Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420768/24/Zo/AE

Linz, 27.06.2013

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über die Beschwerde des Herrn x, geb. x, vertreten durch RA Dr. x, x x, vom 9.10.2012 wegen der behaupteten Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt am 24.9.2012 gegen 16:00 Uhr durch den Bezirkshauptmann von Wels-Land zurechenbare Organe, nämlich die Abnahme der Kennzeichentafeln und des Zulassungsdokumentes für den PKW Mercedes S320 mit dem Kennzeichen x (x) nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 20.3.2013 und weiterer Erhebungen zu Recht erkannt:

 

I.          Der Beschwerde wird stattgegeben und die Abnahme der Kennzeichentafeln und des Zulassungsdokumentes am 24.9.2012 gegen 16:00 Uhr für rechtswidrig erklärt.

 

II.        Der Bund (Verfahrenspartei Bezirkshauptmannschaft Wels-Land) wird verpflichtet, dem Beschwerdeführer den notwendigen Verfahrensaufwand in Höhe von 1.659,60 Euro (Schriftsatzaufwand 737,60 Euro, Verhandlungsaufwand 922 Euro) sowie die Eingabegebühr in Höhe von 53,30 Euro binnen zwei Wochen zu ersetzen.

 

 

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.:  §§ 67a Z.2, 67c und 67d AVG iVm §§ 82 Abs.8 sowie 102 Abs.12 lit.a KFG;

zu II.: §§ 79a AVG iVm der UVS-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II. Nr. 465/2008.

 

 

 

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Der Beschwerdeführer erhob mit Schreiben vom 9.10.2012 eine Maßnahmenbeschwerde wegen der behaupteten Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt am 24.9.2012 um ca. 16:00 Uhr, nämlich der Abnahme der Kennzeichentafeln des PKW, Mercedes S320, x (x) sowie des dazugehörenden Zulassungsdokumentes durch den Polizeibeamten GI x in x x, vor dem Haus xStraße Nr. x.

 

Diese Beschwerde wurde zusammengefasst damit begründet, dass er den PKW schon seit 3 Jahren in Österreich benütze. Er habe sein Unternehmen in Großbritannien angemeldet und betreibe dieses europaweit, er habe dort auch einen Wohnsitz. Dies sei auch der Grund, weshalb der PKW in Großbritannien gemeldet sei. Zuletzt sei er viele Monate auf einer Baustelle in Linz tätig gewesen, im Jahr 2012 häufig in Ungarn und Rumänien.

 

Die Beschränkung der Verwendungsmöglichkeit der ausländischen Kennzeichen auf ein Monat sei in seinem Fall nicht anzuwenden und außerdem sei die Frist noch nicht abgelaufen gewesen. Er befinde sich erst seit 4.9.2012 wieder in Österreich. Weiters sei die Abnahme ohne vorherige Aufforderung und Bescheiderlassung nicht gesetzeskonform. Als er die mehrmonatige Baustelle in Linz betreut hatte, habe er sich beim zuständigen Organ des Finanzamtes informiert und dort sei ihm mitgeteilt worden, dass in seinem Fall die Verwendung eines Fahrzeuges mit ausländischem Kennzeichen in Österreich zulässig sei.

 

Er habe dies auch dem Leiter der Verkehrsabteilung der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land mitgeteilt, dieser habe ihm vorerst zugesagt, dass er sich die Kennzeichentafeln und den Zulassungsschein bei der PI Lambach wieder holen könne, die Ausfolgung sei aber in weiterer Folge verweigert worden. Er selbst sei mit diesem Fahrzeug unregelmäßig in Österreich unterwegs, sonst werde der PKW jedoch von niemandem gelenkt.

 

Er habe einen Hauptwohnsitz in England, bedingt dadurch, dass seine berufliche Tätigkeit bei einem englischen Unternehmen stattfinde. Aufgrund des grenzüberschreitenden Tätigkeitsbereiches seines Unternehmens sei er in verschiedenen europäischen Ländern unterwegs, wobei er dafür ausschließlich den gegenständlichen PKW benutze. Ab November 2011 bis Ende Juli 2012 habe er in Rumänien eine große Baustelle betreut, in dieser Zeit sei das Fahrzeug annähernd durchgehend in Rumänien gewesen, kurze Besuche in Österreich habe er mit dem Flugzeug durchgeführt. Ab Ende Juli 2012 habe sich das Fahrzeug für 2 Wochen in Österreich befunden, danach sei er nach England gefahren, unter anderem, um die technische Überprüfung des Fahrzeuges durchführen zulassen. In weiterer Folge sei er wieder einige Tage in Österreich gewesen und daran anschließend geschäftlich zur Qualitätssicherung nach Rumänien gefahren und von dort wieder am 4. oder 5. September 2012 nach Österreich eingereist.

 

Er halte sich gelegentlich in Österreich auf und besuche hier Familienangehörige, wobei er dann auch mit diesem Fahrzeug fahre. Längere Zeit durchgehend sei er zuletzt im Jahr 2010 in Österreich gewesen, hier habe er 10 Monate lang eine Baustelle in Linz betreut und auch damals sei die Verwendung des gegenständlichen PKW nie ein Problem gewesen.

 

Der Beschwerdeführer legte Unterlagen betreffend Geldbehebungen, Tank- und Restaurantrechnungen sowie eine Bestätigung einer Fähre für die Fahrt von England für den Zeitraum von Ende Juni bis Anfang September 2012 vor.

 

Zu seinem Unternehmen gab er an, dass dieses seit 3.5.2005 existiere und er es am 17.12.2009 übernommen habe. Großbritannien sei sein Wohnsitz, sein Lebensmittelpunkt und eine der beruflichen Wirkungsstätten. In den letzten Monaten vor der Abnahme der Kennzeichentafeln habe er sich nie länger durchgehend in Österreich aufgehalten. Das Fahrzeug stehe ihm derzeit nicht zur Verfügung, er brauche es jedoch dringend für die geschäftliche Abwicklung weiterer Aufträge in Wien, in Deutschland, in Italien und wieder in Großbritannien.

 

Das Fahrzeug habe keine technischen Mängel aufgewiesen, welche eine Abnahme der Kennzeichentafeln gemäß § 57 KFG gerechtfertigt hätten. Die in § 82 KFG angeführte Monatsfrist treffe auf ihn nicht zu. Er habe in Österreich keinen dauernden Standort und könne daher die gesetzliche Vermutung widerlegen. Diese Möglichkeit sei ihm aber nicht eingeräumt worden. Er habe Wohnsitze in Großbritannien, Rumänien und auch in Österreich und es sei undenkbar, dass er bei jedem etwas länger dauernden Aufenthalt in Österreich eine Zulassung des Fahrzeuges nach den österreichischen Bestimmungen erwirken müsse. Die Monatsfrist sei auch noch gar nicht abgelaufen gewesen, weil er zuletzt am 4. oder 5.9.2012 eingereist sei. § 82 Abs.8 KFG verlange überdies nur ein Abliefern der Kennzeichentafeln, sodass bei einem Verstoß gegen diese Verpflichtung ein behördlicher Bescheid erlassen werden müsste. Es sei gesetzlich nicht vorgesehen, in einem derartigen Fall die Kennzeichentafeln ohne Verfahren abzunehmen.

 

2. Die belangte Behörde hat die Akten vorgelegt und eine schriftliche Stellungnahme zum Beschwerdevorbringen erstattet. In dieser führte sie zusammengefasst an, dass der Beschwerdeführer seit über 35 Jahren in x x, xStraße x mit Hauptwohnsitz gemeldet ist. Ob der Beschwerdeführer noch weitere Wohnsitze im Ausland habe, sei nicht relevant. Der inländische Hauptwohnsitz führe gemäß § 82 Abs.8 KFG zu der gesetzlichen Vermutung, dass das Kraftfahrzeug den dauernden Standort im Inland habe. Der Beschwerdeführer habe über den PKW frei verfügen können und sei daher als dessen Verwender anzusehen. Der PKW sei auch auf ihn angemeldet und nicht auf das britischen Unternehmen x x.

 

Unabhängig von der Meldung des Beschwerdeführers mit Hauptwohnsitz in x lebe auch seine Familie in der Umgebung und der Sitz der vom Beschwerdeführer betriebenen x & Co KG befinde sich in dessen Privatwohnung, sodass diese jedenfalls als Hauptwohnsitz anzusehen sei. Die Standortvermutung des § 82 Abs.8 KFG könne nicht durch eine einmalige dokumentierte Fahrt mit der Fähre widerlegt werden und weitere Beweise (z.B. ein nachvollziehbares Fahrtenbuch) seien nicht vorgelegt worden. Der PKW des Beschwerdeführers sei den ganzen Sommer über in regelmäßigen Abständen von Organen der PI Lambach gesehen worden.

 

Der PKW sei auf dem Parkplatz der Liegenschaft x x, xStraße x abgestellt gewesen, bei diesem Parkplatz handle es sich um eine Straße mit öffentlichem Verkehr. Diese Parkplätze befinden sich teilweise auf öffentlichem Gut, teilweise stehen sie im Eigentum der x. Jedenfalls können sie von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden, weshalb sie als Straße mit öffentlichem Verkehr anzusehen seien.

 

Der Beschwerdeführer sei nicht einsichtig gewesen und habe bei der Amtshandlung unmissverständlich erkennen lassen, dass er den PKW weiter auf Straßen mit öffentlichem Verkehr im Inland verwenden werde, weshalb die Kennzeichenabnahme erforderlich gewesen sei. Er sei auch nicht in der Lage gewesen, die gesetzliche Standortvermutung zu widerlegen, dies wäre nur durch die Vorlage eines genauen lückenlosen Fahrtenbuches möglich gewesen. Weiters bestehe für den PKW derzeit keine gültige Haftpflichtversicherung, weshalb die Kennzeichenabnahme auch nach § 61 Abs.5 KFG gerechtfertigt gewesen sei. Dem Beschwerdeführer seien die Kennzeichentafeln und der Zulassungsschein am 15.10.2012 wieder ausgefolgt worden und er sei darauf hingewiesen worden, dass er den PKW außerhalb des Bundesgebietes jederzeit nutzen könne.

 

3. Der UVS des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt, Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 20.3.2013 und Einsichtnahme in weitere vom Beschwerdeführer vorgelegte Unterlagen sowie Wahrung des Parteiengehörs zu diesen. An der Verhandlung haben der Beschwerdeführer und sein Rechtsvertreter sowie ein Vertreter der belangten Behörde teilgenommen und es wurde der Zeuge GI x zum Sachverhalt befragt.

 

3.1. Daraus ergibt sich folgender für die Entscheidung wesentlicher Sachverhalt:

 

Der Beschwerdeführer ist Zulassungsbesitzer (registered keeper) des PKW, Mercedes Benz S320, mit dem Kennzeichen x (x). Er ist seit 1977 mit Hauptwohnsitz in x x, xStraße x/x gemeldet. Er verfügt über eine weitere Anschrift in Großbritannien, x, x, x, x und über eine Anschrift in Rumänien (x, x Nr. x). Er hat sich im Jahr 2012 zur Abwicklung einer Baustelle überwiegend in Rumänien aufgehalten. Seine diesbezüglichen Behauptungen in der Beschwerde sowie in der mündlichen Verhandlung konnten nicht widerlegt werden und sind aufgrund zahlreicher vorgelegter Unterlagen glaubwürdig. Es ist naheliegend, dass er dazu auch seinen PKW in Rumänien verwendet hat. Dies ergibt sich aus zahlreichen Tankrechnungen, wenn auch auf diesen das verwendete Kraftfahrzeug nicht angeführt ist. Am 15.8.2012 benutzte er mit diesem PKW auf der Fahrt von oder nach Großbritannien eine Fähre. Die Fahrt nach Großbritannien hatte den Zweck, die technische Überprüfung des Fahrzeuges dort durchführen zu lassen. Der PKW wurde von Polizeibeamten in etwa Anfang Juli, am 18.7., am 23.7., am 13.8. und am 24.9. in der Umgebung von x wahrgenommen. Der Beschwerdeführer konnte zu diesen Wahrnehmungen jedoch glaubhaft darlegen, dass es sich jeweils nur um kurze Aufenthalte in Österreich gehandelt hat.

 

Zur Örtlichkeit ist festzuhalten, dass der PKW auf einem vor dem Objekt Dr. xStraße x gekennzeichneten Parkplatz abgestellt war. Dieser Parkplatz grenzt unmittelbar an die öffentliche Straße und ist von dieser baulich nicht getrennt. Vor diesem Parkplatz befindet sich das Kennzeichen x, dabei handelt es sich um den PKW der Gattin des Beschwerdeführers. An derselben Gebäudefront, jedoch an der anderen Seite des gegenständlichen Parkplatzes ist ein Schild mit der Aufschrift "Mietparkplätze" und dem Hinweis, dass unbefugt parkende Fahrzeuge abgeschleppt werden, angebracht.

 

Der Polizeibeamte x hat den gegenständlichen PKW am 24.9.2012 auf dem angeführten Parkplatz wahrgenommen. Nachdem er das Fahrzeug seit Anfang Juli bereits zum 5. Mal in Österreich gesehen hatte, und wusste, dass der Zulassungsbesitzer an der angeführten Adresse mit Hauptwohnsitz gemeldet ist, hat er die Kennzeichentafeln abgenommen und daran anschließend den Beschwerdeführer davon informiert und die Herausgabe des Zulassungsscheines verlangt. Der Polizeibeamte konnte sich in der mündlichen Verhandlung nicht mehr an die entsprechenden Angaben des Beschwerdeführers erinnern.  Laut der von ihm erstatteten Anzeige habe der Beschwerdeführer angegeben, dass er ständig nach England fahre, wo er seine Firma habe und erst seit 3 Wochen in Österreich sei. Der Beschwerdeführer selbst gab an, dass er den Polizeibeamten darauf hingewiesen habe, dass er fast das ganze Jahr hauptsächlich in Rumänien gewesen sei und erst am 4. oder 5. September zuletzt von Rumänien kommend nach Österreich gekommen sei. Er habe den Polizisten auch darauf hingewiesen, dass er das durch entsprechende Unterlagen bescheinigen könne, den Polizeibeamten hätten diese Unterlagen jedoch nicht interessiert. Diese Angaben können nicht wiederlegt werden und sind daher der Entscheidung zugrunde zu legen.

 

4. Darüber hat der UVS des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

4.1. Gemäß § 67c Abs.3 AVG sind Beschwerden nach § 67a Z2 innerhalb von sechs Wochen ab dem Zeitpunkt, in dem der Beschwerdeführer von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt Kenntnis erlangt hat, sofern er aber durch sie behindert war, von seinem Beschwerderecht Gebrauch zu machen, ab dem Wegfall dieser Behinderung, bei dem unabhängigen Verwaltungssenat einzubringen, in dessen Sprengel dieser Verwaltungsakt gesetzt wurde.

Die Beschwerde hat zu enthalten:

1. die Bezeichnung des angefochtenen Verwaltungsaktes,

2. soweit dies zumutbar ist, eine Angabe darüber, welches Organ den angefochtenen Verwaltungsakt gesetzt hat und welcher Behörde er zuzurechnen ist (belangte Behörde),

3. den Sachverhalt,

4. die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,

5. das Begehren, den angefochtenen Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären,

6. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist.

 

Gemäß § 82 Abs.8 KFG sind Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen, die von Personen mit dem Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland in das Bundesgebiet eingebracht oder in diesem verwendet werden, bis zum Gegenbeweis als Fahrzeug mit dem dauernden Standort im Inland anzusehen. Die Verwendung solcher Fahrzeuge ohne Zulassung gemäß § 37 ist nur während eines Monats ab der Einbringung in das Bundesgebiet zulässig. Nach Ablauf dieser Frist sind der Zulassungsschein und die Kennzeichentafeln der Behörde, in deren örtlichen Wirkungsbereich sich das Fahrzeug befindet, abzuliefern. Wenn glaubhaft gemacht wird, dass innerhalb dieses Monats die inländische Zulassung nicht vorgenommen werden konnte, darf das Fahrzeug ein weiteres Monat verwendet werden. Danach sind der Zulassungsschein und die Kennzeichentafeln der Behörde, in deren örtlichen Wirkungsbereich sich das Fahrzeug befindet, abzuliefern. Die Ablieferung begründet keinen Anspruch auf Entschädigung.

 

§ 102 Abs.12 KFG lautet:

Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder der Straßenaufsicht sind berechtigt, Personen am Lenken oder an der Inbetriebnahme eines Fahrzeuges zu hindern, wenn diese hiedurch begehen oder begehen würden eine Übertretung

a) des § 36 lit. a oder des § 82 Abs. 1 bis 3,

...........

Zu diesem Zweck sind, falls erforderlich, je nach Lage des Falles und Art des Fahrzeuges oder der Beladung Zwangsmaßnamen, wie etwa Abnahme der Fahrzeugschlüssel, Absperren oder Einstellen des Fahrzeuges, Anbringen von technischen Sperren und dergleichen, anzuwenden. Solche Zwangsmaßnahmen sind unverzüglich aufzuheben, wenn der Grund für ihre Anwendung weggefallen ist, im Falle der lit. d, h, i, j oder k auch, wenn eine andere Person, bei der keine Hinderungsgründe gegeben sind, beabsichtigt, das Fahrzeug in Betrieb zu nehmen und zu lenken.

 

4.2.1. Die Bestimmungen des Kraftfahrgesetzes sind gemäß § 1 Abs.1 KFG auf Kraftfahrzeuge und Anhänger, die auf Straßen mit öffentlichem Verkehr im Sinne der StVO 1960 verwendet werden, und auf den Verkehr mit diesen Fahrzeugen auf solchen Straßen anzuwenden.

 

Gemäß § 123 Abs.2 KFG hat die Bundespolizei an der Vollziehung dieses Bundesgesetzes durch die Bezirksverwaltungsbehörden, die Bundespolizeidirektionen und den Landeshauptmann mitzuwirken. Sie hat

1. die Einhaltung der kraftfahrrechtlichen Vorschriften auf den Straßen mit öffentlichem Verkehr zu überwachen,

2. Maßnahmen die für die Einleitung oder Durchführung von Verwaltungsstrafverfahren erforderlich sind, zu treffen und

3. in den in diesem Bundesgesetz ausdrücklich vorgesehenen Fällen einzuschreiten.

 

Aus diesen beiden Bestimmungen ergibt sich, dass die Organe der Bundespolizei nach den Bestimmungen des KFG grundsätzlich nur dann einzuschreiten haben, wenn sich ein kraftfahrrechtlich relevanter Sachverhalt auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr ereignet. Liegt ein solcher Sachverhalt auf einer anderen Landfläche vor, so kann es sich mangels Anwendbarkeit des KFG nicht um eine kraftfahrrechtliche Verwaltungsübertretung handeln. Auch § 102 Abs.12 KFG knüpft die Berechtigung zu den dort vorgesehenen Zwangsmaßnahmen an die Voraussetzung, dass die betroffenen Personen ansonsten eine der dort genannten Verwaltungsübertretungen nach dem KFG begehen würden. Alle diese Übertretungen können jedoch aufgrund des im § 1 Abs.1 KFG festgelegten räumlichen Anwendungsbereiches nur auf Straßen mit öffentlichem Verkehr begangen werden. Daraus ist abzuleiten, dass sich die den Polizeiorganen im      § 102 Abs.12 KFG eingeräumten Befugnisse nur auf Straßen mit öffentlichem Verkehr beziehen.

 

4.2.2. Es ist daher zu prüfen, ob das gegenständliche Kraftfahrzeug auf einer „Straße mit öffentlichem Verkehr“ im Sinne des § 1 Abs.1 StVO verwendet wurde oder nicht. Als solche gelten Straßen, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen benutzt werden dürfen. Dazu ist vorerst festzuhalten, dass auch das bloße Abstellen eines Kraftfahrzeuges als Verwenden im Sinne des KFG gilt. Die Bestimmungen des KFG gelten auch für Kraftfahrzeuge, welche auf einer öffentlichen Straße geparkt werden. Nach der diesbezüglich sehr strengen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann eine Straße dann von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden, wenn sie nach dem äußeren Anschein zur allgemeinen Benützung freisteht. Für die Widmung als Straße mit öffentlichem Verkehr ist ein Widmungsakt nicht erforderlich und es kommt auch nicht auf die Eigentumsverhältnisse am Straßengrund an. Es kann daher grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass es sich bei einer Straße dann um eine solche mit öffentlichem Verkehr handelt, wenn sie weder abgeschrankt noch als Privatstraße gekennzeichnet ist, noch auf dieser auf die Beschränkung des öffentlichen Verkehrs hinweisende Tafeln aufgestellt sind (vgl. die in Pürstl, StVO, 13. Auflage, § 1 StVO, E10 angeführte Judikatur). Nach der Entscheidung des VwGH vom 20.6.2001, 99/06/0187 ist für den Ausschluss des öffentlichen Verkehrs ein allgemein sichtbares Benützungsverbot erforderlich, allenfalls mit einem Hinweis auf die Eigenschaft als Privatstraße.

 

Der gegenständliche Parkplatz grenzt unmittelbar an die vorbeiführende öffentliche Straße und ist von dieser nicht getrennt. Es ist zwar ein Schild angebracht, wonach es sich um einen Mietparkplatz handelt und unbefugt parkende Fahrzeuge abgeschleppt werden, diese Beschilderung schließt jedoch nicht aus, dass diese Fläche zu anderen Zwecken als zum Parken von jedermann benützt wird. Die Verkehrsfläche kann z.B. von Fußgängern und Radfahrern unbeschränkt verwendet werden und sie kann auch ohne Verstoß gegen die auf der Beschilderung ersichtlichen Einschränkungen mit PKW kurz befahren werden, z.B. um jemanden aussteigen zu lassen oder mit dem Fahrzeug umzudrehen (vgl. VwGH v. 15.2.1991, 90/18/0182). Der gegenständliche Parkplatz ist daher als Straße mit öffentlichem Verkehr anzusehen, weshalb der Polizeibeamte grundsätzlich zum Einschreiten ermächtigt war.

 

4.3.1. Die Rechtmäßigkeit einer faktischen Amtshandlung ist anhand der Sachlage im Zeitpunkt seiner Setzung zu beurteilen, wobei nur jene Sachverhaltselemente zu berücksichtigen sind, die dem Verwaltungsorgan unter Anwendung zumutbarer Sorgfalt bekannt sein konnten (Hengstschläger/Leeb, AVG §67c RZ 27).

 

4.3.2. Der Polizeibeamte konnte aufgrund der Anmeldung des Beschwerdeführers an der gegenständlichen Adresse davon ausgehen, dass es sich um dessen Hauptwohnsitz handelt. Aufgrund seiner Wahrnehmungen betreffend den gegenständlichen PKW bestand für ihn auch ein Verdacht, dass das Kraftfahrzeug mit dem britischen Kennzeichen vom Beschwerdeführer seit mehr als 1 Monat in Österreich verwendet wird. Er konnte daher zu Beginn seiner Amtshandlung zu Recht davon ausgehen, dass die gesetzliche Vermutung des § 82 Abs.8 KFG, wonach das Fahrzeug seinen dauernden Standort im Inland habe, anzuwenden war.

 

Allerdings handelt es sich bei § 82 Abs.8 KFG lediglich um eine gesetzliche Vermutung, welche auch widerlegt werden kann. Die Ermächtigung zur Setzung von Zwangsmaßnahmen gemäß § 102 Abs.12 KFG setzt jedoch voraus, dass durch das Lenken eines Kraftfahrzeuges eine Verwaltungsübertretung (nicht nur vermutlich sondern tatsächlich) begangen wird. Vom Vorliegen einer derartigen Verwaltungsübertretung konnte der Polizeibeamte nur dann begründet ausgehen, wenn der Betroffene die gesetzliche Vermutung des § 82 Abs.8 KFG nicht widerlegen konnte. Der Beschwerdeführer hat den Polizeibeamten bei der Amtshandlung darauf hingewiesen, dass er sich im Jahr 2012 weit überwiegend in Rumänien aufgehalten habe und hat für diese Behauptung auch entsprechende Nachweise angeboten. Im Verfahren ist hervorgekommen, dass der Beschwerdeführer tatsächlich diesbezüglich über relevante Nachweise (Tankrechnungen, Rechnungen von Restaurantbesuchen und ein Fährticket) verfügte, weshalb glaubwürdig ist, dass der Beschwerdeführer dem Polizeibeamten auch angeboten hat, diese Unterlagen gleich im Rahmen der Amtshandlung vorzulegen. Im Zusammenhang der beruflichen Tätigkeit des Beschwerdeführers (Mitarbeit bei Großbaustellen), welche oft mehrere Monate an ausländischen Standorten in Anspruch nahm, war es nach Ansicht des zuständigen Mitgliedes des UVS nicht zulässig, dass sich der Polizeibeamte ausschließlich auf seine Wahrnehmungen (er hat den gegenständlichen PKW in einem Zeitraum von 3 Monaten nur 5-mal gesehen) und die daraus abzuleitende gesetzliche Vermutung des § 82 Abs.8 KFG verlassen hat. Er wäre aufgrund der konkreten ( und auch belegbaren) Angaben des Beschwerdeführers, welche für einen Gegenbeweis grundsätzlich tauglich erscheinen, verpflichtet gewesen, sich mit der Glaubwürdigkeit dieser Unterlagen auseinanderzusetzen und allenfalls weitere Erhebungen zu tätigen.

 

Der Polizeibeamte konnte nach Kenntnis der Angaben des Beschwerdeführers nicht mehr ohne weitere Erhebungen davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer tatsächlich eine konkrete Verwaltungsübertretung nach § 82 Abs.8 iVm § 36 lit. a KFG begeht, weshalb er nicht zur Durchführung von Zwangsmaßnahmen gemäß § 102 Abs.12 KFG berechtigt war. Wenn – so wie im konkreten Fall – begründete Zweifel am tatsächlichen Vorliegen einer derartigen Übertretung bestehen und diese durch weitere Erhebungen nicht ausgeräumt werden können, so erscheinen Zwangsmaßnahmen, welche unmittelbar in das Eigentumsrecht des Betroffenen eingreifen, nicht mehr verhältnismäßig. In einem solchen Fall ist lediglich Anzeige zu erstatten und es kann in einem daran anschließenden behördlichen Verfahren geprüft werden, ob der Betroffene tatsächlich eine derartige Verwaltungsübertretung begangen hat.

 

4.4. Die Tatsache, dass zum damaligen Zeitpunkt kein Versicherungsschutz für das betreffende Kraftfahrzeug bestanden hat, war dem Polizeibeamten nicht bekannt. Die Abnahme der Kennzeichentafeln und der Zulassungsbescheinigung kann daher nicht auf diesen Umstand gestützt werden, weil die Rechtmäßigkeit der faktischen Amtshandlung auf Basis jenes Sachverhaltes zu beurteilen ist, den die einschreitenden Organe kannten bzw. der ihnen bei zumutbarer Sorgfalt bekannt sein musste (vgl. die Rechtsprechung des VfGH zur Festnahme: das nachträgliche Auswechseln des Haftgrundes ist unzulässig; VfSlg 5232/1996 ua.)

 

Zu II:

Aufgrund dieses Ergebnisses ist der Beschwerdeführer als obsiegende Partei anzusehen, weshalb der Bund als Rechtsträger der belangten Behörde verpflichtet ist, dem Beschwerdeführer binnen 2 Wochen die entsprechend der UVS-Aufwandersatzverordnung 2008 zustehenden Aufwendungen (Schriftsatzaufwand 737,60 Euro sowie Verhandlungsaufwand 922 Euro) zu bezahlen sowie die Eingabegebühr in Höhe von 53,30 Euro zu ersetzen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

 

 

 

Hinweis:

1.   Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

2.   Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 53,30 Euro angefallen.

 

 

 

 

 

Mag. Gottfried  Z ö b l

 

 

 

 

 

 

 

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