Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-167859/14/Br/HK

Linz, 17.07.2013

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine I. Kammer (Vorsitzende: Maga. Bissenberger, Berichter: Dr. Bleier, Beisitzer: Dr. Keinberger) über die Berufung des Herrn J M, geb. X, K, S, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 12. Februar 2013, Zl: VerkR96-14637-2012/Hai, in dessen Spruchpunkt 1) nach der am 17. Juli 2013 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung, zu Recht erkannt:

 

 

I. Die Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis im Punkt 1) behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß      § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlagen:

 

Zu I.:         §§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG idF BGBl I Nr. 33/2013  iVm § 19, § 24, 51i, § 51e Abs.1 Z1 Verwaltungsstrafgesetz – VStG idF BGBl. I Nr. 33/2013;

Zu II.: § 66 VStG

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

Zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis in dessen Punkt 1) wider den Berufungswerber wegen einer Verwaltungsübertretung nach  § 1 Abs.3 iVm § 37 Abs.1 u. 37 Abs.3 Z1 FSG  eine Geldstrafe von 2.180 Euro, für den Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 624 Stunden (entspricht 26 Tagen), sowie zusätzlich eine primäre Freiheitsstrafe von 1008 Stunden (entspricht 42 Tagen bzw. sechs Wochen) verhängt.

Ihm wurde zur Last gelegt, er habe am 01.06.2012, 21:35 Uhr, in S auf der X, Strkm 4,4, Fahrtrichtung S, den Pkw mit dem Kennzeichen X auf einer öffentlichen Verkehrsfläche gelenkt, ohne im Besitz einer hierfür von der Behörde erteilten gültigen Lenkberechtigung gewesen zu sein.

 

1.1. Die Behörde erster Instanz führte in der Begründung Folgendes aus:

Gemäß § 1 Abs 3 FSG ist das Lenken eines Kraftfahrzeuges und das Ziehen eines Anhängers, ausgenommen in den Fällen des Abs.5, nur mit einer von der Behörde erteilten gültigen für die Klasse oder Unterklasse (§ 2), in die das Kraftfahrzeug fällt, zulässig.

 

Gemäß § 37 Abs 1 FSG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist, sofern in den folgenden Absätzen nichts anderes bestimmt ist, mit einer Geldstrafe von 36,00 bis 2.180,00 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen, wer diesem Bundesgesetz, den aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen, Bescheiden oder sonstigen Anordnungen zuwiderhandelt. Zuwiderhandlungen gegen Bestimmungen nach diesem Bundesgesetz, die einen bestimmten Alkoholgrenzwert zum Lenken oder Inbetriebnehmen von Kraftfahrzeugen festlegen, sind unbeschadet des Abs.3 Z.3 jedoch nur dann zu bestrafen, wenn keine Übertretung der StVO.1960 oder des § 37a vorliegt. Dies gilt auch für Zuwiderhandlungen, die auf dem Wege von einer österreichischen Grenzabfertigungsstelle, die auf ausländischem Gebiet liegt, zur Staatsgrenze begangen werden. Auch der Versuch einer solchen Zuwiderhandlung ist strafbar.

 

Gemäß § 37 Abs 3 FSG ist eine Mindeststrafe von 363,00 Euro zu verhängen für das Lenken eines Kraftfahrzeuges entgegen der Bestimmung des § 1 Abs.3, sofern der Lenker überhaupt keine gültige Klasse von Lenkberechtigungen besitzt,

eines Kraftfahrzeuges, obwohl der Führerschein gemäß § 39 vorläufig abgenommen wurde oder eines Kraftfahrzeuges der Klasse D entgegen der Bestimmung des § 21 Abs.3, sofern nicht auch ein Verstoß gegen § 99 Abs.1 bis 1b StVO.1960 vorliegt.

 

Gemäß § 37 Abs 2 FSG kann, wenn der Täter wegen der gleichen Zuwiderhandlung bereits

einmal bestraft wurde, an Stelle der Geldstrafe eine Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen verhängt werden. Wurde der Täter wegen der gleichen Zuwiderhandlung bereits zweimal bestraft, so können Geld- und Freiheitsstrafen auch nebeneinander verhängt werden. Die Verhängung einer Freiheitsstrafe ist in diesen Fällen aber nur zulässig, wenn es ihrer bedarf, um den Täter von weiteren Verwaltungsübertretungen der gleichen Art abzuhalten.

 

Gemäß § 52 Sit a Z 10a StVO 1960 zeigt das Zeichen "Geschwindigkeitsbeschränkung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit)" an, dass das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit, die als Stundenkilometeranzahl im Zeichen angegeben ist, ab dem Standort des Zeichens verboten ist.

 

Gemäß § 99 Abs 2d StVO ist wer eine Verwaltungsübertretung begeht mit einer Geldstrafe von 70 bis 2180 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von 24 Stunden bis zu sechs Wochen, zu bestrafen, wer die zulässige Höchstgeschwindigkeit um mehr als 30 km/h überschreitet.

 

Der im Spruch angeführte Sachverhalt wurde von Rev.lnsp, N, Polizeiinspektion St.Georgen-East, während des Verkehrsüberwachungsdienstes zur Anzeige gebracht. Auf Grund dieser Anzeige wurde Ihnen der Sachverhalt nachweislich mittels Aufforderung zur Rechtfertigung vom 02.07.2012, zugestellt am 04.07.2012, zur Kenntnis gebracht und teilten Sie in Ihrer Rechtfertigungsangaben am 12.07.2012 mit, dass die Angaben in der VStV Anzeige nicht stimmen würden und Ihre Frau B A, geb. X, das Fahrzeug zum Tatzeitpunkt gelenkt hätte. Sie wären nicht im Besitz einer gültigen Lenkberechtigung und hätten das Fahrzeug aus gesundheitlichen Gründen nicht lenken können. Sie legten diesbezüglich der ha. Behörde einen Kurzarztbrief vom 10.05.2012 vor, aus dem ersichtlich ist, dass Sie einen Dauerkatheter für 4 Wochen verordnet bekommen hätten.

Am 12.07.2012 gab die Zeugin B A zu Protokoll, dass das gegenständliche Kraftfahrzeug am besagten Tag von ihr gelenkt worden wäre und ein Platztausch im Fahrzeug garantiert nicht stattgefunden hätte.

Auf Grund Ihrer Rechtfertigungsangaben wurde der Meldungsleger um schriftliche Stellungnahme zum Sachverhalt gebeten. Er teilte am 21.08.2012 mit, dass seine Angaben in der Anzeige bezüglich Lenkerwechsel den Tatsachen entsprechen würden. Unmittelbar nach der Anhaltung des Fahrzeuges in einer Bushaltestelle der X, Strkm. 2,900, hätte er im Annähern an das Fahrzeug im Scheinwerferlicht der Taschenlampe wahrgenommen, wie Sie sich im Fahrzeug vom Fahrersitz aus zwischen den beiden vorderen Sitzen nach hinten auf die Rücksitzbank wälzten und zeitgleich die auf dem Beifahrersitz befindliche weibliche Person auf den Fahrersitz gerutscht wäre. Beim Fahrzeug auf Höhe der linken hinteren Fahrzeugtüre angekommen, hätte er dann durch die Seitenscheibe Sie auf der Rücksitzbank rechts hinten schräg mit den Beinen zur Mitte gerichtet in halb liegender Position wahrgenommen. Die weibliche Person hätte sich in der Zwischenzeit bereits zur Gänze auf dem Fahrersitz befunden. Weiters wurde angeführt, dass Sie und Ihre Frau nach dem Stoppen des Fahrzeuges die Positionen veränderten und zum Zeitpunkt der Kontrolle auf ihren erreichten Positionen nicht angegurtet gewesen wären.

 

Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 17.09.2012, persönlich übernommen am 19.09.2012, wurde Ihnen die gegenständliche Stellungnahme zur Kenntnis gebracht und Ihnen die Möglichkeit zu einer weiteren Stellungnahme eingeräumt. Daraufhin teilte Ihre Mutter telefonisch mit, dass Sie den Termin nicht wahrnehmen könnten und am 03.10.2012 bei der ha. Behörde vorsprechen würden. Jedoch wurde auch dieser Termin wurde von Ihnen nicht wahrgenommen.

 

In weiterer Folge wurde der anzeigende Beamte am 28.11.2012 bzw. 28.02.2013 zur zeugenschaftlichen Vernehmung ersucht. Am 12.03.2013 wurde der Zeuge Rev.lnsp. N einvernommen und gab dieser unter Wahrheitsermahnung zu Protokoll, dass die zur Anzeige gebrachte Geschwindigkeitsüberschreitung in S auf der X bei Strkm. 4,4 von S kommend in Fahrtrichtung S von ihm und seiner Kollegin Rev.lnsp. P im Nachfahren im annähernd gleichbleibenden Abstand von Strkm. 4,100 bis km 3,650 festgestellt worden wäre. Das Dienstkraftfahrzeug mit dem Kennzeichen X verfüge über keinen geeichten Tacho, jedoch wäre eine Messtoleranz zu Ihren Gunsten abgezogen worden. Unmittelbar nach der Anhaltung in einer dort situierten Bushaltestelle auf der X, km 2,900, hätte er im Annähern des Fahrzeuges durch den Lichtstrahl seiner mit der linken Hand in Kopfhöhe geführten Taschenlampe eindeutig einen Lenkerwechsel wahrgenommen. Herr M (männliche Person) hätte vom Fahrersitz aus zwischen den beiden vorderen Sitzen nach hinten auf die Rücksitzbank und zeitgleich die auf dem Beifahrersitz befindliche Frau B A (weibliche Person) auf den Fahrersitz gewechselt. Beim Fahrzeug auf Höhe der linken hinteren Fahrzeugtüre angekommen, hätte er dann eindeutig durch die Seitenscheibe die männliche Person auf der Rücksitzbank rechts hinten schräg mit den Beinen zur Mitte gerichtet in halb liegender Position wahrgenommen. Die weibliche Person hätte sich in der Zwischenzeit bereits zur Gänze auf dem Fahrersitz befunden. Bezüglich des Lenkerwechsels führte der Zeuge

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ausdrücklich aus, dass dies den Tatsachen entsprechen würde. Er verwies auf den in der Anzeige aufgenommen Sachverhalt und die schriftliche Stellungnahme vom 21.08.2012.

 

Die Zeugenaussage wurde Ihnen nachweislich mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 12.03.2013 zur Kenntnis gebracht und teilte Ihre Mutter am 20.03.2013 telefonisch mit, dass Sie psychisch krank seien und den Termin erst am 25.03.2013 wahrnehmen könnten.

In Ihrer Email vom 26.03.2013 teilten Sie mit, dass Sie im Jahr 2007 einen schweren Arbeitsunfall - totalen Harnröhrenabriss - gehabt hätten. Sie wären am 08.12.2012 in der Klinik in W operiert worden und wäre Ihnen der gesetzte Katheder erst am 05.06.2012 entfernt worden. Es wäre ihnen somit unmöglich gewesen, zum Tatzeitpunkt am 01.06.2012 einen Fahrerwechsel durchzuführen. Sie hätten sich immer am Rücksitz befunden, da Sie auf Grund Ihres Katheders nicht richtig sitzen hätten können. Die Aussage des Polizisten würde auf einer Vermutung basieren.

 

In der Folge wurde das Klinikum W G am 03.04.2013 ersucht, mitzuteilen, wann Ihnen der notwendige Katheder gesetzt bzw. wieder entfernt wurde. Daraus ist ersichtlich, dass Sie am 10.05.2012 aus der stationären Behandlung entlassen wurden und eine Kontrolle bei Prim. Doz.Dr. P in vier Wochen zur Dauerkatheterentfernung und Cystoskopie erfolgen solle.

 

Außerdem wurde am 03.04.2013 von der zuständigen Sachbearbeiter die Amtsärztin, Sanitätsdienst im Amte, ersucht, mitzuteilen, ob Sie sich auf Grund eines Katheders in der gesundheitlichen Lage befunden hätten, ein Kraftfahrzeug zu lenken und inwieweit bzw. ob die Bewegungsfreiheit - wenn überhaupt - dadurch eingeschränkt gewesen sein könnte. Im Schreiben vom 11.04.2013 teilte Frau Dr. I A mit, dass wie aus den Befunden ersichtlich sei, Sie mit einem befristeten Dauerkatheter versorgt worden wären, jedoch eine Einschränkung der Beweglichkeit in den Beinen bzw. eine Gehbehinderung daraus nicht abzuleiten sei. Das Tragen eines Dauerkatheters würde keine Einschränkung zum Lenken von Kraftfahrzeugen darstellen.

 

Das amtsärztliche Gutachten wurde Ihnen nachweislich mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme am 17.04.2013, hinterlegt am 22.04.2013, zur Kenntnis gebracht und ihnen nochmals die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt. Von diesem Recht machten Sie jedoch bis 21.05.2013 keinen Gebrauch und wurde auch der gewünschte Arztbrief von Herrn Prim. Dr. Walter P, hinsichtlich der Entfernung des Katheders nicht vorgelegt.

 

Die Behörde hat hiezu erhoben:

Nach Durchführung der Ermittlungen wird am Vorliegen des gegenständlichen Sachverhaltes nicht gezweifelt. Diese Beurteilung stützt sich auf in der Niederschrift vom 12.03.2013 gemachten Aussagen des Zeugen Herrn Rev. Insp. N und auf die durch die Amtsärztin gemachten Ausführungen vom 11.04.2013. Den Aussagen des Zeugen Herrn Rev. Insp. N wird eine hohe Glaubwürdigkeit beigemessen. Diese Beurteilung stützt sich darauf, dass diese Aussagen unter Wahrheitspflicht gemacht wurden (siehe die §§ 49 und 50 AVG iVm § 24 VStG). Hinsichtlich Ihrer Rechtfertigungsangaben führten Sie an, dass Frau B A das Kraftfahrzeug zum Tatzeitpunkt gelenkt hätte und ein Platztausch im Fahrzeug garantiert nicht stattgefunden hätte. Einem Polizeibeamten kann sehr wohl zugemutet werden, dass er einen Fahrersitzplatzwechsel wahrnimmt. Die Aussage von Frau B A als auch Ihre eigenen Angaben konnten die Glaubwürdigkeit der Zeugenaussage des Polizisten nicht erschüttern. Auch Ihre Rechtfertigung dahingehend, dass Sie zum Tatzeitpunkt durch einen Dauerkatheter nicht in der Lage gewesen wären, ein Fahrzeug zu lenken bzw. einen Platzwechsel durchzuführen, konnte durch das eingeholte amtsärztliche Gutachten von Frau Dr. I A widerlegt werden, zumal eine Einschränkung der Beweglichkeit in den Beinen bzw. eine Gehbehinderung daraus nicht abzuleiten ist. Das Tragen eines Dauerkatheters stellt keine Einschränkung zum Lenken von Kraftfahrzeugen dar. Es konnte somit an der Richtigkeit der Angaben des anzeigenden Polizeibeamten nicht gezweifelt werden und es war daher wie im Spruch angeführt zu entscheiden.

 

Eine Arbeitslosenunterstützung in der Höhe von 800,- Euro netto ist der ha. Behörde bekannt, diese Gegebenheit konnte jedoch in der Strafbemessung nicht als strafmildernd einfließen.

 

Da Sie bereits 10 Mal !!! rechtskräftig wegen Lenken eines Kraftfahrzeuges ohne gültige Lenkberechtigung bestraft werden mussten, erscheint es unbedingt erforderlich sowohl bei der Geldstrafe als auch bei der Freiheitsstrafe den Strafrahmen auszuschöpfen und in beiden Fällen die Höchststrafe zu verhängen.

Straferschwerend waren Ihre Verwaltungsvorstrafen zu werten und mussten Sie bereits 10 Mal wegen derselben Verwaltungsübertretung bestraft werden. Strafmildernde Umstände lagen nicht vor.

 

Gemäß § 33 Abs. 1 StGB 1974 ist ein Erschwerungsgrund, wenn der Täter mehrere strafbare Handlungen derselben und verschiedenen Art begangen oder die strafbare Handlung durch längere Zeit fortgesetzt hat.

 

Gemäß § 33 Abs. 2 StGB 1974 ist ein Erschwerungsgrund, wenn der Täter schon wegen einer auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Tat verurteilt worden ist

Die Vorschreibung der Verfahrenskosten begründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

 

 

2. Dem tritt der Berufungswerber mit seiner fristgerecht erhobenen Berufung mit folgenden Ausführungen entgegen:

Sehr geehrte Frau H. (Name der Referentin wurde von h. anonymisiert),

 

wie schon des öfteren bekanntgegeben wurde das Kraftfahrzeug von meiner Frau, B M, gelenkt. Diese ist im Besitz einer von der Behörde erteilten gültigen Lenkberechtigung!!!

 

Weiteres wurde die im Ortsgebiet kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 40km/h NICHT um 40km/h überschritten, da dies, bei dieser Ortsdurchfahrt, im Bereich des unmöglichen liegt. Mit einem BMW 520i BJ:1997 mit einer Beschleunigung von 0-100km in ca.10sek, ist dies nicht möglich. Weiteres Hegt in dieser Ortsdurchfahrt eine beinahe 90 Grad kurve, die mit 80km/h sicher nicht zu beweltigen ist. Eventuell hat meine Frau, B M, die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 40km/h um 20km/h überschritten.

 

Nachdem der Beamte Rev.Insp. N das recht hat, eine so hohe Geschwindigkeitsübertretung mit blosem Auge zu schätzen, beziehe ich mich auf das selbe Recht. Meines erachtens, kann man bei so hoher Geschwindigkeit im Ortsgebiet nicht ständig zwischen Tacho und fahrendem Auto hin und herschauen um eine Geschwindigkeitsübertretung zu schätzen, da dies den Straßenverkehr gefährdet.

 

§ 1 Abs 3 FSG, § 37 Abs 1+2+3 FSG fallen weg, da meine Frau im Besitz einer von der Behörde erteilten gültigen Lenkberechtigung ist,

§ 99 Abs 2d StVO fällt ebenfalls weg, da die zulässige Höchstgeschwindigkeit nicht um 40km/h überschritten wurde, sondern höchstens um 20km/h.

 

Am 12.07.2012 gab meine Frau, B M (geb. X) als Zeugin zu Protokoll, dass das gegenständliche Kraftfahrzeug am besagten Tag (01.06.2012, 21:35Uhr) von ihr gelenkt wurde und garantiert kein Platztausch im Fahrzeug stattgefunden hat. Logischerweise habe ich mich im Fahrzeug auf der Rücksitzbank in halb liegender Position befunden, da ich auf Grund des Dauerkatheters nicht aufrecht sitzen konnte und mir dies hohe Schmerzen zugefügt hätte. Da der Dauerkatheter ein Fremdkörper ist und nach einer Operation, in der Harnröhre eine Wunde entsteht, reibt dieser Fremdkörper beim sitzen, gehen etc. an dieser Wunde und löst starke Schmerzen aus. Es wäre mir daher auch unmöglich gewesen, innerhalt weniger Sekunden, zwischen den beiden vorderen Sitzen nach hinten auf die Rücksitzbank zu wechseln. Der Abstand zwischen Fahrer und Beifahrersitz beträgt nur ca. 27cm. Ich bin selber etwas stärker gebaut und hatte zusätzlich einen 3-Wege Transurethralen Dauerkatheter mit seitlichem Harnauffangsack. Der 3-Wege Kathether wird durch die Harnröhre in die Blase eingebracht und durch einen an der Spitze angebrachten Ballon selbshaltend gemacht. Wäre ich mit diesem Katheter und dem Harnauffangsack, bei einem Abstand von nur ca. 27cm, in wenigen Sekunden, nach hinten gesprungen, hätte dies erhebliche Verletzungen mit sich gezogen, da ich mir mit diesem Ballon im Kathether meine gesamte Blase zerstören hätte können.

Weiteres hat mich der Beamte Rev.Insp. N vielleicht desshalb durch das Scheinwerferlicht der Taschenlampe gesehen, weil ich mich aufrichtete um nach hinten zu sehen, weil meine Frau mir sagte, das die Polizei mit Blaulicht hinter uns steht. Da mich allerdings das Licht der Taschenlampe genau in meinen Augen blendete, habe ich mich wieder niedergelassen.

 

Das meine Frau, B M, nicht angeschnallt war, ist mir nicht aufgefallen und ich war wegen dem Dauerkatheter nicht angeschnallt, da mir dieser auf die Blase drückte und ich nicht aufrecht sitzen konnte.

 

Nach der Aussage der zuständige Amtsärztin (Frau Dr. I A) vom 11.04.2013, sei keine Einschränkung der Beweglichkeit in den Beinen bzw. eine Gehbehinderung daraus abzuleiten, mag wohl stimmen, jedoch hatte ich einen extra breiten Katheter, da ich schon so oft bei der Harnröhre operiert wurde und ich diesen brauchte, damit die Harnröhre nicht wieder so schnell zuwächst. Weiteres bezieht sich die Aussage der Amtsärztin darauf, das ich mit dem Fahrzeug lenken könnte und auch gehen könnte, jedoch kann ich nicht, wie oben bereits angeführt, einen Fahrerwechsel durchführen.

 

Vom Ergebnis der Beweisaufnahme am 17.04.2013 wurde von mir eine Antwort per e-mail abgegeben.

 

Schon klar das dem Herrn Rev.Insp. N eine hohe Glaubwürdigkeit beigemessen wird, da er sich bei einer Falschaussage strafbar machen würde. Aber wieso sollte ich lügen, wenn ich mich bei einer Falschaussage ebenfalls strafbar mache. Ich bin dabei, mein Leben unter Kontrolle zu bringen, habe geheiratet, gehe nicht mehr aus, bin auch nur noch zu Hause und suche Arbeit. Leider ist eine Arbeit wegen meiner derzeitigen psychischen Lage nicht einrichtbar. Ich habe mit meiner Vergangenheit abgeschlossen und blicke nun nur noch in die Zukunft mit meiner Frau.

 

Ich befinde dies als psychische und körperliche Belastung das ich immer wieder Beschuldigt werde, nur weil ich in der Vergangenheit schon öfters rechtskräftig wegen Lenken eines Kraftfahrzeuges ohne gültiger Lenkberechtigung bestraft wurde und sehe das in meinen Augen als Diskriminierung. Ich finde, auch ein Polizeibeamter kann sich mal Irren. Fehler sind menschlich. Ich wünsche mir, das auch mir einmal geglaubt wird, da ich mich sehr verändert habe.

 

Sollte ich hierfür weiter beschuldigt werden, da die in meinen Augen auf Grund von Vermutungen basiert {keine Beweise), werde ich dies meinem Rechtsanwalt übergeben. Für mich sind ein Scheinwerferlicht der Taschenlampe (bewegte Schatten) und eine Geschwindigkeitsschätzung von 40km/h ohne Radarpistole keine Beweise, sondern Vermutungen.

 

Bitte um Rückkunft (gemeint wohl: Rückantwort) per e-mail und/oder Post.

 

Freundliche Grüße

J M“

 

 

3. Da im Punkt 1) des Straferkenntnisses eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe und auch eine primäre Freiheitsstrafe verhängt wurde, hatte der Unabhängige Verwaltungssenat in diesem Punkt durch das nach der Geschäfts­verteilung zuständige 1. Kammer zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Durchführung einer Berufungsver­handlung war mit Blick auf das bestreitende Berufungsvorbringen erforderlich (§ 51e Abs.1 Z1  VStG).

 

 

3.1. Beweis erhoben wurde durch Verlesung des vorgelegten Verfahrensaktes und dessen Erörterung anlässlich der öffentlichen Berufungsverhandlung. Beigeschafft wurden Luftbilder aus dem System Doris über den in Rede stehenden Abschnitt der X, die darauf dargestellte Straßenkilometrierung und die dortigen Verkehrszeichen, sowie vom  Anhalteort.

Am 15.7.2013 ersuchte die als Zeugin geladene Ehefrau des Berufungswerbers um Verlegung der Berufungsverhandlung, weil sie um 11:00 Uhr des 17.7.2013 in W eine zivilgerichtliche Verhandlung habe und ihr Mann ohne sie nicht nach L fahren könne.

Die Verlegung auf einen anderen Tag wurde abgelehnt, aber ihr die Einvernahme bereits um 9.00 Uhr zugesagt. Am 16.7.2013 langte schließlich ein vom Berufungswerber in seinem Namen versendetes Email ein, wonach wegen des Gerichtstermins seiner Frau um 11:00 Uhr auch er nicht kommen könne. Diesem Schreiben ist im Ergebnis nochmals das Berufungsvorbringen angeschlossen. In einem telefonischen Rückruf (Aktenvermerk v. 16.7.2013, 13:55 Uhr) wurde die Ehefrau des Berufungswerbers vom Berichter fernmündlich in Kenntnis gesetzt, dass eine Vertagung nicht stattfinden würde. Dies insbesondere mit Blick auf die Zeugenladung aber auch aus organisatorischen und verfahrensökonomischen Sachzwängen.

 

Der Berufungswerber erschien zur Berufungsverhandlung letztlich dann unentschuldigt nicht, wobei sein Mail vom 17.7.2013, 08:26 Uhr, verlesen wurde.

 

 

4. Im Rahmen der Berufungsverhandlung legte der Meldungsleger (Ml) nach dem Hinweis auf die Wahrheitspflicht des § 289 StGB seine Wahrnehmung so dar, dass er damals als Fahrer einer Zivilstreife mit einer Kollegin als Beifahrerin in fremdenpolizeilicher Angelegenheit unterwegs gewesen sei und dabei das Dienstfahrzeug auf der X etwa bei Strkm 4,4 in Fahrtrichtung S vom auf den Berufungswerber zugelassenen Pkw X noch im 100 km/h-Bereich überholt wurde. Im darauffolgenden Ortsgebiet K besteht laut Darstellung in der Anzeige von Strkm 4,100 bis 3,650 eine durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte erlaubte Höchst­geschwindigkeit von 40 km/h.

In diesem Ortsgebiet hat der Ml durch Nachfahrt in gleichbleibendem Abstand eine Fahrgeschwindigkeit von 80 km/h festgestellt. Aufzeichnungen von dieser Wahrnehmung gibt es nicht.

Am Dienstkraftwagen wurde sodann das Blaulicht angebracht und der Pkw X im vorderen Bereich einer Bushaltestelle bei Strkm 2,900 angehalten. Das Dienstfahrzeug hielt wenige Meter schräg links dahinter an. Während der Ml sich unmittelbar nach dem Anhalten von links hinten und die Beifahrerin des Dienstwagen aus polizeistrategischen Gründen von rechts auf das anhaltende Fahrzeug zubewegte, konnte er nach eigenen Aussagen im Lichtstrahl seiner Taschenlampe eine Bewegung im Fahrzeuginneren wahrnehmen, welche von ihm als „Fahrerwechsel“ insofern gedeutet wurde, als sich der Berufungswerber vom Fahrersitz auf die Rückbank und die Beifahrerin (Gattin des Berufungswerbers) vom Beifahrersitz auf den Fahrersitz begeben habe. Als der Ml letztlich beim Fahrzeug angekommen war, befand sich „in der Zwischenzeit“ der Berufungswerber auf dem Rücksitz und seine Ehefrau „bereits zur Gänze“ auf dem Fahrersitz; beide waren nicht angegurtet. Diese Darstellung wurde vom Meldungsleger im Ergebnis inhaltsgleich mit seinen früheren Aussagen auch in der Berufungsverhandlung zum Ausdruck gebracht. Der Berufungswerber habe sofort einen Fahrerwechsel bestritten und seine Ehegattin habe sich schon damals sofort als Lenkerin bekannt; so war es auch in der Anzeige bereits festgehalten.

Insgesamt räumt der Meldungsleger in seiner Zeugenaussage dezidiert ein, den Berufungswerber zu keinem Zeitpunkt am Fahrersitz sondern dort nur dessen Frau wahrgenommen zu haben. Beim Überholvorgang hatte er nicht auf Insassen im PKW geachtet.

 

Im Rahmen der Beweiswürdigung gilt es festzuhalten, dass einerseits am 1. Juni um 21:35 Uhr – etwa eine halbe Stunde nach Sonnenuntergang – noch von keiner nächtlichen Dunkelheit ausgegangen werden kann. Der Zeuge beschreibt die Anhalteposition des  auf den Berufungswerber zugelassenen Pkw im vorderen Bereich der Bushaltestelle und die Endposition des Dienstfahrzeug nur knapp links schräg dahinter. Bei logischer Betrachtung kann es sich bei der Zeitspanne vom Anhalten des Vorderfahrzeuges bis zum Eintreffen des Meldungslegers bei diesem Fahrzeug nur um wenige Sekunden handeln. Der Meldungsleger erklärte, unmittelbar nach dem Anhalten hinter dem Vorderfahrzeug sofort ausgestiegen zu sein und sich dem Fahrzeug mit der vom Gürtel genommenen und sofort eingeschalteten Taschenlampe genähert zu haben. Dabei habe er die von ihm durchaus nachvollziehbar als Fahrerwechsel interpretierten Bewegungen in diesem Fahrzeug gesehen, jedoch beim Eintreffen an diesem die darin befindlichen Personen an den jeweiligen Positionen – den Berufungswerber am Rücksitz mehr liegend als sitzend und seine Frau am Fahrersitz, beide unangegurtet – angetroffen.

 

Gesichert ist, dass der Berufungswerber damals einen Harnröhren- bzw. Blasenkatheder mit entsprechendem Harnbehälter trug, was den Schluss auf eine erhebliche Beeinträchtigung der Beweglichkeit zulässt und die Sitzposition des Bw auf der Rückbank – er lag nach übereinstimmenden  Aussagen an die rechte hintere Tür gelehnt dort – erklärt.

Nach den im E-Mail festgehaltenen Darlegungen der Ehegattin des Berufungs­werbers sowie seinen eigenen Aussagen machte ihn die Gattin darauf aufmerksam, dass sich hinter ihnen ein Fahrzeug mit Blaulicht befinde, worauf der Berufungswerber sich an der Rückenlehne des Fahrersitzes festhaltend aufgerichtet und umgedreht habe, um nach hinten zu schauen.

  

Der Unabhängige Verwaltungssenat konnte vor diesem Hintergrund zumindest nicht mit einer für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit von dem vom Meldungsleger in seiner Anzeige dargestellten Fahrerwechsel ausgehen. Selbst eine gesundheitlich fitte und sportliche Person hätte wohl Probleme bei einem Pkw mit Mittelkonsole – auch bei einem BMW 520 – in einer derart kurzen Zeit und unter Rücksichtnahme auf den Blasenkatheder zwischen den Sitzlehnen durchzuschlüpfen und sich auf dem Rücksitz zu positionieren, wobei weiter zu bedenken ist, dass die Beifahrerin erst bei „Freiwerden“ des Lenkerplatzes in der Lage gewesen wäre, sich über die Mittelkonsole schwingend dorthin zu setzen.

Wie der Meldungsleger im Rahmen seiner Aussage vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat einräumte, sahen weder er noch seine Beifahrerin zu irgendeinem Zeitpunkt eine Person am Beifahrersitz. Eine solche wäre aber im Licht der Taschenlampe und bei einer wohl noch nicht gänzlichen Dunkelheit zumindest in Konturen wahrnehmbar gewesen.  

 

Auch wenn der Berufungswerber ob der eingangs genannten Gründe nicht wirklich entschuldbar an der Berufungsverhandlung nicht teilnahm, war seine Verantwortung doch im gesamten Verwaltungsstrafverfahren und auch bereits bei der Anhaltung gleichlautend, wobei seine Gattin diese Verantwortung in mehreren schriftlichen Mitteilungen durchaus leidenschaftlich untermauert hatte.

 

Die aus der subjektiven Sicht des Meldungslegers zwar verständliche Einschätzung der damaligen Situation lässt jedoch angesichts der oben zusammengefassten Umstände aus mehreren sachlichen Überlegungen mehrere Deutungsmöglichkeiten und Erklärungen zu, sodass der subjektive Eindruck des Meldungslegers von „Bewegungen im Fahrzeug“ nicht zwingend und ausschließlich  als Fahrerwechsel gedeutet werden kann.

 

Aus diesem Grund war der Verantwortung des Berufungswerbers und seiner Ehefrau, welche bereits vor der Behörde erster Instanz in einer sehr knappen Zeugenniederschrift am 12.7.2012 dezidiert ihre damalige Lenkereigenschaft erklärte, zu folgen gewesen.

Laut Akteninhalt hat auch die Behörde erster Instanz die Aussage der Ehegattin des Berufungswerbers nicht als falsche Zeugenaussage gewertet, zumal auch keine Anzeige erstattet wurde. 

 

 

5. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zur Beweiswürdigung nach § 45 Abs.2 AVG folgend, sowie insbesondere in Wahrung des verfassungs- und menschenrechtlichen Gebotes der Garantie eines fairen Verfahrens, ist an einen Beweis ein strengerer Maßstab als bloß eine aus einer vordergründigen Lebensnähe gezogene Schlussfolgerung zu stellen (vgl. VfSlg 12649; sowie Schneider, Beweis und Beweiswürdigung, 5. Auflage, S 98, Fn 372).

Schon bei bloßem Zweifel an der Tatbegehung ist nämlich von der Fortführung eines Verwaltungsstrafverfahrens abzusehen und dessen Einstellung zu verfügen (vgl. VwGH 12.3.1986, Zl. 84/03/0251; ZfVB 1991/3/1122.

Das Verwaltungsstrafverfahren war demnach „in dubio pro reo“ nach § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Mag. Bissenberger

 

 

 

 

 

 

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