Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-101600/23/Bi/Fb

Linz, 17.03.1994

VwSen-101600/23/Bi/Fb Linz, am 17. März 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Bissenberger über die Berufung des G, I vertreten durch Rechtsanwalt Dr. H vom 15. Oktober 1993 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems vom 28. September 1993, VerkR96/4235/1992Bi/WP, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, aufgrund des Ergebnisses der am 19. Jänner und 10. März 1994 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das erstinstanzliche Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Verfahrenskostenbeiträge sind nicht zu entrichten.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i und 45 Abs.1 Z1 Verwaltungsverfahrensgesetz - VStG, §§ 20 Abs.2 iVm 99 Abs.3a Straßenverkehrsordnung - StVO 1960.

zu II.: § 66 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems hat mit dem oben angeführten Straferkenntnis über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretung gemäß §§ 20 Abs.2 iVm 99 Abs.3a StVO 1960 eine Geldstrafe von 1.500 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 36 Stunden verhängt, weil er am 28. August 1992 um 13.10 Uhr den Kombi, Kennzeichen , auf der Pyhrnautobahn A9, Baukm 88,400, im Gemeindegebiet von Spital/Pyhrn in Richtung Linz gelenkt habe, wobei er die auf einer Autobahn zulässige Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h um mindestens 40 km/h überschritten habe. Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenersatz von insgesamt 150 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber fristgerecht Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch ein Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 19. Jänner und am 10.

März 1994 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Rechtsvertreters des Rechtsmittelwerbers, Rechtsanwalt Dr. N, des Vertreters der Erstinstanz, Herrn B, des Zeugen RI G sowie des technischen Amssachverständigen Ing.

A durchgeführt.

3. Der Rechtsmittelwerber macht im wesentlichen geltend, der vom Meldungsleger angegebene Sachverhalt sei insofern nicht ganz richtig, als es offensichtlich zu einer Verwechslung gekommen sei. Er selbst sei mit ordnungsgemäßer Geschwindigkeit auf der Autobahn gefahren, als er von einem österreichischen Fahrzeug, einem schwarzen Opel, überholt worden sei. Dabei habe er im Rückspiegel ein Motorrad bemerkt, das, wie sich später herausstellte, einem Polizeibeamten gehörte. Dieser überholte ihn gleichfalls und fuhr hinter dem sich bereits entfernenden schwarzen Opel hinterher. Es könne daher nicht richtig sein, daß der anzeigeerstattende Beamte 800 m hinter ihm hergefahren sei.

Etwa 5 km bis 6 km später am Autobahnende habe er in der Ferne das schwarze Fahrzeug und den Polizeibeamten am Straßenrand gesehen. Er sei überrascht gewesen, als ihn der Beamte heranwinkte und ihm eröffnete, auch er sei zu schnell gefahren und werde gleichfalls ein Verwarnungsgeld begleichen.

Offensichtlich handle es sich hier um eine Verwechslung, die auch durch das mittlerweile eingeholte Sachverständigengutachten nicht widerlegt werde. Eine Geschwindigkeitsübertretung seinerseits liege nicht vor, sodaß er beantrage, das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der die Vertreter des Rechtsmittelwerbers und der Erstinstanz gehört und bei der der Meldungsleger zeugenschaftlich einvernommen sowie auf dieser Grundlage das bereits im erstinstanzlichen Verfahren erstellte Sachverständigengutachten durch den technischen Amtssachverständigen Ing. A ergänzt wurde.

4.1. Folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt wird der Rechtsmittelentscheidung zugrundegelegt:

Der Rechtsmittelwerber lenkte am 21. August 1992 um ca.

13.10 Uhr den PKW auf der Pyhrnautobahn A9, Richtungsfahrbahn Linz, Richtung Roßleithen, wobei er dem mit einem Motorrad in die gleiche Richtung fahrenden Meldungsleger, einem Beamten der Autobahngendarmerie K offensichtlich wegen überhöhter Geschwindigkeit auffiel. Am Autobahnende bei km 63,350 der B138 hielt der Meldungsleger den Rechtsmittelwerber an und konfrontierte ihn mit dem Vorwurf, er sei von km 88,4 bis 87,6 mit einer Geschwindigkeit von mindestens 170 km/h gefahren. Der Rechtsmittelwerber bestritt, so schnell gefahren zu sein, gab aber zu, gefühlsmäßig vielleicht 140 km/h eingehalten zu haben, er habe aber nicht auf den Tacho geblickt.

Im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens wurde das technische Sachverständigengutachten vom 19. Mai 1993 eingeholt, in dem der Amtssachverständige ausführte, daß ein Motorrad der Type BMW eine Bauartgeschwindigkeit von 209 km/h aufweise, die A9 entgegen ihrer Kilometrierung eine Gefällestrecke mit einem mittleren Gefälle von ca. 1 % darstelle und die zwischen den angegebenen Baukilometern befindlichen langgezogenen Kurven als übersichtlich mit einer Sichtweite von durchgehend mehr als 350 m zu bezeichnen seien. Im wesentlichen gelangt der Amtssachverständige zu dem Ergebnis, daß, wenn die Nachfahrt aus dem fließenden Verkehr heraus begonnen worden sei, sich kein Hinweis auf eine mögliche Unexaktheit der Geschwindigkeitsfeststellung ergebe.

Im Rahmen der Berufungsverhandlung gab der Meldungsleger zeugenschaftlich vernommen an, er könne sich an die Amtshandlung insofern noch erinnern, als es sich um einen Passat Kombi gehandelt habe, dem er nachgefahren sei, er könne aber nicht mehr sagen, aus welchem Grund er konkret diesem Lenker nachgefahren sei und er könne sich auch nicht an einen schwarzen Opel erinnern. Ein Nachfahren hinter zwei PKW gleichzeitig sei unmöglich, weil er nicht einen gleichbleibenden Abstand hinter einem PKW einhalten könne, wenn er eigentlich einem anderen PKW nachfahre. Er könne sich auch nicht an eine Amtshandlung mit jemandem erinnern, bei der zuvor eine Amtshandlung mit einem anderen PKW-Lenker durchgeführt worden wäre, oder bei der ein weiterer PKW-Lenker bereits gewartet hätte. Die Anhaltung sei deshalb nicht an Ort und Stelle, sondern erst auf der Bundesstraße erfolgt, weil eine Anhaltung auf dem ohnehin sehr schmalen Pannenstreifen mit einer großen Gefährdung verbunden sei. Es sei in der Praxis weder möglich noch üblich, zwei verschiedene Geschwindigkeitsfeststellungen hinsichtlich zweier verschiedener PKW gleichzeitig zu machen. In einem solchen Fall beende er die begonnene Amtshandlung und er führe grundsätzlich keine Amtshandlung durch, wenn er dem angehaltenen Lenker nicht konkret sagen könne, daß er von X-km bis X-km eine konkrete Geschwindigkeit eingehalten habe. Hätte er tatsächlich den Lenker eines schwarzen Opel angehalten, müßte es eine Anzeige dieses Lenkers geben oder er hätte ein Organmandat bezahlt, das bei der Erstinstanz aufliegen müßte.

Der technische Amtssachverständige führte zunächst aus, daß auf einer Nachfahrtstrecke von 800 m bei einem Abstand von ca 100 m eine exakte Geschwindigkeitsfeststellung des verfolgten Fahrzeuges mit ausreichender Sicherheit möglich sei, wobei bei einem serienmäßigen Motorrad der Type BMW , das mit einem elektronischen Tachometer ausgerüstet sei, von einer Tachoabweichung von jedenfalls weniger als 15 km/h auszugehen sei. Der Meldungsleger sei im Hinblick auf Geschwindigkeitsfeststellungen durch Nachfahren besonders geschult und habe darin auch eine ausreichende Praxis.

Bei der Erstinstanz wurde erhoben, daß der Meldungsleger am 21. August 1992 außer dem Rechtsmittelwerber keinen weiteren Lenker mehr zur Anzeige gebracht hat, allerdings bei der Erstinstanz zwei Organstrafverfügungen jeweils wegen Übertretungen gemäß § 20 Abs.2 StVO 1960 abgerechnet wurden, die den 21. August 1992 betrafen, und zwar eine in Spital/Pyhrn um 13.00 Uhr und eine in Roßleithen um 13.10 Uhr, wobei beide Male 500 S, das ist die Höchststrafe für Organstrafverfügungen, vorgeschrieben wurden.

Bei der Berufungsverhandlung am 10. März 1994 wurde der Meldungsleger zu diesen Tatsachen befragt und gab an, er könne sich konkret an die in Rede stehende Nachfahrt nicht mehr erinnern, könne aber nicht ausschließen, daß der Rechtsmittelwerber im Rahmen der Nachfahrt von ihm überholt worden sei, wobei er einem anderen PKW nachgefahren sei, den er möglicherweise vor Herrn F angehalten habe. Km 87,6 der A9 befinde sich ca in der Mitte zwischen Spital/Pyhrn und dem vorläufigen Autobahnende in Roßleithen. Er könne sich das Organmandat um 13.10 Uhr daher nur so erklären, daß er zunächst Herrn F nachgefahren sei, diesen dann überholt habe und dem später bestraften Lenker auf einer weiteren Wegstrecke nachgefahren sei. Es müsse sich beim Organmandat um 13.10 Uhr um eine Geschwindigkeitsüberschreitung auf der Autobahn handeln, weil auf der Bundesstraße ebenso wie im Bereich des Autobahnendes Geschwindigkeitsbeschränkungen verordnet seien, sodaß es sich dabei um Übertretungen gemäß § 52a Z10a StVO gehandelt hätte. Er könne nicht ausschließen, daß die Schilderung des Rechtsmittelwerbers stimme, aber er könne sich an den Vorfall nicht erinnern.

4.2. In rechtlicher Hinsicht ist festzustellen, daß gemäß den Bestimmungen des § 51i VStG, wenn eine Verhandlung durchgeführt wird, bei der Fällung des Erkenntnisses nur auf das Rücksicht zu nehmen ist, was in dieser Verhandlung vorgekommen ist.

Dieser Unmittelbarkeitsgrundsatz führt dazu, daß im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens vorgenommene Beweisaufnahmen, soweit sie nicht zum Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens erhoben werden, gegenstandslos werden und aufgrund der Berufung das Verfahren neu aufgerollt wird.

Das technische Sachverständigengutachten basiert grundsätzlich auf den in der Anzeige angeführten Feststellungen, wobei der Amtssachverständige im Zuge eines Ortsaugenscheines die Nachfahrstrecke besichtigt hat. Aus technischer Sicht ist es durchaus möglich, bei einer Nachfahrt auf der angegebenen Strecke eine exakte Geschwindigkeitsfeststellung vorzunehmen.

Zur Person des Meldungslegers ist von seiten des unabhängigen Verwaltungssenates zu betonen, daß es sich dabei um einen äußerst korrekten und im Hinblick auf solche Nachfahrten geübten Beamten der Autobahngendarmerie handelt, dessen Tätigkeit sich weitgehend auf den Autobahnbereich und die dazwischen liegende Bundesstraße bezieht und der selbstverständlich im Lauf eines Jahres zahlreiche gleichgeartete Amtshandlungen vornimmt, sodaß es nicht verwunderlich ist, wenn er sich im Frühjahr 1994 nicht konkret an einen Vorfall vom August 1992 erinnern kann.

Durch die bei der Erstinstanz abgerechnete Organstrafverfügung vom 21. August 1992, 13.10 Uhr, wegen Geschwindigkeitsüberschreitung im Gemeindegebiet von Roßleithen, hat sich im Nachhinein ergeben, daß vor allem aufgrund der örtlichen und zeitlichen Übereinstimmung mit der den Rechtsmittelwerber betreffenden Nachfahrt nicht ausge schlossen werden kann, daß der Meldungsleger zu diesem Zeitpunkt tatsächlich zwei gleichartige Amtshandlungen annähernd gleichzeitig oder kurz nacheinander durchgeführt haben muß, wobei dieser insbesondere die Schilderung des Rechtsmittelwerbers vom Vorfall in keiner Weise widerlegen konnte.

Da dieser Umstand nicht zum Nachteil des Rechtsmittelwerbers ausgelegt werden kann, war spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.:

Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Bissenberger

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum