Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730739/8/SR/WU

Linz, 23.07.2013

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des X, geboren am X, Staatsangehöriger von Algerien, dzt. aufhältig in der Justizanstalt X, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 6. Mai 2013, GZ.: 1065089/FRB, betreffend die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines auf zehn Jahre befristeten Einreiseverbots für den gesamten Schengenraum gegen den Berufungswerber nach Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung am 15. Juli 2013 zu Recht erkannt:

 

Die Berufung wird abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 9 Abs 1a, 52, 53, 65b und 67 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 68/2013).

 

 

Entscheidungsgründe

 

 

1. Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 6. Mai 2013, GZ.: 1065089/FRB, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) auf Basis der §§ 52 Abs. 1 und 53 Abs. 1 iVm. Abs. 3 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem auf zehn Jahre befristeten Einreiseverbot erlassen.

 

Begründend führt die belangte Behörde zunächst zum Sachverhalt aus, dass der Bw im Jänner 2008 illegal nach Österreich gelangt sei und einen Asylantrag gestellt habe, der mit 14. März 2011 – verbunden mit einer Ausweisung – rechtskräftig abgewiesen worden sei.

 

Über den Bw würden folgende Verurteilungen aufscheinen:

 

1)      LG Wien vom 25.03.2008 (rk 25.03.2008), 61 Hv 34/2008 b, wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgift nach §§ 27 Abs. 3 SMG und 15 StGB, Freiheitsstrafe 9 Monate, davon 6 Monate bedingt auf 3 Jahre;

2)      LG Linz vom 05.03.2010 (rk 09.03.2010), 23 Hv 18/2010 k, wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z. 1 StGB, Freiheitsstrafe 7 Monate bedingt auf 3 Jahre;

3)      LG Wels vom 11.12.2012 (rk 11.12.2012), 12 Hv 144/2011 i, wegen des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs. 1 3. Fall SMG als Beteiligter nach § 12 StGB, Freiheitsstrafe 3 Jahre und 8 Monate.

 

ad 1): Sie haben am 22.02.2008 in Wien gewerbsmäßig vorschriftswidrig Suchtgift einem anderen überlassen, nämlich durch Verkauf von einer Portion Cannabisharz um € 20,- an einen unbekannten Suchtgiftabnehmer und weiters versucht, anderen zu überlassen, indem Sie 8 Gramm brutto Cannabisharz zum Verkauf an X und andere Suchtgiftabnehmer bereithielten;

 

ad 2): Sie haben am 29.01.2010 in Linz fremde bewegliche Sachen, nämlich Waren im Gesamtwert von ca. € 50,-, Turan Seker durch Einbruch in ein Gebäude, nämlich indem Sie durch die noch teilweise die Glasfüllung aufweisende Eingangstür des Geschäftes „X" einstiegen, mit dem Vorsatz weggenommen, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

 

ad 3): Sie haben zur Tathandlung des X, der am 15.07.2011 488,8 g Cannabisharz mit einer Reinsubstanz von 26,8 +/- 0,72 g Delta-9-THC und 19,4 g Kokain mit einer Reinsubstanz von 3,1 +/- 0,38 g Kokain HCl erworben, besessen und von Wien nach Linz beförderte, dadurch beigetragen, dass Sie X telefonisch mit der Übernahme des Suchtgifts in Wien und dem Suchtgifttransport nach Linz beauftragten.

 

Nach Darstellung der Rechtslage führt die belangte Behörde zur rechtlichen Beurteilung ua. aus, dass der Bw zur beabsichtigten Erlassung des Einreiseverbotes mit Schriftsätzen vom 17. und 23. April 2013 folgende Stellungnahme abgegeben habe:

 

„Aus Gründen der Gefährdung meines Lebens bin ich im Jahr 2008 nach Österreich geflüchtet. Österreich hat mir sehr geholfen und war gegenüber mir ein „gutes" Land. Aufgrund meiner Erkrankung resultierten Krankenhausaufenthalte am 15.02.2011, 14.12.2010, 26.10.2010 und 01.06.2010 und diesbezügliche Kosten, die jedoch nicht von meiner Krankenversicherung als Asylwerber getragen wurden. Um diese Rechnungen begleichen zu können, beging ich aus diesem Grunde einen folgenschweren Fehler und fing mit Suchtgift zu handeln an. Dieser Handel führte schließlich zu der gegenständlich beabsichtigten Verhängung eines Aufenthaltsverbotes zu Grunde liegenden Verurteilung. Da ich mein Fehlverhalten sehr bereue und wie dargelegt anlassbezogen war, möge mir die Behörde keine weitere Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit konstatieren. Zu meinen Privat- und Familienverhältnissen gebe ich an, dass ich in Beziehung mit Frau X lebe, mit ihr bis zur Verhaftung zusammen wohnte und kurz verheiratet war und sie mich regelmäßig während der Inhaftierung besucht.

Beweis: Meldezettel, persönliches Schreiben von Frau X, zeugenschaftliche Einvernahme von Frau X. Frau X ist die Liebe meines Lebens, ich habe ihr sehr viel zu verdanken und kann es mir nicht vorstellen, auf eine lange Dauer von ihr getrennt zu werden. Schließlich möchte ich noch anführen, dass ich in Haft zur Verbesserung meiner Deutschkenntnisse einen Deutschkurs besuche.

 

Darüber hinaus bringe ich wie folgt vor:

Ich, X, wurde am X in X, Algerien, geboren. Dort habe ich eine Schulausbildung absolviert, nämlich bis zur 8. Schulstufe. Danach hatte ich leider nicht die Möglichkeit, einen Abschluss zu machen oder einen Beruf zu erlernen. Im Jahr 2007 floh ich aus meinem Heimatland, da mein Leben in Gefahr war und ich von Terroristen bedroht wurde. Genau am 24.08.2007 gelang mir die Flucht nach Italien. Dort lebte ich fünf Monate lang, ohne Arbeit, ohne Unterkunft. Am 08.01.2008 bin ich mit dem Zug nach Wien gekommen, da ich mir in Österreich ein besseres Leben erhofft hatte. Ein Leben ohne Angst und ohne Verfolgung, mit einer Arbeit und einer Wohnung.

In Wien lebte ich von 2008 bis 2009, ohne Ausweis (sogar ohne Reisepass). Im Jahr 2009 fuhr ich mit dem Zug nach Linz, um dort erneut mein Glück zu suchen (eine Meldebestätigung liegt bei). Wieder lebte ich in Linz ohne Arbeit (von 2009-2011). Zum Glück lernte ich meine Frau, X (geb. am X in X), wohnhaft in X, kennen. Seit 2011 bin ich mir ihr verheiratet. In Linz habe ich einen Reisepass beantragt, diesen benötige ich für die Hochzeit. Zur Zeit besitze ich wieder keine Dokumente.

Zu meinen Angehörigen in meiner Heimat kann ich angeben, dass ich nur mehr Kontakt zu meinen Eltern X (Vater) und X (Mutter) habe. Ich habe auch noch sechs Geschwister, zu denen ich leider keinen Kontakt mehr habe und auch deren Aufenthalt nicht weiß.

Meine Angehörigen in Österreich sind meine Gattin Frau X (anbei befindet sich die Heiratsurkunde in Kopie) und deren Sohn. Den gemeinsamen Aufenthalt (auch nach der Haft) haben wir in ihrem Eigentumshaus in X. Auch seit meiner Vermählung war ich ohne Arbeit, jedoch war ich mit meiner Gattin mitversichert (Kranken- und Unfallversicherung). Aufgrund der fehlenden Arbeitserlaubnis und auch meiner Krankheit (Schreiben liegen bei), war es mir nicht möglich, eine Arbeit zu bekommen. Nun bin ich in der Ja X inhaftiert und versuche dort, eine Arbeit zu bekommen.

Bzgl. meiner Deutschkenntnisse kann ich anführen, dass ich einen Deutschkurs besucht habe (Kopie über Zeugnis befindet sich im Anhang) und gut Deutsch sprechen, lesen und schreiben kann.

Zu meiner Verurteilung möchte ich sagen, dass mir das sehr leid tut und dies nie wieder vorkommen wird. Ich bitte Sie wirklich inständig in Österreich bei meiner Frau und dem Stiefsohn bleiben zu können und versichere Ihnen, ein positives Leben zu führen. In Algerien wäre mein Leben in Gefahr. Ich würde wieder verfolgt werden und auch die medizinische Versorgung wäre nicht gewährleistet."

 

Die belangte Behörde hat dazu erwogen, dass der Bw sich nun seit 5 Jahren in Österreich aufhalte, weshalb ihm eine der Dauer des Aufenthaltes entsprechende Integration zuzubilligen sei. Dem Bw sei es allerdings bislang nicht gelungen, beruflich Fuß zu fassen und sei ihm in Anbetracht seiner strafbaren Handlungen die für das Ausmaß einer Integration wesentliche soziale Komponente völlig abzusprechen.

 

In weiterer Folge geht die belangte Behörde näher auf die Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität ein.

 

Sein Aufenthalt in Österreich stelle auch eine Gefahr für den Schutz fremden Eigentums dar, wie der Bw durch den Einbruch am 29. Jänner 2010 zum Ausdruck gebracht habe. Auch die Erlassung des Aufenthaltsverbotes vom 17. Mai 2008 habe ihn nicht davon abhalten können, weiterhin straffällig zu werden.

Auch wenn dieses Aufenthaltsverbot noch Gültigkeit habe, erachtet es die belangte Behörde für notwendig, in Anbetracht der Delinquenz des Bw ein Einreiseverbot zu erlassen.

 

Die im Juli 2011 mit Frau X geschlossene Ehe sei zwar im September 2011 annulliert worden, doch halte der Bw nach wie vor Kontakt zu seiner Ex-Gattin, sodass durch die Erlassung des Einreiseverbotes zumindest in sein Privatleben eingegriffen werde.

Allerdings sei aus allen oben angeführten Tatsachen die Erlassung des Einreiseverbotes nicht nur zur Erreichung der im Art.8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten, sondern auch im Licht des § 61 Abs. 2 FPG zulässig.

 

Die Festlegung einer Frist gem. § 55 zur freiwilligen Ausreise erübrige sich insofern, als gegen den Bw eine seit 14. März 2011 durchsetzbare Ausweisung des Bundesasylamtes bestehe, und er schon aufgrund dieser Ausweisung zur Ausreise verpflichtet sei.

 

2. Gegen den vorliegenden Bescheid hat der Bw innerhalb offener Frist rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung erhoben.

 

Einleitend stellt der Bw die Anträge:

 

I.        den angefochtenen Bescheid zur Gänze zu beheben, in eventu

II.         das auf die Dauer auf 10 Jahre befristete Einreiseverbot aufzuheben, in eventu

III.        das Einreiseverbot, soweit es sich auf den Schengen-Raum erstreckt, aufzuheben.

 

Begründend führt der Bw wie folgt aus:

 

1.

Es wird nicht bestritten, dass die Formalvoraussetzung im Sinne des § 53 Abs.3 (Ziffer 1) FPG 2005 für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung im gegenständlichen Fall gegeben ist.

 

In Ansehung des damit verbundenen, in meinen Stellungnahmen vom 17. und 23.04. 2013 dargelegten Eingriffs in mein Privat- und Familienleben, erscheint jedoch das Einreiseverbot im Licht des § 61 Abs.2 FPG als unzulässig verhängt, jedenfalls auf die Dauer von 10 Jahren als unverhältnismäßig.

 

Die Dauer des Einreiseverbots möge daher an die Dauer des bestehenden Aufenthaltsverbotes angeglichen werden.

 

2.

Unrechtmäßig in angefochtener Höhe verhängt, erscheint das Einreiseverbot auch betreffend der in Abs.3 des § 53 FPG 2005 normierten Voraussetzung des Vorliegens einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit.

 

Aus meinen Stellungnahmen vom 17. und 23.04.2013 ergibt sich, dass mein Fehlverhalten anlassbezogen war und ich dieses sehr bereue. Bei richtiger Würdigung hätte die Behörde durch meinen Aufenthalt keine weitere Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erkennen dürfen.

 

3.

Da die belangte Behörde das mit der Rückkehrentscheidung verbundene Einreiseverbot auf den gesamten Schengenraum erstreckt, hätte der Eingriff in das Privat- oder Familienleben des Drittstaatsangehörigen nicht allein im Hinblick auf seine Verhältnisse in Österreich beurteilt werden, sondern auch die Situation in den anderen Mitgliedstaaten in den Blick genommen werden müssen.

 

Siehe dazu VwGH vom 15.12.2011, GZ: 2011/21/0237:

 

„§ 61 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 entspricht in weiten Bereichen dem bisher geltenden    § 66 FrPolG 2005 alt, weshalb sinngemäß auf die dazu ergangene Judikatur verwiesen werden kann (vgl. E 22. Dezember 2009, 2009/21/0348). Es ist daher nach wie vor unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der im (nunmehr) § 61 Abs. 2 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus (nunmehr) § 61 Abs. 3 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Die Frage nach dem Eingriff in das Privat- oder Familienleben des Drittstaatsangehörigen darf nicht allein im Hinblick auf seine Verhältnisse in Österreich beurteilt werden, sondern ist auch die Situation in den anderen Mitgliedstaaten in den Blick zu nehmen. Das folgert unzweifelhaft daraus, dass Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot grundsätzlich auf das gesamte Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten bezogen sein sollen."

 

Diese Beurteilung betreffend die Situation in den anderen Mitgliedstaaten vorzunehmen hat die Behörde jedoch unterlassen und sohin den Bescheid mit einem wesentlichen Verfahrensfehler behaftet.

 

Betreffend die schengenweite Erstreckung des Einreiseverbots sei überdies auf die Entscheidung des UVS Wien vom 14.11.2011, FRG/46/12805/2011 verwiesen:

 

„Die Gültigkeit des Einreiseverbots für den gesamten Schengenraum ist - wie im Folgenden näher ausgeführt wird - eine (mögliche) Rechtsfolge, die sich unmittelbar aus dem Schengen-Vertrag und insbesondere dem Schengener Grenzkodex ergibt, sie ist jedoch nicht von österreichischen Behörden normativ anzuordnen. Dass es dem Berufungswerber aufgrund des über ihn von österreichischen Behörden verhängten Einreiseverbots in der Regel verwehrt sein wird, in einen anderen Schengen- Mitgliedstaat einzureisen, ergibt sich aus der Verordnung (EG) 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 (Schengener Grenzkodex) und einer sich darauf gründenden Entscheidung des Mitgliedstaates, in den der mit einem österreichischen Einreiseverbot belegte Drittstaatsangehörige einzureisen beabsichtigt. Ein von österreichischen Behörden rechtskräftig verhängtes Einreiseverbot ist in das Schengener-Informationssystem einzutragen. Gemäß Art 5 Abs 1 Iii d Schengener Grenzkodex ist als Einreisevoraussetzung verankert, dass der Drittstaatsangehörige nicht im Schengener-Informationssystem zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben ist Gemäß Art 13. Abs 1 Schengener Grenzkodex wird die Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten verweigert, wenn nicht alle Voraussetzungen des Art. 5 erfüllt sind. Gemäß Art 13 Abs 2 leg. cit. ist diese Entscheidung zu begründen und wird die Entscheidung von einer nach nationalem Recht im Einreisestaat zuständigen Behörde erlassen.

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass über eine allfällige Einreisemöglichkeit in einen anderen Schengen-Mitgliedstaat als Österreich nicht österreichische Behörden abschließend entscheiden, sondern die zuständige Behörde des Mitgliedstaates, in den der mit einem österreichischen Einreiseverbot belegte Drittstaatsangehörige einzureisen beabsichtigt. Die Gültigkeit des gegenständlich verhängten Einreiseverbots für den gesamten Schengenraum war daher aus dem Spruch des angefochtenen Bescheides zu streichen."

 

4.

Aus genannten Gründen möge der erkennende Senat meinen Anträgen stattgeben.

 

3. Die belangte Behörde legte den in Rede stehenden Verwaltungsakt mit Schreiben vom 24. Mai 2013 dem Unabhängigen Verwaltungssenat Oberösterreich vor.

 

3.1. Mit Schreiben vom 31. Mai 2013 reichte die belangte Behörde die Strafkarte des LG Linz vom 22. Mai 2013 samt Urteilsausfertigung nach.

 

Demnach wurde der Bw am 15. Mai 2013 vom LG Linz, GZ 27 Hv 2/13s-14, wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage und des Vergehens der versuchten Begünstigung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 3 Monaten verurteilt.

3.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat für den 15. Juli 2013 eine öffentliche mündliche Verhandlung anberaumt und hiezu die Verfahrensparteien geladen. Die belangte Behörde ist entschuldigt ferngeblieben. Zeugen wurde keine beantragt.

 

3.3. Auf Grund der Aktenlage steht folgender Sachverhalt fest:

 

Der Bw reiste am 8. Jänner 2008 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte an diesem Tag einen Antrag auf internationalen Schutz (im Folgenden: Asylantrag). Die gegen den Bescheid des Bundesaylamtes eingebrachte Beschwerde wies der Asylgerichtshof am 14. März 2011 ab und verfügte gemäß § 10 AsylG die Ausweisung des Bw nach Algerien.

 

Infolge der rechtskräftigen Verurteilung des Bw am 25. März 2008 durch das LG Wien verhängte die Bundespolizeidirektion Wien ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot (zeitweilig als Rückkehrverbot anzusehen) mit Bescheid vom 17. Mai 2008. Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.

 

Unmittelbar nach der durchsetzbaren Ausweisungsentscheidung ehelichte der Bw die österreichische Staatsangehörige X am 25. März 2011 (siehe Kopie des Einwohner- und Standesamtes der Landeshauptstadt Linz, Zl. 327/2011). Im Zuge einer neuerlichen Anfrage der belangten Behörde wurde dieser ein „neuer“ Auszug übermittelt. Aus diesem geht hervor, dass die Ehe tatsächlich am 1. Juli 2011 geschlossen worden ist.

 

Das BG Linz hob mit Rechtskraft des Urteils vom 6. September 2011 die am 1. Juli 2011 vor dem Standesamt Linz zu Nr. 418/2011 geschlossene Ehe zwischen dem Bw und der X auf. Im angeschlossenen Protokoll führte die damalige Ehegattin aus, dass sie dem Bw einen geregelten Aufenthalt ermöglichen wollte und die Ehe aus Liebe geschlossen worden sei. Danach habe sie herausgefunden, dass der Bw mit Drogen gehandelt habe und zwischenzeitig inhaftiert worden sei. Hätte sie davon gewusst, dann hätte sie ihn nicht geheiratet. Sie habe somit einen Irrtum über die Person des Bw gehabt. Gegen die Aufhebung der Ehe habe der Bw keine Einwände.

 

Während seines Aufenthaltes in Österreich wurde der Bw bisher viermal rechtskräftig verurteilt (siehe Punkte 1 und 3.1.)

 

Ergänzend zur Darstellung der belangten Behörde ist dazu auszuführen, dass der Bw mit Urteil des LG Wels vom 13. März 2012, GZ 12 Hv 144/11i, wegen des Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 2. Und 3. Fall und Abs. 4 Z 3 SMG als Beteiligter nach § 12 2. Alternative StGB und des Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 5. Fall und Abs. 4 Z. 3 SMG zu vier Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden ist.

Das teilweise Geständnis und die teilweise Sicherstellung wertete das erkennende Gericht mildernd, erschwerend wirkten sich eine einschlägige Vorstrafe und das Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen aus.

Im Urteil des LG Wels vom 11. Dezember 2011, GZ 11 Hv 144/11i, wurde die Freiheitsstrafe mit 3 Jahren und 8 Monaten festgesetzt.

 

Zum Krankheitsbild und seinem Alkoholkonsum, der eine sinnvolle Behandlung über weite Strecken unterbunden hat, äußerte sich der Bw in der mündlichen Verhandlung nicht. Anders als im Verfahren vor der belangten Behörde führte der Bw seine Straftaten auch nicht auf seine „Erkrankung“ zurück.

 

In der mündlichen Verhandlung zeigte sich der Bw über weite Strecken uneinsichtig und wollte von den Verurteilungen nichts gewusst haben. Zwischenzeitig gestand er ein, diesen „Scheiß“ gemacht zu haben. Erstmals in der Schlussäußerung raffte er sich zu einem „es tut mir leid“ auf und verband diese Aussage aber damit, dass er in Österreich bleiben und arbeiten möchte.

 

Bedingt durch den mehrjährigen Aufenthalt ist dem Bw eine entsprechende Integration zuzubilligen. Eine berufliche oder soziale Integration ist dem Bw nicht gelungen. Abgesehen von der Kurzzeitehe, die durch Gerichtsbeschluss nach zwei Monaten aufgehoben wurde, kann der Bw keinen familiären Bezug geltend machen.

 

Die Gründe, mit denen der Bw Schutz vor Verfolgung in Italien und Österreich ersuchte, wurden von den Asylbehörden umfassend gewürdigt. Neue Gründe sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Italien verließ der Bw, weil er sich die Situation besser vorgestellt hatte. In Österreich erhoffte er sich ein angenehmeres Leben ohne Verfolgung, mit einer Wohnung und Arbeit.

 

Einer Rückkehr nach Algerien steht ausschließlich die Angst vor Kriminellen entgegen. In Algerien leben nach wie vor die Verwandten des Bw, er ist mit der Sprache und den Gebräuchen vertraut.

 

3.4. Die „Formalvoraussetzungen für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung“ sind unstrittig.

 

Weder die Straftaten noch die Verurteilungen wurden vom Bw ernstgenommen. Ein Unrechtsbewusstsein ist nicht einmal ansatzweise vorhanden. Lächelnd hat er die Kurzzeitehe als Ausfluss einer Liebesbeziehung dargestellt und ebenso lächelnd behauptet, er könne seine Exgattin nicht verlassen. Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Bw in den einzelnen Schriftsätzen den Namen seiner Exfrau unterschiedlich schreibt (X / X) Aufschlussreich ist im Besonderen der Umstand, dass der Bw die Ehe mit der Österreicherin in zeitlichem Zusammenhang mit der Rechtskraft der Ausweisungsentscheidung und der bevorstehenden Abschiebung eingegangen ist.

 

In der mündlichen Verhandlung ist klar zum Ausdruck gekommen, dass der Bw die Verfolgungssituation in Algerien nur vorgeschoben hat, um sich die Hoffnungen auf ein besseres Leben in der Europäischen Union erfüllen zu können. Nachdem ihm die gewünschte Besserstellung in Italien nicht gelungen ist, hat er versucht diese in Österreich zu erreichen. Die Unmöglichkeit einer Rückkehr wurde unglaubwürdig damit begründet, dass er sich – wie bisher - vor kriminellen Elementen fürchte, jedoch – ohne Begründung - die Polizei des Heimatstaates nicht um Schutz ersuchen wolle.

 

3.5. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 52 Abs. 1 ist gegen einen Drittstaatsangehörigen, sofern nicht anderes bestimmt ist, mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Die Rückkehrentscheidung wird mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Berufung gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 66 Abs. 4 AVG auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

 

Gemäß § 53 Abs. 1 wird mit einer Rückkehrentscheidung wird ein Einreiseverbot unter Einem erlassen. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

 

Gemäß Abs. 2 ist ein Einreiseverbot nach Abs. 1, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für fünf Jahre zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat die Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, ob der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige

 

[…]

 

Gemäß Abs. 3 ist ein Einreiseverbot nach Abs. 1 für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

 

4.2. Dass der Bw Drittstaatsangehöriger und im Sinne des § 52 FPG seit Mitte März 2011 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig ist, bedarf auf Grund der unstrittigen Feststellungen und des Beweisergebnisses keiner weiteren Begründung.

 

Es ist daher grundsätzlich eine Rückkehrentscheidung gegen ihn zu erlassen und diese mit einem Einreiseverbot zu verbinden.

 

4.2.1. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbots stellt unzweifelhaft einen Eingriff in das Privatleben des Bw dar. Vor dem Hintergrund obiger Ausführungen gilt es daher zunächst, die Zulässigkeit dieses Eingriffs dem Grunde nach zu prüfen. Dabei ist auf die von Art. 8 EMRK geschützten Interessen des Bw sowie § 61 FPG 2005 Bedacht zu nehmen.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist allerdings ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts gemäß Abs. 1 (nur) statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

4.2.2. Gemäß § 61 Abs. 1 FPG ist, sofern durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 2 FPG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war;

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4. der Grad der Integration;

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl- Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltstatus bewusst waren;

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 3 FPG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein  aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51ff. NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

4.3.1. Es ist festzuhalten, dass es gestützt auf die ständige Rechtsprechung der Höchstgerichte grundsätzlich zulässig und erforderlich ist, Maßnahmen zu ergreifen, um massiven Gefährdungen des öffentlichen Interesses effektiv begegnen zu können. Zweifelsohne liegt die Verhinderung von strafbaren Handlungen und der Schutz der Rechte Dritter im öffentlichen Interesse und sind massive Gefährdungen dieses Interesses durch das Ergreifen geeigneter Maßnahmen zu verhindern.

 

Der Bw wurde viermal, davon am 11. Dezember 2012 rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt. Daher kann über den Bw ein Einreiseverbot von bis zu zehn Jahren verhängt werden.

 

4.3.2. Maßgeblich ist aber nicht primär, dass eine strafgerichtliche Verurteilung bzw. hier mehrere strafgerichtliche Verurteilungen ausgesprochen wurden, sondern dass im Sinne einer Prognoseentscheidung das gegenwärtige und zukünftige Verhalten einer Person im Lichte ihrer strafgerichtlichen Verurteilung(en) rechtlich zu würdigen ist. Es ist also im konkreten Einzelfall zu analysieren, ob davon ausgegangen werden muss, dass der Bw eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

 

Daher ist – aus Gründen der Verhältnismäßigkeit – vor Erlassung eines Einreiseverbots von mehr als fünf Jahren zu prüfen, ob das Verhalten des Bw aus derzeitiger Sicht geeignet erscheint, in Hinkunft die öffentliche Ordnung oder Sicherheit schwerwiegend zu gefährden.

 

In die Beurteilung hat jedenfalls einzufließen, dass der Bw bereits zwei Monate nach seiner illegalen Einreise im März 2008 wegen eines Vergehens nach dem SMG verurteilt wurde. Auch wenn er, wie in der Folge wegen eines Verbrechen nach dem StGB (Einbruchsdiebstahl), nur zu bedingten Strafen verurteilt worden ist, lassen sich bereits aus diesen Verfehlungen Schlüsse auf seine kriminelle Energie ziehen, die in der Folge massiv zu Tage getreten ist und wegen Verbrechen und Vergehens nach dem SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 3 Jahren und acht Monaten geführt hat. Die weitere Verurteilung im Frühjahr 2013 fügt sich nahtlos in dieses Bild.  

 

Die Tathandlungen und Verurteilungen fanden überwiegend in einem Zeitraum statt, in dem dem Bw lediglich ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht nach dem Asylgesetz zugekommen ist. Schon daraus ist zu ersehen, welche negative Einstellung der Bw gegenüber der österreichischen Rechtsordnung hat.

 

Auch wenn der Bw in Stellungnahmen und Schriftsätzen Einsichtigkeit darlegt, ist in der mündlichen Verhandlung keine Spur von Reue zu erkennen. Emotionslos bringt er nach anfänglichem Leugnen vor, dass er den „Scheiß“ gemacht habe.

 

Beispielsweise zeigt ein Blick in das angesprochene Urteil aus dem Jahr 2012 die erhebliche kriminelle Energie des Bw und sein zielgerichtetes Handeln auf. Beginnend mit Februar 2010 war der Bw bis Sommer 2011 im Suchtgifthandel tätig. Frühere Suchtgiftkontakte in Wien nutzend bediente er sich mehrerer Mittäter und diese brachten für ihn beispielsweise im Zeitraum November 2010 bis Mitte 2011 bei rund 14 bis 16 Fahrten rund 8 bis 12 kg Cannabiskraut und Cannabisharz mit einem Reinheitsgrad von rund 5% sowie 100 g Kokain von Wien nach Linz. Ähnliche Fahrten organisierte der Bw von Tschechien nach Österreich im Zeitraum März bis Mai 2011, wobei zumindest 3500 g Cannabiskraut mit einem Reinheitsgrad von etwa 9,7% eingeführt wurden. Der Bw war sich dabei bewusst und fand sich damit ab, insgesamt eine das 25-fache der Grenzmenge übersteigende Menge an andere zu überlassen und einen Beitrag zur Aus- und Einfuhr einer solchen Menge durch Dritte geleistet zu haben.

 

Wie sich dem Strafverfahren und dem Urteil entnehmen lässt, hat der Bw den dem Urteil zugrundeliegenden Sachverhalt objektiv begangen, ernsthaft mit der Verwirklichung der Tatbilder gerechnet und sich damit abgefunden. Der Bw wusste über die Art und Qualität der Suchtgifte Bescheid und war entschlossen, fortlaufend die angeführten Suchtgifte einführen zu lassen und zu verkaufen.

 

Der Bw ist an Suchtmittel gewöhnt und hat die Taten begangen, um sich einerseits den persönlichen Bedarf und andererseits den sonstigen Lebensunterhalt zu finanzieren.

 

Trotz des einschlägig belasteten Vorlebens ist der Bw in relativ kurzer Zeit wieder massiv delinquiert.

 

Es ist also im Ergebnis davon auszugehen, dass vom Bw nach wie vor eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit ausgeht.

 

4.3.3. Im Sinne der oben zitierten Normen ist eine Interessensabwägung – basierend auf einer einzelfallbezogenen  Gesamtbetrachtung – vorzunehmen.

 

Im Rahmen der Interessenabwägung ist festzustellen, dass das gegenständliche Einreiseverbot in das Privatleben des Bw eingreift, da sich der Bw seit über fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält.

 

Auch wenn der Bw im Verfahren und in der mündlichen Verhandlung auf eine nach wie vor bestehende Beziehung zu seiner „Exgattin“ hinweist, begründet diese keine relevante familiäre Bindung in Österreich. Da die Ehe bereits zwei Monate nach Eheschließung durch Gerichtsbeschluss auf Betreiben der damaligen Ehegattin aufgehoben worden ist, kann sich der Bw nicht vertretbar auf ein bestehendes Familienleben berufen. Wie bereits dargelegt, kam diese auf Betreiben des Bw unmittelbar nach Erlassung einer durchsetzbaren und durchführbaren Ausreiseentscheidung unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zustande. Darüber hinaus besteht auch keine berufliche Bindung zum Inland. In Österreich halten sich keine Verwandten des Bw auf und er hat auch keine Sorgepflichten. Die Verwandten des Bw leben in Algerien. Der Lebensunterhalt wurde überwiegend durch kriminelle Machenschaften bestritten.

 

Trotz der fünfjährigen Aufenthaltsdauer in Österreich hat der Bw auf keine relevanten Sozialkontakte hingewiesen und keinerlei Betätigungen in caritativen oder sonstigen Vereinen vorgenommen. Der Freundeskreis scheint überwiegend dem Suchtgiftmilieu zu entstammen.

 

Im Hinblick darauf, dass der Bw bis zu seinem 32. Lebensjahr in seinem Herkunftsstaat gelebt und die gesamte Schulausbildung dort genossen hat, was für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht unwesentlich ist, da er in diesen Lebensjahren in der Lage war, die Kultur und gesellschaftlichen Gepflogenheiten seiner Heimat kennenzulernen, ist eine Reintegration – wenn auch unter gewissen Schwierigkeiten – durchaus nicht undenkbar. Unbestritten leben die Verwandten des Bw im Herkunftsstaat. Das Bestehen einer aktuellen Verfolgung im Herkunftsstaat konnte der Bw in der mündlichen Verhandlung nicht glaubwürdig darlegen. Wiederholt hat er davon gesprochen, dass er diese Gründe bereits im Asylverfahren angeführt habe, seinem Vorbringen aber nicht gefolgt worden sei. Die allgemein gehaltene Schilderung war so unbestimmt und vage, dass keinesfalls auf ein Abschiebehindernis geschlossen werden kann. Betrachtet man seine Darstellungen zusammenhängend, kommt eindeutig hervor, dass der Bw sich seinen Lebenstraum (Arbeit und Wohnung) in Österreich erfüllen will und daher eine Rückkehr nach Algerien mit aller Macht verhindern möchte.

 

Das Asylverfahren hat zwar Jahre in Anspruch genommen und der Bw hat dadurch eine gewisse Integration erlangt, das Ausmaß dieser wird durch seine Verurteilungen aber einschneidend geschmälert. In der Zusammenschau wirkt sich auch negativ aus, dass der Bw nach Abschluss seines Asylverfahrens keinerlei Anstalten machte, unverzüglich auszureisen, sondern durch das Eingehen der Ehe mit einer Österreicherin fremdenpolizeiliche Maßnahmen dauerhaft zu hintertreiben suchte.

 

Bedeutsam ist auch, dass der Bw jenes Verbrechen, wegen dem er 2012 verurteilt worden ist, in einem Zeitraum gesetzt hat, in dem er sich nicht mehr rechtmäßig in Österreich aufgehalten hat.

 

4.3.4. Insgesamt ist also der belangten Behörde zu folgen, dass den öffentlichen Interessen an der effektiven Verhinderung von Eigentums- und Suchtgiftdelikten sowie an einem geordneten Fremdenwesen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK im konkreten Einzelfall eindeutig der Vorrang vor den privaten Interessen des Bw gegeben werden muss.

 

Der Bw kann sich somit nicht erfolgreich auf den Schutz seines Privat- und Familienlebens berufen.

 

4.4. Abschließend gilt es nunmehr, die Dauer, für welche der Bw nicht in das Gebiet der Mitgliedstaaten einreisen darf, zu prüfen.

 

4.4.1. Gemäß § 53 Abs. 3 FPG ist ein Einreiseverbot im Fall der Z 1 für die Dauer von höchstens zehn Jahren zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.

 

4.4.2. § 53 Abs. 5 FPG zufolge liegt eine gemäß Abs. 3 maßgebliche Verurteilung nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. § 73 StGB gilt.

 

4.4.3 Durch die Verwirklichung der oben angeführten, nicht getilgten Verurteilung zu drei Jahren und acht Monaten hat der Bw eine unter § 53 Abs. 3 Z 1 FPG zu subsumierende Handlung gesetzt. Darüber hinaus wurde der Bw mehrfach wegen derselben schädlichen Neigung rechtskräftig verurteilt. Vor diesem Hintergrund kann ein Einreiseverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Zumindest hat das Einreiseverbot gemäß dem Einleitungssatz des § 53 Abs. 2 FPG 18 Monate zu betragen.

 

Bei der konkreten Bemessung der Dauer des über den Bw zu erlassenden Einreiseverbotes ist dessen bisheriges gesamtes Verhalten zu beurteilen und zu berücksichtigen, ob der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

 

Das kriminelle Verhalten des Bw, das in Form von einem Eigentumsdelikt (Verbrechen des Einbruchdiebstahls) und Verbrechen und Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz innerhalb von fünf Jahren zu Tage trat, zeigt – wie unter 4.3.2. ausführlich dargelegt –, dass dieser nicht gewillt ist, sich der Rechts- und Werteordnung im Gastland zu fügen.

 

Ein relevantes Wohlverhalten im Bundesgebiet kann nicht konstatiert werden. Das Vorbringen des Bw scheint als nicht ausreichend, um einen geänderten Gesinnungswandel dokumentieren zu können. Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang, dass sich auch die Rahmenbedingungen nicht zum Vorteil des Bw geändert haben und er dieselben Verhältnisse (gleicher Freundeskreis, ungesicherter Lebensunterhalt) vorfindet, die für seine kriminellen Handlungen ausschlaggebend waren.

 

Das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenates folgt daher der Ansicht der belangten Behörde, dass das Verhalten des Bw auch zum jetzigen bzw. zukünftigen Zeitpunkt eine schwerwiegende Gefährdung des Grundinteresses der Gesellschaft an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sowie der Verhinderung von Straftaten bildet.

 

Hinsichtlich der Dauer des gegenständlichen Einreiseverbotes finden sich im angefochtenen Bescheid keinerlei Ausführungen.

 

Aufgrund der sich ständig steigernden kriminellen Energie, der äußerst kurzen Zeiträume, in denen der Bw nicht straffällig geworden ist, der zeitnahen Rückfälligkeit, der Uneinsichtigkeit, der massiven Schädigung der Rechte und der Gesundheit Dritter, des Versuches, sich den Lebenstraum durch kriminelle Tätigkeiten im Gastland zu erfüllen, kann derzeit von einer günstigen Zukunftsprognose nicht ausgegangen werden und bedarf es daher der Ausschöpfung des gesetzlichen Rahmens. Aus den genannten Gründen war das von der belangten Behörde gegen den Bw erlassene - auf die Dauer von zehn Jahren befristete - Einreiseverbot zu bestätigen.

 

4.4. Es war spruchgemäß zu entscheiden.

 

5. Von einer Übersetzung gemäß § 59 Abs. 1 FPG konnte aufgrund der sehr guten Deutschkenntnisse des Bw abgesehen werden.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro (Eingabegebühr) angefallen.

 

 

Mag. Christian Stierschneider

 

 

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