Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-301243/11/Gf/VS/Rt

Linz, 16.08.2013

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Gróf über die Berufung des H, geb. XX, vertreten durch Dr. R, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 22. März 2012, GZ.: Pol96-2010, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Glücksspielgesetz zu Recht erkannt:

 

 

I.            Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

 

II.         Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag für das Berufungsverfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm § 66 Abs 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrensgesetz 1991 – AVG;

zu II: § 66 Abs 1 VStG.

 

 

 


Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes des Bezirks Gmunden (im Folgenden: belangte Behörde) vom 22. März 2012, GZ.: Pol96-2010, wurde der Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wie folgt schuldig erkannt:

 

"Während einer Kontrolle nach dem Glücksspielgesetz am 02.12.2010 durch die Organe der Abgabebehörde, Finanzamt Gmunden Vöcklabruck, als Organe der öffentlichen Aufsicht im Sinne des § 50 Abs. 2 GSpG, im Lokal mit der Bezeichnung Pizzeria in Straße, wurden 2 Glücksspielgeräte betriebsbereit und eingeschaltet dienstlich wahrgenommen und ein fortgesetzter Eingriff in das Glücksspielmonopol des Bundes durch Glücksspiele in Form von verbotenen Ausspielungen festgestellt. Es konnten Glücksspiele, etwa das virtuelle Walzenspiel mit der Bezeichnung 'Aloha Hawaii, Hot Fruits' festgestellt werden, mit welchen selbständig nachhaltig Einnahmen erzielt wurden, welche also von einem Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 2 GSpG veranstaltet wurden, für welche zur Teilnahme am Spiel eine vermögenswerte Leistung in Form des Einsatzes zu entrichten war, für welche vom Unternehmer vermögenswerte Leistungen in Verbindung mit dem Erreichen bestimmter Symbolkombinationen in Aussicht gestellt wurden und welche weder von einer Konzession oder Bewilligung nach dem GSpG umfaßt, noch nach § 4 GSpG vom Glücksspielmonopol des Bundes ausgenommen waren.

Die Geräte wurden von den Kontrollorganen durch aufgeklebte Numerierung gekennzeichnet und nach Durchführung von Testspielen zwecks Verhinderung eines weiteren Eingriffs in das Glücksspielmonopol vorläufig beschlagnahmt, versiegelt und vor Ort belassen.

Nach Ihrer eigenen, niederschriftlich festgehaltenen Aussage erhalten Sie 50 % des erzielten Gewinnes der gegenständlichen Geräte.

 

Sie haben sich als Unternehmer iSd § 2 Abs 2 GSpG an den im Lokal mit der Bezeichnung 'Pizzeria' in Straße, mit zwei Glücksspielgeräten, mit der Gehäusebezeichnung:

1) Golden Island, Seriennummer G41

2) Golden Island Casino, Seriennummer GE006

 

von den Kontrollorganen mit der Numerierung von 1 bis 2 versehen, veranstalteten Glücksspielen in Form von verbotenen Ausspielungen iSd. § 2 Abs. 4 GSpG, an denen vom Inland aus teilgenommen werden konnte, in der Zeit von Anfang Oktober 2010 bis 02.12.2010 beteiligt.

Sie haben damit eine Verwaltungsübertretung nach § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG, viertes Tatbild, begangen.

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie folgende Strafe verhängt:

 

Geldstrafe von falls diese uneinbringlich ist, Freiheitsstrafe von    Gemäß

Ersatzfreiheitsstrafe von

 

1) 300 Euro 14 Stunden -                     § 52 Abs. 1 Zi. 1 GSpG

2) 300 Euro 14 Stunden - detto

 

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

zu 1) und 2) je 30 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe

(je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich 15 Euro angerechnet);

Euro als Ersatz der Barauslagen für

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

660 Euro.

 

Zahlungsfrist:

Wird keine Berufung erhoben, so ist der Bescheid sofort vollstreckbar. Der Gesamtbetrag (Strafe, Kosten, Barauslagen) ist sodann unverzüglich entweder mit dem beiliegenden Zahl(Erlag)schein zu überweisen oder unter Mitnahme dieses Bescheides bei der Behörde einzuzahlen. Bei Verzug muss damit gerechnet werden, dass der Betrag - ohne vorhergehende Mahnung - zwangsweise eingetrieben und im Fall seiner Uneinbringlichkeit die Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt wird.

 

Begründung:

Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden hat, als die nach § 50 Abs 1 GSpG zuständige Behörde, aufgrund der ausführlich dokumentierten Anzeige des Finanzamtes Gmunden Vöcklabruck, vom 10.01.2011 Zl.: 053/73198/2010, ein Verwaltungsstrafverfahren wegen des sich als Unternehmer iSd § 2 Abs. 2 GSpG an verbotenen Ausspielungen iSd § 2 Abs 4 GSpG, an denen vom Inland aus teilgenommen werden konnte, Beteiligens gegen Sie eingeleitet.

Es wurde folgender, verfahrenswesentlicher Sachverhalt zur Anzeige gebracht:

Bei einer am 02.12.2010, um 17:35 Uhr, im Lokal mit der Bezeichnung 'Pizzeria', in Straße, von Organen der Abgabenbehörde, Finanzamt Gmunden Vöcklabruck, als Organe der öffentlichen Aufsicht iSd § 50 Abs 2 GSpG durchgeführten Kontrolle nach dem Glücksspielgesetz wären 2 Glücksspielgeräte mit der Gehäusebezeichnung 1) Golden Island, Seriennummer G41, FA‑Kenn[n]ummer 1, 2) Golden Island Casino, Seriennummer GE006, FA‑Kenn[n]ummer 2, betriebsbereit und eingeschaltet vorgefunden worden, mit welchen seit Anfang Oktober 2010 wiederholt verschiedene Glücksspiele in Form von verbotenen Ausspielungen durch Herrn K veranstaltet wurden, zum Beispiel das virtuelle Walzenspiel mit der Bezeichnung Aloha Hawaii, welches auch als Testspiel während der Kontrolle durchgeführt worden war. Aufgrund der für die Spielteilnahme bedungenen Spieleinsätze und der vom Veranstalter in Aussicht gestellten Gewinne wäre fortgesetzt gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG verstoßen worden und deshalb in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen worden, weil diese Ausspielungen weder von der erforderliche Konzession oder Bewilligung nach dem Glücksspielgesetz umfaßt waren, noch nach § 4 GSpG vom Glücksspielmonopol des Bundes ausgenommen waren.

 

Die angezeigten Glücksspiele in Form virtueller Walzenspiele, z.B. das angezeigte Walzenspiel mit der Bezeichnung 'Aloha Hawaii', verliefen entsprechend folgender generalisierender Beschreibung:

Die angebotenen Spiele, sohin auch das angezeigte virtuelle Walzenspiel, waren deshalb Glücksspiele iSd § 1 Abs 1 GSpG, weil die Spieler in keiner Weise gezielt Einfluss auf das Zustandekommen einer gewinnbringenden Symbolkombination nehmen konnten, die Entscheidung über den Spielerfolg also jeweils ausschließlich vom Zufall abhing. Die Spieler konnten lediglich ein Spiel auswählen, einen Einsatz, bzw. Gewinnplan wählen und das Spiel durch Tastenbetätigung auslösen. Zudem erschien nach dem Geldeinwurf bei beiden Geräten folgender Hinweis: 'Dieses Gerät basiert auf reinem Zufall'

Die Spiele waren somit Glücksspiele iSd § 1 Abs. 1 GSpG.

 

Die Spiele konnten nur nach Eingabe von Geld ausgewählt und zur Durchführung aufgerufen werden. Für jedes Spiel wurde ein bestimmter Mindesteinsatz bedungen, der durch entsprechende Tastenbetätigung gesteigert werden konnte. In den zum jeweiligen Spiel gehörenden Gewinnplan wurden in Verbindung mit bestimmten Symbolkombinationen unterschiedlich hohe Gewinne in Aussicht gestellt. Sämtliche Gewinne wurden mit jeder Einsatzsteigerung erhöht. Mit dem Betätigen der Start-Taste wurde, nach Abzug des vorgewählten Einsatzbetrages, das Spiel ausgelöst. Nach kurzem Walzenumlauf, bei dem die dargestellten Symbole in ihrer Lage so verändert wurden, dass der optische Eindruck von rotierenden Walzen entstand, stand die zufallsbedingt erfolgte Entscheidung über den Spielerfolg fest. War eine Symbolkombination eingetreten, welche einer der Angaben im Gewinnplan entsprach, dann war ein Gewinn erzielt worden, der am Bildschirm auch optisch und akustisch besonders hervorgehoben wurde, andernfalls war der Einsatz verloren.

Die Glücksspiele wurden also in Form von Ausspielungen durchgeführt.

 

Die gegenständlichen Glücksspiele wurden auf Namen der Firma betrieben.

Nach Ihrer, in der während der Kontrolle am 02.12.2010 aufgenommenen Niederschrift festgehaltenen Aussage, wird Ihnen von der Firma regelmäßig ein Anteil in Höhe von 50 % der erzielten Gewinne der Glückspielgeräte im Zusammenhang mit der Durchführung der angezeigten Glücksspiele bezahlt.

Der Gerätebetreiber entrichtet demnach an Sie regelmäßige Zahlungen in der Höhe von 50 % der erzielten Gewinne weil Sie die für die Durchführung der angezeigten Glücksspiele in Form von verbotenen Ausspielungen die Räumlichkeiten dem Glücksspielveranstalter zur Verfügung stellten.

 

Sie haben durch die Vermietung von für die Durchführung von Glücksspielen notwendigen Räumlichkeiten selbständig eine nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen aus der Durchführung von Glücksspielen ausgeübt.

Sie haben sich somit als Unternehmer iSd. § 2 Abs 2 GSpG an der Durchführung von Glücksspielen in Form von Ausspielungen iSd § 2 Abs 1 GSpG beteiligt.

 

Für diese Ausspielungen waren nachweislich weder eine Konzession oder Bewilligung nach dem GSpG erteilt worden, noch waren diese Ausspielungen nach § 4 GSpG vom Glücksspielmonopol des Bundes ausgenommen.

Die Ausspielungen wurden also in Form von verbotenen Ausspielungen iSd § 2 Abs. 4 GSpG durchgeführt.

 

Die gegenständlichen Glücksspiele, an denen vom Inland aus teilgenommen werden konnte, bei denen die Spieler eine vermögenswerte Leistung in Zusammenhang mit der Teilnahme am Glücksspiel erbringen mussten und bei denen vom Unternehmer eine vermögenswerte Leistung in Aussicht gestellt worden war, wurden also ohne Rechtsgrundlage von einem Unternehmer iSd. § 2 Abs. 2 GSpG veranstaltet.

Aufgrund der vorstehenden Ausführungen wurden die für die gegenständlichen Glücksspiele erforderlichen technischen Einrichtungen (Anschluss an eine Datenleitung, usw.) sowie die Räumlichkeiten von Ihnen an die Firma vermietet wodurch Sie als Unternehmer iSd § 2 Abs" GSpG an verbotenen Ausspielungen, an denen vom Inland aus teilgenommen werden konnte, beteiligt haben.

 

Dieser Sachverhalt wurde Ihnen mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 06.05.2011 zur Kenntnis gebracht.

 

Sie haben den dargelegten Sachverhalt wesentlich abändernde Gründe nicht vorgebracht.

 

Durch Ihre rechtsfreundliche Vertretung gaben Sie am 24.05.2011 lediglich an, dass Sie mit der Fa. GmbH & Co KG seit 6 Jahren in Geschäftsverbindung stehen würden. Sie hätten Ihr Einverständnis bezüglich des Aufstellens der 2 Automaten nur unter der Voraussetzung gegeben, dass die Apparate genehmigt wären. Dies sei Ihnen seitens der Firma zugesichert worden. Sie hätten auch von der Firma Gutachten bezüglich der Geräte erhalten.

 

Als Rechtsgrundlage wurden herangezogen:

….

 

Es wurde daher erwogen:

 

Auf Grund der ausführlichen und umfassenden Dokumentation der gegenständlichen Glücksspiele in Form verbotener Ausspielungen durch die Organe des Finanzamtes als Organe der öffentlichen Aufsicht iSd § 50 Abs 2 GSpG und aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme waren für die Behörde zweifelsfrei als Glücksspiele im Sinne des § 1 Abs 1 GSpG zu qualifizierende Spiele gegeben, welche von einem Unternehmer iSd § 2 Abs 2 GSpG veranstaltet wurden.

Ferner stand für die Behörde zweifelsfrei fest, dass für die Durchführung dieser Glücksspiele bestimmte Spieleinsätze bedungen wurden und dafür unterschiedlich hohe vermögenswerte Gewinne in Aussicht gestellt wurden.

Die gegenständlichen Spiele konnten mit einem Mindesteinsatz in der Höhe von 0,10 Euro durchgeführt werden, dem ein in Aussicht gestellter Höchstgewinn von 5 Euro + 23 AG gegenüber stand. Der maximale Einsatz betrug 50 Cent. Dafür wurde ein Höchstgewinn von 20 Euro + 23 AG in Aussicht gestellt.

 

Ein Nachweis dafür, dass Spieleinsätze von mehr als € 10.- tatsächlich von einem Spieler geleistet wurden, konnte weder von den Kontrollorganen, noch von der Behörde erbracht werden. Ein solcher Einsatz wurde auch von Ihnen nicht behauptet.

Die angezeigten Glücksspiele unterliegen somit jedenfalls den Bestimmungen des Glücksspielgesetzes.

 

Eine Rechtsgrundlage für die vorliegenden Ausspielungen wurde der Behörde nicht nachgewiesen. Aufgrund der ausführlich dokumentierten Anzeige und den vorliegenden Ermittlungsergebnissen haben Sie Glücksspielgeräte die für die Durchführung von Glücksspielen die gegenständliche Räumlichkeit an die Firma vermietet.

 

Für die Behörde stand somit zweifelsfrei fest, dass Sie sich als Unternehmer iSd § 2 Abs 2 GSpG an den angezeigten Ausspielungen beteiligt haben, welche in Form verbotener Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs 4 GSpG, an denen vom Inland aus teilgenommen werden konnte, mit den von Ihnen vermieteten, dafür bestimmten technischen und räumlichen Einrichtungen veranstaltet wurden. Aufgrund der festgestellten Betriebsdauer der festgestellten Glücksspielgeräte, welche die Durchführung der Ausspielungen ermöglichten, haben Sie durch die gegenständliche Vermietung fortgesetzt gegen § 52 Abs 1 Z 1 GSpG, viertes Tatbild, verstoßen.

Es lag sohin ein unzulässiger Eingriff in das Glücksspielmonopol des Bundes vor.

Im Ermittlungsverfahren wurden Sie als Verantwortlicher festgestellt, weicher sich als Unternehmer iSd § 2 Abs 2 GSpG an Glücksspielen in Form von verbotenen Ausspielungen beteiligt hat.

 

Gemäß § 5 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, soweit die Verwaltungs­vorschrift nichts anderes bestimmt. Da das GSpG keine diesbezügliche Spezialnorm kennt, genügt für die Sanktionsmöglichkeit bereits die fahrlässige Begehung. Als Maßstab für die anzuwendende Sorgfalt des Täters ist dabei jene Sorgfalt zu berücksichtigen, zu der der Täter nach den Umständen des einzelnen Falles verpflichtet wäre.

Auf Grund der Tätigkeit als Unternehmer gehört es zu ihren grundlegenden Aufgaben, sich über die Zulässigkeit der Ausübung von Glücksspielaktivitäten zu informieren. Diese Überwachungsaufgabe oblag ihnen als Betreiber des gegenständlichen Lokales und war ihnen auf Grund der öffentlich zugänglichen Informationen (z.B. www.bmf.gv.at, RIS etc.) auch zumutbar.

Auch die Behauptung, eines Rechtsirrtums kann nicht überzeugen, da aus dem Gesamtzusammenhang des Verhaltes nicht angenommen werden kann, dass die irrige Rechtsauslegung unverschuldet erfolgte bzw. sie das Unerlaubte ihres Verhaltens nicht einsehen konnte. Es bedarf bei der Einhaltung der einem am Wirtschaftsleben teilnehmenden obliegenden Sorgfaltspflicht vielmehr der Objektivierung durch geeignete Erkundigungen. Diese erfolgten im gegenständlichen Fall lediglich bei beteiligten Unternehmern nicht aber bei Behörden.

Die Beteiligung an der verbotenen Ausspielung erfolgte daher zumindest fahrlässig."

 

Die belangte Behörde schließt mit Erwägungen zur Strafbemessung.

1.2. Gegen den oben dargestellten Bescheid richtet sich die vom Beschuldigten rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 29. März 2012, mit welcher der gesamte Bescheid wie folgt angefochten wird:

 

"Als Berufungsgrund werden Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht.

 

1.

Zur geltend gemachten Mangelhaftigkeit des Verfahrens:

a)

Die Erstbehörde stellt im bekämpften Bescheid fest, dass die gegenständlichen Spiele mit einem Mindesteinsatz von € 0,10 durchgeführt werden konnten, dem ein in Aussicht gestellter Höchstgewinn von € 5,00 + 23 AG gegenüberstand. Der maximale Einsatz betrug € 0,50, dafür wurde ein Höchstgewinn von € 20,00 + 23 AG in Aussicht gestellt.

Die angezeigten Glückspiele würden jedenfalls den Bestimmungen des Glückspielgesetzes unterliegen. Des weiteren führt die Erstbehörde dazu aus, dass eine Rechtsgrundlage für die vorliegenden Ausspielungen der Behörde nicht nachgewiesen wurde. Aufgrund der ausführlich dokumentierten Anzeige und den vorliegenden Ermittlunqsergebnissen hätte der Beschuldigte Glückspielgeräte, die für die Durchführung von Glückspielen geeignet sind, in seinen Räumlichkeiten an die Firma vermietet.

Die von der Behörde angesprochenen 'vorliegenden Ermittlungsergebnisse' wurden dem Beschuldigten zu keinem Zeitpunkt zur Kenntnis gebracht bzw. wurden diese Ergebnisse dem Beschuldigten vor Erlassung des Straferkenntnisses auch nicht vorgehalten, sodass der Beschuldigte zu diesen Ermittlungsergebnissen nicht Stellung nehmen konnte.

 

Die Erstbehörde hat damit das rechtliche Gehör des Beschuldigten verletzt und ist damit das Verfahren mit einem schweren Mangel behaftet.

 

b)

Der Beschuldigte hat der Erstbehörde mit Schriftsatz vom 24.5.2011 zwei Gutachten des allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen aus dem Sachgebiet 'Automaten' R P vorgelegt. Dazu hat der Beschuldigte in der schriftlichen Rechtfertigung ausgeführt, dass diese beiden Gutachten seitens der Firma mit dem Bemerken übergeben wurden, dass damit nachgewiesen wäre, dass die gegenständlichen Glücksautomaten nicht dem Glückspielgesetz unterliegen.

Die Erstbehörde hat sich mit diesen beiden Gutachten in keiner Weise auseinander gesetzt und damit das vom Beschuldigten angebotene Beweismittel mit Stillschweigen übergangen. Das Verfahren ist deshalb mit einem schweren Verfahrensmangel behaftet, zumal in den beiden Gutachten der Gutachter zum Ergebnis gelangt, dass es sich bei den von ihm geprüften Spielautomatentypen 'Online Terminal im Gehäusetyp Golden Island Kosmo' und 'Online Terminal im Gehäusetyp Casino' um keine Glückspielsautomaten im Sinne des § 2 Abs. 2 und Abs. 3 GSpG und des OÖ. Spielapparate- und Wettgesetz handelt.

Indem die Erstbehörde auf diese Gutachten in keiner Weise eingegangen ist, diese auch in keiner Weise inhaltlich erörtert hat, ist das erstinstanzliche Verfahren mit Mangelhaftigkeit behaftet.

 

c)

Darüberhinaus hat der Beschuldigte als Zeugen zum Beweis dafür, dass er davon ausgehen konnte, dass die von der Firma übergebenen Spielautomaten nicht dem OÖ. Spielapparate- und Wettgesetz unterliegen, die Einvernahme des Zeugen G, per Adresse Fa., beantragt.

Seitens der Firma, Herrn G, wurde dem Beschuldigten versi­chert, dass die übergebenen Automaten für das Aufstellen im Lokal des Beschuldigten zugelassen sind und er daher keinerlei Schwierigkeiten bekommen werde.

 

Die Unterlassung der Einvernahme des beantragten Zeugen G stellt daher einen Verfahrensmangel dar, welcher das erstinstanzliche Verfahren mit Mangelhaftigkeit behaftet.

 

 

2.

Zur geltend gemachten unrichtigen rechtlichen Beurteilung:

 

Die Erstbehörde hätte jedoch bereits aufgrund des Akteninhaltes mit einer Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens vorgehen müssen.

Der Beschuldigte hat vorgebracht, dass ihm seitens der Firma die im Akt be­findlichen beiden Gutachten je vom 15.3.2010 des allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen aus dem Sachgebiet 'Automaten' R P mit der Erklärung übergeben wurden, dass die an den Beschuldigten übergebenen und in dessen Geschäftslokal aufgestellten Spielautomaten somit nicht dem Glücksspielgesetz und auch nicht dem OÖ. Spielapparate- und Wettgesetz unterliegen. Der Beschuldigte, der schon jahrelang mit der Firma X zusammenarbeitet, wobei bisher von der Firma X keine Automaten geliefert wurden, welche der Gesetzeslage nicht entsprochen hätten, konnte davon ausgehen, dass auch die nunmehr gelieferten Automaten in Verbindung mit den beiden übergebenen Gutachten der Rechtslage entsprechen.

Der Beschuldigte musste nicht davon ausgehen, dass er mit Übergabe der beiden Gutachtens seitens der Firma getäuscht wird.“

 

Der Bw beantragt, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung der Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen. In eventu wird der Antrag gestellt, das Straferkenntnis aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Erstbehörde zurückzuverweisen.

 

1.3. Die belangte Behörde legte mit Schreiben vom 5. April 2012 die Berufung samt dem bezughabenden Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vor.

 

 

2.1. Mit Schreiben vom 16. Juli 2012 hat der Oö. Verwaltungssenat gegen den Beschuldigten des gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 78 Abs 1 StPO Anzeige an die zuständige Staatsanwaltschaft wegen Verdachts einer gemäß § 168 StGB gerichtlich strafbaren Handlung erstattet und das anhängige Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 30 Abs 2 VStG ausgesetzt.

 

Eine gerichtliche oder staatsanwaltschaftliche Verständigung über den Abschluss dieses Verfahrens lag dem Oö. Verwaltungssenat – trotz Urgenzschreiben vom 12. November 2012 und vom 28. Februar 2013 und der erneuten Übermittlung einer Kopie des gegenständlichen Aktes an die Staatsanwaltschaft Wels mit Schreiben vom 11. April 2013 – im Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung nicht vor.

 

 

3.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsstrafakt der belangten Behörde. Da bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben war, konnte gemäß § 51e Abs 2 Z 1 VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

Die Beschlagnahme der gegenständlichen Glücksspielgeräte wurde mit Berufungserkenntnis des Oö. Verwaltungssenates vom 3. Februar 2011, VwSen-300995/2/BP/Ga, als rechtmäßig bestätigt. Auch der Verwaltungsgerichtshof bestätigte mit Erkenntnis vom 27. April 2012, 2011/17/0074-3, die Beschlagnahme der gegenständlichen Glücksspielgeräte.

 

3.2. Unter Berücksichtigung des Sachverhalts aus dem Beschlagnahmeverfahren und der unbedenklichen erstbehördlichen Darstellung (vgl Pkt. 1.1. und 1.2.) geht der Oö. Verwaltungssenat zusammengefasst von folgendem Sachverhalt aus:

 

Aufgrund einer von Organen der Abgabenbehörde am 02.12.2010 im Lokal mit der Bezeichnung "Pizzeria" in Straße, durchgeführten Kontrolle wurden die Glücksspielgeräte "Golden Island", Seriennummer G41 und "Golden Island Casino", Seriennummer GE006 betriebsbereit aufgestellt und funktionsfähig vorgefunden und in der Folge vorläufig beschlagnahmt. Mit den Geräten wurden – wie sich nicht zuletzt auch aus der hinsichtlich der in Rede stehenden Geräte erfolgten Beschlagnahmeentscheidung des Oö. Verwaltungssenates vom 03.02.2011, protokolliert zu VwSen-300995/2/BP/Ga, ergibt – von Anfang Oktober 2010 bis zur Beschlagnahme am 2. Dezember 2010 wiederholt Glücksspiele hauptsächlich in Form von virtuellen Walzenspielen durchgeführt, bei denen für einen bestimmten Einsatzbetrag in Verbindung mit bestimmten Quoten Gewinne in Aussicht gestellt worden sind.

 

Der konkrete Spielablauf stellt sich – erneut nicht zuletzt auch aufgrund der in der zitierten Beschlagnahmeentscheidung bestätigten Feststellungen – für das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenates unter Bezugnahme auf die durch Testspiele erhobenen und im Akt ausführlich dokumentierten Ermittlungen der einschreitenden Abgabenbehörden, deren Glaubwürdigkeit nicht zu beanstanden ist, wie folgt dar:

 

Die virtuellen Walzenspiele konnten durch Betätigung mechanischer Tasten oder virtueller Bildschirmtasten zur Durchführung aufgerufen werden. Nach Eingabe von Geld, Auswahl eines Einsatzbetrages mit der "Setzen"-Taste und Auslösung des Spieles durch die Start-Taste oder die Auto(matic)-Start-Taste wurden die am Bildschirm dargestellten Symbole auf den virtuellen Walzen ausgetauscht oder in ihrer Lage verändert, sodass der optische Eindruck von rotierenden, senkrecht ablaufenden Walzen entstand.

 

Nach etwa einer Sekunde kam der "Walzenlauf" zum Stillstand. Ein Vergleich der nun neu zusammengesetzten Symbole mit den im Gewinnplan angeführten gewinnbringenden Symbolkombinationen ergab nun einen Gewinn oder den Verlust des Einsatzes.

 

Bei den Walzenspielen hatte man keinerlei Möglichkeit, gezielt Einfluss auf das Zustandekommen gewinnbringender Symbolkombinationen zu nehmen. Es war nur möglich, nach Eingabe eines Geldbetrages als Spielguthaben ein Spiel auszuwählen und zur Durchführung aufzurufen, den Einsatz zu wählen, die Start-Taste so lange zu betätigen, bis das aufgerufene Walzenspiel ausgelöst wurde und nach etwa einer Sekunde den Verlust des Einsatzes oder einen Gewinn festzustellen.

 

Der Ausgang dieser Spiele konnte vom Spieler nicht beeinflusst werden. Die Entscheidung über das Spielergebnis hing somit jedenfalls vorwiegend vom Zufall ab. An den beiden Geräten wurden für einen bestimmten Einsatzbetrag Gewinne in Aussicht gestellt. Zu den diesbezüglichen in Aussicht gestellten Gewinn-Quoten ist festzuhalten, dass bei den vorgenommenen finanzpolizeilichen Probespielen bei den gegenständlichen Geräten ein Verhältnis von 1:50 (bei einem festgestellten Mindesteinsatz von 0,10 Euro wurde ein Höchstgewinn von 5 Euro in Aussicht gestellt) festgestellt wurde (vgl dazu die finanzpolizeiliche Fotodokumentation sowie die Ausführungen der belangten Behörde im bekämpften Straferkenntnis).

 

 

3.3. Gemäß § 51c VStG hatte der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – weil hier keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde – durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied.

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 52 Abs 1 Z 1 Glücksspielgesetz (GSpG) in der zum Tatzeitpunkt maßgeblichen Fassung BGBl I Nr 73/2010 beging derjenige eine Verwaltungsübertretung und war hierfür mit einer Geldstrafe bis zu 22.000 Euro zu bestrafen, der „zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 4 veranstaltet, organisiert, anbietet oder unternehmerisch zugänglich macht oder sich als Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 2 daran beteiligt".

Nach § 168 Abs 1 StGB ist derjenige mit einer Freiheitsstrafe bis zu 6 Monaten oder mit einer Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen, der "ein Spiel, bei dem Gewinn und Verlust ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängen oder das ausdrücklich verboten ist, veranstaltet oder eine zur Abhaltung eines solchen Spieles veranstaltete Zusammenkunft fördert, um aus dieser Veranstaltung oder Zusammenkunft sich oder einem anderen einen Vermögensvorteil zuzuwenden, [...] es sei denn, dass bloß zu gemeinnützigen Zwecken oder bloß zum Zeitvertreib und um geringe Beträge gespielt wird".

4.2. Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ist im Lichte des verfassungsrechtlichen Doppelbestrafungs- und -verfolgungsver­botes gemäß Art 4 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK (ZPzEMRK) von einer stillschweigenden Subsidiarität der allenfalls anzuwendenden glücksspielgesetzlichen Verwaltungsstrafbestimmung gegenüber dem gerichtlichen Straftatbestand des § 168 StGB auszugehen (vgl VwGH 08.09.2009, 2009/17/0181; VwGH 22.03.1999, 98/17/0134; VfSlg 15.199/1998). Daraus folgt, dass eine Bestrafung nach der Verwaltungsstrafbestimmung dann zu unterbleiben hat, wenn sich der Täter nach dem § 168 StGB strafbar gemacht hat. Auch der Wegfall der Strafbarkeit nach dem primär heranzuziehenden Tatbestand infolge Eintritt eines Strafaufhebungsgrundes könne nicht die Anwendbarkeit des subsidiären Straftatbestandes (neu) begründen, handelt es sich bei dieser Form der Konkurrenz doch um die Verdrängung des subsidiären Tatbestandes durch den vorrangig anzuwendenden (so VwGH 22.03.1999, 98/17/0134).

Ob eine Tat den Tatbestand einer gerichtlich strafbaren Handlung erfüllt, ist grundsätzlich als Vorfrage iSd § 38 AVG zu beurteilen, wobei die Behörde im Zweifelsfall die Verfahrensvorschrift des § 30 Abs 2 VStG zu beachten hat (vgl. VwGH 22.03.1999, 98/17/0134; VwGH vom 22.08.2012, 2012/17/0156 unter Hinweis auf VwGH 14.12.2011, 2011/17/0233). Dabei ist die Behörde an einen strafgerichtlichen Einstellungsbeschluss nicht gebunden, sondern hat iSd ständigen Rechtsprechung des VwGH selbst zu beurteilen, ob ein vom Gericht zu ahndender Tatbestand vorlag (vgl etwa VwGH 14.12.2011, 2011/17/0233 unter Hinweis auf VwGH 22.03.1999, 98/17/0134).

4.3. Mit der Glücksspielgesetz-Novelle 2008, BGBl I Nr 54/2010, wurde in § 52 Abs 2 GSpG eine ausdrückliche Zuständigkeitsklausel zur Abgrenzung zwischen verwaltungsbehördlicher und gerichtlicher Strafbarkeit eingefügt. Danach handelt es sich dann, wenn im Zusammenhang mit der Teilnahme an einer Ausspielung (mit oder ohne Glücksspielautomaten) von einem Spieler vermögenswerte Leistungen von über 10 Euro pro Spiel geleistet werden, schon ex lege nicht mehr um "geringe Beträge" iSd § 168 Abs 1 StGB, sodass insoweit "eine allfällige Strafbarkeit nach diesem Bundesgesetz [GSpG] hinter eine allfällige Strafbarkeit nach § 168 StGB zurück[tritt]".

Im (überholten) Erkenntnis vom 22. August 2012, 2012/17/0156, hatte der Verwaltungsgerichtshof noch dazu festgehalten, dass die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden nach den für die Spiele geleisteten Einsätzen zu erfolgen habe, da § 52 Abs 2 GSpG auf die Leistung eines Einsatzes von mehr als 10 Euro in einem einzelnen Spiel abstelle. Eine Subsidiarität der verwaltungsbehördlichen Strafbarkeit gegenüber dem gerichtlichen Straftatbestand ergebe sich daher nur für die Veranstaltung von Spielen, bei denen der Einsatz 10 Euro übersteigt.

In diesem Erkenntnis äußerte sich der Verwaltungsgerichtshof allerdings bloß zu einer der beiden Voraussetzungen des Straflosigkeitsmerkmals der 2. Variante im letzten Gliedsatz des § 168 Abs 1 StGB ("oder bloß zum Zeitvertreib und um geringe Beträge"). Da die Wendung "geringe Beträge" lediglich eine der beiden kumulativen Voraussetzungen für die in § 168 Abs 1 letzter Teilsatz StGB normierte Straffreiheit bildet, ist auch von einer gerichtlichen Strafbarkeit hinsichtlich jener Glücksspiele auszugehen, bei denen die Einsätze pro Einzelspiel zwar unterhalb der Geringfügigkeitsgrenze liegen, die aber nicht "bloß zum Zeitvertreib" gespielt werden. Dies ist nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, welcher sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 22. März 1999, 98/17/0134, angeschlossen hatte, etwa dann der Fall, wenn der Spielveranstalter vorsätzlich Serienspiele veranlasst oder zu solchen Gelegenheit bietet (vgl OGH 03.10.2002, 12 Os 49/02; OGH 20.07.1992, 15 Os 21/92; OGH 22.08.1991, 15 Os 27/91). Da somit eine Strafbarkeit gemäß § 168 StGB auch dann gegeben sein kann, wenn zwar Einsätze von unter 10 Euro pro Einzelspiel geleistet werden, es sich aber um Serienspiele iSd OGH-Judikatur handelt, ist in diesen Fällen hinsichtlich des Verhältnisses zu den Verwaltungsstraftatbeständen des GSpG nicht auf § 52 Abs 2 GSpG, sondern auf die eingangs zitierte Judikatur zurückzugreifen, der zufolge eine allenfalls anzuwendende glücksspielgesetzliche Verwaltungsstrafbestimmung hinter den gerichtlichen Straftatbestand des § 168 StGB stillschweigend zurücktritt.

Auch Heinz Mayer vertritt in seinem Beitrag: "Das Verbot der Doppelbestrafung im Glücksspielrecht", ecolex 2013, Seiten 80 ff, die Auffassung, dass mit dem § 52 Abs 2 GSpG nur das Merkmal "geringe Beträge" im § 168 Abs 1 StGB präzisiert wurde. Nach Analyse der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs (VfSlg 15.199 und VfSlg 18.833) betreffend Vermeidung eines Verstoßes gegen das Doppelbestrafungsverbot durch verfassungskonforme Interpretation hält Mayer dem zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 22. August 2012 mit Recht kritisch entgegen (vgl ecolex 2013, 81 f):

"Wenn der VwGH im Erk v 22.8.2012 (FN 5: VwGH 22.8.2012, 2012/17/0156) nunmehr die Subsidiarität nur insoweit gelten lassen will, als es ausschließlich um Einsätze von mehr als Euro 10,- geht, so verkennt er die verfassungsrechtliche Bedeutung des Doppelbestrafungsverbots und das Erk des VfGH VfSlg 15.199. Folgt man dem VwGH, so hätte § 52 Abs 2 GSpG eine Doppelbestrafung dort ermöglicht, wo sie nach früherer Rechtslage nicht möglich war; dies lediglich deshalb, weil § 52 Abs 2 GSpG nunmehr den Begriff des 'geringen Betrages' des § 168 Abs 1 StGB definiert. Diese Auffassung ist unzutreffend; sie kann sich weder auf den Gesetzestext noch auf die Gesetzesmaterialien stützen. Die ErläutRV (FN 6: 658 BlgNR 14. GP 8) zur GSpG-Nov 2008 (FN 7: BGBl I 2010/54) zeigen deutlich, dass der Gesetzgeber beabsichtigte, der Rsp des VfGH Rechnung zu tragen und eine subsidiäre Kompetenz der Verwaltungsstrafbehörde zu normieren.

Die vom VwGH im Erk 22.8.2012 (FN 8: VwGH 22.8.2012, 2012/17/0156) gewählte Auslegung des § 52 Abs. 2 GSpG unterstellt dieser Bestimmung einen verfassungswidrigen Inhalt, indem sie nicht nur diese Bestimmung verkennt, sondern auch die Reichweite des verfassungsrechtlichen Doppelbestrafungsverbots gem Art 4 Abs 1 7. ZP. Die vom VwGH in diesem Erk vertretene Rechtsansicht macht es im Ergebnis ausschließlich vom Verhalten eines von ihm nicht beeinflussbaren Dritten abhängig, ob ein Veranstalter nur vom Gericht oder zusätzlich auch von der Verwaltungsbehörde bestraft wird; eine solche Auslegung scheint auch unsachlich und damit gleichheitswidrig.

Zuletzt ist darauf hinzuweisen, dass die im Erk VwGH 22. 8. 2012 vertretene Auffassung in Konflikt mit der Rsp des OGH im Falle von Serienspielen gerät; in diesen Fällen nimmt der OGH auch bei geringen Einsätzen eine Strafbarkeit gem § 168 StGB an (FN 9: Vgl OGH 14.12.1982, 9 Os 137/82; 22.8.1991, 15 Os 27/91; 3.10.2002, 12 Os 49/02 EvBl 2003/22)."

 

In seiner jüngsten Grundsatzentscheidung vom 13.06.2013, B 422/2013, tritt der Verfassungsgerichtshof der beginnend mit dem Erkenntnis vom 22. August 2012, 2012/17/0156, geänderten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ausdrücklich entgegen und führt zur Abgrenzung der verwaltungsrechtlichen von der gerichtlichen Strafbarkeit im Glücksspielrecht (Hervorhebungen nicht im Original) unter Punkt III. (RN 26 ff) Folgendes aus:

 

"Ungeachtet der Formulierung des § 52 Abs. 2 GSpG (iVm dem Straftatbestand des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG) kann diesem nicht der (verfassungswidrige) Inhalt unterstellt werden, dass die Abgrenzung der Zuständigkeit der Verwaltungsstrafbehörde nach dem Glücksspielgesetz und der Strafgerichte nach § 168 StGB nach den vom jeweiligen Spieler tatsächlich geleisteten Einsätzen (höchstens oder über € 10,-) abhängt. Der Verwaltungsstraftatbestand des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG erfasst nämlich das Veranstalten, Organisieren, Anbieten oder unternehmerisch Zugänglichmachen von verbotenen Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 4 GSpG. Die Strafbarkeit knüpft somit nicht - wie dies aus der Textierung des § 52 Abs. 2 GSpG missverstanden werden könnte - an das Verhalten des konkreten Spielers - also daran, ob dieser im Einzelfall einen Einsatz von höchstens oder unter € 10,- an einem Glücksspielautomaten tatsächlich leistet - an, sondern stellt auf das Verhalten jener Person ab, die einem Spieler verbotene Ausspielungen ermöglicht ('wer ... veranstaltet, organisiert, anbietet oder unternehmerisch zugänglich macht ...' - § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG). Bei der Abgrenzung der Strafbarkeit nach § 52 Abs. 1 (Z 1) GSpG und nach § 168 StGB sowie damit auch der Zuständigkeit der Verwaltungsstrafbehörden und der Strafgerichte ist somit - bei einer verfassungskonformen, das Verbot der Doppelbestrafung gemäß Art. 4 Abs. 1 7. ZPEMRK berücksichtigenden Auslegung (vgl. VfSlg. 15.199/1998 mwN) - darauf abzustellen, ob derjenige, der eine Ausspielung etwa mit einem Glücksspielapparat oder Glücksspielautomaten bzw. mit einem darauf installierten Spielprogramm veranstaltet, organisiert, anbietet oder unternehmerisch zugänglich macht, der bzw. das Einsätze von höchstens € 10,- oder mehr als € 10,- ermöglicht. Würde auf die tatsächlichen Einsätze des jeweiligen Spielers abgestellt (wie dies der Verwaltungsgerichtshof in der zitierten Rechtsprechung [Anm: VwGH vom 22.08.2012, 2012/17/0156, VwGH vom 27.02.2013, 2012/17/0342 und VwGH vom 15.03.2013, 2012/17/0365] und die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid tun), würde eine Tat, also ein Lebenssachverhalt bzw. dasselbe Verhalten einer Person (nämlich des in § 52 Abs. 1 [Z 1] GSpG und § 168 StGB umschriebenen Täterkreises), in mehrere strafbare Handlungen zerlegt, obwohl diese strafbaren Handlungen dieselben wesentlichen Elemente ('essential elements') aufweisen und die eine strafbare Handlung den Unrechtsgehalt der anderen in jeder Beziehung mitumfasst. Das Veranstalten, Organisieren, Anbieten oder unternehmerisch Zugänglichmachen von verbotenen Ausspielungen, bei denen Einsätze bis zu € 10,- pro Spiel geleistet werden können, erschöpft sich vollständig in dem gemäß § 168 Abs. 1 StGB strafbaren Verhalten in Bezug auf (Automaten)Glücksspiele bzw. die darauf installierten Spielprogramme mit Einsätzen über € 10,-.

 

Bei einer verfassungskonformen Interpretation des § 52 Abs. 2 (iVm § 52 Abs. 1 Z 1) GSpG hinsichtlich der Abgrenzung der Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden von jener der Strafgerichte darf es somit nur darauf ankommen, ob eine 'Glücksspielveranstaltung' (also das Veranstalten, Organisieren, Anbieten oder unternehmerisch Zugänglichmachen von verbotenen Ausspielungen mit Spielautomaten über einen bestimmten Zeitraum) mit einem Einsatz von über € 10,- pro Spiel ermöglicht wird, und nicht darauf, ob der jeweilige Spieler Einsätze von höchstens € 10,- oder mehr als € 10,- tatsächlich leistet. Dabei umfasst das Veranstalten, Organisieren, Anbieten oder unternehmerisch Zugänglichmachen jeweils nur einen konkreten Spielautomaten und nicht mehrere Spielautomaten (gemeinsam).

 

… Die belangte Behörde hat somit dem § 52 Abs. 2 (iVm § 52 Abs. 1 Z 1) GSpG einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt, indem sie nicht auf den maximal möglichen Einsatz der vom Beschwerdeführer betriebenen Glücksspielautomaten, sondern auf den jeweils von Spielern geleisteten Einsatz pro Spiel abstellte. Da der Beschwerdeführer unbestrittenermaßen Ausspielungen mit zwei Glücksspielautomaten, welche einen Höchsteinsatz von € 10,50 pro Spiel ermöglichten, veranstaltete und deswegen auch in erster Instanz strafgerichtlich gemäß § 168 StGB verurteilt wurde, scheidet eine doppelte Bestrafung wegen ein und derselben Tat nach § 52 Abs. 1 Z 1 (iVm § 52 Abs. 2) GSpG aus.

 

… Aus der dargelegten verfassungskonformen Interpretation der Abgrenzungsregelung des § 52 Abs. 2 GSpG ergibt sich im Übrigen die Verpflichtung der Verwaltungsstrafbehörde - auch nach Maßgabe der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art. 7 B‑VG bzw. Art. 2 StGG und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gemäß Art. 83 Abs. 2 B-VG - stets zu ermitteln, welcher mögliche Höchsteinsatz an einem Glücksspielautomat geleistet werden kann (bzw. ob Serienspiele veranlasst werden können), um derart beurteilen zu können, ob eine Gerichtszuständigkeit gemäß § 168 StGB oder die Zuständigkeit der Verwaltungsstrafbehörden gemäß § 52 Abs. 1 GSpG besteht."

 

Dieser Rechtsansicht des Verfassungsgerichtshofes hat sich nunmehr auch der Verwaltungsgerichtshof – in ausdrücklicher Abkehr von seiner zuvor zitierten Rechtsansicht – angeschlossen (VwGH 23.07.2013, 2012/17/0249).

4.4. Zudem ist gemäß § 22 Abs 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG idF BGBl I Nr 33/2013, soweit die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, eine Tat als Verwaltungsübertretung nur dann strafbar, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet.

Mit dem am 1. März 2013 in Kraft getretenen § 22 VStG idF BGBl I Nr 33/2013, der mangels anderslautender Übergangsbestimmung auch für den vorliegenden Fall maßgeblich ist, soll nach dem Willen des Gesetzgebers nunmehr eine generell subsidiäre verwaltungsbehördliche Strafbarkeit normiert werden und eine Tat "als Verwaltungsübertretung nur dann strafbar sein, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet" (vgl Erl RV BGBl I Nr 33/2013, 2009 BlgNR 24. GP, S 20 "Zu Z 4 (§ 22 samt Überschrift)".

Aus dem § 22 Abs 2 VStG idF BGBl I Nr. 33/2013 ergibt sich nunmehr, dass sowohl Taten, die zueinander in Realkonkurrenz stehen ("Hat jemand durch mehrere selbstständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen") als auch Taten, die zueinander in echter Idealkonkurrenz stehen ("oder fällt eine Tat unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen"), entweder von einer oder von mehreren Verwaltungsbehörden nebeneinander zu bestrafen sind.

Auf Grund der in der Neufassung des § 22 Abs 1 VStG generell vorgesehenen ausdrücklichen Subsidiarität der verwaltungsbehördlichen Strafbarkeit gegenüber Gerichtsdelikten ist konsequenter Weise die in der alten Fassung des § 22 Abs 2 VStG noch enthaltene Bestimmung, nach der auch beim Zusammentreffen von Verwaltungsübertretungen mit von einem Gericht zu ahndenden strafbaren Handlungen die Strafen nebeneinander zu verhängen waren, entfallen.

Offenbar im Interesse der Rechtssicherheit zwecks zuverlässiger Vermeidung einer verfassungsrechtlichen Konfliktlage soll eine Tat ganz allgemein nur mehr dann als Verwaltungsübertretung strafbar sein, wenn sie nicht auch – wenn auch nur teilweise - den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet. Auf diese Weise können auch schwierige Auslegungsfragen im Zusammenhang mit einer bisher nur stillschweigend anzunehmenden Subsidiarität (vgl etwa "same essential elements" - Doktrin des VfGH) vermieden und die Verwaltungsbehörden entlastet werden.

Im richtungweisenden Erkenntnis vom 11. Mai 1998, 98/10/0040 (= VwSlg 14.890 A/1998) hat der Verwaltungsgerichtshof unter Auswertung von Vorjudikatur für eine ausdrückliche Subsidiaritätsklausel betreffend eine Tat, die den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, ausgesprochen, dass es nicht erforderlich sei, dass das verdrängende und das verdrängte Delikt die gleiche Angriffsrichtung haben und dass die Subsidiarität auch dann greife, wenn der Gerichtstatbestand nicht allein durch die verwaltungsstrafrechtlich relevanten Elemente des Verhaltens, sondern erst durch Hinzutreten weiterer Sachverhaltselemente erfüllt werde.

Zusammenfassend kann daher festgestellt werden, dass die zunächst vom Verfassungsgerichtshof in VfSlg 15.199/1998 und anschließend auch vom Verwaltungsgerichtshof (VwGH 22.03.1999, 98/17/0134) angenommene verfassungskonforme Interpretation im Wege der stillschweigenden Subsidiarität der Bestimmungen des Glücksspielgesetzes gegenüber dem § 168 StGB nunmehr ex lege durch die generelle ausdrückliche Subsidiarität nach dem § 22 Abs 1 VStG idF BGBl I Nr 33/2013 nicht nur abgesichert wurde, sondern der (bedingungslose) Vorrang des konkurrierenden Gerichtsdelikts im Sinne von VwSlg 14.890 A/1998 nunmehr durch ausdrückliche gesetzliche Subsidiarität angeordnet worden ist. Dies bedeutet weiter im Ergebnis, dass bei Glücksspielen (verbotenen Ausspielungen) mit Einsätzen über 10 Euro, mögen sie auch mit solchen darunter einhergehen, sowie bei Glücksspielen, die nicht bloß zum Zeitvertreib (Serienspiele) gespielt werden, jedenfalls eine die Verwaltungsdelikte ausschließende gerichtliche Strafbarkeit anzunehmen ist.

Die ausdrückliche Subsidiarität setzt nur voraus, dass eine Tat (auch) den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet. Es ist gleichgültig, ob es dabei zu einer tatsächlichen Bestrafung des Täters durch ein Gericht kommt (vgl Hauer/Keplinger, SPG-Kommentar4, 2011, Anm 3 zu § 85 SPG mwN). Die Subsidiaritätsklausel verlangt dies nicht, sondern stellt ausschließlich auf die selbstständige Beurteilung durch die Verwaltungsstrafbehörde ab. Selbst wenn die gerichtliche Bestrafung mangels Zurechnungsfähigkeit, fehlenden Vorsatzes, Verjährung, Einstellung oder sogar aufgrund einer Arbeitsüberlastung des Gerichtes oder der Staatsanwaltschaft nicht erfolgt, liegt eine Verwaltungsübertretung nicht vor (vgl Hauer/Keplinger, SPG-Kommentar4, 2011, Anm 3 zu § 85 SPG mwN).

Außerdem hat der Verfassungsgerichtshof in der zitierten jüngsten Entscheidung zur bisher bloß stillschweigenden Subsidiarität – bei der gebotenen verfassungskonformen Interpretation – für die Abgrenzung von verwaltungsrechtlicher und gerichtlicher Strafbarkeit im Glücksspielrecht darauf abgestellt, ob an einem Glücksspielgerät Höchsteinsätze von über 10 Euro möglich sind bzw ob auch Serienspiele veranlasst werden können und bereits für diese Möglichkeiten, die auch die Versuchsstrafbarkeit einschließen, eine gerichtliche Strafbarkeit nach § 168 StGB angenommen.

 

Nichts Anderes kann insofern auch für die von § 22 Abs 1 VStG angeordnete ausdrückliche Subsidiarität gelten!

4.5.1. Da beim Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren – wie unter Punkt 2.1. festgehalten – der begründete Verdacht einer Strafbarkeit gemäß § 168 StGB entstanden ist, war der Oö. Verwaltungssenat verpflichtet, gemäß § 78 Abs 1 StPO Anzeige an die Staatsanwaltschaft zu erstatten und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 30 Abs 2 VStG bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Gerichts auszusetzen (vgl VwGH 14.12.2011, 2011/17/0233; VwGH 08.09.2009, 2009/17/0181). Dies deshalb, weil vor dem Hintergrund der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 52 Abs 2 GSpG und der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zum Verhältnis zwischen dem gerichtlichen und verwaltungsrechtlichen Glücksspielstrafrecht (VfSlg 15.199/1998) Zweifel betreffend die Annahme und Reichweite einer Scheinkonkurrenz vorhanden waren. Ab dem Zeitpunkt des Bestehens von Zweifeln an der verwaltungsbehördlichen Zuständigkeit hätte aber jede weitere Ermittlungstätigkeit seitens des Oö. Verwaltungssenates nicht nur im Widerspruch zu § 30 Abs 2 VStG, sondern auch zu Art 4 7. ZPzEMRK, der neben einem Doppelbestrafungs- auch ein Doppelverfolgungsverbot normiert, gestanden.

4.5.2. Mit 1. März 2013 trat § 22 VStG idF BGBl I 33/2013 in Kraft (siehe zur Funktionsweise als ausdrückliche Subsidiarität weiter unter Pkt 4.4.). Durch diese Normierung der allgemeinen, ausdrücklichen Subsidiarität für Verwaltungsstrafbestimmungen ergibt sich für die vom Oö. Verwaltungssenat ausgesprochene Aussetzung die Konsequenz, dass unabhängig davon, ob bzw wie eine strafgerichtliche oder staatsanwaltliche Reaktion erfolgt, die Tat (= der einheitliche Lebenssachverhalt; siehe dazu auch VfGH 13.06.2013, B 422/2013 [Rz 27]) als Verwaltungsübertretung nicht mehr strafbar ist, wenn sie unter § 168 StGB (bzw §§ 15, 168 StGB oder §§ 12, 15, 168 StGB) zu subsumieren ist – und zwar unabhängig davon, ob teilweise Einsätze unter oder über 10 Euro tatsächlich geleistet wurden. In Zusammenschau mit der nunmehr auch für das geltende Glücksspielrecht ausdrücklichen und unzweifelhaften Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 13. Juni 2013 – dessen Rechtsansicht sich aktuell auch der Verwaltungsgerichtshof in ausdrücklicher Abkehr von seiner bisherigen Rechtsansicht angeschlossen hat (VwGH 23.07.2013, 2012/17/0249) –, welche einerseits die Reichweite des § 168 StGB klarstellt und andererseits die Funktion (VfGH 13.06.2013, B 422/2013 [Rz 30]; "...Abgrenzungsregelung...“) und den Regelungsinhalt des § 52 Abs 2 GSpG mit Art 4 7. ZzPEMRK in Einklang bringt (VfGH 13.06.2013, B 422/2013, ebenso uHa auf diese Entscheidung VfGH 26.06.2013, B 63/2013), ergibt sich sohin für den Oö. Verwaltungssenat aus jetziger Sicht, dass eine vom Oö. Verwaltungssenat durchzuführende selbstständige Beurteilung der gerichtlichen Strafbarkeit nach § 168 StGB (im Sinne der strafrechtlichen stRsp des OGH zu dieser Bestimmung) Klarheit im Hinblick auf die vormalig bestehenden Zweifel nach § 30 Abs 2 VStG bringt. Dies umso mehr, als dem Grunde nach erkannt werden muss, dass im Falle einer vom Gesetzgeber ausdrücklich und umfassend normierten Subsidiarität (§ 22 VStG) – bei im Übrigen nunmehr eindeutiger verfassungskonformer Abgrenzung zwischen gerichtlicher und verwaltungsrechtlicher Strafbarkeit durch den Verfassungsgerichtshof – keine Zweifel darüber bestehen können, dass bei Vorliegen der gerichtlichen Strafbarkeit eine ausschließliche Zuständigkeit der Strafgerichte besteht und damit auch begrifflich schon keine Verwaltungsübertretung in Betracht kommt (arg. "... nur dann ... strafbar ...").

Vor dem Hintergrund der nunmehr mit § 22 VStG ausdrücklich und umfassend normierten Subsidiarität der verwaltungsbehördlichen Strafbarkeit sowie insbesondere auch der eindeutigen aktuellen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes – der im Übrigen auch der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich folgt – konnte der Oö. Verwaltungssenat daher nunmehr eine selbstständige strafrechtliche Beurteilung vornehmen.

4.6. Die selbstständige strafrechtliche Beurteilung durch den Oö. Verwaltungssenat ergibt Folgendes:

4.6.1. Vorweg ist festzuhalten, dass am 5. November 2011 in einer LeiterInnenbesprechung bei der Oberstaatsanwaltschaft Linz die grundsätzliche Anwendbarkeit der Serienspieljudikatur des OGH ausdrücklich bestätigt wurde.

 

Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 13.06.2013, B 422/2013 abschließend festhält, kommt es bei verfassungskonformer Interpretation der Abgrenzungsregelung des § 52 Abs. 2 GSpG allein darauf an, welcher mögliche Höchsteinsatz an einem Glückspielgerät geleistet werden kann bzw. ob Serienspiele veranlasst werden können. Sobald daher die bloße Möglichkeit von Höchsteinsätzen bei einem Spielgerät von über 10 Euro oder die Möglichkeit der Abhaltung von Serienspielen im Sinne der OGH-Judikatur besteht, liegt daher nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes eine ausschließliche Gerichtszuständigkeit gemäß § 168 StGB vor.

 

Durch den Verwaltungsakt ist eindeutig belegt, dass die beiden gegenständliche Geräte mit "Automatik-Start-Tasten" bzw "Automatik-Start-Funktionen" ausgestattet sind. Dies indiziert – wie bereits im Anzeigeschreiben vom 12. Juli 2012 dargelegt – die gerichtliche Strafbarkeit des Betriebs dieser Geräte aufgrund der – in Zusammenschau der Serienspieljudikatur des OGH mit der aktuellen Entscheidung des VfGH zweifelsfrei erkennbaren – Möglichkeit, damit Serienspiele zu veranstalten.

 

Im gegebenen Zusammenhang liegt daher der strafbare Versuch einer gemäß § 168 StGB iVm § 15 StGB mit gerichtlicher Strafe bedrohten Glücksspielveranstaltung vor, da allein schon das unternehmerische Zugänglichmachen ebenso wie das Aufstellen bzw zur Verfügung stellen von Glücksspielgeräten eine Versuchshandlung iSd § 15 Abs 2 StGB hinsichtlich des Tatbildes der Förderung einer Glücksspielzusammenkunft (vgl dazu § 168 Abs 1 StGB 2. Tabildvariante) und überhaupt das vorsätzliche Verschaffen einer Spielgelegenheit – etwa durch den "Spielautomatenaufsteller" oder einen "die Gewinnabgeltung besorgenden Gastwirt" (Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 168 Rz 14 uHa Rainer, SbgK § 168 Rz 12) – auf mit einer "Automatic-Start-Taste" ausgestatteten Glücksspielgeräten schon vor dem ersten Spielgeschehen den strafbaren Versuch der Veranstaltung von Serienglücksspielen im Sinne der 1. Tatbildvariante des § 168 Abs 1 StGB darstellt (vgl allgemein zu den Begehungsweisen Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 168 Rz 14 ff, die etwa die Förderung einer Glücksspielzusammenkunft schon "durch Beistellung entsprechender Räume oder Spielutensilien, durch Werbung oder durch sonstige Dienstleistungen" bejahen, und Leukauf/Steininger, Kommentar zum StGB3 § 168 Rz 9 ff). Allein der Umstand des zur Verfügung Stellens derartiger Geräte stellt bei entsprechendem Tatvorsatz somit jedenfalls schon den strafbaren Versuch der Förderung einer Glücksspielzusammenkunft (§ 168 Abs 1 2. Tatbildvariante) sowie allenfalls auch die strafbare Beteiligung am Versuch der Veranstaltung eines Glücksspiels (§ 168 Abs 1 1. Tatbildvariante StGB) dar.

 

Mit anderen Worten: Bereits durch die Beistellung, betriebsbereite Aufstellung und öffentliche Zugänglichmachung eines mit einer "Automatic-Start-Taste" ausgestatteten Glücksspielgeräts, bei dem die angezeigten Spiele mit dieser Taste ausgelöst werden können, wird der strafbare Versuchsbereich der Tatbilder des § 168 Abs 1 StGB als Ausführungshandlung oder zumindest ausführungsnahe Handlung in Bezug auf die Veranstaltung von Serienglücksspielen und die Förderung der Abhaltung von Serienglücksspielen beschritten. Umso mehr, als man sich vergegenwärtigt, dass der Anknüpfungspunkt für die ausführungsnahe Handlung iSd § 15 Abs 2 StGB die Ausführungshandlung selbst ist, welche in ihrer Reichweite aufgrund der Ausgestaltung des § 168 StGB als Gefährdungsdelikt weit zu verstehen ist.

 

4.6.2. Darüber hinaus ist nach den gegebenen Umständen zu erkennen, dass der Beschuldigte im Sinne des § 5 Abs 1 2. Halbsatz StGB die Verwirklichung des Tatbildes jeweils ernstlich für möglich gehalten und sich damit auch abgefunden hat:

 

Schon die Tatsache, dass auf den mit einer "Automatik-Start-Taste" ausgestatteten Glücksspielgeräten Glücksspiele im Sekundentakt bzw noch schneller ablaufen, zeigt ganz offensichtlich, dass solche Ausspielungen sowohl vom Veranstalter als auch vom Lokalbetreiber und Inhaber ebenso wie von sonstigen unternehmerisch Beteiligten (etwa dem beteiligten Geräteeigentümer) in gewinnbringender Absicht beigestellt, betrieben bzw. veranstaltet werden. Dies indiziert mindestens den erforderlichen dolus eventualis in Bezug auf die beiden Tatbilder des § 168 Abs 1 StGB. So ist im Regelfall davon auszugehen, dass Veranstalter und/oder Lokalbetreiber ebenso wie sonstige unternehmerisch Beteiligte (etwa der beteiligte Geräteeigentümer) es für möglich halten und sich auch damit abfinden, dass mit der Verschaffung einer Spielgelegenheit bzw. der Zugänglichmachung von entgeltlichen Glücksspielen auf entsprechend ausgestatteten Geräten ebenso wie schon mit der erwerbsmäßigen Beistellung solcher Geräte auf unrechtmäßige (monopolwidrige) Art und Weise Geld verdient wird. Dementsprechend gehen auch Kirchbacher/Presslauer im Wiener Kommentar zum StGB (vgl dieselben in WK2 § 168 Rz 13) unter Hinweis auf eine "realistische Sicht" davon aus, dass wohl "jedem Automatenbetreiber, der keine Vorkehrung gegen 'Serienspiele' trifft, ein entsprechender dolus eventualis unterstellt werden" müsse. Beim Einsatz von Glücksspielgeräten mit einer "Automatic-Start-Taste" werden aber sogar nicht nur keine Vorkehrungen gegen Serienspiele getroffen, sondern solche Serienspiele geradezu provoziert. Im Fall der Betätigung der "Automatic-Start-Taste" durch den Spieler wird – wie oben dargelegt – der wechselnde Vorgang der Einsatzabbuchung mit anschließendem Walzenlauf so lange selbsttätig fortgesetzt, bis das gesamte Spielguthaben verbraucht, der Einsatz höher als das (verbleibende) Spielguthaben ist oder die Taste erneut betätigt wird.

 

4.6.3. Des Weiteren wurde von den Organen der Abgabenbehörde im Zuge der Kontrolle am 2. Dezember 2010 an den gegenständlichen Geräten durch Testspiele festgestellt, dass eine außergewöhnlich günstige Relation zwischen Einzeleinsatz und dazu in Aussicht gestelltem Höchstgewinn gegeben ist. Auch aus diesem Grund ist daher von einem ermöglichten Serienspiel auszugehen (vgl OGH vom 20.04.1983, 11 Os 39/83). Im Hinblick auf die in der Regel nur sehr kurze Einzelspieldauer können zahlreiche Glücksspiele – auch ohne Betätigung der Automatic-Start-Taste – innerhalb nur sehr kurzer Zeiträume ablaufen, wobei bei jedem Einzelspiel ein Gewinn in außergewöhnlich günstiger Relation zum geleisteten Einsatz (0,10:5 Euro) in Aussicht gestellt wird.

 

Diese in Aussicht gestellten Höchstgewinne sind offenkundig darauf gerichtet, einen besonderen Anreiz für den Spieler zu Serienspielen zu bieten. Der Spieler kann dadurch nicht nur sein Gewinnstreben an sich ausleben, sondern auch bei bereits eingetretenen Verlusten eine gute Chance sehen, diese durch wenige Einzelspiele wieder ganz oder teilweise wettzumachen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob tatsächlich Gewinne in dieser Höhe erreicht wurden, zumal alleine das unternehmerische Zugänglichmachen ebenso wie das Aufstellen bzw zur Verfügung stellen von Glücksspielgeräten eine Versuchshandlung iSd § 15 Abs 2 StGB hinsichtlich des Tatbildes der Förderung einer Glücksspielzusammenkunft darstellt.

 

So ist etwa im Beschlagnahmeverfahren festgehalten worden, dass ein bei der Kontrolle anwesender Gast angegeben habe, in den letzten 3 Tagen am Gerät "Golden Island Casino" 1.500 Euro verspielt und davor schon einmal in 2 Tagen 600 Euro Gewinn erzielt zu haben. Im Hinblick auf den Tatentschluss ergibt sich dahingehend nichts anderes als zur Ausstattung der Geräte mit einer "Automatik-Start-Taste" ausgeführt wurde.

 

4.7. Der verfahrensgegenständliche Sachverhalt ist nach der selbstständigen Beurteilung durch den Oö. Verwaltungssenat und nicht zuletzt auch im Lichte des Ergebnisses der zitierten LeiterInnenbesprechung bei der Oberstaatsanwaltschaft Linz grundsätzlich dem Tatbestand des § 168 Abs 1 StGB zu unterstellen und nach dem § 168 Abs 1 iVm § 15 Abs 2 StGB gerichtlich strafbar.

In Hinblick auf die im vorliegenden Fall grundsätzlich gegebene gerichtliche Strafbarkeit des angelasteten Sachverhalts kann auf Grund des § 52 Abs 2 GSpG in Verbindung mit der nunmehr durch § 22 Abs 1 VStG idF BGBl I Nr 33/2013 ausdrücklich geregelten generellen Subsidiarität, aber auch in Verbindung mit der vormals von den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts judizierten stillschweigenden Subsidiarität der glücksspielrechtlichen Verwaltungsstrafbestimmungen und der aktuellen Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (siehe VfGH 13.06.2013, B 422/2013, sowie die diesbezügliche Folgejudikatur [ua. VfGH 26.06.2013, B 63/2013]) keine strafbare Verwaltungsübertretung vorliegen.

5. Im Ergebnis ist daher die vorgeworfene Tat als Verwaltungsübertretung nicht strafbar, weil sie den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet.

6. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bw gemäß § 66 Abs 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat vorzuschreiben.

 


 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

Dr.  G r ó f

 

 

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