Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-167941/7/Br/Ka

Linz, 20.08.2013

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn x,  gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich, Zl.: S-326/13-VP, vom 28.  Juni 2013, wegen Übertretungen der StVO 1960, nach der am 20. August 2013 durchgeführter öffentlicher mündlicher Verhandlung und Verkündung, zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Berufung wird  in sämtlichen Punkten Folge gegeben; das Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt;

 

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013 - AVG iVm § 19, § 24,  § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Z1 Verwaltungsstrafgesetz 1991- VStG, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013 - VStG.

Zu II.: § 64 Abs.1 u. 2 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem o.a. Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich wurden über den Berufungswerberin wegen der Übertretungen nach  § 19 Abs.7 iVm § 19 Abs.4 StVO 1960 eine Geldstrafe von 100 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 36 Stunden verhängt, weil er am 05.12.2012 07.30 Uhr, in Linz - Nebenfahrbahn der Gruberstraße Fahrtrichtung Untere Donaulände, Kreuzung mit der Hauptfahrbahn Gruberstraße, nächst bzw. Höhe Gruberstraße Nr.5 das KFZ, LKW R. T., weiß mit dem Kennzeichen x gelenkt und dabei trotz des Vorschriftszeichens „Vorrang geben" den Vorrang eines Fahrzeuges verletzt, weil dessen Lenker zu einem unvermittelten Bremsen bzw. Ablenken seines Fahrzeuges genötigt wurde.

 

 

 

1.1. Die Behörde erster Instanz im Ergebnis begründend aus:

Der dem Spruch zugrundeliegende Sachverhalt ist durch die vorliegende Anzeige vom 17.12.2012, durch den Akteninhalt wie auch das durchgeführte Ermittlungsverfahren erwiesen. Es steht daher fest, dass Sie die im Spruch angeführte Verwaltungsübertretung begangen haben.

 

Sie wurden mit Beschuldigtenladungsbescheid vom 14.01.2013 für den 06.02.2013, 10:00 Uhr zum hsg. Amt geladen. Zugleich wurde Ihnen die Durchführung des Verwaltungsstrafverfahrens ohne Ihre Anhörung angedroht, falls Sie diesem Ladungsbescheid unentschuldigt keine Folge leisten sollten. Der Ladungsbescheid wurde Ihnen laut Zustellnachweis am 18.01.2013 zu eigenen Händen durch Hinterlegung bei der zuständigen Geschäftsstelle des Zustelldienstes gem. § 17 Abs.3 Zustellgesetz zugestellt.

 

Der Termin wurde von Ihnen wahrgenommen und brachten Sie nach Akteneinsicht sinngemäß vor, die Ihnen zur Last gelegte Übertretung nicht begangen zu haben. Sie seien von der Bäckerei „x" gekommen, nachdem Sie dort etwas geholt hätten. Vom Parkplatz seien Sie quasi langsam zur Einfahrt in die Gruberstraße gerollt. Aufgrund der geringen Distanz zwischen Parkplatz und Einfahrt in die Hauptfahrbahn hätten Sie gar keine hohe Geschwindigkeit erreichen können. Sie hätten von links einen Bus kommen gesehen und hätten Sie aus diesem Grund auch angehalten. Dabei hätten Sie das von Ihnen gelenkte KFZ ganz normal zum Stillstand gebracht und hätte dieses dabei nicht in die Busspur der Gruberstraße geragt. Sie könnten sich nicht erklären weshalb der Busfahrer abgebremst hat, zumal Sie ihn weder behindert noch gefährdet hätten. Ihres Erachtens hätte der Busfahrer überreagiert und wahrscheinlich geglaubt, dass Sie ohne anzuhalten bzw. ohne ihn zu beachten in die Gruberstraße einfahren würden. Dies sei aber nicht der Fall gewesen und würden Sie weder am Zustandekommen des Unfalles noch an der Ihnen zur Last gelegten Übertretung das Verschulden tragen. Außerdem sei zu erwähnen, dass der Bus mit einem ganz schönen Tempo daher gekommen sei und zudem die Unfallörtlichkeit zusammen mit der Rettung verlassen hätte. Sie seien es gewesen, der die Polizei verständigt hat.

Es wurde die Einstellung des Verfahrens beantragt.

 

Am 18.02.2013 wurde der Busfahrer, Herr x, als Zeuge vernommen. Nach Erinnerung an die Wahrheitspflicht und die Folgen einer ungerechtfertigten Aussageverweigerung bzw. einer Falschaussage brachte dieser sinngemäß vor, sich an den Vorfall gut erinnern zu können, da es sich dabei um seinen allerersten Unfall als Busfahrer gehandelt habe, bei dem eine Person zu Schaden gekommen sei. Der Bus sei mit Schülern besetzt gewesen und wüsste er daher sicher, dass die Unfallzeit 07.30 Uhr zutreffend sei. Er könnte nicht erklären weshalb der Auszug aus dem Fahrdatenregistriergerät die Zeit 05.30 Uhr enthalte. Nach dem Unfall sei via Funk mit der Leitstelle Kontakt aufgenommen und eine Rettung verständigt worden. Es sei ihm aufgetragen worden, dass er zu warten habe bis die Rettung eintreffe.

Zum Vorfall an sich gebe er an, dass er auf der Gruberstraße in Fahrtrichtung Untere Donaulände gefahren sei, wobei er die Busspur benützt hätte. Er sei in die Haltestelle „x" eingefahren, habe den Fahrgastwechsel durchgeführt und habe er den Bus nach Abfahrt gerade beschleunigt, als er von rechts das gegnerische Fahrzeug wahrgenommen habe. Das Fahrzeug sei in Richtung Gruberstraße gelenkt und angehalten worden, allerdings sei dies so erfolgt, dass dessen Front in die von ihm befahrene Busspur geragt hätte. Die Front hätte schätzungsweise 30 cm in die Busspur geragt. Da auf den Fahrstreifen links von ihm Fahrzeuge unterwegs gewesen seien und daher ein Ausweichen nicht möglich gewesen sei, hätte er abbremsen müssen um eine Kollision mit dem haltenden, in die Busspur ragenden Fahrzeug zu vermeiden. Es sei zwar keine Notbremsung durchgeführt worden, weil sonst bedingt durch die extrem gute Bremswirkung des Busses so ziemlich alle Personen/ Fahrgäste im Bus zu Sturz gekommen wären, allerdings habe er jedenfalls stärker abgebremst. Die Bremsung sei stärker als eine übliche Betriebsbremsung gewesen. Er hätte den Bus rechtzeitig zum Stillstand bringen können, ohne dass es zur einer Berührung mit dem anderen Fahrzeug gekommen sei. Der Abstand zwischen Bus und dem anderen Fahrzeug hätte nach dem zum Stillstand kommen noch etwa einen Meter betragen. Da er im Bus gleich darauf Rufe von hinten hätte hören können, hätte er sich um die Fahrgäste gekümmert. Er habe aber sehen können, dass der Fahrer des anderen Fahrzeuges dieses zurücksetzte, so als ob er nun die Möglichkeit eingeräumt bekomme weiter zu fahren.

 

In weiterer Folge wurde mit der Leitstelle der Linz AG Kontakt aufgenommen, da der im Akt befindliche Auszug aus dem Fahrdatenregistriergerätes des Busses, x die Uhrzeit 04.23 bis 04.47 Uhr enthielt, während sich der Unfall gegen 07.30 Uhr zugetragen haben müsste. In der Folge wurde der richtige Auszug (zu den vermerkten Uhrzeiten ist aufgrund der eingestellten UTC Zeit eine Stunde zu addieren) beigebracht.

Aus der Beilage 1 ergibt sich, dass mit dem Bus am 05.12.2012 um 06:28:55 Uhr eine Fahrgeschwindigkeit von 45 km/h eingehalten wurde und danach bis 06:29:16 Uhr eine (normale) Betriebsbremsung bis zum Stillstand durchgeführt wurde. Danach erfolgte eine kurze Fahrt von knapp 20 Sekunden, wobei eine maximale Geschwindigkeit von 22 km/h erreicht wurde. Danach befand sich der Bus für eine Minute (von 06:29:39 Uhr bis 06:30:04 Uhr) im Stillstand (Anmerkung der Behörde - es handelt sich hier um jenen Zeitraum in der Haltestelle, als der Fahrgastwechsel durchgeführt wurde). Danach wurde um 06:30:04 Uhr der Bus wieder in Bewegung gesetzt und auf eine Maximalgeschwindigkeit von 31 km/h beschleunigt, danach wurde der Bus binnen vier Sekunden von 31 km/h bis zum Stillstand abgebremst.

Aus den Beilagen 2 und 3 ergibt sich, dass nach der Bremsung bis zum Stillstand (Stillstand um 06:30:19 Uhr) eine Stehzeit von 17 Minuten erfolgte.

 

Mit Schreiben der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 26.02.2013 wurden Ihnen die im Akt befindlichen Vernehmungen sowie die angeführten Beilagen in Kopie übermittelt und Sie wurden aufgefordert sich binnen drei Wochen ab Zustellung schriftlich zu rechtfertigen. In diesem Schreiben wurden Sie darauf hingewiesen, dass das Strafverfahren ohne Ihre Anhörung durchgeführt wird, wenn Sie von der Möglichkeit, sich zu rechtfertigen, nicht Gebrauch machen.

 

Am 15.03.2013 erschienen Sie persönlich bei der Behörde und brachten nach neuerlicher Akteneinsicht sinngemäß vor bei Ihren bisherigen Vorbringen bzw. Angaben zu bleiben. Sie hätten keine Vorrang Verletzung zu verantworten und hätte sich das von Ihnen gelenkte Fahrzeug bereits im Stillstand befunden, als der Bus gebremst, habe. Selbst für den Fall, dass der Bus abrupt abgebremst haben sollte, so könne Ihnen dieser Umstand nicht zur Last gelegt werden, da Sie sich im Stillstand befunden hätten. Der Busfahrer habe überreagiert und seien Sie dafür nicht verantwortlich. Das Verfahren sei einzustellen,

 

Gemäß § 19 Abs.4 StVO haben sowohl die von rechts als auch die von links kommenden Fahrzeuge den Vorrang, so vor einer Kreuzung das Vorschriftszeichen "Vorrang geben" oder "Halt" angebracht ist. Ist jedoch auf einer Zusatztafel ein besonderer Verlauf einer Straße mit Vorrang dargestellt, so haben die Fahrzeuge, die auf dem dargestellten Straßenzug kommen, den Vorrang, unabhängig davon, ob sie dem Straßenzug folgen oder ihn verlassen; ansonsten gilt Abs. 1. Beim Vorschriftszeichen "Halt" ist überdies anzuhalten,

 

Gemäß § 19 Abs.7 StVO darf wer keinen Vorrang hat (der Wartepflichtige), durch Kreuzen, Einbiegen oder Einordnen die Lenker von Fahrzeugen mit Vorrang (die Vorrangberechtigten) weder zu unvermitteltem Bremsen noch zum Ablenken ihrer Fahrzeuge nötigen.

 

Gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 2e oder 4 zu bestrafen ist.

 

Es steht unbestritten fest, dass Sie am 05.12.2012 um 07.305 Uhr das KFZ, LKW mit dem Kennzeichen x in Linz, aus der Nebenfahrbahn der Gruberstraße bzw. vom Parkplatz der Fa. x kommend in Richtung der Hauptfahrbahn der Gruberstraße/ Untere Donaulände lenkten und beabsichtigten von der Nebenfahrban nach rechts in die Hauptfahrbahn einzufahren. Unbestritten ist auch, dass vor der Kreuzung mit der Hauptfahrbahn, aus der Nebenfahrbahn kommend, rechtsseitig deutlich sichtbar das Vorrangzeichen „Vorrang geben" angebracht ist. Zur gleichen Zeit lenkte Ihr Unfallgegner, Herr x, den Omnibus mit dem Kennzeichen x auf der Gruberstraße in Fahrtrichtung Untere Donaulände (aus Richtung Lederergasse kommend) wobei von diesem der Fahrstreifen für Omnibusse („Busspur") befahren wurde, welcher als solcher wiederholt kundgemacht ist bzw. am äußerst rechen Fahrbahnrand verläuft. Der Omnibusfahrer beabsichtigte die Kreuzung mit der Nebenfahrbahn in gerader Richtung zu passieren und handelte es sich bei diesem um den Vorrangberechtigten. Im angeführten Kreuzungsbereich wurde der Omnibus binnen vier Sekunden von 31 km/h auf 0 km/h abgebremst und kam der Bus etwa einen Meter vor Ihrem KFZ zum Stehen. Zu einer Fahrzeugberührung kam es nicht, allerdings stürzte durch die Bremsung eine Person im Omnibus und wurde verletzt.

Von Ihnen wurde zu der zur Last gelegten Übertretung nun im Wesentlichen entgegnet, vor der Kreuzung mit der Hauptfahrbahn angehalten und keinesfalls eine Vorrang Verletzung begangen zu haben. Die Fahrzeugfront des von Ihnen gelenkten KFZ habe nicht in die Busspur geragt, hätte der Busfahrer eine hohe Fahrgeschwindigkeit eingehalten (arg. „mit ganz schönem Tempo daher gekommen") und handle es sich um eine Überreaktion des Unfallgegners.

Eine Vorrangverletzung iSd § 19 Abs.4 StVO liegt nur dann vor, wenn der Wartepflichtige im Zeitpunkt des Einbiegens tatsächlich in der Lage war, zu erkennen, dass er gegenüber einem anderen Fahrzeug wartepf[ichtig ist. Es ist daher festzustellen, wo sich das bevorrangte Fahrzeug befunden hat, welche Geschwindigkeit es hatte und wie die Sichtverhältnisse waren (vgl. VwGH 16.05.1962, Zi. 327/62). Im gegenständlichen Fall waren Sie unzweifelhaft aufgrund des deutlich sichtbar angebrachten VZ „Vorrang geben" der Wartepflichtige und haben Sie das Herannahen des Busses auch wahrgenommen. Laut Ihren Angaben rollten Sie langsam aus der Nebenfahrbahn/ Parkplatz kommend in Richtung Hauptfahrbahn und hielten Ihr Fahrzeug aufgrund des herannahenden Omnibusses an. Die Gruberstraße (Hauptfahrbahn) verläuft im gegenständlichen Bereich (Fahrtrichtung Untere Donaulände gesehen) in einem langgezogenen Linksknick und wäre der Bus auf eine Entfernung von etwa 80 m sichtbar gewesen. Von Ihnen wurde der Bus offenbar zu einem Zeitpunkt wahrgenommen als er gerade beschleunigte (arg: „mit ganz schönem Tempo daher gekommen"), sodass davon auszugehen ist, dass dieser bereits aus der Haltestelle „Lederergasse" kommend in Ihre Richtung unterwegs war. Vom Omnibus wurde in dieser Beschleunigungsphase eine Maximalgeschwindigkeit von 31 km/h erreicht, was angesichts der höchst zulässigen Fahrgeschwindigkeit im Ortsgebiet von 50 km/h keinesfalls als überhöht angesehen werden kann.

Der Wartepflichtige hat den Vorrang so lange zu wahren bis der Bevorrangte die Straße bzw. Kreuzung mit der gesamten Länge seines Fahrzeuges verlassen hat. Ob sich der im Nachrang befindliche Fahrzeuglenker dabei im Stillstand oder in Fahrt befindet ist nicht (zwingend) ausschlaggebend. Es steht fest, dass der Busfahrer zum Unfallzeitpunkt von 31 km/h binnen 4 Sekunden bis zum Stillstand abgebremst hat, wodurch ein Fahrgast zu Sturz kam. Ein bloßes Wegnehmen vom Gas stellt kein unvermitteltes Bremsen dar, allerdings handelte sich gegenständlich um eine stärkere Betriebsbremsung bis zum Stillstand, welche offenbar ausreichte einen Fahrgast zu Sturz zu bringen. Sowohl von Ihnen wie auch dem Busfahrer wird übereinstimmend angegeben, dass sich das von Ihnen gelenkte KFZ im Stillstand befunden hat, als vom Vorrangberechtigten die unvermittelte Bremsung eingeleitet wurde. Allerdings divergierend die Angaben dahin gehend, dass von Ihnen behauptet wird nicht in die Busspur hinein geragt zu haben, während Ihr Unfallgegner von einem Hineinragen der Fahrzeugfront von etwa 30 cm spricht. Zwar kann mangels festgehaltener Endstellung weder die eine noch die andere Variante belegt bzw. widerlegt werden, allerdings liegt auch dann ein Vorrangfall vor, wenn der Vorrang berechtigte unter dem Eindruck der augenblicklichen Verkehrssituation Maßnahmen zur Verhinderung eines Zusammenstoßes trifft, die vom Standpunkt eines sorgfältigen Lenkers aus geboten erscheinen (vgl. OGH 27.09.1978, 8 Ob 138/78). Im gegenständlichen Fall ist bei lebensnaher Betrachtung davon auszugehen, dass ein Busfahrer, dessen Fahrzeug mit ca. 60 Personen besetzt ist und für deren Sicherheit er auch die Verantwortung trägt, nicht unüberlegt bzw. gedankenlos eine starke Betriebsbremsung durchführt. Es müssen schon Umstände eintreten, die ein solches durchaus gefährliches Bremsmanöver als notwendig erscheinen lassen, wobei das von Ihrem Unfallgegner beschriebene Hineinragen in die Busspur und spätere Zurücksetzen Ihres Fahrzeuges durchaus solche Umstände sind. Insofern war von einer Vorrangverletzung auszugehen. Davon abgesehen trifft den Wartepflichten, der einen im Vorrang befindlichen Verkehrsteilnehmer zu einem Bremsmanöver veranlasst, auch dann die Verantwortung, selbst wenn die Reaktion des Bevorrangten - rückschauend betrachtet - unzweckmäßig gewesen wäre (vgl. OGH 10.03.1981, 2 Ob 43/81).

 

Somit war für die Behörde erwiesen, dass Sie tatsächlich gegen die angeführte Bestimmung der Straßenverkehrsordnung- schuldhaft verstoßen haben bzw. eine Vorrangverletzung iSd §§ 19 Abs.7 iVm 19 Abs.4 StVO begangen haben, als durch ihr Verhalten der Vorrang berechtigte zum unvermittelten Bremsen genötigt wurde. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden war.

 

Bei der Bemessung der Strafe wurde das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat, berücksichtigt.

 

Die verhängte Geldstrafe entspricht somit dem Unrechts- und Schuldgehalt der Tat und erscheint der Behörde notwendig, Sie in Hinkunft von der Begehung derartiger Übertretungen abzuhalten.

 

Bei der Strafbemessung lagen weder mildernde noch erschwerende Umstände vor, weshalb die verhängte Strafe unter Bedachtnahme auf § 19 VStG als angemessen erscheint.

Der Behörde wurde zu Ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen wie auch sozialen Verhältnissen samt allfälligen Sorgepflichten bekannt gegeben, dass Sie über ein Einkommen von ca. EUR 2.000,-/ Monat verfügen, keine ins Gewicht fallenden Sorgepflichten haben und Eigentümer einer Eigentumswohnung sind. Angesichts dieser Angaben scheint die verhängte Strafe angemessen.

 

Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet."

 

 

 

2. In der dagegen durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter fristgerecht erhobenen Berufung führt der Berufungswerberin Folgendes aus:

"Gegen das oa Straferkenntnis erhebe ich hiermit fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung. Wie ich bereits bei meiner ersten Einvernahme am 05.12.2012 angab, hielt ich den Firmenwagen x zum ggst Zeitpunkt bei der Ausfahrt der Geschäftspassage in der Gruberstraße (Bäckerei x) vor der Busspur an, da ich einen Linienbus auf der Gruberstraße bereits herankommen sah. Unstrittig ist daher die Tatsache, dass ich mein Fahrzeug beim Herannahen des Linienbusses bereits zum Stillstand gebracht hatte und nicht in die Gruberstraße einfuhr, da diese Feststellung auch mit der Aussage des Busfahrers übereinstimmt der angab, dass ich zu ggst. Zeitpunkt mein Fahrzeug angehalten hatte.

Laut Aussage des Busfahrers hätte jedoch mein Fahrzeug ca. 30 cm ! in die do Busspur geragt. Weiters gab er an, dass auf dem Fahrstreifen links von ihm Fahrzeuge fuhren und er deshalb nicht nach links ausweichen hätte können und deshalb den Bus abbremsen hätte müssen um eine Kollision mit meinem Fahrzeug zu vermeiden. Die Bremsung sei stärker als eine übliche Betriebsbremsung gewesen. Aus den Unterlagen ergibt sich eine Fahrgeschwindigkeit des Busses von 31 km/h zum Zeitpunkt der Abbremsung. Die Entfernung des Busses habe etwa 80m betragen.

 

Betreffend der divergierenden Aussagen ob nun mein Fahrzeug in die Busspur ragte oder nicht, stellen Sie in Ihrem Straferkenntnis fest, dass dies weder tatsächlich belegt noch widerlegt werden konnte. Trotzdem führe Sie im Straferkenntnis weiters aus, dass auch dann ein Vorrangfall vorliege, wenn der Vorrangberechtigte unter dem Eindruck der augenblicklichen Verkehrssituation Maßnahmen zur Verhinderung eines Zusammenstoßes trifft, die vom Standpunkt eines sorgfältigen Lenkers geboten erscheinen.

Weiters führen Sie im Straferkenntnis an, dass bei lebensnaher Betrachtung, ein Busfahrer dessen Fahrzeug mit ca. 60 Personen besetzt ist, nicht unüberlegt bzw. gedankenlos eine starke Betriebsbremsung durchführe. Weiters führen Sie an, dass das Hineinragen meines Fahrzeuges und spätere Zurücksetzen durchaus Umstände darstellen, die ein solches Bremsmanöver als notwendig erscheinen lassen. Somit war für die Behörde erwiesen, dass ich tatsächlich gegen die angeführten Bestimmungen verstoßen habe.

 

Eine Nötigung iSd § 19 Abs. 7 StVO liegt dann vor, wenn der Lenker eines Fahrzeuges zu einer plötzlichen Reaktion, also zu einer sofortigen scharfen Bremsung oder Änderung seiner Fahrtrichtung gezwungen wird. Da mein Fahrzeug jedoch definitiv nicht in die Busspur ragte (hier Aussage gegen Aussage), kann ggst. auch nicht von einer Nötigung bzw. von einer Vorrangverletzung gesprochen werden. Ein rein unbegründetes subjektives Empfinden des Vorrangberechtigten kann wohl keine Vorrangverletzung begründen.

Den ggst. Vorfall hat daher ausschließlich der Busfahrer, der diese Situation offensichtlich falsch einschätzte, zu verantworten. Warum dieser annahm, ich könnte ev. auf der Busspur stehen od. ev auch in die Kreuzung einfahren, obwohl ich mein Fahrzeug ja bereits angehalten hatte, ist nicht nachvollziehbar.

 

Auch bei einer fiktiven Annahme, mein Fahrzeug hätte zum ggst. Zeitpunkt tatsächlich, wie vom Busfahrer behauptet, 30 cm in die Busspur geragt, so hätte dieser dennoch genügend Platz auf dem Busfahrstreifen vorgefunden um an meinem bereits stehenden Fahrzeug vorbeizufahren. Die Breite des Busfahrstreifens beträgt an dieser Stelle 3,30 m. Bei einer Breite eines Linienbusses von ca. 2.50 m wäre demnach auch dann ein gefahrloses Vorbeifahren möglich gewesen, wenn er auf seinem Fahrstreifen weiter verbleibt. Eine geringfügige Ermäßigung der Geschwindigkeit wäre nach den Bestimmungen des § 19 StVO dem vorrangberechtigten Kraftfahrer zuzumuten, ohne dass deshalb ein Verstoß gegen § 19 Abs.7 StVO vorliegt. Ein starkes Abbremsen des Busses war jedoch zu diesem Zeitpunkt völlig unnötig und auch objektiv, auch aus der Sicht eines sorgfältigen Lenkers, nicht geboten.

 

Ich beantrage daher das erlassene Straferkenntnis gegen mich aufzuheben und das ggst. Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

Mit freundlichen Grüßen

x"

 

 

2.1. Diese Ausführungen erwiesen sich anlässlich der Berufungsverhandlung als stichhaltig.

 

 

3. Die Behörde erster Instanz hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt; somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser ist, da keine 2.000 Euro übersteigenden Geldstrafen verhängt wurden, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung war hier  ungeachtet der unter 500 Euro festgesetzten Geldstrafen, insbesondere mit Blick auf die Verantwortung der Berufungswerberin  in Wahrung der nach Art. 6 EMRK zu garantierenden Rechte geboten (§ 51e Abs.1 VStG).

 

 

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Verlesung des von der Landespolizeidirektion Oberösterreich vorgelegten Verwaltungsstrafaktes. Diesem angeschlossenen fand sich eine umfassende Fotodokumentation der Unfallörtlichkeit. Ergänzt wurden die Fotos durch die vom Berufungswerber vorgelegten Aufnahmen welche als Beilagen 1 bis 3 zum h. Akt genommen wurden.

Der Berufungswerber wurde als Beschuldigter und der Buslenker, X als Zeuge einvernommen. Auch eine Vertreterin der Behörde erster Instanz nahm an der Berufungsverhandlung teil.

 

 

5. Sachverhalt.

Am 5. Dezember 2012 gegen 7:30 Uhr befand sich der Berufungswerber mit seinem Kastenwagen in der Nebenfahrbahn der Gruberstraße in Fahrtrichtung Untere Donaulände abgestellt. Als er mit seinem Fahrzeug in Richtung Gruberstraße wegfuhr, sah er den sich von hinten annähernden Linienbus, der von 80 m etwa dahinter liegenden Haltestelle ausgefahren war. Während der Buslenker mit einer Fahrgeschwindigkeit - Kontrollgerät von 31 km/h - den auf dem 3,3 m breiten und nach links mit einer Sperrlinie versehenen Fahrstreifen, etwa auf 10 m dem Kreuzungsbereich  angenähert hatte, sah er sich wegen des relativ raschen Heranfahrens an den Kreuzungsbereich durch den Berufungswerber, „vorsichtshalber“ zu einer mittleren Betriebsbremsung veranlasst. Dadurch kam im Bus ein Kind zu Sturz, wobei vorerst der Eindruck vorherrschte, dieses Kind wäre dadurch verletzt worden. Aus diesem Grunde hat er den Bus angehalten. Ebenfalls der Berufungswerber setzte sein noch vor der Ordnungslinie angehaltenes Fahrzeug wieder ein Stück zurück.

In weiterer Folge stellte sich jedoch heraus dass das  Kind unverletzt geblieben war.

 

 

5.1. Anlässlich der Berufungsverhandlung waren sowohl die Angaben des Busfahrers als auch des Berufungswerbers weitestgehend deckungsgleich. Lediglich vermeinte der Buslenker der Berufungswerbers hätte geringfügig in seine Fahrlinie hineingeragt gehabt. Dafür fanden sich aber keine objektivierbare Anhaltspunkte.

Der Buslenker räumt andererseits anlässlich seiner Zeugenaussage ein, dass die von ihm eingeleitete Bremsung im Grunde nur vorsorglich getätigt wurde, weil er sich nicht sicher gewesen sei ob nicht das relativ rasch an die Kreuzung heranfahrende Fahrzeug seinen Vorrang missachten könnte. Dass dies nicht der Fall gewesen ist und letztlich der Pkw noch vor ihm angehalten hatte und er letztlich nicht beeinträchtigt wurde schließlich selbst vom Busfahrer außer Streit gestellt. Seine Einschätzung über ein geringfügiges Hineinragen war letztlich so vage, dass dieses keineswegs als beweissicher herhalten könnte.

Der Berufungswerber verantwortet sich unter Vorlage des sehr anschaulichen Bildmaterials in sich schlüssig und es kann seiner Darstellung durchaus gefolgt werden, weil es auch der Verkehrspraxis entspricht, dass derartige Annäherungen im spitzen Winkel an Kreuzungen bei einem bevorrangten Fahrzeug, in einer erhöhten Vermutung dieses könnte übersehen werden, vorsorgliche Bremsreaktionen auslösen. Dies kann jedoch einem Fahrzeuglenker, der ursächlich für eine Vorsichtsbremsung ist, nicht als Vorrangverletzung zugeschrieben werden.

Auch der Zeuge X räumte ein, dass ihm derartige Situationen in seinem beruflichen Alltag als Buslenker öfter widerfahren und ein solcher Fall bzw. wie auch dieser Fall keinesfalls zur Anzeige gelangt wäre, hätte nicht die Verdachtslage im Hinblick auf die Verletzung des Kindes entstanden, welches im Bus wegen seiner Vorsichtsbremsung gestürzt war.

Das vorliegende Beweisergebnis ist derart gelagert, dass jedenfalls nicht mit einer für eine Bestrafung erforderlichen Sicherheit, selbst von keinem bloß geringfügigen Hineinragen in die Fahrlinie des Buses ausgegangen werden könnte. Vielmehr scheint eher wahrscheinlich, dass der Berufungswerber allenfalls etwas  flott knapp an den bevorrangten Straßenzug heranfuhr.

Der Berufungswerber ist laut eigenen berufsbedingt jährlich 70.000 km unterwegs, wobei er mit einer einzigen Ausnahme wegen eines Geschwindigkeitsdeliktes vor einigen Jahren, bislang im Straßen unbeanstandet teilgenommen hat. Auch dies bescheinigt ihm angesichts der hohen Kilometerleistung im Grunde eine tadellose Fahrweise.

 

 

6. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 19 Abs.4 u. 7 StVO gilt, wenn vor einer Kreuzung das Vorschriftszeichen “Vorrang geben” oder “Halt” angebracht ist, so haben sowohl die von rechts als auch die von links kommenden Fahrzeuge den Vorrang. Ist jedoch auf einer Zusatztafel ein besonderer Verlauf einer Straße mit Vorrang dargestellt, so haben die Fahrzeuge, die auf dem dargestellten Straßenzug kommen, den Vorrang, unabhängig davon, ob sie dem Straßenzug folgen oder ihn verlassen; ansonsten gilt Abs. 1. Beim Vorschriftszeichen “Halt” ist überdies anzuhalten.

Wer keinen Vorrang hat (der Wartepflichtige), darf durch Kreuzen, Einbiegen oder Einordnen die Lenker von Fahrzeugen mit Vorrang (die Vorrangberechtigten) weder zu unvermitteltem Bremsen noch zum Ablenken ihrer Fahrzeuge nötigen.

Hier gilt es ausschließlich die Frage des Hineinragens in den bevorrangten Straßenbereich zu klären!

Der von der Rechtsprechung der Zivilgerichte entwickelte Grundsatz, dass sich der Vorrang auf die ganze Fahrbahn der bevorrangten Straße bezieht und auch dann nicht verlorengeht, wenn sich der im Vorrang befindliche Verkehrsteilnehmer verkehrswidrig verhält (ZVR 1990/155 mit weiteren Nachweisen, uva, zuletzt 2 Ob 47/94), hat – wie auch hier - seine Richtigkeit in dem Fall, dass der bevorrangte Verkehr vom wartepflichtigen Verkehrsteilnehmer wahrgenommen oder schuldhaft nicht wahrgenommen wird sowie, dass mit einem Verkehr auf der bevorrangten Straße gerechnet werden muss. Er verliert jedoch dann seine Wirkung, wenn der auf der bevorrangten Straße fahrende Verkehrsteilnehmer vom Wartepflichtigen nicht oder nicht aus dieser Annäherungsrichtung erwartet werden kann, also mit einer derartigen Fahrweise nicht gerechnet werden konnte und musste (s. OGH 9.2.1995, 2Ob49/93; 2Ob69/95; 2Ob172/04i; 2Ob94/09a);

 

Der Wartepflichtige wahrt jedoch im Allgemeinen den Vorrang des Bevorrangten schon dann, wenn er sein Fahrzeug vor der verlängert gedachten, ihm zunächstliegenden Begrenzungslinie der bevorrangten Querfahrbahn anhält (im vorliegenden Fall vor der strichlierten Ordnungslinie - OGH 21.12.1995, 2Ob25/95).

Durch § 19 Abs 7 StVO soll sichergestellt werden, dass der Wartepflichtige nicht nur durch den Beginn seines die Fahrweise des Vorrangberechtigten allenfalls beeinträchtigenden Fahrmanövers (Kreuzen, Einbiegen oder Einordnen), sondern durch die Durchführung dieses Fahrmanövers bis zu seiner Beendigung den Vorrangberechtigten nicht in der in dieser Gesetzesstelle dargestellten Weise behindern, also zu unvermitteltem Bremsen oder zum Ablenken seines Fahrzeuges nötigen darf (RIS: RS0074800, sowie 8 Ob 211/78; 2 Ob 213/78; 8 Ob 50, 51/81; 8 Ob 6/82; ZVR 1984/134 ua).

Die vorsichtshalber eingeleitete mittlere Betriebsbremsung, welche angesichts des noch vor der Ordnungslinie (Kreuzungslinie) anhaltenden Berufungswerber nicht weder erzwungen noch erforderlich gewesen wäre, ist nicht als Vorrangverletzung zu qualifizieren.

Schon bei bloßem Zweifel an der Tatbegehung ist nämlich von der Fortführung eines Verwaltungsstrafverfahrens abzusehen und dessen Einstellung zu verfügen (vgl. VwGH 12.3.1986, Zl. 84/03/0251; ZfVB 1991/3/1122).

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. B l e i e r

 

 

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