Linz, 21.08.2013
E R K E N N T N I S
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Beschwerde der X, vertreten durch X, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch dem Magistrat der Landeshauptstadt Linz zurechenbare Organe des Bezirksverwaltungsamtes in Form der Versiegelung von 4 Räumlichkeiten der Wohnung im ersten Obergeschoß des Hauses X, am 12. Juni 2013, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.
II. Die Beschwerdeführerin hat der Landeshauptstadt Linz (Verfahrenspartei Magistrat der Landeshauptstadt Linz) Kosten in Höhe von 57,40 Euro (Vorlageaufwand) und 368,80 Euro (Schriftsatzaufwand), insgesamt: 426,20 Euro, binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Rechtsgrundlagen:
Zu I.: § 67c Abs. 1 und 3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG;
Zu II.: § 79a AVG iVm der UVS-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 456/2008.
Entscheidungsgründe:
1.1.1. Mit Eingabe vom 16. Juli 2013 erhob die X, vertreten durch Rechtsanwalt X, Maßnahmenbeschwerde gemäß Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG gegen die Versiegelung von 4 Räumlichkeiten der Wohnung im ersten Obergeschoß des Hauses X, durch Herrn X und Herrn X, jeweils des Bezirksverwaltungsamtes des Magistrats der Landeshauptstadt Linz. Diese hätten am 12. Juni 2013 um ca. 14.00 Uhr in der vorbezeichneten Wohnung im ersten Obergeschoß des oa. Hauses die Verplombungen von 4 Räumlichkeiten durchgeführt und an der Eingangstüre zur Wohnung einen Zettel mit dem Inhalt „Dieser Bordellbetrieb ist geschlossen“ angebracht.
1.1.2. In der Beschwerde wird ua. wie folgt ausgeführt:
Abschließend werden die Anträge gestellt, den angefochtenen Verwaltungsakt vom 12. Juni 2013 für rechtswidrig zu erklären, die Stadt Linz zum Aufwandersatz gem. § 79a AVG zu verpflichten, sowie gem. § 67 d AVG eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
1.2. Mit E-Mail vom 31. Juli 2013 wurde die belangte Behörde zur Aktenvorlage aufgefordert und ihr die Möglichkeit eingeräumt eine Gegenschrift zu erstatten.
1.3.1. Mit Schreiben vom 13. August 2013 übermittelte die belangte Behörde den bezughabenden Verwaltungsakt und erstattete eine Gegenschrift.
1.3.2. Darin wird ua. ausgeführt:
2.1. Der Oö. Verwaltungssenat erhob Beweis durch Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsakt und die eingebrachten Schriftsätze.
Da sich daraus der entscheidungsrelevante Sachverhalt zweifelsfrei ergibt, konnte auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung verzichtet werden, zumal nach dem vorgelegten Akt bereits feststand, dass die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen war. In diesem Sinn war dem diesbezüglichen Antrag der Beschwerdeführerin nicht zu folgen.
2.2. Der UVS des Landes Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1.1.2. sowie 1.3.2. dieses Erkenntnisses dargestellten relevanten Sachverhalt aus.
2.3. Der UVS des Landes Oberösterreich war zur Entscheidung durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied berufen.
3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:
3.1.1. Gemäß § 67a Abs. 1 Z. 2 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idgF., entscheiden die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausgenommen in Finanzstrafsachen. Solche Beschwerden sind nach § 67c Abs. 1 AVG innerhalb von sechs Wochen ab dem Zeitpunkt beim Unabhängigen Verwaltungssenat einzubringen, in dem der Beschwerdeführer von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt Kenntnis erlangt hat.
3.1.2. Die in Rede stehende Maßnahme fand am 12. Juni 2013 statt. Die Beschwerde wurde am 16. Juli 2013 an den UVS des Landes Oberösterreich erhoben und ist daher grundsätzlich rechtzeitig eingebracht.
Allerdings ergeben sich dennoch Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit einer Maßnahmenbeschwerde im vorliegenden Fall.
3.2.1. Eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt liegt nach der höchstgerichtlichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dann vor, wenn einseitig in subjektive Rechte des Betroffenen eingegriffen und hierbei physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehls droht (vgl. VwGH 29.6.2000, 96/01/0596 mwN und unter Hinweis auf die Lehre). Entscheidend ist dabei, dass es sich um einen Hoheitsakt einer Verwaltungsbehörde handelt, mit dem in die Rechte von individuellen natürlichen oder juristischen Personen eingegriffen wird, ohne dass ein Bescheid erlassen wird (vgl. Köhler in Korinek/Holoubek [Hrsg], Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Rz 45 f zu § 129a B-VG).
3.2.2. Im vorliegenden Fall behauptet die Bf durch die behördlich vorgenommene Verplombung von Zimmertüren in subjektiven Rechten, insbesondere in ihrem verfassungsrechtlich geschützten Recht auf Eigentum verletzt zu sein, zumal ihr die Nutzung der Räumlichkeiten nicht frei steht.
Grundsätzlich ist dazu zunächst anzumerken, dass eine behördlich angeordnete bzw. vorgenommene Verplombung oder Versiegelung von Räumen jedenfalls geeignet ist, eine Maßnahme der verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt darzustellen. Aufgrund des Einschreitens von Organen des Magistrats (Bezirksverwaltungsamt) liegt das Element der verwaltungsbehördlichen Maßnahme fraglos vor, wie auch die Befehls- und Zwangsgewalt gegeben ist, da die Bestandsnehmerin ab dem Zeitpunkt der Versiegelung bzw. Verplombung zwangsläufig am Betreten oder Nutzen der Räume gehindert wird.
Ein weiteres Element stellt darüber hinaus die Unmittelbarkeit dar. Wie unter Punkt 3.2.1. angeführt, muss es sich also um einen verwaltungsbehördlichen Akt handeln, der nicht in einem Bescheid Deckung findet.
3.3.1. Gemäß § 11 Abs. 2 Z. 1 des Oö. Sexualdienstleistungsgesetzes, LGBl. Nr. 80/2012, hat die Gemeinde die Schließung eines Bordells mit Bescheid zu verfügen, wenn dieses ohne rechtskräftige Bewilligung betrieben wird.
Gemäß Abs. 3 Leg. cit. kann die Gemeinde auch ohne vorangegangenes Verfahren und vor Erlassung eines Bescheides nach Abs. 2 die zur Schließung des Betriebs notwendigen Maßnahmen an Ort und Stelle treffen, sofern offenkundig der Verdacht einer Verwaltungsübertretung besteht, die nach Abs. 2 die Schließung eines Bordells zur Folge hat und mit Grund anzunehmen ist, dass der rechtswidrige Betrieb fortgesetzt wird. Über die Schließung des Bordells ist innerhalb von 4 Wochen ein schriftlicher Bescheid zu erlassen. Wird diese Frist nicht eingehalten, gelten die getroffenen Maßnahmen als aufgehoben.
3.3.2.1. Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich, dass mit Maßnahme (Verplombung) vom 5. Dezember 2012 die belangte Behörde zunächst einschritt. Diese wurde in der Folge mit Mandatsbescheid vom 7. Dezember 2012 im Sinne des § 11 Abs. 3 Oö. Sexualdienstleistungsgesetz gestützt.
Der Spruch dieses Bescheides lautet ua. wie folgt:
„1. Die Schließung des Bordells in X, 1. Stock wird verfügt.
2. Die am 05.12.2012 amtlich angebrachten Bordellschließungsplakate sowie die Versiegelungen dürfen während der Geltungsdauer dieses Bescheides nicht unkenntlich, nicht beschädigt, nicht überdeckt und nicht abgenommen werden. Auch dürfen die betroffenen Türen (Wohnungseingangstür, Türen zu den einzelnen Räumen) nicht entfernt bzw. ausgetauscht werden.“
3.3.2.2. Gegen diesen Bescheid erhob die Bf rechtzeitig Vorstellung, wodurch das ordentliche Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde. Jedoch kommt einer Vorstellung gemäß § 57 Abs. 2 AVG (hier anwendbar) nicht die aufschiebende Wirkung zu. Es ist daher davon auszugehen, dass die Verfügungen des Bescheides vom 7. Dezember 2012 weiterhin Wirksamkeit entfalteten.
3.3.2.3. Aufgrund eines Antrages der Bf vom 25.02.2013 erging in der Folge in Abänderung des Bescheides vom 07.12.2012 von der belangten Behörde am 22. März 2013 ein Bescheid, mit nachstehendem Spruch:
„1. Die Schließung des Bordells im Objekt, X, in X bleibt weiterhin vollinhaltlich aufrecht.
2. Die Bestandsnehmer der Wohnung X, werden ermächtigt, die von der Behörde am 05.12.2012 angebrachten Bordellschließungsplakate sowie die Versiegelungen zu entfernen.
3. Die Anbahnung und die Ausübung der Prostitution sind im Objekt X, verboten.“
3.3.2.4. Aus dem oa. Spruch wird klar ersichtlich, dass der Bescheid vom 7. Dezember 2012 betreffend die Schließung des Bordells und die Untersagung der Prostitution weiterhin in Geltung bleibt. Diesbezüglich bedarf es also keines neuerlichen Rechtsaktes. Es wurde lediglich einem Antrag der Bf nachgekommen, die am 5. Dezember 2012 gesetzten (vom Bescheid nachträglich gedeckten) Maßnahmen zu suspendieren, wobei eben im Spruchpunkt 3. nochmals auf das Prostitutionsverbot hingewiesen wurde.
3.3.2.5. Schlussendlich effektuierte die belangte Behörde mit der Versiegelung der Räumlichkeiten am 12. Juni 2013 lediglich den seit 7. Dezember 2012 bestehenden Schließungsbescheid.
Dies stellt keine res nova dar. Ansonsten wäre dies als eine erneute Schließung des bereits geschlossenen Bordells gegenüber der Bf, die Partei im Bescheid vom 7. Dezember 2012 war, anzusehen. Vielmehr ist die Verplombung als von § 11 Oö. Sexualdienstleistungsgesetz vorgesehene Umsetzungsmaßnahme zur Durchsetzung der ursprünglichen Bordellschließung anzusehen, da das Verwaltungsverfahren betreffend die Betriebsschließung auch noch nicht abgeschlossen ist.
3.3.3. Es liegt sohin keine „unmittelbare“ Maßnahme der verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt vor, die im Rahmen eines Maßnahmebeschwerdeverfahrens geprüft werden könnte. Die Frage der Rechtmäßigkeit der Versiegelung der in Rede stehenden Räume ist in dem noch in erster Instanz anhängigen Bordellschließungsverfahren zu erörtern.
3.4. Es war daher die vorliegende Maßnahmenbeschwerde als unzulässig zurückzuweisen und spruchgemäß zu entscheiden.
4.1. Gemäß § 79a Abs. 1 hat die im Verfahren nach § 67c obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.
Wenn der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung der Beschwerdeführer die obsiegende und die belangte Behörde die unterlegene Partei.
Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch den unabhängigen Verwaltungssenat zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 leg.cit. die belangte Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.
Gemäß Abs. 4 leg.cit. gelten als Aufwendungen gem. Abs. 1:
1. die Stempel- und Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat,
2. die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem unabhängigen Verwaltungssenat verbunden waren, sowie
3. die durch Verordnung des Bundeskanzlers im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates festzusetzenden Pauschbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.
§ 1 UVS-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 456/2003, setzt die Höhe der nach § 79a Abs. 5 und Abs. 7 AVG im Verfahren vor den Unabhängigen Verwaltungssenaten über Beschwerden wegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß § 67c AVG als Aufwandersatz zu leistenden Pauschbeträge wie folgt fest:
1. Ersatz des Schriftsatzaufwandes des Beschwerdeführers als obsiegende Partei
737,60 €
2. Ersatz des Verhandlungsaufwandes des Beschwerdeführers als obsiegende Partei
922,00 €
3. Ersatz des Vorlageaufwandes der belangten Behörde als obsiegende Partei
57,40 €
4. Ersatz des Schriftsatzaufwandes der belangten Behörde als obsiegende Partei
368,80 €
5. Ersatz des Verhandlungsaufwandes der belangten Behörde als obsiegende Partei
461,00 €
4.2. Die im Spruchpunkt II. angeführte Kostenentscheidung gründet auf die eben dargestellten Rechtsbestimmungen. Demnach ist die belangte Behörde als obsiegende und die Beschwerdeführerin als unterlegene Partei anzusehen.
Es waren somit der Schriftsatzaufwand und der Vorlageaufwand vorzuschreiben.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
2. Im Verfahren sind Gebühren in Höhe von 14,30 Euro (Stempelgebühren) angefallen; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.
Bernhard Pree