Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-401321/5/Gf/Rt

Linz, 25.07.2013

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Gróf aus Anlass der Beschwerde des I, vertreten durch den M, wegen Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann von Vöcklabruck vom 3. Juli 2013 bis zum 24. Juli 2013 im Polizeianhaltezentrum W zu Recht:

I. Die Beschwerde wird insoweit, als sich diese auf den Zeitraum der Anhaltung des Beschwerdeführers vom 3. Juli 2013 bis zum 12. Juli 2013, 12:02 Uhr, bezieht als unzulässig zurückgewiesen und im Übrigen als unbegründet abgewiesen.

 

II. Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in einer Höhe von insgesamt 57,40 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Rechtsgrundlage:

§ 83 FPG; § 67c Abs. 3 AVG; § 79a AVG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 3. Juli 2013, Zl. Sich40-2568-2013, wurde über den Rechtsmittelwerber, einen nigerianischen Staatsangehörigen, gemäß § 76 Abs. 2a Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005 i.d.g.F. BGBl.Nr. I 22/2013 (im Folgenden: FPG), zur Sicherung seiner Abschiebung die Schubhaft verhängt und diese durch Überstellung in das Polizeianhaltezentrum (PAZ) S bzw. W vollzogen.

 

Begründend wurde – soweit diesem Bescheid eigenständige Feststellungen der Fremdenpolizeibehörde zu entnehmen sind – ausgeführt, dass der Beschwerdeführer am 20. Juni 2013 in der Erstaufnahmestelle W  einen Asylantrag gestellt habe. Im Zuge der Befragung habe sich ergeben, dass er sich ohne gültige Reisedokumente und Identitätsnachweis im Bundesgebiet aufhalte und zuvor bereits in Griechenland und in der Schweiz einen Asylantrag gestellt habe. In der Folge habe sich daher auch die Schweiz dazu bereit erklärt, den Beschwerdeführer gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. e der Dublin-II-VO zur Durchführung des Asylverfahrens zu übernehmen. Davon ausgehend sei sein in Österreich gestellter Asylantrag sohin mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 3. Juli 2013, Zl. 1308491-EAST-West, als unzulässig zurückgewiesen und seine Ausweisung in die Schweiz verfügt worden. Da seine tatsächliche Identität und Herkunft noch nicht zweifelsfrei feststehe, er mehrfach sowohl seine fehlende Bereitschaft zur Akzeptanz einreiserechtlicher Vorschriften als auch seine Unwilligkeit zur freiwilligen Ausreise demonstriert habe und er zudem weder über einen polizeilich gemeldeten Wohnsitz noch über die zur Bestreitung seines Aufenthalts erforderlichen finanziellen Mittel verfüge, liege daher insgesamt besehen ein erhöhter Sicherungsbedarf vor. Da in der Person des Rechtsmittelwerbers gelegene besondere, gegen eine Schubhaftverhängung sprechende Umstände im vorliegenden Fall nicht erkennbar gewesen seien, sei sohin die Anordnung bloß gelinderer Mittel – wie einer täglichen Meldepflicht – nicht in Betracht zu ziehen gewesen, zumal er dadurch nicht gehindert sei, sich dem Zugriff der Fremdenpolizeibehörde faktisch durch Untertauchen zu entziehen; auch die Einhebung einer angemessenen finanziellen Sicherheit sei mangels entsprechender Barmittel nicht in Betracht gekommen.

 

1.2. Gegen seine Anhaltung in Schubhaft seit dem 3. Juli 2013 hat der Rechtsmittelwerber durch seinen damaligen Rechtsvertreter 10. Juli 2013 per Telefax eine auf § 82 FPG gestützte Beschwerde eingebracht.

 

Darin wird zunächst eingewendet, dass sich aus Art. 19 Abs. 2 der Dublin-II-VO ergebe, dass ein Fremder grundsätzlich nicht zwangsweise abgeschoben werden, sondern sich selbständig in den zur Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat begeben soll. Außerdem könne eine Abschiebung auch derart durchgeführt werden, dass sich der Fremde auf dem ihm bekannt gegebenen Flughafen einfindet, ohne zuvor in Schubhaft angehalten worden zu sein. Weiters sei zu berücksichtigen, dass der Rechtsmittelwerber aus eigenem bei der Fremdenpolizeibehörde vorgesprochen und dort einen Asylantrag gestellt habe; davon ausgehend hätte er weiterhin in der Grundversorgung belassen werden müssen, sodass sich die Schubhaftanordnung als unverhältnismäßig erweise.

 

Aus diesen Gründen wird die kostenpflichtige Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner Anhaltung in Schubhaft beantragt.

 

1.3. Die belangte Behörde hat dem Oö. Verwaltungssenat am 11. Juli 2013 den Bezug habenden Akt vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

 

Ergänzend wurde in dieser neuerlich darauf hingewiesen, dass sich das Asylverfahren bereits in einer finalen Phase befinde und die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Schweiz unmittelbar bevorstehe.

 

1.4. Mit dem dem damaligen Rechtsvertreter des Beschwerdeführers um 12:02 Uhr dieses Tages per e-mail zugestellten Erkenntnis vom 12. Juli 2013, Zl. VwSen-401314/4/Gf/Rt, hat der Oö. Verwaltungssenat diese Beschwerde abgewiesen und festgestellt, dass die für Aufrechterhaltung der Schubhaft maßgeblichen Gründe zum Zeitpunkt der Erlassung dieser Entscheidung weiterhin vorliegen.

 

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 3. Oktober 2012, G 140/11 u.a., zusammengefasst ausgeführt hat, dass ein Ein­griff in das Grundrecht der persönlichen Freiheit nur dann und insoweit gerecht­fertigt sei, wenn dieser zur Erreichung des damit verfolgten Zweckes notwendig ist und zu dem mit der Maßnahme verfolgten Zweck nicht außer Verhältnis steht; dieses ausdrücklich formulierte Verhältnismäßigkeitsgebot erlaube der Fremden­polizeibehörde sohin nur dann die Verhängung der Schubhaft, wenn dies zur Si­cherung des Verfahrens notwendig ist und soweit der Freiheitsentzug zu diesem Zweck nicht außer Verhältnis steht. Angesichts der sich schon aus dem Grund­recht ergebenden Verpflichtung der Behörden, von der Anordnung der Schubhaft jedenfalls Abstand zu nehmen, wenn sie im Einzelfall nicht notwendig und ver­hältnismäßig ist (VfSIg 14981/1997 u. 17288/2004), belaste es daher eine ge­setzliche Regelung nicht mit Verfassungswidrigkeit, wenn es der Gesetzgeber den vollziehenden Behörden überlässt, die verfassungsrechtlich gebotene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des fremdenpolizeilichen Verfahren einerseits und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen andererseits vorzunehmen (VfSIg 17891/2006 u. 18145/2007). Weiters gebe § 77 Abs. 1 FPG der Behörde keine freie Wahlmöglichkeit zwischen der Anord­nung gelinderer Mittel und der Verhängung der Schubhaft; vielmehr sei ein – nach Art. 1 Abs. 3 PersFrSchG auch verfassungsrechtlich gebotener (VfSIg 19323/2011) – klarer Vorrang der Anordnung gelinderer Mittel festgelegt.

 

Auf dem Boden dieser höchstgerichtlichen Rechtsprechung ist daher zu kon­statieren, dass der Fremdenrechtsgesetzgeber den Organen der Vollziehung für die Erreichung der in § 76 FPG und § 77 FPG normierten, identischen (arg. "bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe" in § 77 Abs. 1 FPG) Zwecksetzung, v.a. jener der Verfahrenssicherung, zwei unterschiedliche Typen von Mitteln zur Hand gegeben hat - nämlich: Schubhaftverhängung einerseits und Anord­nung gelinderer Mittel andererseits -, deren Heranziehung im konkreten Fall nicht im Ermessen der Behörde steht: Vielmehr wird deren wechselseitiges Verhältnis zueinander durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit deter­miniert. Dies in der Weise, dass die Fremdenpolizeibehörde - vorausgesetzt, dass ein Sicherungsbedarf überhaupt vorliegt - zunächst zu prüfen hat, ob die Heranziehung gelinderer Mittel, die ihrer Art nach einen vergleichsweise weniger intensiven Eingriff in das Grundrecht der persönlichen Freiheit nach sich ziehen, zur Zweckerreichung geeignet sind. Dabei steht der Gesetzgeber auf dem Stand­punkt, dass dies im Normalfall grundsätzlich zu bejahen ist, die Anordnung gelinderer Mittel also den Regelfall verkörpert (und zwar ungeachtet des Umstandes, dass diese [aus einer früher noch andersgearteten rechtspolitischen Grundhaltung heraus erklärbar] im Text des FPG systematisch besehen unzutref­fend erst im Anschluss an die Schubhaftverhängung geregelt sind).

 

Davon ausgehend darf das fremdenpolizeiliche Verfahren nur dann im Wege der ultima-ratio-Maßnahme der Schubhaftverhängung gesichert werden, wenn die konkreten Umstände des Einzelfalles ausnahmsweise (!) ein weniger ein­griffsintensives Vorgehen zweifelsfrei und zwingend ausschließen.

 

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat die Behörde gegenüber einem Fremden, gegen den die verfahrensrechtliche Erlassung oder die Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme zulässig ist, gelindere Mittel anzuordnen, sofern dies notwendig ist, um die Durchführung eines solchen Verfahrens bzw. einer solchen Vollstreckungsmaßnahme zu sichern, und sie zudem Grund zur Annahme hat, dass der ansonsten mit einer Schubhaftverhängung intendierte Zweck auch
durch die Anwendung eines gelinderen Mittels erreicht werden kann.

 

Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist nach § 77 Abs. 2 FPG weit­ers, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, wenn diese zuvor nicht ohnehin schon von Amts wegen erfolgt ist.

 

Als gelinderes Mittel kommt gemäß § 77 Abs. 3 FPG insbesondere die Anord­nung, in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen (Z. 1), sich in periodischen Abständen bei einem Polizeikommando zu melden (Z. 2) und/oder eine angemessene finanzielle Sicherheit bei der Behörde zu hinterlegen (Z. 3), in Betracht.

 

Nach § 76 Abs. 2a Z. 1 FPG kann die Fremdenpolizeibehörde über einen Asyl­werber u.a. dann Schubhaft verhängen, wenn gegen diesen eine mit einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5 AsylG verbundene durchsetzbare Ausweisung erlassen wurde.

 

Davon ausgehend ergibt sich für den gegenständlichen Fall konkret Folgendes:

 

Der Beschwerdeführer hatte – was von ihm selbst auch gar nicht in Abrede gestellt wird – vor seiner nunmehrigen Antragstellung in Österreich bereits in anderen Staaten der Europäischen Union bzw. des EWR, nämlich in der Schweiz und in Griechenland, einen Asylantrag gestellt. Nach Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) 343/2003 i.d.F. 1103/2008 (im Folgenden: Dublin-II-VO) ist damit nicht Österreich, sondern die Schweiz zur Prüfung des Asylantrages des Rechtsmittelwerbers zuständig. Davon ausgehend wurde daher sein in Österreich gestellter Asylantrag mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 3. Juli 2013, Zl. 1308491-EAST-West, gemäß § 76 Abs. 2 Z. 4 FPG zurückgewiesen und nach § 10 Abs. 1 Z. 1 AsylG mit einer unmittelbar vollstreckbaren Ausweisung in die Schweiz verbunden.

 

Die gesetzlichen Formalvoraussetzungen für eine Schubhaftverhängung sind daher im vorliegenden Fall während seiner Anhaltung gegeben.

 

Dass er aus physischen oder psychischen Gründen nicht hafttauglich wäre, wurde vom Rechtsmittelwerber nicht vorgebracht; auch aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Akt haben sich keine diesbezüglichen Anhaltspunkte ergeben.

 

Das von der belangten Behörde in ihrem Schubhaftbescheid ange­nommene – sowohl gelindere Mittel als auch eine Schubhaftanordnung in glei­cher Weise materiell determinierende – Sicherungsbedürfnis erweist sich zumindest nicht als unvertretbar:

 

Denn dem Schubhaftbescheid ist zu entnehmen, dass – jeweils mit näherer Begründung – die illegalen Grenzübertritte, das Nichtvorliegen eines Wohnsitzes sowie das Fehlen finanzieller Mittel zur Bestreitung des Aufenthalts als solche konkreten Umstände aufgezeigt werden, die mit hoher Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass sich der Rechtsmittelwerber – in voller Kenntnis über die bevorstehenden fremdenpolizeilichen Maß­nahmen – seiner Abschiebung durch Untertauchen in die Anonymität zu entziehen versuchen wird.

 

Die grundsätzliche Notwendigkeit, konkrete Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen, um einen ordnungsgemäßen Fortgang des fremdenpolizeilichen Verfahrens zu gewährleisten, liegt daher auf der Hand.

 

Damit erhebt sich an diesem Punkt die Frage nach der Adäquanz, d.h. vom Vorliegen dieses Sicherungsbedürfnisses ausgehend ist im nächsten Schritt   – und zwar prioritär zu prüfen, ob die belangte Behörde die nach dem zuvor unter Pkt. 3.1. näher dargestellten Erkenntnis des VfGH vom 3. Oktober 2012, G 140/11 u.a., absolut vorrangig gebotene Heranziehung gelinderer Mittel –als eine grundlegende negativ-materielle Voraussetzung der allfälligen (nachgeordneten) Zulässigkeit der Schubhaftverhängung – erwo­gen und im Ergebnis zutreffend verworfen hat, sodass sie davon ausgehend auf Grund der konkreten Umstände des vorliegenden Falles auch tatsächlich zur An­wendung der ultima-ratio-Maßnahme der Inschubhaftnahme berechtigt war.

 

Diesbezüglich geht aus dem Schubhaftbescheid vom 11. Juli 2013, ZI. Sich40-2568-2013, hervor (vgl. S. 14), dass die belangte Behörde die Anordnung gelinderer Mittel, insbesondere eine periodische Meldepflicht und die Einhebung einer finanziellen Sicherheit geprüft, im Ergebnis aber deshalb davon Abstand genommen hat, weil sie anhand der konkreten, individuell-fallbezogenen Subsumtion in solchen Maßnahmen allein noch keine Gewähr dafür erblickte, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der zwangsweisen Durchführung der Abschiebung auch tatsächlich für sie greifbar gewesen wäre. Die Vorschreibung des zusätzlichen Sicherungsmittels der Einhebung einer Kaution schied gegenständlich deshalb aus, weil der Rechtsmittelwerber – was auch von ihm selbst gar nicht in Abrede gestellt wurde – über keine nennenswerten fi­nanziellen Mittel verfügt. Und schließlich waren auch sonstige gelindere Mittel, die im Verein mit einer periodischen Meldepflicht insgesamt dazu geeignet gewesen wären, einigermaßen verlässlich zu gewährleisten, dass der Beschwerdeführer zwecks Durchführung seiner zwangsweisen Abschiebung in die Schweiz tatsächlich für die Behörde greifbar gewesen wäre, objektiv nicht erkennbar.

 

Dem Rechtsmittelwerber ist in diesem Zusammenhang zwar zuzugestehen, dass Art. 19 Abs. 2 Dublin-II-VO – jedoch nicht als Grundsatz, sondern bloß alternativ (arg. „gegebenenfalls“, „wenn“) – die Möglichkeit vorsieht, dass sich der Fremde aus eigenem in den zur Entscheidung über seinen Asylantrag zuständigen Staat begibt. Dies setzt jedoch eine entsprechend verifizierbare Bereitschaft voraus, die jedoch im gegenständlichen Fall aus den von der belangten Behörde im Schubhaftbescheid bereits angeführten Gründen nicht gegeben ist: Vielmehr hat der Beschwerdeführer im Zuge seiner asylrechtlichen Befragung selbst vorgebracht, „dass eine Rückkehr in die Schweiz für ihn ein großes Problem darstellen würde“.

 

Zwar hat der Oö. Verwaltungssenat beispielsweise in seinem Erkenntnis vom 21. März 2013, VwSen-401279/4/Gf/Rt, darauf hinge­wiesen, dass durch eine gleichsam routineartige Schubhaftverhängung in jedem "standardmäßigen Durchschnittsfall", der sich dadurch auszeichnet, dass ein örtlich und sozial ungebundener Asylwerber illegal und mittellos ins Bundesgebiet eingereist ist und in der Folge versucht, seinen Aufenthalt in Österreich – auch durch mangelnde Kooperation im Asyl- und fremdenpolizeilichen Verfahren – fak­tisch so lange als möglich hinauszuzögern, nicht nur das dem Gesetzgeber nach dem VfGH-Erkenntnis vom 3. Oktober 2012, G 140/11 u.a., zusinnbare Verhält­nis der absoluten Nachrangigkeit zu gelinderen Mitteln ins Gegenteil verkehrt würde: Zu Ende gedacht würde es damit einem Fremden auch kategorisch verunmöglicht, nunmehr ein normenkonformes Verhalten an den Tag legen und damit seine Besserungswilligkeit unter Beweis stellen zu können. Dies könnte aber die weitere Gefahr in sich bergen, dass Fremde auf diese Weise dem Pau­schalverdacht ausgesetzt werden, habituell unbekehrbare Gesetzesüber­treter zu sein. Ein solches Ergebnis würde jedoch augenfällig dem Art. 1 EGRC (vgl. dazu jüngst VwGH vom 23. Jänner 2013, ZI. 2010/15/0196, wonach insbe­sondere das fremdenpolizeiliche Verfahren als "Durchführung des Rechts der Union" i.S.d. Art. 51 Abs. 1 EGRC anzusehen ist) insoweit widersprechen, als es nach dieser allgemeinen Grundrechtsgewährleistung kategorisch ausgeschlossen ist, das Verhalten eines Fremden unter Außerachtlassung der Unantastbarkeit der Menschenwürde vorrangig nur auf Basis allgemeiner Erfahrungs- und sta­tistischer Durchschnittswerte zu taxieren und damit als bloßes Objekt eines Auf­enthaltsbeendigungsverfahrens anzusehen. Aus solchen Gründen, wie sie in Fäl­len von schlepperunterstützten Asylwerbern typischerweise vorliegen (wie: Nicht­feststehen der Identität; Fehlen von Reisedokumenten, sozialen Bindungen und finanziellen Mitteln; Rückkehrunwilligkeit; etc.), kann hingegen nicht schon per se darauf geschlossen werden, dass diese stets für die Verhängung von Schub­haft hinreichen; denn bei einer solchen Sichtweise würde eben die Priorität ge­linderer Mittel gerade ins Gegenteil verkehrt.

 

Im Gegensatz dazu liegt jedoch mit der Unmöglichkeit, über die bloße Verpflichtung zum Aufenthalt in einer (allfälligen) bundesbetreuten Unterkunft und zur perio­dischen Meldung bei einer Polizeiinspektion hinaus weitere gelindere Mittel (wie insbesondere die Einhebung einer – auch effektiven – finanziellen Sicherheits­leistung) anzuordnen, eine solche ultima-ratio-Situation vor, die die Verhängung von Schub­haft rechtfertigt.

 

Die von der belangten Behörde gezogene Schlussfolgerung, dass sich die Schubhaftverhängung angesichts der konkreten Umstände des vorliegenden Fal­les somit im Ergebnis nicht als unverhältnismäßig erweist, kann daher aus allen diesen Gründen nicht als rechtswidrig erkannt werden.

 

Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang insbesondere auch darauf, dass der Unab­hängige Verwaltungssenat in einem Verfahren nach den §§ 82 f FPG nicht wie in einem sonstigen Administrativ- oder Verwaltungsstrafverfahren nach dem 1. und 2. Abschnitt des IV. Teiles des AVG bzw. nach dem 5. Abschnitt des II. Teiles des VStG – Berufungs-, sondern nur Haftprüfungsbehörde i.S.d. Art. 6 PersFrSchG und Art. 5 Abs. 4 EMRK ist. Dies bedeutet, dass dem UVS nur eine Rechtmäßigkeitskontrolle zukommt, und zwar dahin, ob es unter Zugrundele­gung der von der Haftbehörde vorgenommenen Bewertung der tatsächlichen Umstände des konkreten Falles verhältnismäßig war, von der Verhängung ge­linderer Mittel abzusehen und stattdessen die Schubhaft zu verhängen.

 

Davon ausgehend kann die originäre Entscheidung darüber, ob bzw. welche gelinderen Mittel – singulär oder kumulativ – anzuordnen sind oder stattdessen die Schubhaft zu verhängen ist, grundsätzlich nur von der Fremdenpolizeibe­hörde selbst getroffen und vom UVS eine dementsprechende Mittelauswahl im Rahmen des Schubhaftbeschwerdeverfahrens nur im Falle von Rechtswidrig­keit, nicht aber auch dann gerügt werden, wenn bzw. solange sich die Behörde im Rahmen des ihr insoweit zustehenden Beurteilungsspielraumes bewegt.

Davon ausgehend, dass im Zuge der Durchführung einer Abschiebung eine Freiheitsbeschränkung jedenfalls unumgänglich ist und die rechtspolitische Verantwortung dafür, dass diese in Form der Schubhaft vorzunehmen ist, wenn und soweit gelindere Mittel hierfür nicht ausreichen (wobei eine sonstige Alternative  gegenwärtig nicht vorgesehen ist), der Gesetzgeber zu vertreten hat, wäre es am Beschwerdeführer gelegen, sich davon ausgehend mit den entsprechend tauglichen prozessualen Mitteln rechtlich zur Wehr zu setzen, wenn und soweit er die konkreten Umstände seiner Anhaltung als unverhältnismäßig empfindet. Diesbezüglich verkörpert allerdings eine Schubhaftbeschwerde nach den §§ 82 und 83 FPG, in deren Zuge lediglich die Rechtmäßigkeit der Grundlage für die Anhaltung (also das „Ob“), nicht jedoch auch deren konkreter Vollzug (also das „Wie“) zu prüfen ist, keinen tauglichen Rechtsbehelf; vielmehr wäre insoweit eine Beschwerde gemäß § 88 Abs. 1 und/oder § 88 Abs. 2 des Sicherheitspolizeigesetzes, BGBl.Nr. 566/1991 i.d.g.F. BGBl.Nr. I 53/2012, zu erheben gewesen.

 

1.5. Mit Schriftsatz vom 23. Juli 2013 hat der Rechtsmittelwerber neuerlich eine Beschwerde gegen seine Anhaltung in Schubhaft seit dem 3. Juli 2013 eingebracht.

 

Darin wird begründend vorgebracht, dass mangels jeglicher Fluchtgefahr anstelle einer Schubhaftverhängung auch gelindere Mittel zur Sicherung des Verfahrens hingereicht hätten. Angesichts dessen, dass die Inschubhaftnahme bereits vor dem Abschluss des Asylverfahrens erfolgte, dränge sich der Eindruck auf, dass dieser in Wahrheit der Charakter einer Strafmaßnahme zukomme.

 

Daher wurde beantragt, die Festnahme und die Schubhaftanordnung sowie seine weitere Anhaltung als rechtswidrig zu erklären (über seinen darüber hinaus gestellten Antrag, auch die Rechtswidrigkeit seiner für den 24. Juli 2013 geplanten Abschiebung festzustellen, wurde mit dem h. Beschluss vom 23. Juli 2013, Zl. VwSen-420806, bereits eine gesonderte Entscheidung getroffen).

 

1.6. Die belangte Behörde hat am 24. Juli 2013 den Bezug habenden Akt zu Zl. Sich40-2568-2013 vorgelegt.

 

1.7. Mit weiterem Schreiben vom 24. Juli 2013 hat der Bezirkshauptmann von Vöcklabruck mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer an diesem Tag auf dem Luftweg nach Genf abgeschoben wurde.

 

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde zu Zl. Sich40-2568-2013; da sich bereits aus diesem in Verbindung mit dem Vorbringen der Parteien der entscheidungsrelevante Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen von der Durchführung einer nach § 83 Abs. 2 Z. 1 FPG ohnehin nur für ausnahmsweise Sonderkonstellationen gedachten öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

2.2. Im vorliegenden Fall wird der Rechtsmittelwerber auf Grund eines auf § 76 FPG gestützten Bescheides einer Behörde, die ihren Sitz im Sprengel des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich hat, angehalten; nach § 83 Abs. 1 FPG ist damit die örtliche Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates zur Behandlung der gegenständlichen Beschwerde gegeben.

2.3. Dieser hatte, weil hier auch die übrigen Prozessvoraussetzungen des § 67c Abs. 1 und 2 AVG vorliegen, gemäß § 83 Abs. 2 FPG i.V.m. § 67a AVG durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

 

 

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

 

3.1. Gemäß § 82 Abs. 1 Z. 3 FPG hat ein Fremder das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit seiner Anhaltung anzurufen, wenn gegen ihn die Schubhaft verhängt wurde.

 

3.2. Soweit die gegenständliche Beschwerde vom 23. Juli 2013 auch die Phase der Anhaltung des Beschwerdeführers vom 3. Juli 2013 bis zu der um 12:02 Uhr erfolgten Zustellung des h. Erkenntnisses vom 12. Juli 2013, VwSen-401314/4/Gf/Rt, erfasst, erweist sich diese jedoch als unzulässig; dies deshalb, weil über diesen Zeitraum seitens des Oö. Verwaltungssenates bereits rechtskräftig abgesprochen wurde und insoweit entschiedene Sache i.S.d. § 68 Abs. 1 AVG vorliegt.

 

In diesem Umfang war daher die vorliegende Beschwerde zurückzuweisen.

 

3.3. Aus dem von der belangten Behörde übermittelten Akt resultiert, dass sich seit diesem Zeitpunkt (12. Juli 2013, 12:02 Uhr) auf der Ebene des Sachverhalts keine entscheidungserheblichen Änderungen ergeben haben; derartiges wird im Übrigen auch vom Beschwerdeführer selbst gar nicht vorgebracht – sein nunmehriger Rechtsvertreter dürfte die gegenständliche Beschwerde vielmehr in Unkenntnis dessen, dass zuvor bereits durch den früheren Rechtsfreund des Beschwerdeführers ein gleichgerichteter Rechtsbehelf eingebracht worden war, erhoben haben.

 

Davon abgesehen kann aber mangels geänderter faktischer Verhältnisse für den nach dem 12. Juli 2013, 12:02 Uhr, liegenden Zeitraum zwecks Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die ausführliche Begründung des h. Erkenntnisses vom selben Tag, Zl. VwSen-401314, verwiesen werden (siehe ausführlich oben, 1.4.), die hiermit vollinhaltlich auch zur Begründung des vorliegenden Bescheides erhoben wird.

3.4. Davon ausgehend war die gegenständliche Beschwerde daher gemäß § 83 Abs. 1 und 4 FPG i.V.m. § 67c Abs. 3 AVG, insoweit, als sich diese auf den Zeitraum der Anhaltung des Rechtsmittelwerbers vom 3. Juli 2013 bis zum 12. Juli 2013, 12:02 Uhr, bezieht, als unzulässig zurückzuweisen, und im Übrigen jedoch wiederum als unbegründet abzuweisen.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Beschwerdeführer dazu zu verpflich­ten, dem Bund nach § 79a Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 Z. 3 AVG i.V.m. § 1 Z. 3 und 4 der UVS-Aufwandersatzverordnung, BGBl.Nr. II 456/2008, Aufwendungen in einer Höhe von 57,40 Euro (Gebühren für Aktenvorlage) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

  

    

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

 

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden, wobei für jede dieser Beschwerden eine Gebühr von 240 Euro zu entrichten ist.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in einer Höhe von 14,30 Euro (Eingabegebühr) entstanden; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

Dr.  G r ó f

 

 

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum