Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401317/5/SR/Wu

Linz, 17.07.2013

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Beschwerde des X, geboren am X, Staatsangehöriger von Marokko, derzeit aufhältig im PAZ X, vertreten durch X, X, wegen Verhängung und Anhaltung in Schubhaft seit 9. Juli 2013 durch die Landespolizeidirektion Oberösterreich, zu Recht erkannt:

 

 

 

I.        Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen; gleichzeitig wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft weiterhin vorliegen.

 

 

II.     Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Landespolizeidirektion Oberösterreich) den Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs. 1 und 83 Abs. 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 68/2013) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und der UVS-Aufwandsersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 456/2008.

 

 

 


Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 9. Juli 2013, GZ: 1077787/FRB, wurde über den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) auf Basis des § 76 Abs. 2 Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG idgFiVm.  § 57 Abs. 1 AVG zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG sowie zur Sicherung der Abschiebung (§ 46 FPG) die Schubhaft angeordnet und wird im PAZ X vollzogen.

 

Die belangte Behörde führte in der Begründung nach Wiedergabe der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen wie folgt aus:

 

Sie wurden am 08.07.2013, 23:35 Uhr im Reisezug EN 466 von St. Pölten - Richtung Linz, vor Aussteigestelle Linz/Hauptbahnhof durch Polizeibeamte einer fremden-polizeilichen Kontrolle unterzogen.

Hiebei konnte festgestellt werden, dass Sie die Gebietsbeschränkung gem. § 12 Abs.2 AsylG ( Aufenthalt auf das Gebiet der BH Baden beschränkt ) verletzten und bereits eine Mitteilung gem. § 29 Abs.3 Zi 4 AsylG durch die Asylbehörde an Sie erfolgt ist.

 

Auf Grund dieses Umstandes wurde seitens der Fremdenpolizeibehörde, der LPD O.Ö., am 09.07.2013, 01:00 Uhr gegen Sie ein Festnahmeauftrag gem. § 74 Abs.2 Zi. 1 FPG erlassen, da die Voraussetzungen zur Verhängung der Schubhaft vorlagen.

 

Am 09.07.2013, 10:45 Uhr wurde Ihnen durch das BAA – Erstaufnahmestelle OST der erstinstanzliche Bescheid gem. § 5 Abs.1 AsylG zugestellt, mit welchem Ihr Antrag auf internationalen Schutz vom 12.06.2013, als unzulässig zurückgewiesen wurde, da für die Prüfung des Antrages Ungarn zuständig ist.

 

In der am 09.07.2013/09:00 Uhr durchgeführten fremdenpolizeilichen Einvernahme führten Sie wie folgt aus:

 

„Mir wird der Gegenstand der Verhandlung zur Kenntnis gebracht und ich gebe dazu folgendes an:

Ich habe das Lager X am 08.07.2013 verlassen und wollte mit dem Zug dann nach Innsbruck fahren, um dort einen Freund zu besuchen. Gestern gegen Mitternacht wurde ich im Zug Nähe Linz von der Polizei kontrolliert und wegen illegalem Aufenthalt festgenommen.

In der Folge wurde von der LPD OÖ. ein Festnahmeauftrag erlassen und wurde ich heute in den frühen Morgenstunden in das PAZ X eingeliefert. Bei meinen Effekten wurde eine Asyl-Verfahrenskarte gefunden, auf der eine Gebietsbeschränkung auf das Gebiet Bezirk Baden (§ 12) vermerkt ist. Mir wird gesagt, dass ich diese Gebietsbeschränkung verletzt habe. Weiter wird mir gesagt, dass ich mich unerlaubt im Bundesgebiet aufhalte.

Zuvor kam ich am 12.06.2013 von Ungarn mit dem Zug nach Österreich. Anfang April hatte ich in Ungarn — ich weiß nicht, wie der Ort heißt - einen Asylantrag gestellt. Untergebracht wurde ich daraufhin in Debrecen. 2 Monate und 10 Tage habe ich gewartet, aber ich habe in Ungarn wegen meinem Asylverfahren kein Ergebnis erhalten. Die Zustände in dem Lager in Debrecen waren nicht so gut und das war letztlich der Grund, warum ich nach Österreich kam.,

Ich habe keinen Ausweis von zuhause, der meine Identität beweisen könnte. An Barmittel habe ich derzeit € 43,35, Ich habe in Österreich keinen Wohnsitz und keine Verwandten. In Österreich habe ich noch nie gearbeitet.

Ich habe am 06.07.2013 beim Bundesasylamt EAST Ost in X einen Asylantrag gestellt. Gern. § 5 wurde mein Antrag zurück gewiesen und wurde ein Ausweisungsbescheid erlassen. Dazu befragt, gebe ich an, dass ich darüber noch keinen Bescheid erhalten habe. Mir wird gesagt, dass die LPD OÖ. beabsichtigt, mich gem. Dublinverordnung nach Ungarn abzuschieben.

Aus diesem Grund wird die LPD OÖ. über mich die Schubhaft verhängen. Im Falle der Schubhaft werde ich während der Dauer der Schubhaft arbeitswillig sein. Mir wird noch gesagt, dass das Bundesasylamt von meiner Inschubhaftnahme verständigt wird.

Abschließend wird mir gesagt, dass ich wegen illegalem Aufenthalt angezeigt werde.

Ich habe alles verstanden.“

Die Erhebungen und Ihre eigenen Angaben ergaben somit, dass Sie unstet sind, somit über keinen Wohnsitz im Bundesgebiet verfügen – ebensowenig scheint eine aufrechte Meldung Ihrer Person im Zentralen Melderegister auf.

 

Sie würden nun lt. Ihren Angaben in Österreich keine hier aufhältige Verwandte von Ihnen haben und hätten hier noch nie ( legal ) gearbeitet.

Zum Zeitpunkt Ihrer Festnahme wäre bei Ihnen der Schubhafttatbestand gem. § 76 Abs.2a Zi 2 FPG vorgelegen, da Sie zweifelsfrei die Ihnen auferlegte Gebietsbeschränkung in voller Absicht verletzt hatten – so wurden Sie in einem Reisezug Richtung Innsbruck aufgegriffen und waren auch im Besitze eines Zugtickets nach Innsbruck und es war seitens des Asylamtes bereits ein Ausweisungsverfahren gegen Sie ex lege eingeleitet  worden.

In Kenntnis Ihrer Inhaftierung wurde Ihnen am heutigen Tage der zuvor genannte Bescheid durch das Bundesasylamt EAST OST persönlich nachweislich zugestellt.

Das bedeutet, dass nun gegen Sie eine durchsetzbare – wenn auch nicht rechtskräftige –Ausweisung gem. § 10 AsylG erlassen wurde.

 

Entscheidungsrelevant ist vor allem der Umstand, dass Sie offensichtlich nicht bereit sind, Beschränkungen, welchen Sie zur Sicherung des Asylverfahrens unterworfen wurden – hier eine Aufenthaltsbeschränkung für den Bezirk Baden – einzuhalten.

Hier ist zu beachten, dass Sie den Bezirk Baden in Richtung Innsbruck, also in räumlich weiter Entfernung zum beschränkten Gebiet verlassen haben.

Sie haben somit den Zweck dieser Gebietsbeschränkung, nämlich für die Asylbehörde im Asylverfahren sofort greifbar zu sein, vorsätzlich unterlaufen, was für die Behörde aufzeigt, dass Sie sich zumindest für einen gewissen Zeitraum dem Asylverfahren entziehen wollten.

Der erstinstanzliche Bescheid der Asylbehörde, welcher bereits für die Zustellung vorbereitet war, konnte letztendlich nur deshalb persönlich zugestellt werden, da Sie sich im PAZ X in Haft befinden.

Dass Sie aus Österreich nach Ungarn ausgewiesen werden würden, ist Ihnen spätens ab der Zustellung der Anordnung gem. § 29 Abs.3 Zi 4 AsylG bewußt geworden.

Im Wissen um den zu erwartenden negativen Ausgang Ihres Asylverfahrens verließen Sie unter Verletzung der Gebietsbeschränkung den Bezirk Baden und wollten sich nach Innsbruck absetzen.

Wobei hier noch festzuhalten ist, dass Sie sogar bewußt eine verwaltungsstrafrechtlich strafbare Handlung setzten – § 121 Abs.2 FPG ( Verletzung der Gebietsbeschränkung )

 

Auf Grund Vorgesagtem kann die Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gem. § 10 Asylgesetz 2005 und eine daraus resultierende allfällige Abschiebung nach Ungarn im konkreten Fall nur durch die Verhängung der Schubhaft gesichert werden .

 

Vom Bestehen einer Sicherungsnotwendigkeit ausgehend ist schließlich im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu untersuchen, ob der mit der fremdenpolizeilichen Maßnahme konkret verfolgte Zweck nicht auch durch gelindere Sicherungsmittel zu erreichen gewesen wäre. Dabei ist eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und/oder der Außerlandesschaffung (Aufenthaltsbeendigung) und dem privaten Interesse an einer Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen (vgl. VwGH vom 25.03.2010, Zl. 2009/21/0276).

Die Anordnung gelinderer Mittel bedingt das grundsätzliche Vertrauen, dass Sie sich der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und/oder Sie sich zum Zeitpunkt der Durchführung der Abschiebung der Behörde zur Verfügung halten, dh. für diese auch faktisch greifbar sind. In diesem  Zusammenhang geht die Rechtsordnung davon aus, dass ein derartiges Vertrauen a priori zunächst vorauszusetzen ist. Daraus folgt, dass – wie im vorliegenden Fall – es der Behörde obliegt, jene Gründe vorzubringen und entsprechend zu belegen, die im jeweiligen Fall für ein konkretes Nichtbestehens eines derartigen Vertrauensverhältnisses sprechen. Einer derartigen Prognoseentscheidung sind somit v.a. jene Hinweise in Bezug auf das bisherige Verhalten zu Grunde zu legen, die gegen bzw. für eine Freiheitsentziehung sprechen.

In Ihrem Fall ist nunmehr dringend davon auszugehen, dass Sie sich selbst mit erhöhten Auflagen von Sicherungsmaßnahmen wie einer tägliche Meldeverpflichtung bei einer Polizeiinspektion nicht daran gehindert sehen, eine zugewiesene Unterkunft aufzugeben und sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahmen und/oder der unmittelbar bevorstehenden Abschiebung durch Untertauchen zu entziehen. Eine Abwägung einer weiteren erhöhten Sicherungsmaßnahme im Rahmen des gelinderen Mittels, wie eine gesetzlich vorgesehene Einhebung einer finanziellen Sicherheitsleistung, konnte überdies nicht in Betracht gezogen werden, da Sie abgesehen von einem geringfügigen Geldbetrag in Höhe von € 43,35,-, mittellos sind. Es konnten daher – und zwar bezogen auf Ihren Einzelfall – keine geeigneten Sicherungsmaßnahmen gefunden werden, die Ihre Hemmschwelle so weit nach oben setzen würden, dass Sie nicht die Vollstreckung fremdenpolizeilicher Maßnahmen gegen Ihre Person verhindern, weshalb die erkennende Behörde Ihnen kein Vertrauen gegenüber aufbringen kann, dass Sie sich der Behörde  zur Verfügung halten, dh. für diese auch faktisch greifbar sind.

Vollständigkeitshalber sei erwähnt, dass auch sonstige gelindere Mittel, die im Verein mit einer periodischen Meldeverpflichtung insgesamt dazu geeignet wären, einigermaßen verlässlich zu gewährleisten, dass Sie zwecks Durchführung des Verfahrens und/oder ihrer zwangsweisen Abschiebung tatsächlich für die Behörde greifbar sind, objektiv nicht erkennbar sind.

Anhand dieser konkreten, individuell-fallbezogenen Subsumtion ist ersichtlich, dass aufgrund zwingender Gründe davon ausgegangen werden kann, dass die effektive Umsetzung der beabsichtigten fremdenpolizeilichen Maßnahme nicht anders als durch einen Entzug der persönlichen Freiheit zu gewährleisten ist, weshalb sich die Anordnung der Schubhaft auch unter dem Aspekt des Verhältnismäßigkeitsprinzipes als gerechtfertigt erweist.

Die Behörde kann daher keine Gewähr dafür sehen, dass Sie – unter Gesamtbetrachtung Ihres bisherigen Verhaltens – den Anordnungen in einem gelinderen Mittel Folge leisten werden, zumal Sie bereits einmal einer behördlichen Aufenthaltsbeschränkung - Gebietsbeschränkung auf den Bezirk Baden – bewußt und gewollt nicht Folge leisteten, somit diese mißachteten.

Aus diesem Grund musste auch von der Anordnung eines gelinderen Mittels im Sinne des § 77 FPG 2005 abgesehen werden, da auf Grund Ihres zuvor geschilderten Verhaltens die Behörde nicht davon ausgehen kann, dass Sie Anordnungen im gelinderen Mittel Folge leisten werden, zumal Ihnen klar sein muss, dass Sie in den Staat abgeschoben werden, welcher letztendlich für die Durchführung Ihres Asylverfahrens zuständig ist, insbesondere da Ihnen bereits der erstinstanzliche Bescheid des Bundesasylamtes mit der Ausweisungsentscheidung nach Ungarn zugestellt werden konnte.

Wie in diesem Bescheid auch dargelegt, wird dieser Bescheid mit dessen Zustellung durchsetzbar – wodurch sich der Schubhafttatbestand des § 76 Abs.2 Zi 1 FPG ergibt.

 

Es ist für die Behörde auf Grund Ihrer kundgemachten Einstellung österr. Rechtsvorschriften gegenüber somit klar ersichtlich, dass Sie nicht bereit sind, die Durchführung des aktuellen Asylverfahrens in Österreich abzuwarten, sowie Sie auch nicht bereit waren, das Asylverfahren in Ungarn abzuwarten, wobei hier bezeichnend ist, dass Sie als Erklärung hiefür angaben, dass Ihnen der Verfahrensgang in Ungarn zu langsam gewesen wäre und die Zustände im Lager in Debrecen nicht so gut gewesen wären.

Was zeigt, dass Ihrer Ansicht nach nicht die jeweiligen Verfahrensvorschriften von Bedeutung sind, sondern es Ihrer freien Disposition unterliegt, diese einzuhalten oder nicht einzuhalten.

Diese Prognose wird dadurch untermauert, dass Sie offensichtlich völlig entwurzelt sind, keinerlei Bezug zu Österreich haben, hier keinerlei verwandtschaftliche bzw. soziale Beziehungen haben und logischerweise hier auch keiner legalen Beschäftigung nachgehen, ebenso ist Ihre Identität nicht einmal ansatzweise geklärt.

Auf Grund Vorgesagtem besteht im konkreten Fall ein konkreter hoher Sicherungsbedarf und kann der Zweck der Schubhaft nicht durch Anordnung gelinderer Mittel erreicht werden, zumal Sie Ihre negative Einstellung der österreichischen Rechtsordnung, insbesondere fremdenrechtlichen und asylrechtlichen Vorschriften gegenüber, bereits mehr als deutlich zum Ausdruck gebracht haben– womit spruchgemäß zu entscheiden war.

 

2. Gegen die Verhängung der Schubhaft und seine Anhaltung in Schubhaft erhob der Bf durch seine Vertreterin mit Telefax vom 15. Juli 2013 (FAX Kennung 15. Jul. 2013 14:48), eingelangt am 15. Juli 2013, Schubhaftbeschwerde an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich.

 

Den Sachverhalt schilderte die Vertreterin wie folgt:

 

Der BF ist am 12.06.2013 ins Bundesgebiet eingereist und hat am selben Tag aus eigenem Antrieb freiwillig einen Asylantrag gestellt. Der BF wurde in der Betreuungsstelle Ost aufgenommen und hielt sich bis zu seiner Festnahme durch die belangte Behörde dort auf. Am 20.06.2013 erhielt der BF vom Bundesasylamt die Verfahrensanordnung gem. § 29 Abs. 3 AsylG. Am 4.7.2013 wurde der BF im Rahmen des Parteiengehörs vom Bundesasylamt, EAST Ost, einvernommen. Am 8,7.2013 wollte der BF für einen Tag nach Innsbruck fahren, um einen Freund zu besuchen. Im Zug wurde er kurz vor Linz einer fremdenpolizeilichen Kontrolle unterzogen, wobei festgestellt wurde, dass der BF die Gebietsbeschränkung verletzt hatte. Über den BF wurde mit Bescheid vom 09.07.2013, GZ: 1077787/FRB, der Erstbehörde gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG die Schubhaft verhängt Der BF befindet sich seither in Schubhaft.

 

Dagegen richtet sich die eingebrachte Beschwerde.

 

Sowohl die Schubhaftverhängung als auch die Anhaltung in Schubhaft sind rechtswidrig.

 

Begründend führte die Vertreterin aus:

 

1. Unverhältnismäßigkeit der Haft

 

Art. 1 BVG zum Schutz der persönlichen Freiheit lautet:

 

„(1) Jedermann hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit).

(2) Niemand darf aus anderen als den in diesem Bundesverfassungsgesetz genannten Gründen oder auf eine andere als die gesetzlich vorgeschriebene Weise festgenommen oder angehalten werden.

(3) Der Entzug der persönlichen Freiheit darf nur gesetzlich vorgesehen werden, wenn dies nach dem Zweck der Maßnahme notwendig ist; die persönliche Freiheit darf jeweils nur entzogen werden, wenn und soweit dies nicht zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis steht

(4)Wer festgenommen oder angehalten wird, ist unter Achtung der Menschenwürde und mit möglichster Schonung der Person zu behandeln und darf nur solchen Beschränkungen unterworfen werden, die dem Zweck der Anhaltung angemessen oder zur Wahrung von Sicherheit und Ordnung am Ort seiner Anhaltung notwendig sind."

 

Art 1 Abs. 3 BVG zum Schutz der persönlichen Freiheit sieht demnach vor, dass jede Haftverhängung unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit zu prüfen ist. Im konkreten Fall stützt sich die Schubhaft auf § 76 Abs. 2 FPG.

 

§ 76 Abs. 2 FPG spricht von „kann, dies bedeutet, dass nicht automatisch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 76 Abs. 2 Z 2 FPG, Schubhaft zu verhängen ist, sondern eine individuelle Prüfung stattzufinden hat. Dies wurde Fall des BF unterlassen.

 

Bereits in seinem Erkenntnis vom 24.06.2006, B 362/06, hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass die gesamte Bestimmung des § 76 FPG im Lichte des aus dem Bundesverfassungsgesetz vom 29.11.1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit erfließenden unmittelbar anwendbaren Gebots der Verhältnismäßigkeit auszulegen ist.

 

Von der Behörde ist daher bei der Anwendung des § 76 Abs. 2 FPG zu prüfen, ob die Schubhaft notwendig ist, um eines der oben genannten Verfahren oder die Abschiebung, Zurückschiebung oder Durchbeförderung eines Fremden zu sichern.

 

Genau dies trifft auch im Fall des BF zu: über ihn wurde ohne ausreichende Begründung die Schubhaft angeordnet. Mit der konkreten Situation des BF hat sich die Erstbehörde im angefochtenen Bescheid nicht hinreichend auseinander gesetzt. Der angefochtene Bescheid lässt daher auch eine nachvollziehbare Begründung dahingehend vermissen, weshalb anzunehmen sei, dass die Schubhaft notwendig sei.

 

Bloß allgemeine Annahmen oder Erfahrungswerte, wie die von der Erstbehörde herangezogenen, können nicht genügen, um die Notwendigkeit und die Verhältnismäßigkeit eines Freiheitsentzuges im Einzelfall zu begründen (VfGH 28.09.2004, B 292/04 unter Hinweis auf VfSSg. 14.981/1997).

 

Misst die belangte Behörde dem seit seiner Einreise gezeigten Verhalten des Fremden, der unmittelbar nach dieser aus eigenem das Bundesasylamt aufsuchte, um dort seinen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, nach Antragstellung in die Grundversorgung aufgenommen wurde, sich daraufhin im ihm zugewiesenen Quartier aufhielt und immer am Verfahren beteiligte, keine Bedeutung zu, so verkennt sie die Rechtslage, Diese Umstände, die gegen die Annahme der belBeh, er werde sich dem Verfahren zu entziehen trachten, sprechen, dürfen bei der Beurteilung, ob ein Sicherungsbedarf gegeben ist, nicht außer Betracht bleiben (VwGH 08.07.2009,2007/21/0085).

 

Ungeachtet des Vorliegens eines Tatbestandes nach § 76 Abs. 2 FrPolG 2005 (hier: Z 1) kann die Schubhaftnahme eines Asylwerbers nur dann gerechtfertigt sein, wenn besondere Umstände vorliegen, die (schon) in diesem Asylverfahrensstadium ein Untertauchen des betreffenden Fremden befürchten lassen (VwGH 27.05.2009, 2008/21/0196).

 

Für die Befürchtung, der Fremde werde sich dem weiteren Verfahren entziehen und für die Behörden nicht erreichbar sein, müssen vor allem aus dem bisherigen Verhalten des Fremden ableitbare spezifische Hinweise bestehen (VwGH 30.04.2009,2006/21/0341).

 

Es kann dem Gesetzgeber vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes jedenfalls nicht zugesonnen werden, er sei davon ausgegangen, alle potenziellen "Dublin-Fälle" seien statt in Grundversorgung in Schubhaft zu nehmen (19.06.2008, 2007/21/0070).

 

Zur Prüfung des Sicherungserfordernisses ist auf alle Umstände des konkreten Falls Bedacht zu nehmen, um die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens, als schlüssig anzusehen. Dabei kommt dem bisherigen Verhalten des Fremden Bedeutung zu (VwGH 27.02.2007, 2006/21/0311), jedoch muss die konkrete Situation des Betroffenen geprüft werden - sogar wenn der Fremde vorher in einem sicheren Drittstaat einen Asylantrag gestellt hat (VfGH 29.09.2004, B 292/04). In einem solchen Fall ist auch der Grund für eine allfällige Weiterreise nach Österreich nach Stellung eines Asylantrags in einem anderen Staat und die dabei eingeschlagene Vorgangsweise zu berücksichtigen (VwGH 28.06.2007, 2006/21/0051).

 

Insbesondere kann die dem BF angelastete Ausreiseunwilligkeit alleine nicht das Sicherungserfordernis begründen (VwGH 27.02.2007, 2006/21/0311). Der VwGH hat in seiner ständigen Judikatur die Erforderlichkeit der Prüfung jedes individuellen Einzelfalles hervorgehoben (VwGH 24.10.2007, 2006/21/0045). In allen Fällen der Verhängung von Schubhaft besteht die Verpflichtung, eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen den öffentlichen Interessen an der Sicherung des Verfahrens und der Sicherung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen; Schubhaft kann immer nur als ultima ratio verstanden werden (VfGH 15.06.2007, B 1330/06). Schubhaft ist hingegen nicht als Standard-Maßnahme gegenüber Asylwerbern anzuwenden; weder eine illegale Einreise noch das Fehlen beruflicher Integration oder einer Krankenversicherung noch der Mangel finanzieller Mittel sind für sich genommen als Schubhaftgründe zu werten (VwGH 24.10.2007, 2006/21/0239).

 

Im konkreten Fall hat der BF unmittelbar nach seiner Einreise ins Bundesgebiet von sich aus einen Asylantrag gestellt. Er hat sich danach bis zu seiner Festnahme in dem ihm zugewiesenen Quartier in der Betreuungsstelle Ost aufgehalten. Er hat in Österreich bisher kein Verhalten gesetzt, das darauf schließen lassen würde, dass er sich dem Asylverfahren bzw. der Abschiebung entziehen würde. Die belangte Behörde begründet ein Sicherungsbedürfnis damit, dass der BF die Gebietsbeschränkung verletzt habe.

Der BF hatte lediglich für einen Tag vor einen Freund in Innsbruck zu besuchen und wäre am nächsten Tag nach X zurückgekehrt. Es war ihm bewusst, dass er bald einen Bescheid erhalten wird und wollte er keinesfalls die Frist zur Einbringung einer Beschwerde versäumen. Er ließ auch viele persönliche Sachen in X zurück, da er ja vorhatte am nächsten Tag zurückzukehren. Das lässt jedenfalls darauf schließen, dass er keinesfalls vorhatte unterzutauchen und sich dem Verfahren zu entziehen.

 

Aus Gründen des Verhältnismäßigkeitsgebots und wegen der Formulierung des Art 2 Abs 1 Z 7 PersFrG („um zu sichern") kann auch die Ausweisungsabsicht zur Rechtfertigung eines Freiheitsentzuges nur dann hinreichen, wenn die Verhängung der bzw. Anhaltung in Schubhaft tatsächlich notwendig ist um die Außerlandesschaffung zu sichern.

 

Das erforderliche Sicherungsbedürfnis, welches die Anordnung von Schubhaft rechtfertigen könnte, liegt beim BF nicht vor.

 

Die Schubhaftverhängung und die weitere Anhaltung in Schubhaft sind daher rechtswidrig.

 

2. Nichtanwendung des gelinderen Mittels

 

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits- in seinem Erkenntnis vom 18.05.2001, ZI. 2001/02/0048 ausgesprochen und in ständiger Judikatur bekräftig hat, hat die schubhaftverhängende Behörde die Anwendung des gelinderen Mittels zu prüfen. Dies wurde im konkreten Fall unterlassen.

 

Die Auffassung, das Belassen eines Fremden auf freiem Fuß könnte immer dann, wenn ein Sicherungsbedürfnis zu bejahen ist, keine Gewähr für die Verfahrenssicherung bieten, hätte zur Folge, dass das Sicherungsbedürfnis nie anders als durch Anhaltung in Haft gedeckt werden' könnte. Diese Ansicht entspricht aber mit Blick auf § 77 FrPolG 2005, der ausdrücklich (unter den dort näher angeführten Voraussetzungen) die Sicherung der Schubhaftzwecke auch auf andere Art als durch Haft vorsieht, nicht dem Gesetz (VwGH 18.02.2009, 2006/21/0261).

 

Der UVS Oberösterreich hat in einem vergleichbaren Fall in seinem Erkenntnis vom 06.12.2012, zur GZ VwSen-401240/4/Gf/Rt, die Schubhaft für rechtswidrig erklärt weil die belangte Behörde den Vorrang der Anordnung des gelinderen Mittels nicht beachtet hat und „nicht in einer nachvollziehbaren Weise - geschweige denn auch entsprechend belegt - zu erkennen gegeben hat, dass sie überhaupt die Anordnung gelinderer Mittel (sowie konkret: welcher dieser Mittel) in Erwägung gezogen und davon ausgehend das Vorliegen einer derartigen ultima-ratio-Situation, die sogar eine vorgängige Anordnung solcher Maßnahmen ausgeschlossen, sondern vielmehr die unverzügliche Schubhaftverhängung als geboten angenommen hat". Der UVS Oberösterreich führt im oben genannten Erkenntnis weiters aus es gehe „weder aus diesem Bescheid noch aus dem von der Behörde vorgelegten Akt hervor, dass der Bezirkshauptmann von Vöcklabruck die Anordnung gelinderer Mittel überhaupt de facto erwogen hat; konsequenterweise fehlt sodann auch eine fallbezogene und auf entsprechenden Belegen fußende Auseinandersetzung mit der Frage, welches dieser Mittel im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als das am ehesten Zielführende anzusehen ist sowie - davon ausgehend - in welchen Umständen gegenständlich eine derartige ultima-ratio-Situation begründet war, dass nicht einmal mit einer zumindest vorgängigen Anordnung dieses gelinderen Mittels, sondern nur mit einer unverzüglichen Schubhaftverhängung das Auslangen gefunden werden konnte."

 

Im konkreten Fall geht die bei. Behörde davon aus, dass der BF sich einer Abschiebung durch Untertauchen entziehen werde. Dem Bescheid ist aber nicht nachvollziehbar zu entnehmen, dass die belangte Behörde die Möglichkeit der Verhängung des gelinderen Mittels geprüft hätte. Somit ist die Schubhaft rechtswidrig.

 

3. Widerspruch zur Verordnung (EG) Nr. 1560/2003

 

Artikel 7 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist lautet:

 

„KAPITEL III

DURCHFÜHRUNG DER ÜBERSTELLUNG

Artikel 7

Modalitäten der Oberstellung

(1) Die Übersteifung in den zuständigen Mitgliedstaat kann auf eine der folgenden Weisen erfolgen:

a) auf Initiative des Asylbewerbers innerhalb einer vorgegebenen Frist;

b) in Form der kontrollierten Ausreise, wobei der Asylbewerber bis zum Besteigen des Beförderungsmittels von einem Bediensteten des ersuchenden Staates begleitet wird und dem zuständigen Staat Ort, Datum und Uhrzeit seiner Ankunft bis zu einer vereinbarten Frist vor der Ankunft mitgeteilt wurden;

c) in Begleitung, wobei der Asylbewerber von einem Bediensteten des ersuchenden Staates oder einem Vertreter einer von dem ersuchenden Staat zu diesem Zweck beauftragten Einrichtung eskortiert und den Behörden des zuständigen Staats überstellt wird."

 

Aus dieser Bestimmung geht hervor, dass es eine Rangordnung der Überstellungsmodalitäten gibt bzw. dass eine freiwillige Ausreise des Asylwerbers in den zuständigen Mitgliedsstaat prioritär ist. Auch die österreichische Rechtsordnung geht von der grundsätzlichen Annahme aus, dass Gesetze zwar mit Zwangsandrohung, aber zunächst ohne Zwangsausübung eingehalten werden. Zunächst ist davon auszugehen, dass ein Gesetz bzw. eine gesetzlich ergangene Entscheidung von den Rechtsunterworfenen grundsätzlich respektiert und eingehalten wird. Erst, wenn sich herausstellt, dass dies nicht der Fall ist, kann zu Zwangsmaßnahmen gegriffen werden. Eine automatische Schubhaftverhängung, d.h. die grundsätzliche Annahme ein Gesetz würde von den Rechtsunterworfenen generell nicht befolgt werden - wie sie derzeit in der Praxis stattfindet - findet keine Deckung in der österreichischen Verfassung.

 

Nach Abschluss des Verfahrens über die (Un-)Zuständigkeit Österreichs ist zunächst dem Asylwerber die Möglichkeit der freiwilligen Ausreise zu geben. Erst wenn sich herausstellt, dass der Asylwerber nicht freiwillig ausreist bzw. zu verstehen gibt, dass er dies nicht tun wird, ist eine Haftverhängung zulässig.

 

Die Schubhaftverhängung des BF ohne Einhaltung dieser Abfolge steht daher sowohl in Widerspruch zur oben genannten Verordnung, als auch zur österreichischen Verfassung und Ist daher inhaltlich rechtswidrig.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach betont, dass die Verhängung der Schubhaft in "Dublin-Fällen" nicht zu einer Standardmaßnahme gegen Asylwerber werden darf (VwGH 05.07.2011, 2008/21/0028). Besondere Gesichtspunkte, die erkennen ließen, es handle sich hier um eine von den typischen "Dublin-Fällen" abweichende Konstellation, in der mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit auf Grund konkreter Anhaltspunkte auf eine drohende Verfahrensvereitelung durch den Beschwerdeführer geschlossen hätte werden können, sind dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen.

 

Es werden daher die

Beschwerdeanträge gestellt, der UVS im Land Oberösterreich möge

  1. die Verhängung der Schubhaft und
  2. die Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig erklären sowie
  3. Kostenersatz im Umfang der anzuwendenden Pauschalersatzverordnung (Schriftsatz- Verhandlungsaufwand) und der Eingabegebühr zuerkennen.

 

3.1. Am 16. Juli 2013 übermittelte die belangte Behörde durch Boten den Bezug habenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich und erstattete folgende Gegenschrift:

 

X, Nat.i.A. wurde am 08.07.2013, gegen 23:35 Uhr, im Reisezug EN-466 durch Polizeibeamte einer fremdenpolizeilichen Kontrolle unterzogen.

Hierbei konnte festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer (Bf) lediglich eine auf ihn ausgestellte Verfahrenskarte gem. § 50 AsylG mit sich führte.

Auf dieser war auch die Gebietsbeschränkung gem. § 12 AsylG auf den Bezirk Baden eingetragen, sonst führte er keinerlei Identitätsdokumente mit sich. Weiters war er im Besitze eines Einfachtickets nach Innsbruck.

In weiterer Folge wurde durch die Journalbeamtin der LPD am 09.07.2013, um ca. 01:00 Uhr, ein Festnahmeauftrag gem. § 74 Abs.2 Zi 1 FPG erlassen , auf Grund dieses Auftrages wurde der Bf in weiterer Folge in das PAZ X eingeliefert und der Behörde vorgeführt.

Am 09.07.2013 wurde von der Behörde über den Beschwerdeführer die Schubhaft gem. § 76 Abs.2 Zi 1 FPG 2005 verhängt, wobei der Schubhaftbescheid dem Bf persönlich um 14:00 Uhr nachweislich zugestellt wurde.

Dies deshalb, da seitens des BAA, EAST OST am 09.07.2013 dem Bf der erstinstanzliche Bescheid im anhängigen Asylverfahren (Zl.: 13 07.888) im PAZ X - vor Schubhaftverhängung - zugestellt werden konnte .

Wobei ihm dieser Bescheid am 09.07.2013, um 10:45 Uhr durch persönl. Übernahme nachweislich zugestellt wurde.

Mit diesem Bescheid wurde sein Antrag auf internationalen Schutz vom 12.06.2013, gem. § 5 Abs.1 AsylG 2005 zurückgewiesen, da für die Prüfung des Asylantrages gem. Art.16 (1) der VO (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II - VO) der Staat UNGARN zuständig ist. Unter einem wurde die Ausweisung gem. § 10 Abs. 1 Zi 1 AsylG des Bf nach Ungarn verfügt.

 

Bei seiner fremdenpolizeilichen Einvernahme am 09.07.2013 gab der Bf folgendes an:

„Mir wird der Gegenstand der Verhandlung zur Kenntnis gebracht und ich gebe dazu folgendes an:

Ich habe das Lager X am 08.07.2013 verlassen und wollte mit dem Zug dann nach Innsbruck fahren, um dort einen Freund zu besuchen. Gestern gegen Mitternacht wurde ich im Zug Nähe Linz von der Polizei kontrolliert und wegen illegalem Aufenthalt festgenommen.

In der Folge wurde von der LPD . ein Festnahmeauftrag erlassen und wurde ich heute in den frühen Morgenstunden in das PAZ X eingeliefert. Bei meinen Effekten wurde eine Asyl-Verfahrenskarte gefunden, auf der eine Gebietsbeschränkung auf das Gebiet Bezirk Baden (§ 12) vermerkt ist. Mir wird gesagt, dass ich diese Gebietsbeschränkung verletzt habe. Weiter wird mir gesagt, dass ich mich unerlaubt im Bundesgebiet aufhalte.

Zuvor kam ich am 12.06.2013 von Ungarn mit dem Zug nach Österreich. Anfang April hatte ich in Ungarn — ich weiß nicht, wie der Ort heißt - einen Asylantrag gestellt. Untergebracht wurde ich daraufhin in Debrecen. 2 Monate und 10 Tage habe ich gewartet, aber ich habe in Ungarn wegen meinem Asylverfahren kein Ergebnis erhalten. Die Zustände in dem Lager in Debrecen waren nicht so gut und das war letztlich der Grund, warum ich nach Österreich kam.

Ich habe keinen Ausweis von zuhause, der meine Identität beweisen könnte. An Barmittel habe ich derzeit € 43,35. Ich habe in Österreich keinen Wohnsitz und keine Verwandten. In Österreich habe ich noch nie gearbeitet.

Ich habe am 06.07.2013 beim Bundesasylamt EAST Ost in X einen Asylantrag gestellt. Gern. § 5 wurde mein Antrag zurück gewiesen und wurde ein Ausweisungsbescheid erlassen. Dazu befragt, gebe ich an, dass ich darüber noch keinen Bescheid erhalten habe. Mir wird gesagt, dass die LPD . beabsichtigt, mich gem. Dublinverordnung nach Ungarn abzuschieben.

Aus diesem Grund wird die LPD . über mich die Schubhaft verhängen. Im Falle der Schubhaft werde ich während der Dauer der Schubhaft arbeitswillig sein. Mir wird noch gesagt, dass das Bundesasylamt von meiner Inschubhaftnahme verständigt wird.

 

Abschließend wird mir gesagt, dass ich wegen illegalem Aufenthalt angezeigt werde.

 

Ich habe alles verstanden."

 

Zur Schubhaft:

 

Der verfahrensgegenständliche Schubhaftbescheid wurde auf § 76 Abs.2 Zi 1 FPG gestützt, da zum Zeitpunkt der Zustellung des SH - Bescheides dem BF bereits der obgenannte Bescheid des BAA - EAST OST zugestellt war.

Vor Zustellung des Bescheides der EAST OST wäre nach ha. Ansicht eindeutig der SH -Tatbestand des § 76 Abs.2a Zi 2 FPG vorgelegen, da die Mitteilung gem. § 29 Abs.3 Zi 4 AsylG dem Bf bereits am 20.06.2013 zugestellt wurde und er eindeutig vor Zustellung des erstinstanzlichen Asylbescheides die Gebietsbeschränkung gem. § 12 Abs.2 AsylG massiv verletzt hatte.

Nach Zustellung des erstinstanzlichen Asylbescheides verdichtete sich der Sicherungsbedarf nach Ansicht der Behörde noch deutlicher.

In diesem Stadium des Asylverfahrens ist dem Bf nun mehr als deutlich zur Kenntnis gebracht worden , dass die Asylbehörde den Bf tatsächlich nach Ungarn ausweist - ein Umstand , der dem Wollen und den Plänen des Bf diametral entgegensteht. So gab der Bf in seiner fremdenpol. Niederschrift dezidiert an, dass ihm das Asylverfahren in Ungarn zu lange gedauert hätte und die Zustände im Lager Debrecin nicht so gut gewesen wären.

Auf Grund aller vorgenannten Umstände und des bisherigen Verhaltens des Beschwerdefüh­rers ergab sich für die Behörde ein derartiger Sicherungsbedarf, der die Verhängung der Schubhaft zwingend rechtfertigte - hier wird auf die ausführliche Begründung des verfahrensgegenständlichen Schubhaftbescheides verwiesen.

Wenn nun der Bf vermeint, dass der Schubhaftbescheid jedoch mangels hinreichender Be­gründung des Sicherungsbedarfes und der Sicherungsnotwendigkeit mit Rechtswidrigkeit behaftet ist, bezw. im konkreten Fall keine individuelle Prüfung der Voraussetzungen für die Verhängung der SH durchgeführt wurde , so ist dem entgegenzuhalten , dass in der Begründung desselben genau die Umstände angeführt sind , welche einen hohen Sicherungsbedarf erkennen lassen.

Daraus ergibt sich auch - im Gegensatz zur Ansicht des Bf - dass die Begründung des SH - Bescheides sehr wohl eine nachvollziehbare Begründung darstellt.

 

So wurde der Bf während einer Reisebewegung in einem internationalen Reisezug aufge­griffen, wobei sein Ziel nach eigenen Angaben Innsbruck war. Er war lediglich im Besitze eines Einfachtickets.

Der Bf setzte in vollem Bewußtsein und absichtlich eine verwaltungsstrafrechtlich zu ahndende Übertreung nach dem FPG, indem er die ihm auferlegte Gebietsbeschränkung für den Bezirk Baden verletzte.

Er wurde nicht in einem Nachbarbezirk aufgegriffen, sondern wollte sich offensichtlich räum­ich weit entfernt nach Innsbruck absetzen.

Was konkret nur den zwingenden Schluss zulässt, dass der Bf Anordnungen in einem gelin­deren Mittel, welcher Art auch immer, auf keinen Fall Folge leisten wird , hat er doch bereits eindrucksvoll gezeigt , dass er nicht bereit ist, verfahrenssichernden Anordnungen im Asylverfahren - hier die Anordnung sich lediglich in einem bestimmen Bezirk aufzuhalten - Folge zu leisten.

Es ist offensichtlich, dass der Bf - in Freiheit belassen - die nächstbeste Gelegenheit wahrnehmen wird, um sich der Abschiebung nach Ungarn zu entziehen - jetzt im Wissen, dass bereits ein Ausweisungsbescheid gegen ihn erlassen wurde.

Wie sich aus der Begründung des SH - Bescheides ersehen läßt , wurde detailliert ausgeführt, dass die Anordnung eines gelinderen Mittels das grundsätzliche Vertrauen bedingt, dass sich der Betroffene zum Zeitpunkt seiner (hier in Kürze absehbaren) Abschiebung der Behörde zur Verfügung halten wird, d.h. auch faktisch greifbar ist.

Die Rechtsprechung geht davon aus, dass ein derartiges Vertrauen a priori zunächst vo­rauszusetzen ist.

Die Behörde setzte sich im konkreten Fall nun damit auseinander, warum dem Bf dieses Vertrauen nun eben nicht entgegengebracht werden kann und setzte sich damit auseinander, warum eben beim Bf die Anordnung gelinderer Mittel den von der Behörde festgestellten hohen Sicherungsbedarf nicht abdeckt.

Wie sich aus dem bisherigen Verhalten des Bf in Ungarn als auch in Österreich ersehen läßt, ist der Bf augenscheinlich der Ansicht, das es seiner freien Disposition unterliegt - Verfahrensvorschriften , verfahrenssichernden Maßnahmen, etc. nicht einzuhalten , bezw. nicht nachzukommen, wenn er dies für Ihn günstiger hält.

 

Zu bemerken ist hier, dass .die Behörde genau den in der Beschwerde zitierten Rechtssätzen des VwGH gefolgt ist - wie, dass die SH eines Asylwerbers gem. § 76 Abs.2 Zi 1 FPG nur dann gerechtfertigt sein kann, wenn besondere Umstände vorliegen, die (schon) in diesem Asylverfahrensstadium ein Untertauchen des Fremden befürchten lassen , wobei diese besonderen Umstände hier vorliegen.

 

Die Zulässigkeit der Maßnahme (Schubhaft) verlangt die Prüfung ihrer Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit, was bedeutet, dass zu deren Beurteilung eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung der Außerlandesschaffung (Aufenthaltsbeendigung) und dem privaten Interesse an der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen ist.

 

Genau diese einzelfallbezogene Abwägung hat die Behörde durchgeführt.

 

Wenn nun der Bf vermeint, dass die Verhängung der SH im konkreten Fall eine vom VwGH verpönte Standardmaßnahme gegen Asylwerber sei, so ist dies nicht richtig. Wenn der Bf vermeint, dass besondere Gesichtspunkte, welche erkennen ließen, es handle sich hier um eine von den typischen „Dublin-Fällen" abweichende Konstellation, in der mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit auf Grund konkreter Anhaltspunkte auf eine drohende Verfahrensvereitelung durch den Bf geschlossen werden hätte können, dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen seien, so ist dies nicht richtig.

 

Nach Ansicht der Behörde ist der hier angeführte Hinweis auf das Erk.des VwGH vom 05.07.2011, ZI: 2008/21/0028 im konkreten Fall verfehlt.

Dies deshalb, da hier genau die Fälle angesprochen sind, in denen ein Fremder, welcher in Österreich einen Asylantrag stellt und bei dem sich herausstellt, dass er bereits in einem anderen Dublin - Staat einen Asylantrag gestellt hat, bereits in diesem Anfangsstadium (nämlich unmittelbar nach Antragstellung ) in Schubhaft genommen wird. In diesen Fällen rügte der VwGH, dass es in diesen Fällen zu keiner „automatischen" SH-Verhängung kommen darf, dies einzig und allein auf Grund der „Dublin-Relvanz" dieser Asylanträge, es sei denn , es treten noch andere Umstände, die in der Person des Betreffenden liegen, hinzu, welche einen hohen Sicherungsbedarf ergeben.

 

In der Begründung des SH - Bescheides wurden bewusst praxis- und realitätsnahe Ansatzpunkte gewählt, um eben theoretische, unrealistische Prognoseentscheidungen zu vermeiden.

Nach ha. Ansicht ergibt sich automatisch aus dem Sinn des Gesetzes, dass, je höher der Sicherungsbedarf ist, desto eher mit Verhängung der Schubhaft vorzugehen ist.

 

Zur Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in SH ist von der Behörde festzuhalten, dass lt. aktuellem AIS - Auszug die Zustimmung von Ungarn, den Bf gem. Dublin II – VO zurückzunehmen, bereits seit 28.06.2013 vorliegt und der Bf bereits am 11.07.2013 eine Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Asylbescheid einbrachte .

 

Die Vorlage der Beschwerde an den AGH erfolgte bereits mit 15.07.2013.

 

Dies bedeutet, dass absolut zeitnah, binnen Wochenfrist eine allfällige Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gem. § 37 AsylG durch den AGH ergehen wird, bezw., wenn dies nicht der Fall ist, nach Ablauf der 7 - Tagesfrist gem. § 36 Abs.4 AsylG die Abschiebung nach Ungarn effektuiert werden kann.

Daraus läßt sich ersehen, dass die weitere Anhaltung des Bf in SH angemessen und ver­hältnismäßig ist.

 

Es werden daher die Anträge gestellt,

der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich möge

1.        die Beschwerde als unbegründet abweisen, allenfalls zurückweisen;

2.        feststellen, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des Bf in Schubhaft weiterhin vorliegen

3.        den Beschwerdeführer zum Ersatz der unten angeführten Kosten verpflichten.

 

Ersatz für den Vorlageaufwand der belangten Behörde (Pauschalbeträge)

Ersatz für den Schriftsatzaufwand der belangten Behörde (Pauschalbeträge) in eventu Ersatz für Verhandlungsaufwand (Pauschalbeträge)

 

Der Beschwerdeführer ist in Schubhaft.

 

3.2. Der Oö. Verwaltungssenat hat nach Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass der Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt ist, weshalb von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 83 Abs. 2 FPG abgesehen werden konnte.

 

3.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem – im Übrigen vom Bf nicht substantiell widersprochenen - unter den Punkten 1., 2., 3.1. und 3.2. dieses Erkenntnisses dargestellten entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1.1. Gemäß § 83 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. Nr. 68/2013, ist zur Entscheidung über eine Beschwerde gemäß § 82 Abs. 1 Z. 2 oder 3 der Unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen Sprengel die Behörde ihren Sitz hat, welche die Anhaltung oder die Schubhaft angeordnet hat. In den Fällen des § 82 Abs. 1 Z. 1 richtet sich die Zuständigkeit nach dem Ort der Festnahme.  

 

Gemäß § 82 Abs. 1 FPG hat der Fremde das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,

1.   wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

2.   wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde, oder

3.   wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs. 4 FPG hat der Unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

 

4.1.2. Es ist unbestritten, dass der Bf aufgrund des in Rede stehenden Bescheides der belangten Behörde vom 9. Juli 2013 bis dato in Schubhaft angehalten wird, weshalb der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung berufen ist.

 

Nachdem sich der Bf zur Zeit der Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates noch in Schubhaft befindet, war gemäß § 83 Abs. 4 FPG eine umfassende Prüfung der Anhaltung vorzunehmen.

 

4.2. Gemäß § 76 Abs. 1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

 

Gemäß § 76 Abs 2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

  1. gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;
  2. gegen ihn nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;
  3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung (§§ 53 oder 54) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§ 60) verhängt worden ist oder
  4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Die Schubhaft ist nach § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

 

Stellt ein Fremder während der Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf Internationalen Schutz, so kann gemäß § 76 Abs. 6 FPG diese aufrechterhalten werden. Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 vor, gilt die Schubhaft als nach Abs. 2 verhängt. Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anordnung der Schubhaft gemäß Abs. 2 ist mit Aktenvermerk festzuhalten.

 

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat die Behörde bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z. 1.

 

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung,

1. in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,

2. sich in periodischen Abständen bei einem Polizeikommando zu melden oder

3. eine angemessene finanzielle Sicherheit bei der Behörde zu hinterlegen.

 

4.3.1. Die belangte Behörde hat sich zu Recht auf § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG gestützt.

 

Aus der "Kann-Bestimmung" des § 76 Abs. 1 (wie auch Abs. 2) FPG wird deutlich, dass es sich bei der Verhängung der Schubhaft um eine Ermessensentscheidung handelt. Es müssen daher im konkreten Fall Umstände in der Person des Bf gelegen sein, die erwarten ließen, dass er sich dem fremdenpolizeilichen Verfahren entziehen würde. Dabei sind diese Umstände nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht isoliert voneinander, sondern in Zusammenschau und unter Erstellung einer Einzelfallprüfung zu betrachten.

 

4.3.2. Das Asylverfahren des Bf befindet sich in einem finalen Stadium, die belangte Behörde ist von einem hohen Sicherungsbedarf ausgegangen und hat die dafür sprechenden Gründe im Schubhaftbescheid und in der Gegenschrift umfassend angesprochen.

 

4.3.3. Nach seiner illegalen Einreise in Ungarn stellte der Bf im April 2013 einen Asylantrag und wurde in einem Lager in Debrecen untergebracht. Seinen Aussagen folgend dauerte ihm das Verfahren zu lange und waren die Umstände im Lager „nicht so gut“ und daher habe er sich entschlossen, illegal in Österreich einzureisen. Die illegale Einreise in Österreich erfolgte mit dem Zug am 12. Juni 2013. Noch am selben Tag stellte der Bf beim Bundesasylamt EAST Ost einen Asylantrag. In der Folge wurde er in der Bundesbetreuung untergebracht, eine Gebietsbeschränkung für den Bezirk Baden ausgesprochen und nachweislich über die Folgen einer Missachtung informiert. Die Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 Z. 4 AsylG wurde dem Bf am 20. Juni 2013 ausgefolgt. Noch am selben Tag erfolgte die Zustimmung Ungarns zur Übernahme des Bf und zur Führung des Asylverfahrens.

Am 4. Juli 2012 wurde der Bf im Rahmen des Parteiengehörs einvernommen und von der weiteren Vorgangsweise in Kenntnis gesetzt (bevorstehende Aus-weisungsentscheidung nach Ungarn). Daraufhin verließ der Bf am 8. Juli 2013 das Lager X, kaufte sich eine Einfachkarte nach Innsbruck und reiste mit dem Zug Richtung Innsbruck. Bei der Kontrolle im Zug (vor der Ausstiegstelle Linz) gab der Bf gegenüber den einschreitenden Organen an, dass er in Innsbruck einen Freund besuchen wolle.

In der Folge erließ die LPD . einen Festnahmeauftrag und die Kontrollorgane führten den Bf der belangten Behörde vor.

4.3.4. Die belangte Behörde konnte nach der Vorführung auf Grund der Aktenlage mit Recht annehmen, dass der in Österreich gestellte Antrag mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werde. Noch vor Verhängung der Schubhaft erfolgte die Zustellung des Bescheides des Bundesasylamtes (§ 5 AsylG [Zurückweisung] und Ausweisung nach Ungarn). Der Bescheid des Bundesasylamtes wurde vom Bf um 10.45 Uhr übernommen und die Schubhaftverhängung fand um 14.00 Uhr statt (nachweisliche Ausfolgung des Schubhaftbescheides um 14.00 Uhr).

Nach der Judikatur der Höchstgerichte ist nicht bei jedem sogenannten Dublin-Fall von einem erhöhten Sicherungsbedarf auszugehen; allein der in Rede stehende Fall ist doch grundlegend anders gelagert als ein "Regel-Dublinfall".

 

4.3.5. Im vorliegenden Fall ergibt sich betreffend den Sicherungsbedarf – entgegen der Ansicht in der Beschwerde - ein eindeutiges Bild:

 

Es ist zwar zutreffend, dass den Umständen der völligen Mittellosigkeit, Wohnsitzlosigkeit und des Fehlens integrationsbegründender Beziehungen im Bundesgebiet sowie einer Ausreiseunwilligkeit eines Fremden alleine betrachtet nicht zwingend die Annahme eines hohen Sicherungsbedarfes und in der Folge die Verhängung der Schubhaft zu folgen haben, allerdings ergeben sich im vorliegenden Fall doch besondere Aspekte.

 

Der Bf hat Ungarn nicht nur als Transitland angesehen, sondern vorerst als Asylland auserkoren. Dieses dürfte jedoch nicht seinen Vorstellungen entsprochen haben („die Zustände im Lager waren nicht so gut“) und daher hat er nach mehr als zwei Monaten Aufenthalt – ohne den Ausgang des Asylverfahrens abzuwarten – Ungarn verlassen und den Zug zur illegalen Weiterreise genutzt.

 

In der Beschwerdeschrift nimmt der Bf weder auf den Ungarnaufenthalt, die Asylantragstellung in Ungarn noch die Lagerverhältnisse Bezug. Einleitend wird nur auf die Einreise in das Bundesgebiet abgestellt. Dass diese „illegal mit den Zug“ erfolgt ist, scheint nicht erwähnenswert zu sein. Hervorgehoben wird dagegen die „Freiwilligkeit der Asylantragstellung“ in Österreich.

 

Obwohl die belangte Behörde umfassend das Sicherungserfordernis geprüft, sich mit dem gelinderen Mittel auseinandergesetzt und eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorgenommen hat, stellt der Bf unreflektiert allgemeine Aussagen in den Raum gestellt, die diametral zu der tatsächlichen Verfahrensführung stehen.

 

Beispielsweise ist anzuführen: individuelle Prüfung wurde unterlassen; Schubhaft ohne ausreichende Prüfung angeordnet; mit der konkreten Situation nicht hinreichend auseinandergesetzt; bloße allgemeine Annahmen oder Erfahrungswerte; unterlassene Prüfung des gelinderen Mittels; Schubhaft als Standardmaßnahme; Ausreiseunwilligkeit alleine kein Sicherungserfordernis; potenzieller Dublinfall.

 

Betrachtet man das Verhalten des Bf, dann scheint das Aufsuchen der österreichischen Behörden in erster Linie der Sicherung seiner grundlegenden Bedürfnisse und der Verbesserung seiner Lebenssituation gedient zu haben.

 

Das Verhalten des Bf in Österreich fügt sich nahtlos an das in Ungarn an den Tag gelegte. Davon ausgehend, dass er in Österreich bessere Lebensumstände zu erwarten habe, hat er die Betreuungseinrichtung in Ungarn verlassen und den Zug als Transportmittel zur Weiterreise genutzt. Möglicherweise hat er auch bevorstehende fremdenpolizeiliche Maßnahmen befürchtet und deshalb die Beendigung des Asylverfahrens nicht mehr abgewartet.

 

In Österreich ist ein zielgerichtetes Verhalten deutlich erkennbar. Nur wenige Tage nach der Kenntnisnahme der unmittelbar bevorstehenden Erlassung der Ausweisungsentscheidung und der damit verbundenen Überstellung nach Ungarn hat der Bf die Betreuungseinrichtung im Osten Österreichs verlassen. Wiederum bediente er sich dabei des Zuges als Transportmittel. Schon im Hinblick auf die Lösung eines Einfachfahrscheines ist nicht glaubhaft, dass er einen Tagesausflug zu einem Freund in Innsbruck machen wollte. Zum Zeitpunkt der Abreise bestand für den Bf eine Gebietsbeschränkung für den Bezirk Baden. Die vorsätzliche Missachtung dieser weist eindeutig darauf hin, dass sich der Bf an keine gesetzlichen Vorschriften des Gastlandes gebunden fühlt und er weder den Abschluss des Asylverfahrens abwarten noch sich fremdenpolizeilichen Maßnahmen fügen wollte. In Erwartung eines Ausweisungsbescheides wollte sich der Bf so weit wie möglich aus dem Zuständigkeitsbereich der Fremdenbehörde entfernen.

 

Zusammengefasst muss der Bf als Fremder bezeichnet werden, der sich wohlüberlegt ein „weiteres Wunschland“ ausgesucht hat. Sein Verhalten zeigt eindeutig, dass es ihm nicht um die Erlangung von Asyl, somit um den Schutz vor staatlicher Verfolgung, sondern um die Sicherung seines Aufenthalts in einem für ihn wirtschaftlich attraktiven Staat der EU geht. Dabei weist er ein Höchstmaß an Flexibilität auf.

 

4.4. Entgegen den Beschwerdeausführungen ist der Sicherungsbedarf äußerst hoch. Weder in Ungarn noch in Österreich hat sich der Bf den zuständigen Behörden zur Verfügung gehalten. In Kenntnis, dass ihm ein Asylverfahren in Österreich nicht offensteht, er dadurch auch keine Aufenthaltsberechtigung erlangen kann und ihm nach der bevorstehenden Verfahrensbeendigung die Abschiebung nach Ungarn droht, wird er wie bereits gezeigt alles unternehmen, um die fremdenpolizeilichen Maßnahmen zu unterlaufen.

 

Der belangten Behörde folgend ist im vorliegenden Fall – in Zusammenschau all der eben beschriebenen Sachverhaltselemente – von einem besonders hohen sowie akuten Sicherungsbedarf auszugehen und zu attestieren, dass sich der Bf – auf freiem Fuß belassen – fraglos wiederum ehestmöglich dem Zugriff der Behörde entzogen haben würde. Je weiter dieses Verfahren fortschreitet, desto höher ist auch die Gefahr des Untertauchens anzusetzen. Diese bestand aber schon zum Zeitpunkt der Verhängung der Maßnahme massiv.

 

4.5.1. Die Verhängung der Schubhaft ist demnach zweifellos auch verhältnismäßig, denn dem Recht des Bf auf Schutz der persönlichen Freiheit steht das dieses im vorliegenden Fall fraglos überwiegende Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen und damit am Schutz und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gegenüber. Um diese Ziele zu gewährleisten, war der Eingriff in das Recht des Bf auf den Schutz der persönlichen Freiheit notwendig.

 

4.5.2. In Anbetracht des besonders hohen Sicherungsbedarfes scheidet auch grundsätzlich die Anwendung gelinderer Mittel über den Bf gemäß § 77 FPG konsequenter Weise aus. Eine allfällige tägliche Meldepflicht bzw. eine finanzielle Sicherheitsleistung würden das Ziel der Schubhaft nicht haben gewährleisten können, zumal der Bf - wie oben dargestellt – spontan die Gelegenheit nutzen würde, um sich dem Verfahren zu entziehen.

 

Im vollen Wissen der für ihn ungünstigen Entwicklungen durch die derzeit schon bestehende durchsetzbare und in absehbarer Zeit durchführbare asylrechtliche Ausweisung und die darauf erfolgenden Schritte der österreichischen Behörden, würde eine tägliche Meldepflicht also nicht ausgereicht haben, um ihn zu einer nachhaltigen Mitwirkung zu bewegen.

 

Dies aber hat zur Konsequenz, dass die belangte Behörde die Anwendung eines gelinderen Mittels zu Recht ausschloss, wobei anzumerken ist, dass sie dies im angefochtenen Bescheid sehr wohl – auch hinsichtlich der einzelnen Varianten des gelinderen Mittels – thematisierte.

 

4.6. Der Schutz des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK kann im vorliegenden Fall ebenfalls nicht schlagend in Anwendung gebracht werden, zumal der Bf auf Grund der kurzen Aufenthaltsdauer über keinerlei relevante Anknüpfungspunkte verfügt.

 

4.7.1. Gemäß § 80 Abs. 1 FPG ist die Behörde verpflichtet darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf solange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

 

Gemäß § 80 Abs. 2 FPG darf die Schubhaftdauer grundsätzlich

1.     zwei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen verhängt wird;

2.     vier Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, verhängt wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

 

4.7.2. Der Bf wird gegenwärtig knapp über eine Woche in Schubhaft angehalten, weshalb die gesetzlich normierte Frist nicht einmal ansatzweise ausgeschöpft ist. Da Ungarn bereits der Übernahme zugestimmt hat, die Beschwerde an den Asylgerichtshof bei diesem bereits am 15. Juli 2013 eingelangt ist, ist davon auszugehen, dass die Durchführbarkeit der Abschiebung in den zuständigen Dublin-Staat Ungarn unmittelbar bevorsteht.

 

Das Ziel der Schubhaft ist zum Entscheidungszeitpunkt somit absolut zeitnah erreichbar, da aktuell keine Umstände bekannt sind, die dagegen sprechen würden.

 

4.8. Es sind zudem keinerlei Umstände bekannt, die einer weiteren Anhaltung des Bf in Schubhaft entgegenstehen würden, weshalb die Beschwerde vom 15. Juli 2013 als unbegründet abzuweisen und gleichzeitig auszusprechen war, dass auch die Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft weiterhin vorliegen.

 

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bund als Rechtsträger, für den die belangte Behörde eingeschritten ist, nach § 79a Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 Z 3 AVG iVm § 1 Z 3 und 4 der UVS-Aufwandersatzverordnung (BGBl. II Nr. 456/2008) ein Aufwandersatz in Höhe von insgesamt 426,20 Euro (Vorlageaufwand: 57,40 Euro, Schriftsatzaufwand: 368,80 Euro) zuzusprechen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt unterschrieben werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in der Höhe von 18,20 Euro (Eingabe- und Beilagengebühr) angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

 

 

 

 

 

Mag. Stierschneider

 

 

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