkeit von etwa 60 km/h bedeuten würde. Den Abstand zwischen den beiden Pkw vor dem Überholmanöver gab FH mit 4 bis 5 Autolängen an. Den Beginn des Überholmanövers konnten beide nicht benennen, da dem Zeugen AH der Pkw des Bw erst aufgefallen war, als er sich fast schon neben ihm befunden hatte und „er nicht immer in den Spiegel schaut“. Das Ende des Überholvorgangs gaben beide auf Höhe des Hauses Linzer Straße 8 an.

 

Beides reicht laut SV für einen Einschervorgang bei dieser Geschwindigkeit rechtzeitig vor dem Kreisverkehr bei weitem nicht aus, wobei der Bw zwar nach eigenen Angaben deshalb unvermittelt bremsen musste, weil er nicht damit rechnete, dass FH ohne Anlass und nicht vorhersehbar vor der Einfahrt zum Kreisverkehr stehenbleiben würde – dem war aus den Aussagen der Zeugen H nichts entgegenzuhalten.    

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Den ursprüngliche Punkt 1) des Straferkenntnisses betreffend den Vorwurf des überraschenden Abbremsens gemäß § 21 Abs.1 StVO 1960 hat die Erstinstanz gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG – wegen Nichterweisbarkeit – eingestellt.

Im Punkt 2) wurde dem Bw eine Übertretung gemäß §§ 16 Abs.1 lit.a iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 zur Last gelegt.

 

Gemäß § 16 Abs.1 Z1 StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeugen nicht überholen, wenn andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende, gefährdet oder behindert werden könnten oder wenn nicht genügend Platz für ein gefahrloses Überholen vorhanden ist.

 

Die vom Bw angegebene Überholstrecke reicht von der „Zielpunkt“-Einfahrt bis zum Bereich zwischen Tankstelle und Opelhändler gegenüber der PI Gallneu­kirchen und wurde vom SV mit 115 m ausgemessen. Ausgehend von einer technisch nachvollziehbaren Geschwindigkeit der beiden Pkw H von etwa 30 km/h, wie der Bw und die Zeugin x glaubhaft angaben, reicht der Abstand von etwa 20 m für ein gefahrloses Einscheren rechtzeitig vor dem Kreisverkehr aus. Der Zeuge FH gab selbst an, im Kreisverkehr habe sich kein Fahrzeug befunden, dessen Vorrang er zu beachten und deshalb anzuhalten gehabt hätte. Der Bw hatte auch keinen Gegenverkehr, der Verlauf der x Straße ist dort gerade und vollkommen übersichtlich.

 

Damit konnte der Bw aber nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens bei Beginn seines Überholmanövers die Überhol­strecke überblicken und aufgrund der Geschwindigkeit der beiden Fahrzeuge H und deren Nachfahrabstand eine Gefährdung oder gar Behinderung des Zeugen AH durch sein Verhalten ausschließen. Da die Angaben der Zeugen H über ihre Geschwindigkeit und das Ende des Überholvorgangs von der Örtlichkeit her technisch nicht möglich und daher nicht nachvollziehbar sind, war der Aussage des Bw nichts entgegen­zuhalten.

 

Nachvollziehbar ist aber aus den Aussagen der Zeugen H, dass der Bw wegen des unerwarteten und für ihn nicht vorhersehbaren Stehenbleibens des Zeugen FH seinen Pkw stark abbremsen musste, wodurch auch der hinter ihm fahrende Zeuge AH tatsächlich zu der von ihm geschilderten Vollbremsung veranlasst wurde. FH verfolgte damit, wie er in der Verhandlung zu verstehen gab, rein verkehrserzieherische Zwecke. Die vom Zeugen AH geschilderte Voll­bremsung ist damit aber nicht dem Bw anzulasten.

 

Damit war im Zweifel zugunsten des Bw auch im Punkt 2) mit der Einstellung des Verfahrens wegen Nichterweisbarkeit gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG vorzugehen und spruchgemäß zu entscheiden. Verfahrenskostenbeiträge fallen naturgemäß nicht an.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Bissenberger

 

Beschlagwortung:

Einstellung wg. Nichtbeweisbarkeit

 

 

 

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