Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730749/2/BP/Jo

Linz, 25.07.2013

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des X, geb. am X, StA des Kosovo, vertreten durch X,   Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich, vom 10. Juni 2013, GZ: 1068345/FRB, betreffend die Erlassung eines auf die Dauer von drei Jahren befristeten Aufenthaltsverbotes nach dem Fremdenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1.1. Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 10. Juni 2013, Zl. 1068345/FRB, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) auf Basis des § 63 Abs. 1 und 2 des Fremdenpolizeigesetzes (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Aufenthaltsverbot verhängt.

Weiters wurde gemäß § 55 FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF die Frist für die freiwillige Ausreise mit einem Monat ab Durchsetzbarkeit des Bescheides festgelegt.

 

Begründend führt die belangte Behörde zum Sachverhalt Folgendes aus:

Sie leben seit 2007 in Österreich und verfügen derzeit über einen bis 31.08.2014 gültigen Aufenthaltstitel (ROT-WEISS-ROT-KARTE PLUS).

 

Am 08.04.2013 wurden Sie vom LG Linz, 22 Hv 148/2012 y, wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten, bedingt auf 3 Jahre, verurteilt.

 

Aus der Urteilsausfertigung geht hervor, dass Sie im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit X, X und X X mit Gewalt gegen eine Person fremde bewegliche Sachen, nämlich eine Geldbörse samt Inhalt in der Höhe von zumindest € 20,- mit dem Vorsatz weggenommen haben, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem Sie ihn zu Boden rissen und ihm mit den Füßen und Fäusten Schläge versetzten, um ihm anschließend die Geldbörse samt Inhalt wegzunehmen, wobei X in Form von mehreren Prellungen verletzt wurde.

 

1.1.2. Die Behörde ging bei der Erlassung des Aufenthaltsverbotes von folgender rechtlicher Beurteilung aus:

 

Mit Schreiben vom 14.05.2013 erstatten Sie zur beabsichtigten Erlassung des Aufenthaltsverbotes - rechtsfreundlich vertreten - folgende Stellungnahme:

 

„Richtig ist, dass ich am 08.04.2013 vom Landesgericht Linz wegen § 142 Abs. 1 StGB verurteilt wurde.

Wenn man sich den der Verurteilung zu Grunde liegenden Sachverhalt ansieht, kann man feststellen, dass mein Tathergang nur als untergeordnet anzusehen ist, was sich auch darin geäußert hat, dass ich gegenüber den Mitangeklagten eine wesentlich mildere Strafe erhalten habe.

 

Ich bin seit 2007 rechtmäßig in Österreich und habe mich stets bemüht, ein ordentliches und rechtschaffenes Leben in Österreich zu führen. Ich habe zunächst zwei Jahre die Hauptschule besucht, wobei ich jedoch auf Grund der anfänglichen sprachlichen Schwierigkeiten als außerordentlicher Schüler geführt wurde. Den nach diesen beiden Schuljahren von mir besuchten Kurs, um den Hauptschulabschluss nachzuholen, musste ich abbrechen, da ich nach Erreichung der Volljährigkeit zur Erlangung des weiteren Aufenthaltstitels über ein eigenes Einkommen verfügen musste, weswegen ich auch zu arbeiten begann.

Ich war danach mit einigen kurzen Unterbrechungen (u.a. wegen eines Arbeitsunfalles) dauernd in einem aufrechten Dienstverhältnis und arbeite derzeit bei der Fa. „X" als Reinigungskraft.

Sowohl meine Eltern als auch fünf meiner Geschwister leben in X bzw. in Österreich und habe ich in den Kosovo keinerlei soziale Verbindungen mehr. Dies nicht zuletzt deswegen, da ich erst 14 Jahre alt war, als ich nach Österreich kam. Ich habe sohin meine gesamte Jugend in Österreich verbracht.

Ich bin auch mit Frau X, österreichische Staatsbürgerin, verlobt und beabsichtigen wir, nächstes Jahr zu heiraten.

Die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes würde daher massiv in mein Grundrecht auf Privat- und Familienleben eingreifen und ist die Verhängung eines befristeten Aufenthaltsverbotes auch bei dem der Behörde eingeräumten Ermessen nicht erforderlich, um die öffentliche Ordnung aufrecht zu erhalten.

Ich war bis zum gegenständlichen Vorfall unbescholten und ging auch das Landesgericht Linz bei seiner Entscheidung davon aus, dass die Verhängung einer bedingten Strafe ausreichend ist.

Aus all diesen Gründen ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht erforderlich, weswegen ich ersuche, gegenständliches Verwaltungsverfahren einzustellen."

 

Die Bundespolizeidirektion Linz hat erwogen:

Das Verbrechen des Raubes gehört wohl zu den schwerwiegendsten Verbrechen, die das Strafrecht kennt. Bei Delikten, wie von Ihnen begangen, ist nicht nur ein immanent hohes Verletzungsrisiko gegeben, derartige Verbrechen sind überdies immer wieder Ursache für schwere körperliche Folgeschäden bis hin zum Tod eines Geschädigten.

 

Dabei ist überdies zu beachten, dass der Verlauf eines Raubüberfalles vom Täter oftmals nicht mehr gesteuert werden kann. Dieser Verlauf ergibt sich situationsbedingt. Gleiches ist auch hinsichtlich der Verletzungsgefahr von Opfern zu sagen (Abwehrreaktionen des Opfers können nicht gesteuert werden). So bleibt es eher dem Zufall und einer großen Portion Glück über, wenn das Opfer eines Raubüberfalles keine (im gegenständlichen Fall keine erheblicheren) Verletzungen davonträgt.

Aber auch aus dem Blickwinkel der Tatsache, dass gerade im Bereich der Gewaltkriminalität in letzter Zeit eine Zunahme zu verzeichnen ist, wird schon mit allen möglichen (gesetzlichen) Mitteln entgegenzusteuern sein, um derartige Verbrechen in Zukunft zu verhindern bzw. die Gefahren daraus so gering als möglich zu machen.

 

Ihr Verhalten zeugt nicht nur von einem hohen Maß an Gleichgültigkeit im Hinblick auf die geltenden strafrechtlichen Bestimmungen, sondern auch davon, dass Sie weit von den in der hiesigen Gesellschaft geltenden moralischen Werten entfernt sind.

 

Eine Verurteilung zu einer bloß bedingten Freiheitsstrafe bedeutet keineswegs generell eine positive Prognose des Gerichts dahin, dass der Täter damit keine Gefahr mehr für die Öffentlichkeit darstellt. Derartiges könnte ja im Übrigen auch für den Zeitraum nach der Verbüßung einer Haftstrafe nie verlässlich ausgeschlossen werden.

Primär soll durch eine bedingte Verurteilung vielmehr nur zum Ausdruck gebracht werden, dass insgesamt doch die Überzeugung überwiegt, dass der Täter von der Begehung weiterer Straftaten durch die dann kumulativ hinzutretende Bestrafung wegen des früheren Delikts und somit wegen der insgesamt verschärften Strafdrohung abgehalten werden wird.

 

Darüber hinaus ist die hier anzustellende Gefährdungsprognose allein aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts vorzunehmen und können die Erwägungen des Gerichts insoweit nicht als ausschlaggebend angesehen werden.

 

Die von Ihnen in der Stellungnahme angeführten Lebensumstände zeigen sicherlich von einer teilweise gelungenen Integration.

Allerdings ist diese in der für sie wesentlichen sozialen Komponente durch die begangene Straftat erheblich beeinträchtigt.

 

Durch die Erlassung des Aufenthaltsverbotes mag daher zwar in Ihr Privat- und Familienleben eingegriffen werden, doch ist sie aufgrund der oben näher geschilderten Umstände nicht nur zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten, sondern auch im Licht des § 66 Abs. 2 FPG zulässig.

 

 

1.2. Gegen diesen Bescheid erhob der Bw durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter mit Schreiben vom 1. Juli 2013 (Einlangen bei der LPD) rechtzeitig Berufung, in welcher vorerst die Anträge gestellt werden, die Berufungsbehörde möge:

 

  1. eine mündliche Berufungsverhandlung anberaumen und durchführen;
  2. den angefochtenen Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 10.06.2013, GZ. 1068345/FRB, ersatzlos beheben; in eventu
  3. die ausgesprochene Aufenthaltsverbotsdauer angemessen herabsetzen; in eventu
  4. den angefochtenen Bescheid der Erstbehörde aufheben und dieser die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auftragen.

 

Seine Berufung begründet der Bw wie folgt:

 

Gegen mich wurde mit dem hier angefochtenen Bescheid ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von 3 Jahren erlassen. Grundlage hiefür ist die Verurteilung des Landesgerichtes Linz, vom 8.4.2013, wegen § 142 Abs. 1 StGB, zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten bedingt auf 3 Jahre.

 

Ich trete der hier aufgezeigten Verurteilung auch nicht entgegen und bereue mein Fehlverhalten zutiefst. Ich ersuche jedoch zu berücksichtigen, dass gegenständliche Straftat meine erste Verurteilung darstellt. Mir ist durchaus bewusst, dass ich im Falle der Begehung einer weiteren Straftat die verhängte Strafe auch verbüßen werde müssen und damit auch meinen in Österreich bestehenden Aufenthalt massiv gefährden würde. Es hätte daher auch die Fremdenbehörde, wie bereits auch das Strafgericht von einer günstigen Zukunftsprognose ausgehen müssen und hätte es daher der Erlassung des Aufenthaltsverbots nicht bedurft.

 

Ich ersuche in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen, dass ich an gegenständlicher Straftat, die ich keineswegs beschönigen oder verharmlosen möchte, nur untergeordnet beteiligt war. Aber auch im Hinblick auf mein Privat- und Familienleben in Österreich hätte gegenständliches Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden dürfen. Ich ersuche zu berücksichtigen, dass ich bereits seit 2007 rechtmäßig in Österreich aufhältig bin und auch zurzeit über einen gültigen Aufenthaltstitel verfüge. Durch die entsprechende Aufenthaltsdauer bin ich bestens in Österreich integriert und gehe ich einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach. Ich bin mit der österreichischen Staatsbürgerin X verlobt (siehe Beilage) und lebt meine gesamte Familie in Österreich. Mein Vater ist bereits österreichischer Staatsbürger. Weiters leben 5 meiner Geschwister in Österreich und besteht naturgemäß entsprechend enger Kontakt zu meinen Familienangehörigen in Österreich. Im Gegensatz dazu, verfüge ich im Kosovo über keinerlei soziales Netzwerk mehr, auf das ich zurückgreifen könnte. Ich habe in Österreich auch die Schule besucht und verweise diesbezüglich auf beiliegende Schulbesuchsbestätigung. Das A2-Zertifikat habe ich bereits abgelegt und werde in Kürze Bl absolvieren. Auch sozial bin ich bestens in Österreich integriert wozu auch auf das beiliegende Arbeitszeugnis verwiesen werden darf.

 

Weiters übermittle ich in der Anlage Lohn- und Gehaltsabrechnungen zu Ihrer Kenntnisnahme. Eine Gesamtabwägung der in § 61 FPG angeführten Kriterien, kann daher trotz der gegenständlichen Verurteilung, zu einem Ergebnis gelangen, dass das Aufenthaltsverbot unzulässig im mein Privat-und Familienleben eingreift.

 

Weiteres Vorbringen im Zuge des Berufungsverfahrens behalte ich mir ausdrücklich vor.

 

 

2.1. Die belangte Behörde legte den in Rede stehenden Verwaltungsakt mit Schreiben vom 1. Juli 2013 dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung vor.

 

2.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde.

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte Abstand genommen werden, zumal der Sachverhalt unbestritten feststand und der angefochtene Bescheid zu beheben war.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1.1. und 1.2. dieses Erkenntnisses dargestellten völlig unbestrittenen Sachverhalt aus.

 

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

 

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1.1. Gemäß § 63 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG idgF. BGBl. I Nr. 68/2013, kann gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt

1. die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder

2. anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

 

Gemäß § 63 Abs. 2 FPG sind bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1 insbesondere jene des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 und Abs. 3. § 53 Abs. 5 und 6 gelten.

 

Gemäß § 63 Abs. 3 FPG ist ein Aufenthaltsverbot gemäß Abs. 1 in den Fällen des

§ 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 für die Dauer von mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für fünf Jahre, in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 1 bis 4 für höchstens zehn Jahre und in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen. Die Frist beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

 

3.1.2. Im vorliegenden Fall ist zunächst unbestritten, dass sich der Bw aufgrund

eines bis ins Jahr 2014 gültigen Aufenthaltstitels derzeit formal rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Daher sind grundsätzlich die oben genannten Bestimmungen zur Prüfung des Aufenthaltsverbotes heranzuziehen.

Allerdings ist davor noch auf die besonderen Ausschließungsgründe des § 64 FPG einzugehen. Einschlägig ist hier vor allem § 64 Abs. 4 FPG.

 

3.2.1. Gemäß § 64. Abs. 1 FPG darf gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, eine Ausweisung gemäß § 62 und ein Aufenthaltsverbot gemäß § 63 nicht erlassen werden, wenn

1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, oder

2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

 

Gemäß § 64 Abs. 2 FPG dürfen Drittstaatsangehörige, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen waren, mangels eigener Mittel zu ihrem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft nicht ausgewiesen (§ 62) werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

 

Gemäß § 64 Abs. 3 FPG dürfen Drittstaatsangehörige, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen waren, nur mehr ausgewiesen (§ 62) werden, wenn sie von einem inländischen Gericht wegen Begehung einer strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt wurden und ihr weiterer Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden würde. § 73 StGB gilt.

 

Gemäß § 64 Abs. 4 FPG dürfen Drittstaatsangehörige, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen waren und über einen Aufenthaltstitel “Daueraufenthalt - EG” oder “Daueraufenthalt-Familienangehöriger” verfügen, nur mehr ausgewiesen werden, wenn ihr weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

 

Gemäß § 64 Abs. 5 FPG hat als schwere Gefahr im Sinn des Abs. 4 insbesondere zu gelten, wenn ein Drittstaatsangehöriger von einem inländischen Gericht

1. wegen eines Verbrechens oder wegen Schlepperei, entgeltlicher Beihilfe zum unbefugten Aufenthalt, Eingehens oder Vermittlung von Aufenthaltsehen oder Aufenthaltspartnerschaften, wegen einer Aufenthaltsadoption oder der Vermittlung einer Aufenthaltsadoption, wegen eines mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten Vergehens nach dem SMG oder nach einem Tatbestand des 16. oder 20. Abschnitts des besonderen Teils des StGB oder

2. wegen einer Vorsatztat, die auf derselben schädlichen Neigung (§ 71 StGB) beruht, wie eine andere von ihnen begangene strafbare Handlung, deren Verurteilung noch nicht getilgt ist, zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten rechtskräftig verurteilt worden ist. § 73 StGB gilt.

 

3.2.2. Der Bw kam erst im Jahr 2007 nach Österreich, wuchs also hier nicht von klein auf auf (vgl. § 64 Abs. 1 Z. 2 FPG). Die Anwendung des § 64 Abs. 1 Z. 1 FPG scheitert am ununterbrochenen 10-jährigen Aufenthalt vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts. Weiters scheidet auch die Anwendung des § 64 Abs. 2, 3 und 4 FPG mangels einschlägiger Sachverhalte aus.

 

Im Ergebnis bedeutet dies, dass keiner der Ausschließungsgründe des § 64 FPG in Anwendung gebracht werden kann.

 

3.3.1. Gemäß § 63 Abs. 1 FPG bedarf es zur rechtmäßigen Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen die dort genannte Personengruppe, dass aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass deren Aufenthalt entweder die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

 

Betreffend die Auslegung der oa. bestimmten Tatsachen, verweist § 63 Abs. 2 FPG auf § 53 Abs. 2 und 3 FPG.

 

3.3.2. Gemäß § 53 Abs. 3 FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 für die Dauer von höchstens 10 Jahren, in den Fällen der Z. 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;

3. ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;

4. ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;

5. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

6. aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

7. aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

8. ein Drittstaatsangehöriger öffentlich in einer Versammlung oder durch Verbreitung von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

 

3.3.3. Im vorliegenden Fall ist zunächst § 53 Abs. 3 Z. 1 FPG einschlägig, da der Bw nach dem Sachverhalt zweifelsfrei von einem Strafgericht zu einer bedingt nachgesehenen Strafe von 12 Monaten verurteilt wurde.

 

Es ist – schon aus Gründen der Verhältnismäßigkeit - nun zu prüfen, ob das Verhalten des Bw auch aus derzeitiger Sicht geeignet erscheint, die öffentliche Ordnung oder Sicherheit im Sinne des § 63 Abs. 1 FPG zu gefährden.

 

3.3.4. Die Verhinderung von Straftaten gerade im so sensiblen Bereich der Vermögensdelikte noch dazu, wenn sie unter Gewaltausübung begangen werden, zählt unbestritten zum Grundinteresse der Gesellschaft, auf dem die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit basiert. Der belangten Behörde folgend ist festzuhalten, dass gerade Raub besondere Verwerflichkeit zugemessen werden muss.

 

Maßgeblich ist aber nicht primär, dass eine strafgerichtliche Verurteilung ausgesprochen wurde, sondern dass im Sinne einer Prognoseentscheidung das gegenwärtige und zukünftige Verhalten einer Person im Lichte einer strafgerichtlichen Verurteilung rechtlich zu würdigen ist. Es ist also im konkreten Einzelfall zu analysieren, ob davon ausgegangen werden kann, dass sich der Bw hinkünftig rechtskonform verhalten wird.

 

3.3.5.1. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Bw bis zur Begehung des in Rede stehenden Raubs im August 2012 unbescholten war und auch danach nicht wieder wegen einer Straftat belangt wurde. Es kann also von einem gewissen Zeitraum des nachträglichen Wohlverhaltens ausgegangen werden. Ohne die Tat an sich zu verharmlosen ist weiters anzumerken, dass der Bw daran eher untergeordnet beteiligt war und auch im (für Raub eher milden) Strafurteil seine Geständigkeit als mildernd gewertet wurde. Von einer gefestigten kriminellen Energie kann hier fraglos nicht gesprochen werden. Das Verhalten zeigte sich demnach auch nur punktuell und nicht über einen längeren Zeitraum hindurch. Dem gegenüber steht aber die grundsätzliche Schwere des Verbrechens an sich, dessen sich der Bw schuldig gemacht hat, die nicht übergangen werden kann.

 

3.3.5.2. Zusammengefasst ist also festzustellen, dass vom Bw – trotz der vorliegenden strafrechtlichen Verurteilung – aktuell nicht eine gefestigte kriminelle Energie ausgeht, die zur Gefährdung öffentlicher Interessen führt.

Dennoch bedürfte es eines weiteren Zeitraums des Wohlverhaltens, um gänzlich von deren Wegfall sprechen zu können.

 

Allerdings ist im vorliegenden Fall auch besonders auf den Aspekt des Privat- und Familienlebens einzugehen. 

 

3.4.1. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts gemäß Abs. 1 (nur) statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 1 FPG ist, sofern durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 2 FPG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war;

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4. der Grad der Integration;

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl- Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltstatus bewusst waren;

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 3 FPG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein  aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51ff. NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

3.4.2. Im Sinne der zitierten Normen ist eine Interessensabwägung – basierend auf einer einzelfallbezogenen  Gesamtbetrachtung – vorzunehmen.

 

Dabei ist festzuhalten, dass es gestützt auf die ständige Rechtsprechung der Höchstgerichte grundsätzlich zulässig und erforderlich ist, Maßnahmen zu ergreifen, um Straftaten durch Fremde dauerhaft im Bundesgebiet zu unterbinden, da ein solcher rechtswidriger Status fraglos dazu geeignet ist, die öffentliche Ordnung und Sicherheit eines Staates massiv zu beeinträchtigen. Daraus folgt, dass das diesbezügliche öffentliche Interesse hoch anzusetzen ist und ein Aufenthaltsverbot grundsätzlich ein nicht inadäquates Mittel darstellt, um einen rechtskonformen Zustand wiederherzustellen und zu erhalten. Dies gilt jedoch nur insofern, als die privaten bzw. familiären Interessen im jeweils konkreten Einzelfall nicht als höherrangig anzusehen sind.

 

3.4.3. Es ist nun festzustellen, dass im Fall des Bw sowohl das Familien- als auch das Privatleben hinsichtlich der Interessensabwägung gemäß § 61 Abs. 2 FPG zu erörtern sind, da der Bw mit einer österreichischen Staatsangehörigen verlobt ist und darüber hinaus seine engste Familie hier lebt.

 

3.4.4.1. Wie sich aus dem Sachverhalt ergibt, befindet sich der Bw seit rund 6   Jahren legal im Bundesgebiet.

 

3.4.4.2. In beruflicher Hinsicht kann dem Bw durchaus eine gelungene Integration zugemessen werden, zumal er weitgehend legalen Beschäftigungen nachging und selbsterhaltungsfähig scheint.

 

Die soziale Integration ist beim Bw ebenfalls gegeben, da er nicht nur sprachlich sondern auch sonst kulturell integriert ist. Er verbrachte seine Jugend im Bundesgebiet und baute sich hier seinen Bekannten- und Freundeskreis auf. Freilich erfuhr diese Integration eine gewisse Einschränkung durch sein kriminelles Auftreten.

 

3.4.4.3. Das Privat- und Familienleben des Bw kann im vorliegenden Fall auch als schützenswert eingestuft werden. Hier sind auch die Interessen der Angehörigen sowie der Verlobten (gemäß § 61 Abs. 3 FPG) in die Überlegungen miteinzubeziehen. 

 

3.4.4.4. Dem volljährigen Bw, der im Heimatland bis zu seinem 14. Lebensjahr aufgewachsen war, dort aber über keine nennenswerten verwandtschaftlichen Beziehungen mehr verfügt, wäre eine Reintegration zwar grundsätzlich nicht unzumutbar; jedoch wäre diese als erschwert zu betrachten.

 

3.4.4.5. Zu der strafgerichtlichen Verurteilung wird auf Punkt 3.3. dieses Erkenntnisses einschließlich der geminderten Gefährlichkeitsprognose verwiesen. Besondere verwaltungsrechtliche Übertretungen des Bw sind dem Akt nicht zu entnehmen.

 

3.4.4.6. Das Privat- und Familienleben entstand nicht erst zu einem aufenthaltsrechtlich unsicheren Zeitpunkt. Genau so wenig können Verzögerungen von Seiten der Behörden festgestellt werden.

 

3.4.5. Insgesamt ist festzustellen, dass die persönlichen Interessen des Bw am Verbleib in Österreich die öffentlichen Interessen an der dauerhaften Außerlandesschaffung des Bw klar überwiegen, weshalb sich der Bw zu recht auf den Schutz seines Privat- und Familienlebens berufen kann.

 

3.5.1. Es war daher im Ergebnis der Berufung stattzugeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben.

 

3.5.2. Da der Bw der deutschen Sprache ausreichend mächtig ist, konnte die Übersetzung des Spruchs sowie der Rechtsmittelbelehrung dieses Bescheides gemäß § 59 Abs. 1 FPG unterbleiben.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro (Eingabegebühr) und 31,20 Euro (Beilagen), das sind insgesamt 45,50 Euro, angefallen.

 

 

 

 

 

 

Bernhard Pree

 

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