Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730323/27/SR/ER/Wu

Linz, 10.07.2013

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des X, geb. X, StA von Bosnien und Herzegowina, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmanns des Bezirks Ried im Innkreis vom 7. März 2011, AZ.: Sich07-7938, betreffend die Verhängung eines auf 10 Jahre befristeten Aufenthaltsverbotes gegen den Berufungswerber nach dem Fremdenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:

 

 

 

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

 

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

 

 

 

 Entscheidungsgründe

 

1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmanns des Bezirks Ried im Innkreis vom 7. März 2011, AZ.: Sich07-7938, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) auf Basis der §§ 60 Abs. 1 und 2 Z. 1 iVm. §§ 63 und 66 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, ein auf 10 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich verhängt. 

 

 

Begründend führt die belangte Behörde zum Sachverhalt zunächst aus, dass der Bw Staatsbürger von Bosnien und Herzegowina sei und seinen ersten Wohnsitz in Österreich am 27. November 1992 gemeldet habe. Er sei ledig und habe keine Sorgepflichten. Der Bw habe während seines Aufenthalts in Österreich über folgende Aufenthaltsbewilligungen verfügt:

 

Behörde

Antrag vom

bewilligt am/gültig bis

Titel

BH Ried im Innkreis

28.12.1992

30.12.1992-30.06.1993

Wiedereinreisesichtvermerk

BH Ried im Innkreis

05.07.1993

07.07.1993-30.06.1994

§ 12 Aufenthaltsgesetz

BH Ried im Innkreis

 

06.06.1994-31.12.1994

§ 12 Aufenthaltsgesetz

BH Schärding

25.11.1994

17.01.1995-30.06.1995

§ 12 Aufenthaltsgesetz

BH Schärding

02.06.1995

05.07.1995-30.06.1996

§ 12 Aufenthaltsgesetz

BH Schärding

29.03.1996

26.04.1996-01.01.1998

Aufenthaltsbewilligung

BH Schärding

05.12.1997

09.04.1998-28.10.1999

Aufenthaltsbewilligung

BH Schärding

28.09.1999

15.10.1999-15.10.2001

Niederlassungsbewilligung

BH Schärding

13.07.2001

21.08.2001-21.08.2003

Niederlassungsbewilligung

BH Schärding

12.06.2003

15.07.2003-05.10.2004

Niederlassungsbewilligung

BH Schärding

10.09.2004

23.11.2004-20.06.2008

Niederlassungsbewilligung

BH Schärding

20.06.2008

21.06.2008-20.06.2009

NB unbeschränkt

BH Schärding

02.06.2009

21.06.2009-20.06.2010

NB unbeschränkt

BH Ried/Schärding

09.06.2010

offen

 

 

Strafrechtlich sei der Bw in Österreich wie folgt in Erscheinung getreten:

 

"Das Landesgericht Ried im Innkreis verurteilte Sie am 23.05.2003 unter Zahl 20 Hv 34/03p wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 129 Z 1 und 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten (rechtskräftig seit 27.05.2003). Die verhängte Freiheitsstrafe wurde unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen. Sie wurden schuldig gesprochen, in X gemeinsam mit X am 24.11.2002 X Bargeld von € 1.200,00 durch Aufbrechen eines Geldwechselautomaten bzw. eines Wandspielautomaten mit dem Vorsatz weggenommen zu haben, um sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

 

Das Landesgericht Ried im Innkreis verurteilte Sie folglich am 31.07.2007 unter Zahl 23 Hv 62/07 h wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach den §§ 127 und 130 Z. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten (rechtskräftig seit 31.07.2007). Die verhängte Freiheitsstrafe wurde unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen. Diesbezüglich wurden Sie schuldig gesprochen, in der Zeit von 14.03.2007 bis 14.05.2007 in X Verfügungsberechtigten der X fremde bewegliche Sachen, nämlich ca. 600 Paar Schuhe im Wert von ca. € 2.000,00, mit dem Vorsatz weggenommen zu haben, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern sowie in der Absicht, sich durch wiederkehrende Begehung von Diebstählen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.

 

Schließlich verurteilte Sie das Landesgericht Ried im Innkreis am 05.05.2010 unter Zahl 20 Hv 12/10p wegen des Verbrechen des schweren und gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z StGB sowie des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten (rechtskräftig seit 06.07.2010). Weiters erging der Beschluss, dass gemäß § 494a Abs. 1 Z 2 StPO von einem Widerruf der bedingten Strafnachsicht zu 23 Hv 62/07h des Landesgerichtes Ried im Innkreis abgesehen wird, jedoch gemäß Abs.6 leg cit diesbezüglich die Probezeit auf 5 Jahre verlängert wird. Im Einzelnen sind Sie schuldig gesprochen worden, dass Sie gemeinsam mit X im bewussten und gewollten Zusammenwirken nachstehenden Personen fremde bewegliche Sachen in einem € 3.000,00 übersteigenden Wert mit dem Vorsatz weggenommen haben, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern sowie in der Absicht, sich durch wiederkehrende Begehung von Diebstählen durch Einbruch eine laufender Einnahmequelle zu verschaffen, und zwar

1. am 16.09.2009 in X X und X Bargeld von € 400,00 durch Einbruch in das Lokal "X" und Aufbrechen eines Spielautomaten,

2. am 20.09.2009 in X X und X Bargeld von € 1.000,00 durch Einbruch in das Lokal "X" durch Aufbrechen zweier Spielautomaten

3. in der Nacht zum 26.09.2009 in X X und Verfügungsberechtigten der Firma X Bargeld von €400,00 durch Einbruch in das Lokal "X" und Aufbrechen eines Geldwechselautomaten,

4. in der Nacht zum 10.10.2009 in X X Bargeld von € 350,00 durch Einbruch in das Lokal "X" und Aufbrechen eines Spielautomaten,

5. in der Nacht zum 12.10.2009 in X X und X Bargeld in Höhe von € 200,00 durch Einbruch in den Kebabstand beim X und Aufbrechen eines Spielautomaten,

6. in der Nacht zum 13.10.2009 in X X und Verfügungsberechtigten des X Bargeld von € 400,00 durch Einbruch in den Würstlstand "X" und Aufbrechen eines Spielautomaten,

7. in der Nacht zum 17.10.2009 in X X und X Bargeld von € 150,00 durch Einbruch in denn Kebabstand beim X und Aufbrechen eines Geldwechselautomaten,

8. in der Nacht zum 20.10.2009 in X X X und Verfügungsberechtigten der X Bargeld von € 600,00 durch Einbruch in das Lokal "X" und Aufbrechen eines Spielautomaten,

9. in der Nacht zum 21.10.2009 in X X und X Bargeld von € 600,00 durch Einbruch in das Lokal Pizzeria "X" und Aufbrechen eines Geldwechselautomaten,

10. in der Nacht zum 30.10.2009 in X X und X Bargeld von € 2.500,00 durch Einbruch in den Imbissstand in der X und Aufbrechen eines Geldwechselautomaten,

11. in der Nacht zum 04.11.2009 in X X und X Bargeld von € 500,00 durch Einbruch in das Lokal "X" und Aufbrechen eines Geldwechselautomaten,

12. in der Nacht zum 05.11.2009 in X X und Verfügungsberechtigten der X Bargeld von € 300,00 durch Einbruch in das Lokal "X" und Aufbrechen eines Geldwechselautomaten,

13. in der Nacht zum 09.11.2009 in X X und Verfügungsberechtigten der Firma X Bargeld von € 400,00 durch Einbruch in das Lokal "X",

14. in der Nacht zum 14.11.2009 in X X Bargeld von € 500,00 durch Einbruch in das Lokal "X",

15. in der Nacht zum 17.11.2009 in X X, X und X Bargeld von € 500,00 und 8 Packungen Zigaretten im Wert von € 32,00 durch Einbruch in das Lokal "X",

16. in der Nacht zum 24.11.2009 in X X und X Bargeld von €500,00 und Zigaretten im Wert von € 28,00 durch Einbruch in den Imbissstand X,

17. in der Nacht zum 30.11.2009 in X X und X Bargeld von € 500,00 durch Einbruch in das Lokal "X",

18. in der Nacht zum 05.12.2009 in X X und X Bargeld von € 500,00 durch Einbruch in das Lokal "X"

19. in der Nacht zum 09.12.2009 in X X und Verfügungsberechtigten der X Bargeld von € 1.481,00 und 9 Stangen Zigaretten im Wert von € 350,00 durch Einbruch in das Lokal "X" und Aufbrechen von zwei Geldwechselautomaten,

20. in der Nacht zum 16.12.2009 in X X 30 Packungen Zigaretten im Wert von € 120,00 durch Einbruch in den Würstlstand "X",

21. in der Nacht zum 18.12.2009 in X X und X Bargeld in Höhe von € 400,00 durch Einbruch in den Imbissstand X und Aufbrechen eines Geldspielautomaten,

22. in der Nacht zum 17.01.2010 in X X und X Bargeld von € 300,00 und 5 Stangen Zigaretten im Wert von € 200,00 durch Einbruch in das Lokal "X",

23. in der Nacht zum 21.01.2010 in X X Bargeld von € 900,00 durch Einbruch in das Lokal "X" und Aufbrechen eines Spielautomaten,

24. in der Nacht zum 12.02.2010 in X X und Verfügungsberechtigten der X Bargeld von € 400,00 durch Einbruch in das Lokal "X".

 

Weiters haben Sie in der Zeit von 15.07.2009 bis 04.09.2009 in X X durch die Vorspiegelung, zahlungsfähiger und zahlungswilliger Mieter zu sein, zur Vermietung einer Wohnung, sohin zu einer Handlung verleitet, die diese an ihrem Vermögen schädigte (Schaden € 300,00).

Der von Ihnen dagegen erhobenen Berufung hat das Oberlandesgericht Linz mit Urteil vom 06.07.2010 zu Zahl 8 Bs 234/10h keine Folge gegeben.

 

Von 18.02.2010 bis 17.12.2010 befanden Sie sich in der Justizanstalt X in Gerichtshaft."

 

In Wahrung des Rechts auf Parteiengehör sei der Bw am 12. August 2010 niederschriftlich darüber informiert worden, dass seitens der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis beabsichtigt sei, gegen ihn aufgrund seines Gesamtfehlverhaltens ein Aufenthaltsverbot für Österreich zu erlassen. Dagegen habe sich der Bw mit der Begründung ausgesprochen, dass er sich bereits mehr als die Hälfte seines bisherigen Lebens in Österreich befände und ihm in Bosnien mangels Arbeitsplatz und Einkommen die Existenzgrundlage entzogen würde. In Österreich könnte der Bw unverzüglich wieder arbeiten, außerdem lebte er mit X zusammen, eine spätere Eheschließung stünde im Raum. Nach der Gerichtshaft würde der Bw eine Therapie gegen seine Spielsucht beginnen. Mit den Lebensumständen in seinem Herkunftsstaat wäre er nicht mehr vertraut. Der Bw wäre aufgrund der Kriegswirren im Herbst 1992 nach Österreich gekommen und hätte hier eine Lehre als Dachdecker und Spengler begonnen, aber nicht abgeschlossen. Mit rund 18 Jahren hätte er zu arbeiten begonnen, ab März 2009 wäre er arbeitslos gewesen, könnte aber nach der Gerichtshaft sofort wieder zu arbeiten beginnen. In Bosnien hätte der Bw sieben Jahre die Schule besucht, in Österreich hätte er die Polytechnische Lehranstalt absolviert.

Seine Eltern und eine Schwester würden in Bosnien leben, eine weitere Schwester in X. Vor seiner Verhaftung hätte der Bw rund 2-3 Monate mit seiner Verlobten zusammengewohnt.

Seine Straftaten habe der Bw vor der belangten Behörde mit seiner Spielsucht zu rechtfertigen versucht, aufgrund der Spielsucht sei er auch verschuldet.

 

Betreffend die Berufstätigkeit des Bw stellt die belangte Behörde fest, dass die Beschäftigungszeiten des Bw immer wieder und sehr regelmäßig von Zeiten der Arbeitslosigkeit unterbrochen gewesen seien.

Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 3. November 2010 sei der Bw über die beabsichtigte Erlassung eines Aufenthaltsverbots in Kenntnis gesetzt und eingeladen worden, innerhalb einer Frist von zwei Wochen eine Stellungnahme abzugeben.

Mit Schreiben vom 17. November 2010 habe der Bw – im Wesentlichen – angegeben, dass er im Alter von 17 Jahren nach Österreich gekommen sei und seither hier lebe. Er verbüße eine fünfzehnmonatige Haftstrafe in der Justizanstalt X und werde am 17. Dezember 2010 mit der Drittelstrafe bedingt aus der Haft entlassen. Es sei ihm eine Arbeitsweisung auferlegt und Bewährungshilfe angeordnet worden. Er sei seit mehreren Jahren spielsüchtig, was seine Straftaten nicht entschuldige, aber die Motivation dafür gewesen sei. Durch seine Straftaten sei ein Schaden von rund € 100.000,-- entstanden, den er wieder gutzumachen beabsichtige. Weiters beabsichtige er, nach der Haft wieder mit seiner Verlobten zusammen zu leben. Mit den Lebensumständen in seinem Herkunftsstaat sei er nicht mehr vertraut, bis auf seine dort lebenden Eltern habe er alle sozialen Beziehungen in Österreich, auch eine Schwester lebe hier. Er sei sich sicher, nach seiner Entlassung innerhalb kurzer Zeit Arbeit zu finden. Er sei bereits in der Justizanstalt im Freigängerhaus untergebracht und arbeite seither durchgehend bei einer Firma in X. Aus diesen Gründen ersuche er, vom Aufenthaltsverbot abzusehen.

 

Dazu stellt die belangte Behörde fest, dass der Bw am 17. Dezember 2010 aus der Haft vorzeitig bedingt entlassen worden sei und seit 20. Dezember 2010 Arbeitslosengeld beziehe. In der Zeit von 12. Jänner 2011 bis 7. Februar 2011 sei er in X polizeilich gemeldet gewesen, seither sei er – wie auch seine Lebensgefährtin – unsteten Aufenthalts in Österreich.

 

Nach Wiedergabe der angewendeten Rechtsgrundlagen führt die belangte Behörde zur rechtlichen Beurteilung Folgendes aus: § 60 Abs. 1 FPG (in der damals geltenden Fassung) stelle klar, dass die Behörde bei Erlassung eines Aufenthaltsverbots eine Ermessensentscheidung zu treffen habe, wobei die Behörde alle Umstände in Erwägung zu ziehen habe, die im Einzelfall vor dem Hintergrund der gesamten Rechtsordnung für oder gegen die Erlassung eines Aufenthaltsverbots sprechen. Dabei habe sich die Behörde insbesondere von den Vorschriften des Fremdenpolizeigesetzes leiten zu lassen.

Mit den oben ausführlich dargestellten Verurteilungen des Bw würden die in § 60 Abs. 2 FPG genannten Tatbestandsvoraussetzungen um ein Vielfaches übertroffen, außerdem sei der Bw bereits dreimal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Straftaten rechtskräftig verurteilt worden. Der letzten Verurteilung lägen 24 Eigentumsdelikte zugrunde, im Zuge derer sich der Bw mehr als € 13.000,-- angeeignet und einen erheblichen Sachschaden verursacht habe. Diese Delikte habe er über einen langen Zeitraum verübt, in dem er nicht berufstätig gewesen sei, sondern Leistungen des AMS bezogen habe.

Die Versuche des Bw, seine Straftaten zu rechtfertigen oder zu verharmlosen gingen ins Leere, da die Verwaltungsbehörde nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH an rechtskräftige Entscheidungen von Strafgerichten gebunden sei. Der Hinweis auf seine Spielsucht könne die Straftaten des Bw nicht rechtfertigen, vielmehr sei ihm vorzuwerfen, dass er aus seinen ersten beiden Verurteilungen keine Lehre gezogen habe und sein strafrechtlich relevantes Verhalten in der Folge sogar intensiviert und gesteigert habe.

Daraus ergebe sich, dass beim Bw eine ausgeprägte kriminelle Neigung gegeben und er nicht gewillt sei, das Eigentum anderer zu respektieren, woraus auf eine grundsätzlich negative Einstellung des Bw zur Rechtsordnung und zu den allgemeinen Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens geschlossen werden könne.

Der weitere Aufenthalt des Bw im Bundesgebiet gefährde die öffentliche Ordnung und Sicherheit in hohem Maße. Das von ihm gesetzte persönliche Fehlverhalten stelle eine schwere Gefahr dar, die jedenfalls ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Es sei eine negative Zukunftsprognose zu treffen, die Erlassung eines Aufenthaltsverbots sei daher im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sowie anderer im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannter Ziele – nämlich zur Verhinderung strafbarer Handlungen und zum Schutz der Rechte anderer – dringend geboten.

 

Da sich der Bw bis zuletzt legal im Bundesgebiet aufgehalten, er hier vorwiegend einen Wohnsitz gemeldet gehabt habe, auch seine Schwester und seine Lebensgefährtin hier wohnen würden und er zumindest teilweise einer Beschäftigung nachgegangen sei, greife das Aufenthaltsverbot in das Privat- und Familienleben des Bw ein. Aus den oben genannten Gründen und der bei ihm vorliegenden eminenten Rückfallgefahr sei das Aufenthaltsverbot aber zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend notwendig.

Auch könne nicht von einer ausgeprägten Integration gesprochen werden. Entgegen seiner Absichtserklärung sei der Bw nach seiner Haftentlassung keiner Beschäftigung nachgegangen, überdies sei er seit 7. Februar 2011 unsteten Aufenthalts in Österreich und nicht polizeilich gemeldet.

Die bestehende soziale Verankerung im Bundesgebiet werde dem Bw nicht abgesprochen und werde im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 2 FPG berücksichtigt. Da aber das Ausmaß seiner Integration durch die zahlreichen schweren Eigentumsdelikte und der in diesem Zusammenhang erfolgten Verurteilung erheblich gemindert sei, überwiege in einer Gesamtschau das öffentliche Interesse an der Verhinderung der Eigentumskriminalität jedenfalls die Nachteile, die der Bw durch das Aufenthaltsverbot erleide, zumal der hohe Erfolgsunwert der von ihm begangenen Taten zu berücksichtigen sei. Der Bw habe 17 Jahre seines Lebens in seinem Herkunftsstaat verbracht, den er aufgrund des Krieges verlassen habe. Der Krieg sei beendet und seine Eltern würden im Herkunftsstaat leben. Dem Vorbringen des Bw, dass ihm durch das Aufenthaltsverbot seine Existenzgrundlage entzogen würde, entgegnet die belangte Behörde, dass er sich auch in Österreich keine ordentliche Existenzgrundlage aufgebaut habe, da er nicht regelmäßigen Beschäftigungen nachgegangen sei, sondern sich Geldquellen durch regelmäßige Eigentumsdelikte erschlossen hätte. Ein ordentliches Leben zu führen sei ihm auch in seinem Herkunftsstaat möglich, mit dessen Sprache und Lebensumständen er aufgrund der ersten 17 Jahre seines Lebens er vertraut sei.

Zusammenfassend kommt die belangte Behörde zum Schluss, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbots im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK dringend geboten und gemäß § 61 FPG zulässig sei.

Zur Dauer des Aufenthaltsverbots führt die belangte Behörde aus, dass aufgrund der Art und Schwere der vom Bw begangenen Delikte eine Dauer von 10 Jahren angemessen sei, da anzunehmen sei, dass die Gründe, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbots geführt haben, objektiv erst nach 10 Jahren wegfallen würden.

 

2.1. Gegen diesen, zuhanden des Rechtsvertreters am 9. März 2011 zugestellten, Bescheid erhob der Bw vertreten durch seinen Rechtsanwalt mit Schriftsatz vom 23. März 2011 rechtzeitig Berufung.

Seiner Berufung legt der Bw eine Bestätigung des X e.V. über seine aktive Teilnahme in der zweiten Fußballmannschaft des Klubs bei.

In seiner Berufung stellt der Bw den Antrag, den Bescheid aufzuheben; in eventu das Aufenthaltsverbot auf fünf Jahre zu reduzieren. Ferner beantragt er die Einvernahme seiner Lebensgefährtin zur Lebensgemeinschaft mit dem Bw, die Einvernahme des Bewährungshelfers zum Beweis einer positiven Zukunftsprognose sowie die Einholung einer Stellungnahme der Leitung der Justizanstalt X zur Frage der Gefährlichkeit des Bw.

Inhaltlich bringt der Bw in seiner Berufungsschrift vor, dass die belangte Behörde sein Privat- und Familienleben nur oberflächlich behandelt und seine Freizeitbetätigungen ausgeblendet habe. Sein Engagement im X bestätige seine Fähigkeit, sich in ein Team zu integrieren.

Das Aufenthaltsverbot hätte weiters zur Folge, dass seine Lebensgefährtin entweder die Beziehung beenden oder mit dem Bw nach Bosnien übersiedeln müsse, was ihr aufgrund der fehlenden Sprachkenntnisse und Kenntnisse der Kultur des Balkans  nicht zugemutet werden könne.

Für seine Gefahrlosigkeit spreche die Tatsache, dass er Freigänger gewesen sei, wovon bestimmte Tätergruppen ausgeschlossen seien. Zur Frage der Gefährlichkeit beantragt er daher die Einholung einer Stellungnahme der JA X und zur Frage der Zukunftsprognose die Einvernahme seines Bewährungshelfers.

 

Hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung durch die belangte Behörde bringt der Bw vor, dass Vermögensschäden – im Gegensatz zu Gewalttätigkeit oder Drogendelikten – wieder behoben werden könnten. Er trinke weder Alkohol, noch konsumiere er Drogen. Spielsucht an sich sei nicht kriminell, wohl aber die Begehung von Straftaten zur Beschaffung von Spielgeld. Diese geschähen aber nicht in Schädigungsabsicht sondern aufgrund eines Zwanges. Die Wirkung der über ihn verhängten Freiheitsstrafen sei von begrenzter Wirkung gewesen, nach seiner Verurteilung von 2003 habe er sich längere Zeit der Kriminalität enthalten, auch nach der Verurteilung vom 31. Juli 2009 habe er von Eigentumskriminalität Abstand genommen, sei aber dann gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin wieder rückfällig geworden.

Durch die längere Haft sei dem Bw Gelegenheit gegeben worden, sich mit seinem Fehlverhalten auseinander zu setzen, und es sei ihm nun klar, dass ein abermaliger Rückfall zu einer weiteren Haft und zu einem unbefristeten Aufenthaltsverbot führen würde.

Er ersuche aber angesichts seiner Lebensgemeinschaft und seines sportlichen Engagements, die in Kontrast zu seinen Straftaten stünden, um eine letzte Chance auf Bewährung.

 

Mit Schreiben vom 6. April 2011 ergänzt der Bw seine Berufung durch Vorlage eines Auszugs der OÖGKK über die Aufnahme einer Beschäftigung.

 

2.2. Mit Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenats des Landes Oberösterreich vom 9. Mai 2012, VwSen-730323/8/SR/ER/JO, wurde der Berufung des Bw mit der Maßgabe stattgegeben, als die Dauer des in Rede stehenden Aufenthaltsverbots auf 5 Jahre herabgesetzt wurde. Im Übrigen wurde der Bescheid bestätigt.

 

2.3. Gegen dieses Erkenntnis erhob der Bw Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, der mit Erkenntnis vom 19. März 2013, 2012/21/0120-7, das Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenats des Landes Oberösterreich vom 9. Mai 2012, VwSen-730323/8/SR/ER/JO, wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften behob.

 

3. Mit 1. Juli 2011 trat das Fremdenrechtsänderungsgesetz, BGBl. I Nr. 38/2011 in wesentlichen Teilen in Kraft. Aus § 9 Abs. 1a FPG in der nunmehr geltenden Fassung ergibt sich, dass der unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung über die Berufung zuständig ist, weshalb der in Rede stehende Verwaltungsakt– nach In-Krafttreten der Novelle am 1. Juli 2011 – dem Oö. Verwaltungssenat übermittelt wurde.

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde, durch telefonische Auskunft der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis zum Stand des Verfahrens betreffend den Antrag auf Verlängerung des Aufenthaltstitels des Bw und telefonische Auskunft des Gemeindeamts X betreffend die polizeiliche Meldung des Bw, durch Einsichtnahme in aktuelle Auszüge aus dem Zentralen Melderegister, dem Strafregister und der Fremdeninformation, sowie einen aktuellen Versicherungsdatenauszug des Bw.

 

3.2. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte entfallen, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist (§ 67d Abs 2 Z 1 2. Fall AVG).

 

3.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter Punkt 1 und 2 dieses Erkenntnisses dargestellten, im Wesentlichen unbestrittenen Sachverhalt aus.

 

Darüber hinaus stellt der Oö. Verwaltungssenat fest, dass der Bw nach Auskunft der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis aufgrund seines im Sinne des § 24 Abs. 1 NAG rechtzeitig gestellten Antrags auf Verlängerung seines Aufenthaltstitels rechtmäßig in Österreich aufhältig ist.

 

Aus zwei im Verwaltungsakt einliegenden Dokumenten ergibt sich ferner, dass der Bw seit 6. November 1992 in Österreich aufhältig ist („Ersuchen auf Dokumentation des Aufenthaltsrechts für Bosnische Flüchtlinge gemäß § 12 Aufenthaltsgesetz, BGBl. Nr. 46671992, idF BGBl. Nr. 838/1992, und § 4 der Verordnung der Bundesregierung BGBl. Nr. 402/1993“, ON 5 vom 7. Juli 1993 und ON 18, Fragebogen zur „grundverkehrsrechtlichen Genehmigung eines Rechtswerbers“ vom 8. November 2000).

 

Aus dem Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis vom 23. Mai 2003 geht hervor, dass der Bw erstmals am 24. November 2002 ein Verhalten gesetzt hat, das in Folge zu einer gerichtlichen Verurteilung geführt hat.

 

3.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

4. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1.1. Gemäß § 125 Abs. 3 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG idF. BGBl. I Nr. 38/2011 gelten Aufenthaltsverbote, deren Gültigkeitsdauer bei In-Kraft-Treten des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG idF. BGBl. I Nr. 38/2011 noch nicht abgelaufen sind, als nach diesem Bundesgesetz erlassene Aufenthaltsverbote mit derselben Gültigkeitsdauer.

 

4.1.2. Im vorliegenden Fall wurde das Aufenthaltsverbot auf Basis des § 60 FPG (in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I. Nr. 38/2011) erlassen, weshalb dieses Aufenthaltsverbot im Sinne des § 63 FPG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 anzusehen und zu beurteilen ist.

 

4.2.1. Gemäß § 63 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG idF. BGBl. I Nr. 38/2011 kann gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt

1. die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder

2. anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

 

Nach § 63 Abs. 2 FPG sind bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1 insbesondere jene des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 und Abs. 3. § 53 Abs. 5 und 6 gelten.

 

Gemäß § 63 Abs. 3 FPG ist ein Aufenthaltsverbot gemäß Abs. 1 in den Fällen des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 für die Dauer von mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für fünf Jahre, in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 1 bis 4 für höchstens zehn Jahre und in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen. Die Frist beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

[...]

 

4.2.2. Im vorliegenden Fall ist § 63 FPG einschlägig, da der Bw am 16. Jänner 2009 einen Antrag auf Verlängerung seines Aufenthaltstitels gestellt hat und gemäß § 24 Abs. 1 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes – NAG idgF. BGBl. I Nr. 38/2011 Personen, die Verlängerungsanträge vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels, frühestens jedoch drei Monate vor diesem Zeitpunkt, bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einbringen, nach Stellung des Verlängerungsantrages unbeschadet fremdenpolizeilicher Bestimmungen, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag weiterhin rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig sind.

 

4.2.3. Gemäß § 53 Abs. 3 FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 (im vorliegenden Fall ein Aufenthaltsverbot gemäß § 63 FPG – siehe 4.2.1.) für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes (hier Aufenthaltsverbots) neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn    

1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;

3. ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;

4. ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;

5. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

6. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

7. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

8. ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

 

4.3. Aus verfahrensökonomischer Sicht ist es aufgrund des mittlerweile beinahe 21-jährigen Aufenthalts des Bw im Bundesgebiet im gegenständlichen Fall zweckmäßig, nicht erst zu prüfen, ob ein Aufenthaltsverbot dem Grunde nach gerechtfertigt ist, sondern erst die Frage zu klären, ob eine Aufenthaltsverfestigung im Sinne des § 64 FPG gegeben ist, weil der Bw vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts die österreichische Staatsbürgerschaft hätte erwerben können. Diesfalls dürfte ein Aufenthaltsverbot, mag es vor dem Hintergrund des § 63 auch berechtigt sein, ohnehin nicht erlassen werden.

 

Gemäß § 64 Abs. 1 Z 1 FPG darf ein Aufenthaltsverbot gemäß § 63 gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, nicht erlassen werden, wenn ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können.

 

 

4.3.1. In seiner Entscheidung vom 24.09.2009, Zl. 2007/18/0653, hat der VwGH festgestellt, dass "Unter dem Zeitpunkt ‚vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes‘ [...] der Zeitpunkt vor Eintritt des ersten der in ihrer Gesamtheit für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Umstände zu verstehen [ist].

[...]

Nach dem Gesagten kommt es vorliegend daher darauf an, ob dem Beschwerdeführer am [...] gemäß § 10 Abs. 1 StbG die Staatsbürgerschaft hätte verliehen werden können. Eine Verleihungsmöglichkeit in anderen Zeitpunkten vermag den Aufenthaltsverbot-Verbotsgrund des § 61 Z. 3 FPG nicht zu verwirklichen. Bei der Beurteilung, ob sämtliche Voraussetzungen nach § 10 Abs. 1 StbG erfüllt sind, stellen die vor dem genannten Zeitpunkt liegenden Verhaltensweisen des Fremden Umstände dar, die der Verleihung der Staatsbürgerschaft zu diesem Zeitpunkt gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StBG entgegen gestanden wären."

 

Der maßgebliche Sachverhalt, der zur (erstmaligen) Verurteilung des Bw am 23. Mai 3002 geführt hat, wurde am 24. November 2002 durch die Zueignung mit Bereicherungsvorsatz von 1.200,-- Euro durch Aufbrechen eines Geldwechselautomaten bzw. eines Wandspielautomaten verwirklicht. Als "Zeitpunkt vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts" ist demnach der 24. November 2002 festzusetzen.

 

Zur Feststellung, ob dem Bw vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen werden hätte können, ist daher § 10 Abs. 1 StbG in der Fassung BGBl. I Nr. 124/1998 heranzuziehen.  

 

4.3.2. § 10 Abs. 1 StbG in der Fassung BGBl. I Nr. 124/1998 lautet:

 

Die Staatsbürgerschaft kann einem Fremden verliehen werden, wenn

1. er seit mindestens zehn Jahren seinen Hauptwohnsitz ununterbrochen im Bundesgebiet hat;

2. er nicht durch ein inländisches oder ausländisches Gericht wegen einer oder mehrerer Vorsatztaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten verurteilt worden ist, die der Verurteilung durch das ausländische Gericht zugrundeliegenden strafbaren Handlungen auch nach dem inländischen Recht gerichtlich strafbar sind und die Verurteilung in einem den Grundsätzen des Art. 6 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, entsprechendem Verfahren ergangen ist;

3. er nicht durch ein inländisches Gericht wegen eines Finanzvergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten verurteilt worden ist;

4. gegen ihn nicht wegen des Verdachtes einer mit Freiheitsstrafe bedrohten Vorsatztat oder eines mit Freiheitsstrafe bedrohten Finanzvergehens bei einem inländischen Gericht ein Strafverfahren anhängig ist;

5. gegen ihn kein Aufenthaltsverbot besteht und auch kein Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung anhängig ist;

6. er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass er zur Republik bejahend eingestellt ist und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährdet;

7. sein Lebensunterhalt hinreichend gesichert ist oder ihn an seiner finanziellen Notlage kein Verschulden trifft und

8. er nicht mit fremden Staaten in solchen Beziehungen steht, dass die Verleihung der Staatsbürgerschaft die Interessen der Republik schädigen würde.

 

4.3.3. Gemäß § 64 Abs. 1 Z 1 FPG darf gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn diesem vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 StbG verliehen hätte werden können. Im gegenständlichen Fall ist zu prüfen, ob eine Aufenthaltsverfestigung stattgefunden hat.

 

4.3.3.1. Aus dem Verwaltungsakt ergibt sich, dass der Bw seit 6. November 1992 rechtmäßig und – zumindest im für eine Aufenthaltsverfestigung maßgeblichen Zeitraum – ununterbrochen in Österreich aufhältig ist. Ob der Bw in diesem Zeitraum – insbesondere ganz zu Beginn seines Aufenthalts – auch polizeilich gemeldet war, ist entsprechend dem Erkenntnis des VwGH vom 24. September 2009, 2007/09/2009, nicht erheblich, zumal „die polizeiliche Meldung [...] zwar ein wichtiges Indiz für das Bestehen eines inländischen Hauptwohnsitzes [ist], nicht aber notwendige Voraussetzung“. Aus dem Verwaltungsakt ergibt sich – wie unter 3.3. festgestellt – dass der Bw zumindest seit 6. November 1992 in Österreich rechtmäßig aufhältig ist. Da die beiden Dokumente, die dieses Datum bestätigen, zeitnah zur tatsächlichen Einreise erstellt wurden und offenbar zum damaligen Zeitpunkt für die Behörde kein Zweifel über die Richtigkeit dieses Datums bestand, ist davon auszugehen, dass der Bw seinen Aufenthalt in Österreich tatsächlich zu diesem Datum begonnen hat. Darüber hinaus ist kein Grund ersichtlich ist, warum der Bw damals ein Interesse daran gehabt haben könnte, seine tatsächliche Einreise vorzudatieren, zumal dies zum Zeitpunkt der Erstellung der beiden Dokumente keine günstigeren Rechtsfolgen für ihn zur Folge gehabt hätte.

 

Der Bw war somit im für eine eventuelle Aufenthaltsverfestigung gemäß § 64 Abs. 1 FPG iVm. § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG maßgeblichen Zeitraum von 24. November 1992 bis 24. November 2002 rechtmäßig und ununterbrochen aufhältig.

 

4.3.3.2. Aufgrund des Verwaltungsakts bzw. der Abfrage des Elektronischen Kriminalpolizeilichen Informationssystems steht fest, dass der Bw während des gemäß § 64 Abs. 1 FPG iVm. § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG maßgeblichen Zeitraums durch kein inländisches oder ausländisches Gericht verurteilt wurde und gegen ihn in diesem Zeitraum bei keinem inländischen Gericht ein Strafverfahren anhängig war.

 

4.3.3.3. Im relevanten Beurteilungszeitpunkt scheiden auch die in § 10 Abs. 1 Z. 5 und 8 StbG enthaltenen Tatbestände offensichtlich aus.

 

4.3.3.4. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 7 Stbg kann die Staatsbürgerschaft nur verliehen werden, wenn der Lebensunterhalt hinreichend gesichert ist.

Aus dem Versicherungsdatenauszug ergibt sich, dass der Bw während des gesamten gemäß § 10 Abs. 5 StbG maßgeblichen Zeitraums beinahe durchgehend entweder versicherungspflichtigen Tätigkeiten nachgegangen ist oder Arbeitslosengeld bezogen hat.

 

4.3.3.5. Im maßgeblichen Zeitraum wurden über den Bw (genau: zwischen 7. März 1997 und 28. Juni 2001) 18 verkehrsrechtliche Verwaltungsstrafen verhängt. Auch wenn die Anzahl dieser Verwaltungsstrafen in Relation zum Begehungszeitraum beträchtlich ist, ist aus der häufigen Missachtung der StVO und des KFG nicht abzuleiten, dass der Bw – im gemäß § 10 Abs 1 Z 1 StbG idF BGBl. I Nr 124/1998 maßgeblichen Zeitraum – zur Republik Österreich nicht bejahend eingestellt gewesen wäre oder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit oder andere in Art 8 Abs 2 EMRK genannte öffentliche Interessen dargestellt hätte, zumal er in diesem Zeitraum keine gerichtlich relevanten Taten gesetzt hat und die Verwaltungsübertretungen als geringfügig anzusehen sind.

 

4.4. Es ist nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich daher davon auszugehen, dass durch die Nicht-Erfüllung von Versagungstatbeständen des § 10 Abs. 1 StbG dem Bw vor Verwirklichung des für das gegenständliche Aufenthaltsverbot maßgeblichen Sachverhalts im Sinne des § 64 Abs. 1 Z 1 FPG die österreichische Staatsbürgerschaft hätte verliehen werden können. Der Bw ist in seinem Aufenthalt daher verfestigt.

 

 

5. Es war aus diesem Grund spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt unterschieben werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

 

 

 

Mag. Christian Stierschneider

 

 

 

 

 

 

 

 

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