Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-301287/2/BP/Jo

Linz, 05.08.2013

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des X, geb. X, X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 8. Juli 2013 GZ.: Pol96-342-1-2012, wegen einer Übertretung nach dem Oö. Polizeistrafgesetz, zu Recht erkannt:

 

 

    I.        Aus Anlass der Berufung wird der angefochtene Bescheid aufgehoben.

 

 II.        Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem UVS des Landes Oberösterreich zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: §§ 24, 44a Abs. 1, 45 Abs. 1 Z. 3 und 51 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991-VStG

 iVm. § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG;

zu II.: § 66 VStG.

 

 


Entscheidungsgründe:

 

1.1.Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 8. Juli 2013, GZ.: Pol96-342-1-2012, wurde gegen den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) auf Basis der §§ 3 iVm. 10 ABbs. 1 lit. a des Oö. Polizeistrafgesetzes – PolStG, LGBl. Nr. 36/1979 idgF., eine Geldstrafe in Höhe von 100 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 36 Stunden) verhängt.

 

Dabei führte die belangte Behörde folgenden Tatvorwurf aus:

 

„Sie haben am 1.12.2012, 20.00 Uhr bis 2.12.2012, 5.30 Uhr, in X, in Ihrer Wohnung X, ungebührlicherweise störenden Lärm erregt, indem Sie laut geschrien und gelacht haben. Der Lärm war störend, ungebührlich und vermeidbar und hat gegen ein Verhalten verstoßen, wie es im Zusammenleben mit anderen verlangt werden muss und jene Rücksichtnahme vermissen lassen, welche die Umwelt verlangen kann.“

 

1.2. Dagegen erhob der Bw in einer vor der belangten Behörde am 15. Juli 2013 aufgenommenen Niederschrift rechtzeitig Berufung.

 

Begründend wird darin ua. ausgeführt, dass der Bw und seine Lebensgefährtin am Tattag lediglich von 20.00 Uhr bis 23.30 Uhr zuhause gewesen seien, danach erst wieder um 6.00 Uhr des nächsten Tages. Sie hätten nur ein Spiel gespielt, bei dem sie gelacht hätten. Es sei keine Musik aufgedreht gewesen und die beiden hätten lediglich beim Spiel Spaß gehabt. Die Wohnungen seien sehr hellhörig. ein Nachbar rege sich über vieles – nicht nur in Bezug auf die beiden – auf.

 

Abschließend wird ersucht, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

 

2.1. Mit Schreiben vom 18. Juli 2013 übermittelte die belangte Behörde den bezughabenden Verwaltungsakt dem UVS des Landes Oberösterreich.

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat erhob Beweis durch Einsichtnahme in den bezughabenden Verwaltungsakt.

 

Da aufgrund der Aktenlage bereits feststand, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben war, entfiel gemäß § 51e Abs. 2 Z. 1 VStG die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem unter dem Punkt 1.1. dieses Erkenntnisses dargestellten, entscheidungs­relevanten Sachverhalt aus.

 

2.4. Da im angefochtenen Bescheid keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).

 

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 10 Abs. 1 lit. a Oö. Polizeistrafgesetz, BGBl. Nr. 36/19979, in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung, sind Verwaltungsübertretungen gemäß § 1, 2 Abs. 3, 2a Abs. 5 und 3 von der Bezirksverwaltungsbehörde, im Wirkungsbereich der Landespolizeidirektion von dieser, bei Übertretungen nach den §§ 1 und 3 mit Geldstrafe bis 360 Euro zu bestrafen.

 

Gemäß § 3 Abs. 1 Oö. PolStG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer ungebührlicherweise störenden Lärm erregt, außer in den Fällen einer sonst mit Verwaltungsstrafe oder einer mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung.

 

Gemäß § 3 Abs. 2 PolStG sind unter störendem Lärm alle wegen ihrer Dauer, Lautstärke oder Schallfrequenz für das menschliche Empfinden unangenehm in Erscheinung tretenden Geräusche zu verstehen.

 

Gemäß § 3 Abs. 3 leg. cit. ist störender Lärm dann als ungebührlicherweise erregt anzusehen, wenn das Tun oder Unterlassen, das zur Erregung des Lärmes führt, gegen ein Verhalten verstößt, wie es im Zusammenleben mit anderen verlangt werden muss und jene Rücksichtnahme vermissen lässt, die die Umwelt verlangen kann.

 

3.2.1. Im vorliegenden Fall stellt sich zunächst die Frage, ob der von der belangten Behörde gewählte Spruch den diesbezüglichen Vorgaben des § 44a VStG genügt.

 

3.2.2. Gemäß § 44a des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 – VStG, BGBl. Nr. 52/1991 (WV) hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:

1. die als erwiesen angenommene Tat;

2. die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist;

3. die verhängte Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung;

4. den etwaigen Ausspruch über privatrechtliche Ansprüche;

5. im Fall eines Straferkenntnisses die Entscheidung über die Kosten.

 

3.2.3. Nach der vom Verwaltungsgerichtshof zu § 44a Z 1 VStG entwickelten Judikatur ist die dem Bw angelastete Tat im Spruch des Straferkenntnisses so weit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuordnung zu den vorgeworfenen Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (vgl. VwSlg. 11.466 A/1984 verst. Sen.; 11.894 A/1985 verst. Sen.). Im Spruch sind somit zum einen alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind, und zum anderen die Tathandlungen, durch die der Tatbestand verwirklicht wurde, zu beschreiben. Eine nähere Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheidbegründung reicht, ebenso wie die bloße Wiedergabe des Gesetzeswortlautes, nicht aus (vgl. VwGH 13.1.1982, 81/03/0203; VwSlg 11.069 A/1983; VwGH 15.2.1983, 81/11/0122; vgl auch Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2003] VStG § 44a Anm. 2).

Der Vorschrift des § 44a Z 1 VStG ist dann entsprochen, wenn

a. im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogenen Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und

b. der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2003] VStG § 44a Anm. 2; VwGH 03.10.1985, 85/02/0053).

 

3.2.4. Im konkreten Fall ist nun zu überprüfen, ob die Tatbestandselemente § 3 im Spruch entsprechend konkretisiert zum Ausdruck kommen.

 

Die physikalischen Erscheinungsformen von Schallwellen, welche nach dem Überschreiten von unterschiedlich mehr oder weniger genau bestimmten Grenz- bzw. Referenzwerten, herkömmlich als Lärm in der Umwelt auftreten, lässt sich auch in objektiver Art und Weise kaum definieren. Die Bewertung von Schalleinwirkungen ist vielmehr stets von einem grundsätzlich subjektiven Empfinden von Menschen in verschiedenen Lebenssituationen abhängig. Schalleinwirkungen sind, je nach den Umständen, dann als Lärm zu bewerten, sofern diese als stören in Hinblick auf die Bewahrung bestimmter sozialer Werte, wie etwa das Wohlbefinden, die Wohn- und Umweltqualität, empfunden werden.

 

Der Lärm ist unabdingbar verbunden mit dem subjektiven Element des menschlichen Empfindens. Entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Lärm dann störend, "wenn er seiner Art und/oder seiner Intensität nach geeignet ist, das Wohlbefinden normal empfindender Menschen zu beeinträchtigen“.

 

Wesentlich ist, dass nicht jedwede, grundsätzlich und objektiv als störend geeignete Lärmeinwirkung für sich allein nach den Bestimmungen des Oö. PolStG strafbar ist. Zusätzlich bedarf es noch des Tatbestandsmerkmales der Ungebührlichkeit.

 

Lärm wird ungebührlicherweise erregt, wenn das Verhalten, das zur Erregung des Lärms führt, jene Rücksicht vermissen lässt, die im Zusammenleben verlangt werden kann (vgl. VwGH 24.5.1982, 3015/80; 17.9.1984, 84/10/0109). Ein gewisses Maß an Lärm muss von jedermann zumutbar geduldet werden. Es ist vor allem von den sozialüblichen Lebensabläufen in einer Gesellschaft abhängig, ob der an sich für eine Störung geeignete Lärm hingenommen werden muss oder nicht. Gefordert wird dabei, dass sich auch hinsichtlich der Verursachung von Lärmeinwirkungen jede Person dahingehend rücksichtsvoll verhalten muss, als dies sozialüblich für ein konfliktfreies Zusammenleben (gedeihliches Miteinander) von Menschen in der Gesellschaft erforderlich ist.

 

Verhält sich eine Person nicht entsprechend sozialüblich, verursacht im konkreten folglich Schalleinwirkungen (Lärm), welche nach objektiven Kriterien als unangenehm empfunden werden können (störender Lärm) und welche bei sozialüblichen Verhalten für ein konfliktfreies Zusammenleben hätten vermieden werden müssen, so erregt sie durch dieses Verhalten in ungebührlicherweise Art oder Weise störenden Lärm und ist demnach grundsätzlich strafbar. Insbesondere wird dies dann der Fall sein, wenn etwa übliche Hausarbeitstätigkeiten, welche mit an sich sozialadäquat üblicher Schallentwicklung verbunden sind, in die Zeit der Sonn-, Feiertags- oder Nachtruhe hinein fortgesetzt oder während dieser Zeit vorgenommen werden (siehe Hansjörg Rangger, Oberösterreichisches Landespolizeirecht, Praxiskommentar, proLIBRIS 2008, 210f).

 

Für den Tatbestand der ungebührlichen Erregung störenden Lärms ist es nicht erforderlich, dass der Lärm an einem öffentlichen Ort erregt wird. Ebenso wenig fordert das Gesetz, dass durch die Erregung von Lärm mehrere Personen oder gar eine größere Anzahl von Personen gestört werden (vgl. VwGH vom 17.9.1984, 84/10/0109).

 

3.2.5. Verboten ist also ein zu wertendes Verhalten (Tun oder Unterlassen) von Personen, welches einen bestimmten Grad an Außenwirksamkeit erfordert und weiters nach einem objektiv angelegten Maßstab geeignet sein muss, gegenüber Dritten einen Erfolg herbeizuführen, nämlich einen als störend empfindbaren Lärm zu erregen, welcher zudem in ungebührlicher Art oder Weise verursacht worden sein muss.

 

Die ungebührlicherweise erfolgte Erregung störenden Lärms ist somit ein Erfolgsdelikt; dies bedeute zum objektiven Tatbild gehört auch eine durch das menschliche Verhalten ursächlich herbeigeführte Folge (siehe Hansjörg Rangger, Oberösterreichisches Landespolizeirecht, Praxiskommentar, proLIBRIS 2008, 205ff).

 

3.2.6. Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses führt zwar das inkriminierte Verhalten in Form von lautem Lachen und Schreien aus, beschränkt sich aber betreffend dem dadurch eingetretenen Erfolg auf die Wiedergabe des Gesetzestextes, ohne jegliche Konkretisierung, inwiefern oder wo etwa der Erfolg eintrat, anzugeben. Als einzige Ortsangabe wird die Wohnung des Bw ausgewiesen. die Möglichkeit zur entsprechenden Verteidigung scheint hier nicht gegeben, da die Angabe über die konkrete Außenwirkung unterblieb.

 

Zudem scheint es auch zu wenig konkretisiert, in einem Zeitraum von immerhin 9,5 Stunden lapidar – ohne jegliche Differenzierung – lautes Schreien und Lachen vorzuwerfen, da ein von einer Person ausgehendes derartiges Verhalten in Konstanz rein physisch nur schwer vorstellbar ist.

 

3.2.7. Der Spruch des hier angefochtenen Straferkenntnisses wird also den Erfordernissen des § 44a VStG nicht gerecht.

 

Eine Spruchkorrektur war dem UVS des Landes Oberösterreich verwehrt, da bereits die Verfolgungsverjährung eingetreten ist.

 

3.3. Da es sich bei der Übertretung des § 3 Abs 1 Oö. PolStG um ein Erfolgsdelikt handelt (Rangger, Oberösterreichisches Landespolizeirecht – Praxiskommentar [2009] 205 mwN), ist § 5 Abs 1 2. Satz VStG nicht anwendbar, womit Fahrlässigkeit nicht ohne weiters angenommen werden kann.  § 5 Abs 1 2. Satz VStG ist nur auf sogenannte Ungehorsamsdelikte, also Delikte, deren Tatbestand sich in der Zuwiderhandlung gegen ein Verbot oder in der Nichtbefolgung eines Gebotes erschöpft, anwendbar. Bei einem Erfolgsdelikt hat die Behörde dem Bw das Verschulden vielmehr nachzuweisen (VwGH vom 26. September 1990, 89/10/0224), auch wenn wie hier gemäß § 5 Abs 1 1. Satz VStG Fahrlässigkeit zur Verwirklichung des Verschuldens genügt.

 

Auch aus diesem Grund ergeben sich nicht unerhebliche Bedenken gegen den angefochtenen Bescheid.

 

3.4. Es war somit aus Anlass der Berufung der angefochtene Bescheid aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen (vgl. § 45 ABs. 1 Z. 3 VStG).

 

 

4. Vor diesem Hintergrund war dem Bw gemäß § 66 Abs 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich noch ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde vorzuschreiben.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Bernhard Pree

 

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum