Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-252656/15/Sr

Linz, 02.08.2013

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des X, geb. am X, vertreten durch Rechtsanwalt X, vom 18. November 2010 gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 3. November 2010, GZ: 7977/2008, mit dem über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 26. Mai 2009 abgesprochen wurde, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 24. Juli 2013 im zweiten Rechtsgang zu Recht erkannt:

 

 

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 24 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) iVm

§ 66 Abs 4 und §§ 71 f Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG)

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem bekämpften Bescheid vom 3. November 2010, Gz.: 0007977/2008, hat der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz wie folgt abgesprochen:

„Über Ihren Antrag vom 26.05.2009 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 20.11.2008, GZ 0007977/2008, ergeht nachfolgender

 

Spruch

 

Ihrem Antrag vom 26.05.2009 wird keine Folge gegeben und die Wiedereinsetzung in den vorigen stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 20.11.2008, GZ 0007977/2008, nicht bewilligt.“

 

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass das gegenständliche Straferkenntnis am 3. Dezember 2008 und die Vollstreckungsverfügung am 24. Jänner 2009 beim Postamt X hinterlegt worden seien und die Zustellungen damit als bewirkt gelten. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand habe nach Ansicht der belangten Behörde nicht stattgegeben werden können, da sie die Vorbringen des Beschuldigten als Schutzbehauptungen betrachte und der Beschuldigte über seine Ehefrau vom Exekutor spätestens am 30. April 2009 von den anhängigen Verfahren informiert worden sei. Insbesondere wären keine weiteren Beweismittel hinsichtlich der behaupteten Zustellfehler vorgebracht worden und sei es unglaubwürdig, dass sämtliche Zustellungen in zwei Strafverfahren nicht wirksam vollzogen worden seien.

 

1.2. Gegen diesen Bescheid, der dem Berufungswerber (in der Folge: Bw) am 5. November 2010 zugestellt wurde, erhob der Bw das Rechtsmittel der Berufung, das am 19. November 2010 – somit rechtzeitig – mittels Fax bei der belangten Behörde eingebracht wurde.

 

In der Berufung führt der Bw aus, dass er am 12. Mai 2009 im Rahmen einer Akteneinsicht beim Bezirksverwaltungsamt des Magistrates der Landeshauptstadt Linz festgestellt habe, dass ein Straferkenntnis vom 20. November 2008 und eine Vollstreckungsverfügung vom 16. Jänner 2009, beide zu Gz.: 0007977/2008, existieren. Vor dieser Akteneinsichtnahme sei dem Bw die Existenz von Verwaltungsstrafverfahren gegen ihn nicht bekannt gewesen. Die im Akt erliegende Aufforderung zur Rechtfertigung und das Straferkenntnis sei dem Bw nicht zugestellt worden. Ebenso wenig sei ihm die Vollstreckungsverfügung vom 16. Jänner 2009 zugestellt worden.

 

In keinem der Fälle sei dem Bw bekannt gewesen, dass ein Zustellversuch bzw. eine Hinterlegung stattgefunden haben sollte. Der Bw selbst halte sich in der Zeit, in der üblicherweise Zustellungen erfolgen, praktisch immer in der Betriebsstätte seines Unternehmens in X, auf. An der von der Verwaltungsbehörde I. Instanz angegebenen Adresse halte sich zu dieser Zeit nur seine Ehegattin auf. Diese gehe immer zum Hausbriefkasten und habe zu keiner Zeit eine Verständigung über Zustellversuche und/oder die Hinterlegung von Schriftstücken in einem der beiden Verwaltungsstrafverfahren vorgefunden.

 

Selbst wenn von einer wirksamen Zustellung des Straferkenntnisses und der Vollstreckungsverfügung auszugehen sei, lägen die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung von Berufungen gegen das Straferkenntnis der Verwaltungsbehörde I. Instanz und gegen die Vollstreckungsverfügung vor.

 

Der Bw habe weder von einer Aufforderung zur Rechtfertigung noch vom Straferkenntnis und der Vollstreckungsverfügung jemals Kenntnis gehabt. Selbst wenn Verständigungen über die Hinterlegung in den Hausbriefkasten eingelegt worden sein sollten, so seien diese offenbar ohne Verschulden des Bw abhanden gekommen; im Haus wohnen zahlreiche Parteien sodass derartiges leicht vorkommen könne.

 

Selbst wenn die Gattin von einer Vollstreckungsverfügung Kenntnis erlangt haben sollte, wäre diese Kenntnis dem Bw nicht zuzurechnen. Der Bw selbst habe von diesem Schriftstück vor seiner Akteneinsicht keine Kenntnis erlangt. Dazu komme noch, dass selbst die Kenntnisnahme einer Vollstreckungsverfügung nichts daran ändern könne, dass eine Zustellung der Aufforderung zur Rechtfertigung und des Straferkenntnisses an den Bw nicht erfolgt sei. Aktenkundig sei, dass der Bw nicht einvernommen worden ist. Gemäß § 24 VStG in Verbindung mit § 22 AVG wäre unter Hinweis auf VwGH 04.09.2006, 2003/09/0088 sowie VwGH 24.03.2009, 2005/09/0174 die Verwaltungsbehörde verpflichtet gewesen, eine Zustellung nur zu eigenen Handen des Bw zu verfügen. Dies sei jedoch nicht erfolgt. Der Bw sei somit durch ein unvorhergesehenes und für ihn unabwendbares Ereignis ohne sein Verschulden an der Einbringung von Berufungen verhindert gewesen. Hätte die belangte Behörde die vom Bw beantragte Zeugin zum gesamten Vorbringen des Bw vernommen, so wäre die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis gelangt und hätte den Antrag auf Wiedereinsetzung stattgegeben.

 

Schließlich stellt der Bw die Anträge, die Verwaltungsbehörde II. Instanz möge a) eine mündliche Berufungsverhandlung durchführen sowie b) der Berufung Folge geben und den angefochtenen Bescheid der Verwaltungsbehörde I. Instanz dahingehend abändern, dass dem vom Bw mit Schriftsatz vom 26. Mai 2009 gestellten Antrag vollinhaltlich stattgegeben werde; in eventu c) der Berufung Folge geben, den angefochtenen Bescheid der Verwaltungsbehörde I. Instanz aufheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die Verwaltungsbehörde I. Instanz zurückverweisen.

 

Der Bw wiederholt weiters den Beweisantrag auf Einvernahme der Zeugin X und führt aus, dass vor rechtskräftiger Entscheidung über die Anträge auf Wiedereinsetzung eine Exekution gegen ihn jedenfalls unzulässig sei. Es wäre dem Bw aus wirtschaftlichen Gründen unmöglich und unzumutbar, die Strafen und Verfahrenskosten in Höhe von insgesamt 2.750 Euro kurzfristig in einem zu bezahlen, ohne seinen eigenen Unterhalt und den Unterhalt seiner Familie zu gefährden und beantragt daher bei der Vollstreckungsbehörde, bis zur rechtskräftigen Erledigung der Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Exekutionsmaßnahmen gegen den Bw Abstand zu nehmen, in eventu die Entrichtung der Strafe samt Nebengebühren in monatlichen Raten zu je 50 Euro beginnend mit Jänner 2011 zu bewilligen.

 

2.1. Der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz hat die Berufung – ohne vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung Gebrauch zu machen – dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Schreiben vom 22. November 2010 zur Entscheidung vorgelegt. Nach Vorlage der Berufung wurde diese mit Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 21. Dezember 2010 (Gz.: VwSen-252656/2/Sr/Sic) – ohne vorherige Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung – als unbegründet abgewiesen.

 

2.2. Aufgrund der dagegen erhobenen Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid, Gz.: VwSen-252656/2/Sr/Sic, aufgehoben.

 

Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof im Wesentlichen aus, dass nicht auszuschließen sei, dass der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich im Hinblick auf die Verschuldensfrage bezüglich der nicht rechtzeitig erhobenen Berufung aufgrund unverschuldeten Abhandenkommens der Hinterlegungsanzeige bei Durchführung einer Verhandlung und der Aufnahme der hierzu beantragten Beweise zu einem anderen Ergebnis und sohin zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Daher wäre der angefochtene Bescheid, Gz.: VwSen-252656/2/Sr/Sic, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben gewesen. Zu untersuchen sei demnach lediglich die Frage des unverschuldeten Abhandenkommens. Das Einlegen der Hinterlegungsanzeige in den Postkasten sowie die ordnungsgemäße Zustellung durch Hinterlegung stünden hingegen fest.

 

2.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt und die Berufung. Weiters wurde am 24. Juli 2013 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, zu welcher der Bw ohne seinen Rechtsvertreter erschienen ist.

 

 

2.4. Aus den genannten Beweismitteln ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat folgender Sachverhalt, der seiner Entscheidung zugrunde liegt:

 

Das Finanzamt Freistadt/Rohrbach/Urfahr erstattete am 15. Februar 2008 Anzeige an den Magistrat der Landeshauptstadt Linz gegen den Bw wegen Verdachts der Übertretung des § 33 Abs 1 iVm § 111 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) idF BGBl 31/2007.

 

Mit Schreiben vom 18. Februar 2008 (RSa-Brief), zugestellt durch Hinterlegung am 21. Februar 2008, wurde dem Bw vom Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz vorgeworfen, er habe es als Gewerbeinhaber der Firma X, zu verantworten, dass von dieser Firma der tschechische Staatsbürger X, geboren am X, als Pizzazusteller von 13. November 2007 bis 31. Jänner 2008 beschäftigt wurde, obwohl dieser nicht zur Pflichtversicherung aus der Krankenversicherung beim zuständigen Sozialversicherungsträger angemeldet worden war. Der Bw wurde aufgefordert, sich zum Vorwurf zu rechtfertigen. Dieser Aufforderung ist der Bw nicht nachgekommen.

 

Mit Straferkenntnis vom 20. November 2008 erkannte die belangte Behörde den Bw schuldig, eine Verwaltungsübertretung nach § 33 Abs 1 und 1a iVm § 111 ASVG begangen zu haben, und verhängte über ihn eine Geldstrafe von 730 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 112 Stunden).

 

Das Straferkenntnis wurde dem Bw am 3. Dezember 2008 mittels RSa-Brief an seine Wohnadresse durch Hinterlegung zugestellt, wobei am 2. Dezember 2008 eine Verständigung über die Hinterlegung in das Hausbrieffach eingelegt wurde.

 

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 16. Jänner 2009, Gz.: 0007977/2008, wurde gegen den Bw die Vollstreckung verfügt, da er seiner Zahlungsverpflichtung nicht fristgerecht nachgekommen sei.

 

Diese Vollstreckungsverfügung wurde dem Bw am 24. Jänner 2009 mit RSa-Brief durch Hinterlegung zugestellt, wobei am 23. Jänner 2009 eine Verständigung über die Hinterlegung in das Hausbrieffach eingelegt wurde.

 

Zwischen 27. und 30. April 2009 wurde der Bw vom „Vollstrecker“ der belangten Behörde an seiner Abgabestelle aufgesucht. Da er nicht angetroffen werden konnte, hinterließ der „Vollstrecker“ ein Schreiben, in dem der Bw auf seine offenen Forderungen hingewiesen und um Kontaktaufnahme ersucht wurde. Aufgrund der Verständigung erschien die Ehegattin des Bw am 6. Mai 2009 bei der belangten Behörde. Bei der Unterredung wurde diese auf die offenen Strafen des Bw hingewiesen und ihr der „diesbezügliche Vollstreckungsauftrag“ übergeben.

 

Am 12. Mai 2009 erschien der Bw beim Bezirksverwaltungsamt der Landeshauptstadt Linz. Es wurde ihm der Akt Gz.: 0007977/2008 „persönlich ausgehändigt“.

 

Im Schriftsatz vom 26. Mai 2009 gab der Rechtsvertreter des Bw seine Bevollmächtigung bekannt und stellte folgende Anträge:

„Anträge auf neuerliche Zustellung

in eventu

Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

samt Berufungen des Beschuldigten

und

Anträge auf Aufschub der Vollstreckung“

 

Begründend führte der Rechtsvertreter aus, dass der Bw erst im Rahmen seiner Akteneinsicht am 12. Mai 2009 bei der belangten Behörde Kenntnis vom Straferkenntnis und der Vollstreckungsverfügung erlangt habe. Eine Zustellung der Bescheide sei nicht erfolgt und Zustellversuche seien dem Bw nicht bekannt geworden bzw. hätten nicht stattgefunden. In der Zeit, in der üblicherweise Zustellungen vorgenommen würden, habe er sich praktisch immer in der Betriebsstätte seines Unternehmens aufgehalten. Da weder Ankündigungen über einen zweiten Zustellversuch noch Verständigungen über die Hinterlegung vorgenommen worden seien, liege keine wirksame Zustellung vor. Es werde daher die „neuerliche“ Zustellung der bezeichneten Bescheide beantragt. Für den Fall, dass dem (Primär-)Antrag des Bw nicht entsprochen werde, beantrage der Bw die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand samt Berufungen gegen das Straferkenntnis und die Vollstreckungsverfügung.

 

Im folgenden Ermittlungsverfahren vernahm die belangte Behörde die Ehegattin des Bw als Zeugin und brachte dem Bw das Beweisergebnis zur Kenntnis.

 

In der Stellungnahme vom 11. September 2009 wiederholte der Bw sein bisheriges Vorbringen und beantragte die neuerliche Zeugenbefragung seiner Ehegattin.

 

Mit Bescheid vom 13. April 2010 hat die belangte Behörde lediglich über den Eventualantrag „Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 20.11.2008, GZ 0007977/2008“ abgesprochen. Der Bescheid wurde dem Bw am 17. April 2010 durch Hinterlegung zugestellt.

Gegen diesen Bescheid brachte der Bw mit Schriftsatz vom 30. April 2010 das Rechtsmittel der Berufung ein.

 

Mit Bescheid vom 24. Juni 2010, Gz.: VwSen-252475/Sr/Fu/Sta, hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde der Berufung stattgegeben und den angefochtenen Bescheid aufgehoben.

 

Die erstinstanzliche Behörde hat daraufhin das Ermittlungsverfahren fortgesetzt und Ermittlungen hinsichtlich des vom „Vollstrecker“ zwischen 27. und 30. April zurückgelassenen Schreibens angestellt. Mit Bescheid vom 10. August 2010, Gz.: 0007977/2008, hat der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz den Antrag des Bw vom 26. Mai 2009 auf neuerliche Zustellung des Straferkenntnisses und der Vollstreckungsverfügung sowie den Eventualantrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen das Straferkenntnis abgewiesen.

 

Gegen diesen Bescheid erhob der Bw das Rechtsmittel der Berufung.

 

Mit Bescheid vom 27. Oktober 2010, Gz.: VwSen-252578/2/Sr/Fu/Ba, wurde der Berufung gegen die Abweisung des Antrags auf neuerliche Zustellung des Straferkenntnisses und der Vollstreckungsverfügung als unbegründet abgewiesen. Der Berufung gegen die Abweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde stattgeben und Spruchpunkt 2 des angefochtene Bescheides aufgehoben, da die Entscheidung über den als Primärantrag gestellten Antrag auf neuerliche Zustellung im Zeitpunkt der Entscheidung über den als Eventualantrag gestellten Antrag noch nicht in Rechtskraft erwachsen war.

 

Die Entscheidung über den als Primärantrag gestellten Antrag auf neuerliche Zustellung erwuchs mit Zustellung am 5. November 2010 in Rechtskraft. Die erstinstanzliche Behörde hat gleichzeitig den angefochtenen Bescheid erlassen, mit dem der Antrag auf Wiedereinsetzung als unbegründet abgewiesen wurde.

Dagegen richtet sich die vorliegende Berufung.

 

2.5. Die Tatsache, dass die Verständigung über die Hinterlegung des Straferkenntnisses vom 20. November 2008 am 2. Dezember 2008 bzw. über die Hinterlegung der Vollstreckungsverfügung vom 16. Jänner 2009 am 23. Jänner 2009 in das Hausbrieffach des Bw eingelegt wurde, ergibt sich aus den vorliegenden Zustellformularen, in denen jeweils das Datum der Verständigung angegeben, der Punkt „in das Hausbrieffach“ angekreuzt und die Angaben vom Zustellorgan durch Paraphe bestätigt wurden. Eine dieses Beweisergebnis entkräftende Behauptung wurde vom Bw nicht erhoben und war diesbezüglich auch eine Zeugenaussage der Gattin des Bw nicht erforderlich, sofern Sie nicht in lebensferner Betrachtung an den fraglichen Tagen während der gesamten Zeit, in der gewöhnlich Zustellungen erfolgen, das Hausbrieffach überwacht und somit zuverlässige Angaben darüber machen könnte, dass vom Zustellorgan keine Verständigungen eingelegt wurden.

 

2.6. Der Bw bringt jedoch vor, dass die Verständigungen in weiterer Folge ohne Wissen und ohne ein über einen minderen Grad hinausgehendes Versehen seinerseits aus dem Hausbrieffach entfernt wurden, bevor er bzw. seine mit der Brieffachentleerung betraute Gattin davon Kenntnis erlangten.

 

Im Rahmen der am 24. Juli 2013 vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat durchgeführten mündlichen Verhandlung gibt der Bw hierzu an, dass es sich bei den Hausbriefkästen im Objekt X um normale versperrbare, goldene Briefkästen handle, die von der Post aufgehängt worden seien. Beim Objekt X handle es sich um ein Mehrparteienhaus, in dem 18 solcher Briefkästen aufgehängt gewesen seien. Der Bw gibt weiters an, dass es bei drei dieser Briefkästen Beschädigungen gegeben habe. Demnach seien deren Türen von unten ca. drei bis vier Zentimeter aufgebogen gewesen. Der Bw gibt an, dass es vielleicht möglich gewesen sei, mit zwei Fingern in das Brieffach hineinzugreifen, wobei auch sein Briefkasten zwei bis drei Zentimeter aufgebogen gewesen sei.

 

Laut Angabe des Bw habe diese Beschädigung seit dem Jahr 2007 angedauert, wobei er deswegen bei der Wohnungsgenossenschaft GIWOG vorgesprochen habe. Dort habe er allerdings die Auskunft erhalten, dass die Postkästen ohnehin demnächst ausgetauscht würden und daher keine Reparatur erfolgen werde.

 

Über Befragung, ob aufgrund der Beschädigung Post abhandengekommen sei, gibt der Bw an, dass es vorgekommen sei, dass Briefsendungen auf den Postkasten gelegt worden seien. Es habe sich dabei jedoch stets um einzelne Briefe und nicht um die ganze Post gehandelt. Überdies handelte es sich hierbei ab und zu um Fehlwürfe des Briefträgers, die mit der Beschädigung der Briefkästen nichts zu tun gehabt hätten. Die an ihn adressierte Post, die am Briefkasten gelegen ist, habe der Bw nach Durchsicht selbst mitgenommen, wenn er abends nach Hause gekommen ist.

 

Auf die Frage, ob außer den verfahrensgegenständlichen Hinterlegungsanzeigen im Jahr 2008 auch andere Schriftstücke gefehlt hätten, gibt der Bw an, dass im August/September eine AmericanExpress-Rechnung gefehlt habe. Dies sei während der Urlaubszeit passiert. Im August sei er auf Urlaub in der Türkei gewesen, am 6. Dezember sei er alleine nach Bangladesch gereist.

 

Über die Postzustellzeiten befragt gibt der Bw an, dass die Postzustellung manchmal um 10 oder 11 Uhr, teilweise aber auch erst um 13.00 Uhr stattgefunden habe. Hauptsächlich habe seine Frau den Postkasten entleert, weil er im Jahr 2008 berufstätig gewesen sei. Er habe sein Lokal um 10.00 Uhr aufgesperrt und sei daher am Vormittag nicht zu Hause gewesen. Seine Frau habe erst am Nachmittag im Lokal mitgearbeitet.

 

Seine Frau lege die Post immer auf seinen Schreibtisch, welche er dann alle zwei Tage durchschaue. Er wisse, dass es sich bei Hinterlegungsanzeigen um gelbe Zettel handle. Solche habe er auch im Jahr 2008 erhalten, allerdings nicht die verfahrensgegenständlichen. Außer diesem Fall habe es nie Probleme mit der Zustellung behördlicher Schriftstücke gegeben.

 

Überdies habe der Bw nach seiner Rückkehr am 19. Dezember 2008 aus Bangladesch bei der Post nachgefragt, ob während seiner Abwesenheit im Dezember Schriftstücke für ihn hinterlegt worden wären. Dort habe er die Auskunft erhalten, dass aktuell keine Schriftstücke hinterlegt sind. Normalerweise suche er nach seinen Urlauben nicht die Post auf, um sich nach hinterlegten Schriftstücken zu erkundigen. Auch nach seinem Urlaub im August 2008 habe er dies nicht getan.

 

Die Zeugin und Ehefrau des Bw, Frau X, erklärt, dass sie im Jahr 2008 später aus dem Haus gegangen sei als ihr Mann. Sie habe etwa um 8.45 Uhr die Kinder zum Kindergarten gebracht, wobei es vorgekommen sei, dass bei ihrer Rückkehr der Briefträger bereits da gewesen wäre. Sie habe sodann die Post aus dem Briefkasten genommen und auf den Schreibtisch ihres Mannes gelegt. Durchgesehen habe sie diese nur, wenn sie Zeit dazu gehabt habe. Sie gibt an, dass ihr nicht aufgefallen sei, dass im Jahr 2008 Poststücke gefehlt hätten. Sie habe aber nicht – wie vom Bw wiederholt behauptet (z.B. im Antrag auf neuerliche Bescheidzustellung in eventu auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand samt Berufungen des Beschuldigten vom 26. Mai 2009) – immer die Post geholt, vielmehr gebe es im Haushalt mit dem Bw „kein geordnetes System diesbezüglich“. Wenn sie nicht zu Hause war, habe ihr Mann den Briefkasten selbst entleert. Wenn sie zu Hause war, habe der Briefträger geläutet, um die Sendung zu übergeben. Ansonsten habe er gelbe Zettel im Hausbriefkasten hinterlassen.

 

Hin und wieder seien Poststücke falsch einsortiert worden und zum Nachbarn gelangt. Dieser habe ihr die Briefsendungen übergeben. Einzelne Fehlwürfe seien auch oben am Briefkasten gelegen.

 

Die Zeugin gibt an, dass im Jahr 2008 bereits neue Postkästen montiert waren. Die alten goldenen Postkästen seien bereits 2007 entfernt worden. Die Briefkästen seien auch nicht beschädigt gewesen. Falsche Briefsendungen seien von den Nachbarn untereinander ausgetauscht worden.

 

Sie könne sich erinnern, dass sie im Jahr 2008 im Briefkasten Hinterlegungsanzeigen bezüglich des Geschäfts ihres Mannes sowie in eigener Sache vom Gericht vorgefunden hätte. Worum es sich bei den Schriftstücken, die das Geschäft bzw. ihren Mann betrafen, handelte, könne sie nicht sagen, weil sie diesbezüglich nur auf den Namen geschaut hätte und die Stücke, die nicht sie betrafen, auf den Schreibtisch ihres Mannes gelegt hätte. Im Rahmen ihrer Vernehmung am 30. Juli 2009 vor dem Magistrat der Landeshauptstadt Linz gab sie überdies an, dass sie im Jänner 2009 zumindest eine Vollstreckungsverfügung zur Kenntnis bekommen hätte, wobei sie jedoch nicht sagen könnte, ob diese auch tatsächlich ihrem Gatten zugekommen wäre.

 

Die Zeugin gibt weiters an, dass sie etwa im August 2008 bei Durchsicht der Werbung einmal festgestellt hätte, dass eine Hinterlegungsanzeige darunter gewesen wäre. In der Folge habe sie diesbezüglich aufgepasst und die Werbung durchgesehen, um nicht Hinterlegungsanzeigen mit der Werbung wegzuwerfen.

 

Wie es passieren könne, dass im gegenständlichen Verfahren weder die Hinterlegungsanzeigen über die Aufforderungen zur Rechtfertigung und die Straferkenntnisse noch über die Vollstreckungsverfügungen im Hausbriefkasten gewesen seien, könne sie sich nicht erklären.

 

Tatsachen, woraus sich konkret Hinweise für die Entfernung der Verständigungen durch Unbefugte ergeben würden, haben weder der Bw noch die Zeugin dargelegt.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

3.1. Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenats des Landes Oberösterreich ergibt sich aus der Bestimmung des § 72 Abs 4 AVG. Danach steht dem Antragsteller gegen die Ablehnung eines Antrages auf Wiedereinsetzung das Recht der Berufung an die im Instanzenzug übergeordnete Behörde, wenn aber in der Sache eine Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat vorgesehen ist, an diesen zu. Gemäß der Judikatur des VwGH ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (VwGH 10.10.1997, 96/02/0352).

 

3.2. Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

 

§§ 71 f Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) idgF lauten:

 

„Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

§ 71. (1) Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:

1. die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder

2. die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, daß kein Rechtsmittel zulässig sei.

(2) Der Antrag auf Wiedereinsetzung muß binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

(3) Im Fall der Versäumung einer Frist hat die Partei die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen.

(4) Zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Verhandlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat.

(5) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages findet keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand statt.

(6) Die Behörde kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung aufschiebende Wirkung zuerkennen. Ein unabhängiger Verwaltungssenat hat durch Einzelmitglied zu entscheiden.

(7) Der Wiedereinsetzungsantrag kann nicht auf Umstände gestützt werden, die die Behörde schon früher für unzureichend befunden hat, um die Verlängerung der versäumten Frist oder die Verlegung der versäumten Verhandlung zu bewilligen.“

 

§ 72. (1) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.

(2) Durch den Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der mündlichen Verhandlung wird die Frist zur Anfechtung des infolge der Versäumung erlassenen Bescheides nicht verlängert.

(3) Hat eine Partei Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der mündlichen Verhandlung beantragt und gegen den Bescheid Berufung eingelegt, so ist auf die Erledigung der Berufung erst einzugehen, wenn der Antrag auf Wiedereinsetzung abgewiesen worden ist.

(4) Gegen die Ablehnung eines Antrages auf Wiedereinsetzung steht dem Antragsteller das Recht der Berufung an die im Instanzenzug übergeordnete Behörde, wenn aber in der Sache eine Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat vorgesehen ist, an diesen zu. Gegen die Bewilligung der Wiedereinsetzung ist kein Rechtsmittel zulässig.“

 

3.3. Der Bw hat im Schriftsatz vom 26. Mai 2009 neben dem Antrag auf neuerliche Zustellung den Eventualantrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand samt Berufungen gestellt, den die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid abgewiesen hat.

 

3.3.1. Eventualanträge sind im Verwaltungsverfahren durchaus zulässig. Das Wesen eines solchen Antrages liegt darin, dass er unter der aufschiebenden Bedingung gestellt wird, dass der Primärantrag erfolglos bleibt. Wird bereits dem Primärantrag stattgegeben, so wird der Eventualantrag gegenstandslos. Wird ein Eventualantrag vor dem Eintritt des Eventualfalles erledigt, belastet dies die Erledigung mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit (VwGH 27.02.2007, 2005/21/0041; VwGH 22.12.2009, 2008/21/0561).

Die Behörde hat danach zuerst über den Primärantrag und erst dann über den Eventualantrag in der begehrten Reihenfolge zu entscheiden. Eine Erledigung des nachgereihten Eventualantrags ist erst dann zulässig, wenn der Bescheid, mit welchem dem Primärantrag nicht stattgegeben wird, in Rechtskraft erwachsen ist (VwGH 20.02.1990, VwGH 89/01/0114; 12.12.1997, 96/19/3388; vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 13 [Rz 4]). Dies gilt nach der Judikatur des VwGH auch dann, wenn es sich beim Eventualantrag um einen Wiedereinsetzungsantrag handelt (VwGH 04.02.2000, 96/19/2626).

Im gegenständlichen Fall wurde über den Primärantrag rechtskräftig negativ entschieden, womit die Zuständigkeit der belangten Behörde über den Eventualantrag zu entscheiden begründet wurde.

 

3.3.2. Wenn – wie im gegenständlichen Fall – die Zustellung durch Hinterlegung ordnungsgemäß erfolgt ist, dann kommt es für die Rechtswirksamkeit der Zustellung auf die Kenntnis des Empfängers von dieser Zustellung nicht an. Diese Unkenntnis kann jedoch – sofern sie nicht auf einem Verschulden beruht, welches den Grad minderen Versehens übersteigt – zur Grundlage eines Wiedereinsetzungsantrages gemacht werden (VwGH 27.01.2005, 2004/11/0212).

 

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich aus § 71 AVG, dass der Antrag auf Wiedereinsetzung Angaben über seine Rechtzeitigkeit zu enthalten hat und dass überdies anzugeben ist, aus welchem Grund der Antragsteller die Voraussetzungen des § 71 Abs 1 AVG als erfüllt ansieht. Dabei trifft ihn die Obliegenheit, im Antrag konkret jenes unvorhergesehene und unabwendbare Ereignis zu beschreiben, das ihn an der Einhaltung der Frist gehindert hat und diesen behaupteten Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft zu machen, was aber als Grundlage ein entsprechendes Vorbringen voraussetzt (VwGH 16.12.2009, 2009/12/0031 mit Verweis auf VwGH 21. Dezember 1999, 97/19/0217 bis 0219, 0231 bis 0239). In Anbetracht der in § 71 Abs 2 AVG normierten Befristung des Wiedereinsetzungsantrages ist es jedenfalls unzulässig, diesbezügliche Angaben erst nach Ablauf dieser Frist nachzutragen (vgl. VwGH 26.02.2009, 2008/05/0208).

 

Im gegenständlichen Fall steht fest, dass bei der Zustellung des Straferkenntnisses die Hinterlegungsanzeige in den innerhalb des Wohnhauses befindlichen Hausbriefkasten des Bw eingelegt wurde. Der Bw gab in den schriftlichen Eingaben allgemein gehalten zu bedenken, dass es in einem Haus mit mehreren Parteien möglich sein könne, dass eine Hinterlegungsverständigung abhanden komme.

 

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung brachte der Bw vor, dass zur Zeit der Zustellung der verfahrensgegenständlichen Hinterlegungsanzeigen goldene, versperrbare Postkästen im Objekt X, montiert waren, wobei unter anderem die Tür des für seine Briefsendungen bestimmten Postkastens seit dem Jahr 2007 ca. zwei bis drei Zentimeter aufgebogen waren, sodass es durchaus möglich gewesen wäre, mit zwei Fingern Poststücke aus dem Briefkasten zu entnehmen.

 

Dem entgegen brachte die Zeugin und Ehefrau des Bw, Frau X vor, dass die alten goldenen Postkästen bereits im Jahr 2007 gegen neue ausgetauscht worden wären und diese zu den fraglichen Zeitpunkten keinerlei Beschädigungen aufgewiesen hätten.

 

Die Zeugin und Ehefrau des Bw hat nach umfassender Belehrung in der mündlichen Verhandlung ausgesagt.

 

Als Zeugin ist sie gemäß § 50 AVG verpflichtet, wahrheitsgemäß auszusagen. Diese Verpflichtung wird durch § 289 Strafgesetzbuch (StGB) abgesichert, wonach mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu bestrafen ist, wer vor einer Verwaltungsbehörde – so auch vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat – bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache falsch aussagt. Auch über diese strafrechtlichen Folgen einer etwaigen Falschaussage wurde die Zeugin vor Beginn ihrer förmlichen Vernehmung belehrt.

 

Den Umstand der drohenden strafrechtlichen Verfolgung im Falle der Verletzung der Wahrheitspflicht darf die Behörde bei der Beurteilung der Beweiskraft einer Zeugenaussage berücksichtigen (vgl dazu z.B. Hengstschläger/Leeb, § 45 Rz 9, § 48 Rz 3 sowie VwGH vom 26. 9. 1995, 94/08/0152). Im Hinblick darauf, dass der Zeugin die strafrechtlichen Folgen im Falle der Verletzung der Wahrheitspflicht bewusst waren, gibt es für den Unabhängigen Verwaltungssenat keinen Grund, an deren Aussage zu zweifeln. Sie legte im Rahmen der mündlichen Verhandlung schlüssig und glaubwürdig dar, wie es um die Beschaffenheit der in Rede stehenden Briefkästen zu den verfahrensgegenständlichen Zeitpunkten bestellt war. Insbesondere betonte sie, dass die alten Briefkästen bereits im Jahr 2007 gegen neue ausgetauscht worden waren und diese keinerlei Beschädigungen aufgewiesen hätten. Insbesondere die Tatsache, dass zu den fraglichen Zeitpunkten der Bw voll berufstätig war und die Zeugin erst nachmittags im Lokal mitgearbeitet hat und somit zu dieser Zeit überwiegend mit der Entleerung des Postkastens betraut war, lässt den Schluss zu, dass sie besser über den damaligen Zustand des Postkastens Bescheid weiß als der Bw. Vor diesem Hintergrund muss das vage Vorbringen des Bw, alle dieses Verfahren betreffende Hinterlegungsanzeigen dürften aus dem beschädigten Briefkasten entnommen worden sein, als bloße Schutzbehauptung aufgefasst werden.

 

Wenn der Bw wiederholt (Stellungnahme vom 11. September 2009, Berufung vom 30. April 2010 sowie Berufung vom 8. September 2010, Berufung vom 18. November 2010) vorbringt, dass seine Ehegattin keinerlei Hinterlegungsanzeigen das vorliegende Verfahren betreffend vorgefunden habe, so widerspricht dies deren Aussage vor dem Magistrat vom 30. Juli 2009, wonach sie im Jänner 2009 zumindest eine Hinterlegungsanzeige über eine Vollstreckungsverfügung vorgefunden hat. Auch in diesem Fall ist der Unabhängige Verwaltungssenat überzeugt, dass die Angabe der Zeugin der Wahrheit entspricht und zieht die Glaubwürdigkeit des Bw weiter in Zweifel. Überdies erweckt das mehrmalige – jedoch von der Zeugin in der mündlichen Verhandlung glaubwürdige bestrittene – Vorbringen des Bw, dass seine Gattin allein für die Entleerung des Postkastens zuständig war – was der Bw erst im Rahmen der mündlichen Verhandlung relativierte – den Eindruck, als wolle der Bw die Verantwortung für das Verschwinden der Hinterlegungsanzeigen bzw. für die verspätete Berufungserhebung auf seine Gattin abwälzen.

 

Wenn der Bw vorbringt, dass er nach seiner Rückkehr am 19. Dezember 2008 aus Bangladesch bei der Post nachgefragt habe, ob während seiner Abwesenheit Schriftstücke für ihn hinterlegt worden wären und dort die Auskunft erhalten habe, dass aktuell keine Schriftstücke hinterlegt sind, so geht der Unabhängige Verwaltungssenat davon aus, dass der Bw die Nachfrage bei der Post bewusst nach dem Ende der Abholfrist des hinterlegten Schriftstücks vorgenommen hat, um in einem etwaigen Verfahren Beweismittel für sein mangelndes Verschulden an der verspäteten Berufungserhebung zu schaffen. Diese Beurteilung ergibt sich vor allem daraus, dass die Hinterlegungsanzeige bereits am 2. Dezember 2008 im Postfach des Bw zurückgelassen wurde, der Bw aber erst am 6. Dezember nach Bangladesch abgereist ist sowie dass er – wie er in der mündlichen Verhandlung ausführt – normalerweise nach seinen Urlauben nicht die Post aufsuche, um sich nach hinterlegten Schriftstücken zu erkundigen. Auch nach seinem Urlaub im August 2008 habe er dies nicht getan. Dieser Umstand beeinträchtigt die Glaubwürdigkeit des Bw und seiner Aussagen nach Ansicht des erkennenden Mitglieds zusätzlich.

 

Der Bw und die Zeugin gaben in der mündlichen Verhandlung weiters übereinstimmend an, dass es hin und wieder zu einzelnen Fehlwürfen gekommen sei, die dann jedoch auf den Postkasten gelegt bzw. zwischen den Nachbarn ausgetauscht worden seien. Weder der Bw noch die Zeugin geben jedoch Umstände an, wonach aufgrund dessen Poststücke verloren gegangen wären. Vielmehr habe der gegenseitige Austausch der Poststücke einwandfrei funktioniert. Aufgrund dieser Angaben hält es das erkennende Mitglied für äußerst unwahrscheinlich, dass einzelne oder gar sämtliche verfahrensgegenständliche Hinterlegungsanzeigen auf diese Art verschwunden wären. Dass niemand anderer als die Zeugin, der Bw und der Briefträger das Postfach geöffnet habe, lässt der Bw unbestritten.

 

Nachdem sich der Unabhängige Verwaltungssenat im Rahmen der mündlichen Verhandlung einen ausführlichen Eindruck vom Bw und der Zeugin sowie deren Aussagen verschafft hat, ist er davon überzeugt, dass an der Glaubwürdigkeit der schlüssigen Aussagen der Zeugin keine Zweifel bestehen. Dies gilt umso mehr, als sie trotz der Möglichkeit der Entschlagung und im Bewusstsein der strafrechtlichen Konsequenzen falscher Angaben zur Sache ausgesagt hat. Hingegen wird den Aussagen des Bw, dass er keinerlei Kenntnis von sämtlichen verfahrensgegenständlichen Hinterlegungsanzeigen hatte, kein Glauben geschenkt. Das erkennende Mitglied ist davon überzeugt, dass der Bw sehr wohl Kenntnis von den Hinterlegungsanzeigen erlangte und hat den Eindruck gewonnen, dass der Bw diese aufgrund einer gewissen Nachlässigkeit beharrlich ignorierte.

 

Im Ergebnis ist es dem Bw nicht gelungen, dem Unabhängigen Verwaltungssenat glaubhaft zu machen, dass er von einem in seine Gewahrsame gelangten Poststück aus bestimmten, keine auffallende Sorglosigkeit begründenden Umständen keine Kenntnis erlangen konnte.

 

 

3.4. Im Ergebnis war daher die Berufung als unbegründet abzuweisen und der angefochtene Bescheid zu bestätigen.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

 

Mag. Stierschneider

 

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