Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240914/2/BMa/MG/HK

Linz, 30.07.2013

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Mag.a Gerda Bergmayr-Mann über die Berufung des Mag. B L, vertreten durch S Rechtsanwälte GmbH, T, W, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 25. Juli 2012, Zl. BZ-Pol-69057-2011, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz (LMSVG) iVm der VO über diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke zu Recht erkannt:

 

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat noch einen Ersatz von Untersuchungskosten zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG idgF iVm §§ 24, 44a Z 1, 45 Abs. 1 Z 2 und 51 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG idgF

zu II: § 66 Abs. 1 VStG iVm § 71 Abs. 3 LMSVG idgF

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 25.07.2012, Zl. BZ-Pol-69057-2011, zugestellt am 30.07.2012, wurden über den Berufungswerber Geldstrafen in Höhe von 1. € 300 (Ersatzfreiheitsstrafe: 15 Stunden), 2. € 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 25 Stunden), 3. € 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 25 Stunden), 4. € 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 25 Stunden) und 5. € 300 (Ersatzfreiheitsstrafe: 15 Stunden) wegen Verwaltungsübertretungen gem. § 90 Abs. 3 Z 2 LMSVG verhängt (Gesamtstrafe: € 2.100,--; Verfahrenskosten: € 210,--; Untersuchungskosten: € 120,--; zu zahlender Gesamtbetrag: € 2.430,--).´, weil er es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit nach außen Berufener der Fa. N Vertriebs GmbH, E, W, zu verantworten habe, dass von dieser Firma zumindest am 21.09.2011 "M-Weichgelatinekapseln, Los Nr. X, MHD: X", als diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (ergänzende bilanzierte Diät) an die Fa. B K, R, L, geliefert und somit in Verkehr gebracht worden seien, obwohl diese nicht die Anforderungen der Verordnung über Diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke erfüllten, da

1.    aufgrund der Produktaufmachung nicht ersichtlich gewesen sei, wie viel Mistel-, Weißdorn- und Knoblauch-Ölmazerat aufgenommen werde,

2.    keinerlei Informationen über den diätetisch wirksamen Nährstoffgehalt der Ölmazerate enthalten gewesen sei,

3.    die wertbestimmenden Ölmazerate nicht als Nährstoffe zu klassifizieren gewesen seien und somit nicht zur Deckung eines Nährstoffbedarfs dienen würden (Nährstoff: Art. 2 Abs. 2 Z 2 VO EG 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel),

4.    die angegebene diätetische Zweckbestimmung ("Altersherz, Kreislaufbeschwerden, allgemeine Altersbeschwerden und Leistungsschwäche") unpräzise und verallgemeinernd gewesen sei, obwohl die manifesten Krankheiten, Störungen oder Beschwerden, die den besonderen Nährstoffbedarf bedingen, jedoch präzise (als medizinische Indikation) zu benennen gewesen wären,

5.    die verpflichtende Angabe "Wichtiger Hinweis" fehle.

 

Begründend führte die belangte Behörde – nach Schilderung des Sachverhalts und Wiedergabe der gesetzlichen Bestimmungen –im Wesentlichen Folgendes aus:

 

Zu 1.: Auf der Verpackung sei unter "Zutaten" lediglich die Menge der einzelnen Ölmazerate in mg und deren Drogen-Extrakt-Verhältnis angeführt, nicht aber die Menge der Ölmazerate einer Kapsel. Es sei daher für den Verbraucher aufgrund der Verpackung nicht ersichtlich, wie viel Mistel-, Weißdorn- und Knoblauch-Ölmazerat aufgenommen werde.

 

Zu 2.: Die Stoffe wären, folgte man den Ausführungen des Berufungswerbers, unter dem Begriff "andere Substanz" bzw. unter "sonstige Nährstoffe" des § 5 Abs. 1 Z 3 DLBMZ zu subsumieren. Damit wären jedoch nicht nur die Bestandteile Proteine, Kohlehydrate und Fette, sondern auch der Gehalt an sonstigen Nährstoffen und deren Bestandteile verpflichtend zu deklarieren gewesen, da gerade diese Informationen für eine zweckentsprechende Verwendung (§ 3 Abs. 1 DLBMZ) dieses Produktes erforderlich gewesen wären.

 

Zu 3.: Nicht die Ölmazerate seien Nährstoffe bzw. sonstige Nährstoffe (andere Substanzen), sondern deren Inhaltsstoffe. Aus der Bezeichnung "Ölmazerat" alleine gehe nicht hervor, welche Inhaltsstoffe in welcher Menge enthalten seien, was für die entsprechende Krankheit bzw. für die positive Wirkung des Produktes ausschlaggebend sei (§ 3 Abs. 1 DLBMZ).

 

Zu 4.: Das Produkt werde als diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke in Verkehr gebracht (§ 2 Abs. 1 Z 3 DLBMZ: diätetisch unvollständiges Lebensmittel). Manifeste Krankheiten, Störungen oder Beschwerden, die den besonderen Nährstoffbedarf bedingten, seien präzise (als medizinische Indikation) zu benennen. Die Angaben der Verbraucherinformation "zur Unterstützung bei nachlassender Leistungsfähigkeit des Herzens (Altersherz), bei Kreislaufbeschwerden sowie gegen allgemeine Altersbeschwerden und Leistungsschwäche" gingen am Erfordernis eines diätetisch unvollständigen Lebensmittels vorbei, da sich die Angaben auf Gesunderhaltung und Prävention bezögen und nicht auf eine "ernährungsmedizinische Behandlung", welche die Ernährung des Patienten bei bestimmten Krankheiten, Störungen oder Beschwerden sicherzustellen habe.

 

Zu 5.: Den Behörden komme keine Ermächtigung zur Überprüfung rechtswirksam erlassener Verordnungen zu, weshalb das Fehlen der verpflichtenden Angabe "Wichtiger Hinweis" nach § 5 Abs. 2 DLBMZ zu ahnden gewesen sei.

 

Eine Glaubhaftmachung, dass den Berufungswerber kein Verschulden treffe, sei mit der Rechtfertigung nicht gelungen. Straferschwernis- oder Milderungsgründe lägen nicht vor.

 

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, rechtzeitig eingebrachte Berufung.

Darin bringt der Berufungswerber im Wesentlichen vor, die verfahrensgegenständliche Lieferung des Lebensmittels am 21.09.2011 sei nicht durch die N Vertriebs GmbH, sondern vielmehr durch die P GmbH vorgenommen worden.

Das Straferkenntnis werde den Anforderungen des § 44a Z 1 VStG hinsichtlich der als erwiesen angenommenen Tat nicht gerecht, im Einzelnen:  

Zu 1.: Das Straferkenntnis lasse nicht erkennen, was unter der "Ersichtlichmachung der Aufnahme" der Quantitäten ("wie viel") zu verstehen sei und auf welcher Rechtsgrundlage dies zu deklarieren sei. Falls die Behörde § 5 Abs. 1 Z 3 der Verordnung gemeint habe, sei dies nicht in der gebotenen Weise konkretisiert worden. Dem Straferkenntnis lasse sich nicht entnehmen, in welche Stoffkategorien Mistel-, Weißdorn- und Knoblauch-Ölmazerate eingeordnet seien und warum es einer Angabe der Menge neben der Angabe von Proteinen, Kohlehydraten und Fetten bedurft hätte, zumal sich auf der Packung ohnehin die Nährwertangaben für 100 g befunden hätten. Da Punkt 3 des Spruchs feststelle, dass Ölmazerate nicht als Nährstoffe zu qualifizieren seien, komme eine Verpflichtung zur Deklaration als "sonstige Nährstoffe" i.S.d. § 5 Abs. 1 Z 3 der Verordnung nicht in Betracht.

Zu 2.: Die Rechtsgrundlage, warum der "diätetisch wirksame Nährstoffgehalt der Ölmazerate" überhaupt zu deklarieren sei, bleibe völlig im Unklaren.

Zu 3.: Das Produkt enthalte laut Deklaration zumindest die Nährstoffe Eiweiß, Fett und Kohlehydrate. Dem Umstand, dass die Ölmazerate nicht als Nährstoffe zu qualifizieren gewesen wären, komme daher keine rechtliche Bedeutung zu. Der Spruch lasse nicht erkennen, warum ausgerechnet die Ölmazerate zur Deckung eines Nährstoffbedarfs dienen müssten. Weiters sei der dem Straferkenntnis zugrunde gelegte Nährstoffbegriff unzutreffend, weil er aus der VO (EG) 1924/2006 zitiert worden sei, die ausschließlich die Regelung der nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben zum Gegenstand habe.

Zu 4.: Die Kennzeichnung des Lebensmittels stehe mit der Bestimmung des § 5 Abs. 3 Z 1 der VO (EG) 416/2000 im Einklang. Die als Altersherz bezeichnete nachlassende Leistungsfähigkeit des Herzens sowie Kreislaufbeschwerden und allgemeine Altersbeschwerden und Leistungsschwäche zählten zu den in § 5 Abs. 3 der Verordnung genannten Krankheiten, Störungen oder Beschwerden.

Zu 5.: Lediglich § 5 Abs. 2 der Verordnung sehe die Angabe "Wichtiger Hinweis" vor, die ganz bestimmten, in Z 1-4 angeführten Angaben "voranzustellen" sei. Der Spruch lasse nicht erkennen, um welche Angaben es sich dabei handle. Hinzu komme, dass es sich bei der in Rede stehenden Vorschrift um eine "per-se-Vorschrift" handle. Verbote auf der Grundlage derartiger per-se-Vorschriften könnten nur dann Bestand haben, wenn sie sich gegen irreführende oder aggressive Praktiken richteten.

 

Der Berufungswerber stellt den Antrag, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

2.1. Der Bürgermeister der Stadt Wels als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

2.2. Nach § 51c VStG hatte der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – nachdem hier weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde – nicht durch eine Kammer, sondern durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt des Bürgermeisters der Stadt Wels zu GZ BZ-Pol-69057-2011; da sich bereits aus diesem Akt der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ und insbesondere bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte im Übrigen gemäß § 51e Abs. 2 Z 1 VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

2.4. Der UVS geht bei seiner Entscheidung von folgendem entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus:

 

Am 21.09.2011 lieferte die Fa. P GmbH, F, W, im Auftrag der Fa. N Vertriebs GmbH, E, W, M-Weichgelatinekapseln an K B (Reformhaus B), R, L. Diese Kapseln wurden von der Fa. N Vertriebs GmbH vertrieben. Handelsrechtlicher Geschäftsführer der Fa. N Vertriebs GmbH ist Herr Mag. B L, geb. X (Firmenbuchauszug vom 20.12.2011).

 

Auf der Packung des Produkts befindet sich insb. folgender Aufdruck:

 

"N

M

Weichgelatinekapseln

 

Inhalt: 36 g, 100 Kapseln

 

Diätetisches Lebensmittel unter medizinischer Kontrolle verwenden!

Kein vollständiges Lebensmittel, daher nicht als einzige Nahrungsquelle geeignet."

 

"N

M

Weichgelatinekapseln

 

mit Ölmazeraten aus Mistel, Weißdorn und Knoblauch

 

Diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (ergänzend bilanzierte Diät) zur Unterstützung bei nachlassender Leistungsfähigkeit des Herzens (Altersherz), bei Kreislaufbeschwerden sowie gegen allgemeine Altersbeschwerden und Leistungsschwäche.

 

Inhalt: 36 g, 100 Kapseln"

 

"Zutaten:

Mistel-Ölmazerat

(1:1) 90 mg,

Weißdorn-Ölmazerat

(1:2) 90 mg,

Knoblauch-Ölmazerat

(1:1) 90 mg,

Gelatine sowie

Feuchthaltemittel:

Glycerin und Sorbit"

 

Nährwertangaben für 100 g:

Eiweiß: 17 g, Fett: 65 g,

Kohlenhydrate: 8 g,

Brennwert: 2815 KJ / 685 kcal

 

Für weitere Informationen

siehe Packungsbeilage

 

Außerhalb der Reichweite von kleinen Kindern lagern."

 

 

Die Verbraucherinformation des gegenständlichen Produkts enthält folgenden Text:

 

"Verbraucherinformation

NATUR-NAHRUNG Mistel-Weißdorn-Knoblauch Weichgelatinekapseln

 

Zutaten:

1 Kapsel enthält: Mistel-Ölmazerat (1:1) 90 mg; Weißdorn-Ölmazerat (1:2) 90 mg; Knoblauch-Ölmazerat (1:1) 90 mg; Gelatine und Feuchthaltemittel: Glycerin und Sorbit.

 

N M-Weichgelatinekapseln enthalten Auszüge mit den natürlichen Wirkstoffen von Mistel, Weißdorn und Knoblauch. Diese Auszüge werden aus frischem Knoblauch sowie getrocknetem Mistelkraut, Weißdornbeeren durch Ausziehen mit Rapsöl hergestellt.

 

Anwendungshinweis:

 

N M-Weichgelatinekapseln erhalten die Leistungsfähigkeit des Herzens, indem sie eine Erweiterung der Gefäße hervorrufen, die wiederum zu einer verbesserten Durchblutung des Herzmuskels und der Herzkranzgefäße führt. Gleichzeitig wird durch den Knoblauch eine Senkung erhöhter Blutfettwerte bewirkt, wodurch altersbedingten Gefäßveränderungen vorgebeugt werden kann.

 

N M-Weichgelatinekapseln sind ein diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (ergänzend bilanzierte Diät), bei Kreislaufbeschwerden sowie gegen allgemeine Altersbeschwerden und Leistungsschwäche.

 

Verzehrempfehlung:

 

Bis zu 3 x täglich eine Kapsel unzerkaut mit Flüssigkeit vor den Mahlzeiten einnehmen.

 

Vorsichtsmaßnahmen:

 

Bei bestehendem Bluthochdruck sind in jedem Falle regelmäßige Blutdruckkontrollen durchzuführen.

 

Sollten Sie gleichzeitig mit Arzneimitteln behandelt werden, die herzwirksame Glykoside enthalten, fragen Sie bitte vor der Anwendung von N M-Weichgelatinekapseln Ihren behandelnden Arzt, da die Wirkung dieser Medikamente unter Umständen verstärkt werden kann.

 

Bei Einhaltung der angegebenen Verzehrempfehlung ist im Allgemeinen nicht mit Nebenwirkungen zu rechnen.

In seltenen Fällen sind Magen-Darm-Beschwerden und Überempfindlichkeitsreaktionen möglich. Bei starker Mehreinnahme dieser Kapseln können Blutdruckabfall und Herzrhythmusstörungen auftreten. Bei Auftreten unerwünschter Wirkungen ist der Arzt oder Apotheker zu informieren.

 

Vertrieb:

 

N Vertriebsgesellschaft mbH.

W, E

Tel.: X    www.X

 

Packungsgrößen:

100 und 300 Kapseln

 

Stand der Verbraucherinformation: Februar 2011"

 

Die vorgenannten Textierungen wurden von der Fa. P, H, W, im Auftrag der Fa. N Vertriebs GmbH durchgeführt.

 

Im Zuge einer Lebensmittelkontrolle am 05.10.2011 im Betrieb K B (Reformhaus B) wurde von einem Lebensmittelaufsichtsorgan eine Probe des Produkts M -Weichgelatinekapseln entnommen (Probe Nr. X) und der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH (AGES) , Lebensmitteluntersuchung und –forschung Wien, Spargelfeldstraße 191, 1220 Wien, zur Untersuchung übermittelt (Auftragsnummer 11103876, Probenzeichen 7007BLAN0086/11).

Das Gutachten der AGES kommt zusammengefasst zum Ergebnis, dass aufgrund der stofflichen Zusammensetzung und Kennzeichnung der vorliegenden Ware die Anforderungen der Verordnung über diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke aus gutachterlicher Sicht nicht erfüllt werden.

 

Mit Schreiben des Amts der Tiroler Landesregierung vom 09.12.2011, Zl. 09170055/FEFR-0007, wurde der Verdacht der Übertretung nach dem LMSVG dem Magistrat Wels übermittelt.

 

Mit Schreiben des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 14.12.2011 wurde die Fa. V GmbH, E, W, aufgefordert mitzuteilen, ob zur Einhaltung der verfahrensgegenständlichen Verwaltungsvorschriften ein verantwortlicher Beauftragter i.S.d. § 9 VStG bestellt worden sei bzw. wer in welcher Funktion für die gegenständliche Verwaltungsübertretung verantwortlich sei. Mit E-Mail vom 19.12.2011 meldete der Berufungswerber sich selbst als verantwortlichen Beauftragten für die Fa. N Vertriebs GmbH.

 

Mit Schreiben des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 17.02.2012 wurde der Berufungswerber zur Rechtfertigung aufgefordert. Darin wurde ihm wortgleich jenes Verhalten zur Last gelegt, welches auch das Straferkenntnis später im Spruch festhielt (vgl. oben 1.1.).

 

2.5. Der dargestellte Sachverhalt ergab sich widerspruchsfrei aus den Beweismitteln.

 

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Gem. § 90 Abs. 3 Z 2 LMSVG begeht, wer den Bestimmungen einer auf Grund der §§ 6, 7 Abs. 1, 9 Abs. 2, 10 Abs. 7 oder 8, 11, 12, 13, 14, 19, 20, 34, 47 Abs. 2 oder 57 Abs. 1 erlassenen Verordnung zuwiderhandelt, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 20 000 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 40 000 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen.

 

Die Verordnung des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen über diätetische Lebensmittel für besondere Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (in der Folge: DLBMZ), BGBl II 416/2000 i.d.F. BGBl II 78/2008, wurde ursprünglich auf Grundlage der §§ 10 Abs. 1, 17 und 19 Abs. 1 des Lebensmittelgesetzes 1975 erlassen. Gem. § 98 Abs. 1 LMSVG gelten Verordnungen auf Grund des LMG 1975 und Verordnungen auf Grund des Fleischuntersuchungsgesetzes als auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassen. Zuwiderhandlungen gegen die DLBMZ sind daher unter die Strafbestimmung des § 90 Abs. 3 Z 2 LMSVG zu subsumieren.

 

3.2. Beim gegenständlichen Produkt handelt es sich unbestritten um ein Lebensmittel, das unter den Geltungsbereich der DLBMZ fällt (§ 2 Abs. 1 Z 3: diätetisch unvollständiges Lebensmittel), weshalb insb. die Kennzeichnungsbestimmungen der §§ 3 ff DLBMZ zu erfüllen sind.

 

3.3. Was unter Inverkehrbringen zu verstehen ist, ergibt sich aus der Begriffsbestimmung nach § 3 Z 9 LMSVG, die auf den Art. 3 Z 8 der VO (EG) 178/2002 verweist. Nach Art. 3 Z 8 VO (EG) 178/2002, ABl 2002 L 31/1 idF ABl 2009 L 188/14, bezeichnet der Ausdruck "Inverkehrbringen" das Bereithalten von Lebensmitteln oder Futtermitteln für Verkaufszwecke einschließlich des Anbietens zum Verkauf oder jede andere Form der Weitergabe, gleichgültig ob unentgeltlich oder nicht, sowie den Verkauf, den Vertrieb oder andere Formen der Weitergabe selbst.

 

Im Absatz 2 des § 3 Z 9 LMSVG wird davon abweichend bei ursprünglich auf Grund des LMG 1975 erlassenen Verordnungen (wie im früher geltenden § 1 Abs. 2 LMG 1975) angeordnet, dass als "Inverkehrbringen" auch das Gewinnen, Herstellen, Behandeln, Einführen, Lagern, Verpacken, Bezeichnen, Feilhalten, Ankündigen, Werben, Verkaufen, jedes sonstige Überlassen und das Verwenden für andere Zwecke, sofern es zu Erwerbszwecken oder für Zwecke der Gemeinschaftsversorgung geschieht, zu verstehen ist. Bei Beurteilung einer Ware ist jedoch auch zu berücksichtigen, ob sich ihre etwaige den lebensmittelrechtlichen Vorschriften nicht entsprechende Beschaffenheit bloß aus der Besonderheit jener Phase des Inverkehrbringens ergibt, aus der sie stammt. Ein "Inverkehrbringen" liegt nicht vor, wenn sichergestellt ist, dass die Ware in ihrer den lebensmittelrechtlichen Vorschriften nicht entsprechenden Beschaffenheit nicht zum Verbraucher gelangt. Die Befugnisse der Aufsichtsorgane gemäß §§ 35, 39 und 41 LMSVG bleiben davon unberührt.

 

Das LMSVG kennt demnach zwei teilweise verschiedene Begriffe des "Inverkehrbringens", wobei grundsätzlich der engere Begriff nach VO (EG) 178/2002 anzuwenden ist. Für die auf Grund des LMG 1975 erlassenen Verordnungen – wie im gegenständlichen Fall die DLBMZ – gilt jedoch der alte Begriff des § 1 Abs. 2 LMG 1975 weiter (vgl Blass ua, LMR3 § 3 LMSVG Rz 35).

 

3.4. Ein Zuwiderhandeln gegen Kennzeichnungspflichten wird nach ständiger Rechtsprechung des VwGH zu der Zeit und an dem Ort begangen, zu der und an dem der Täter hätte handeln sollen. Im Falle der Lieferung eines nicht entsprechend gekennzeichneten Lebensmittels durch einen Erzeugungsbetrieb oder Handelsbetrieb wird die Verwaltungsübertretung am Sitz des Erzeugungsbetriebes oder Handelsbetriebes in dem Augenblick begangen, in dem die Ware expediert wird (VwGH 20.09.1999, 97/10/0011 m.w.N. zu den insofern vergleichbaren Kennzeichnungspflichten der LMKV 1993).

 

Im Spruch der belangten Behörde wurde als Tatzeit die Lieferung des Produkts von der Fa. P GmbH an K B (Reformhaus B) angenommen. Richtigerweise wäre jedoch bei Verletzungen von Kennzeichnungspflichten auf jenen Zeitpunkt abzustellen gewesen, in welcher die Ware expediert wurde, gegenständlich also den Verfügungsbereich der Fa. N Vertriebs GmbH verlassen hat und an die Fa. P GmbH zur Auslieferung übergeben wurde. Zu diesem Tatzeitpunkt fehlen sowohl in der Aufforderung zur Rechtfertigung der belangten Behörde als auch im erstinstanzlichen Straferkenntnis jegliche Feststellungen.

Sofern nach der Intention des Tatvorwurfs überhaupt auf die Belieferung der Filiale in Osttirol abgestellt wurde, wäre in diesem Fall die belangte Behörde im Sinne des § 27 Abs. 1 VStG als unzuständig anzusehen (vgl dazu VwSen-240670/2/BP/Se vom 15.04.2009).

 

3.5. § 44a VStG lautet wie folgt:

"§ 44a. Der Spruch hat, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:

1. die als erwiesen angenommene Tat;

2. die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist;

3. die verhängte Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung;

4. den etwaigen Ausspruch über privatrechtliche Ansprüche;

5. im Fall eines Straferkenntnisses die Entscheidung über die Kosten."

Nach der vom Verwaltungsgerichtshof zu § 44a Z 1 VStG entwickelten Judikatur ist die dem Beschuldigten angelastete Tat im Spruch des Straferkenntnisses so weit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (vgl. VwSlg. 11.466 A/1984 und VwSlg. 11.894 A/1985 jeweils verstärkter Senat). Im Spruch sind alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind. Insbesondere ist dabei die Identität der Tat (Ort, Zeit und die näheren Umstände) möglichst genau zu beschreiben.

 

Der Vorschrift des § 44a Z 1 VStG ist dann entsprochen, wenn

a.     im Spruch des Straferkenntnisse dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und

b.     der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004] Anm 2 zu  § 44a VStG; VwGH 03.10.1985, 85/02/0053).

 

Die Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde ist durch den Abspruchsgegenstand des angefochtenen Bescheides beschränkt (vgl. VwGH 23.11.1993, 93/04/0169). Eine Abänderungsermächtigung besteht nur im Rahmen der "Sache" iSd § 66 Abs. 4 AVG (vgl. etwa VwGH 25.9.1992, 92/09/0178; VwGH 8.2.1995, 94/03/0072; VwGH 3.9.1996, 96/04/0080). Dabei ist Sache des Berufungsverfahrens die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs im Bescheid der Unterbehörde bildet (vgl. u.a. VwGH 24.3.1994, 92/18/0356; VwGH 23.10.1995, 94/04/0080; VwGH 29.10.1996, 96/07/0103; VwGH 19.3.1997, 93/11/0107). Ein Austausch wesentlicher Tatbestandsmerkmale führt zur Anlastung einer anderen Tat und ist daher unzulässig (vgl. VwGH 20.11.1997, 97/06/0170).

 

Da der in Rede stehende Spruch den Erfordernissen des § 44a Z 1 VStG somit offenkundig nicht gerecht wird, war der gegenständlichen Berufung sohin gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG schon aus diesen Gründen insoweit stattzugeben, als das angefochtenen Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs. 1 Z 2 VStG einzustellen war.

 

Ein Eingehen auf das weitere Berufungsvorbringen erübrigt sich damit.

 

3.6. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Berufungswerber gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat noch nach § 71 Abs. 3 LMSVG der Ersatz von Untersuchungskosten vorzuschreiben.

 

Sohin war spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

Mag.a Gerda Bergmayr-Mann

 

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