Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-523541/5/Br/Ka

Linz, 03.09.2013

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung von Frau x, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 12.08.2013, Zl. VerkR21-479-2013/LL, wegen einer Aufforderung nach § 24 Abs.4 FSG 1997, zu Recht:

 

 

Der Berufung wird Folge gegeben; der angefochtene Bescheid wird ersatzlos behoben.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs.4, 67a AVG, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013; §§ 24 Abs.4 iVm 8 FSG, BGBl. I Nr. 120/1997, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 43/2013.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Der  Berufungswerberin  wurde mit dem angefochtenen Bescheid aufgefordert, sich innerhalb von einem  Monat nach Rechtskraft des Bescheides hinsichtlich ihrer gesundheitlichen Eignung zum Lenken von führerscheinpflichtigen Kraftfahrzeugen der Gruppe 1, sowie zum Lenken von Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen und Invalidenkraftfahrzeugen, amtsärztlich untersuchen zu lassen sowie die für die Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde (einschließlich einer verkehrspsychologischen Stellungnahme) beizubringen.

 

 

 

1.1. Die  Behörde erster Instanz begründet den Aufforderungsbescheid  unter Hinweis auf § 24 Abs.4 in Verbindung mit § 8 Führerscheingesetz. Sie verweist auf den Bericht der Polizeiinspektion Neuhofen a.d. Krems vom 12.7.2013, aus  dem hervorgeht, dass die  Berufungswerberin laut ärztlichem Attest derzeit nicht in der Lage wäre tägliche Arbeiten selbstständig durchzuführen. Daraus wurde der Schluss gezogen, dass Sie möglicherweise auch nicht zum Lenken von Kraftfahrzeugen geeignet sein könnte.

Die Behörde erster Instanz holte zu diesem Attest eine amtsärztliche Stellungnahme ein, welche im Tenor besagt,  welche Schwierigkeiten sich aus der Diagnose der praktischen Ärztin ergeben könnten. Sodaß zur Klärung der gesundheitlichen Eignung die Durchführung einer klinischen Untersuchung mit Einholung von Facharztgutachten erforderlich wäre.

 

 

1.2. Alleine damit werden jedoch keine hinreichend begründeten Zweifel an der Fahrtauglichkeit der  Berufungswerberin aufgezeigt, selbst wenn diese  in der Durchführung täglicher Arbeiten die Hilfe Dritter in Anspruch nehmen muss.

 

 

2. Die   Berufungswerberin tritt diesem Bescheid mit ihrer handschriftlich und auch inhaltlich gut abgefassten und fristgerecht erhobenen Berufung entgegen. Sie bezeichnet darin die Aufforderung als nicht gerechtfertigt.

Ihre Krankheiten wären zwar medizinisch und psychologisch vorhanden, jedoch laut Befunde wirkten sich diese im Fahrverhalten nicht aus. Zum Beweis verwies sie die in den vergangenen Jahren problemlos durchgeführten Autofahrten.

Der Grund, dass es zur Anzeige bei der Polizei gekommen wäre, dass sie Probleme mit ihrem Sohn x und ihrer Schwiegertochter x habe.

Sie würde von den Beiden Tag und Nacht beobachtet und von diesen in Furcht und Unruhe versetzt. Ihr Sohn habe etwa im betrunkenen Zustand am Sonntagabend den 14. Juli 2013, ihren neuen Lebenspartner in Weichstetten angegriffen und spitalsreif geschlagen. Ihre Schwiegertochter habe diesen ganzen Vorfall gefilmt. Ob dieses Vorfalls sei die Polizei  von Weichstätten geholt worden, welche den Film beschlagnahmt habe.

Dieser Vorfall könnte der Grund für diese Anzeige bei der Bezirkshauptmannschaft sein.

Sie legt der Berufung ein Schreiben des x, Facharzt für Psychiatrie bei. Sie bitte um Hilfe den Führerschein behalten zu können.

 

 

 

3.1. Der Verfahrensakt wurde dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt. Dieser hat demnach durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 67a Abs.1 Z2 AVG).

 

 

3.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verwaltungsakt und Beischaffung eines Auszuges aus dem Vormerkregister. Mit der praktischen Ärztin x, auf deren Attest dieses Verfahren den Ausgang nahm, wurde Rücksprache gehalten und über deren Ergebnis ein Aktenvermerk erstellt. Dieser wiederum wurde der Behörde erster Instanz mit einer Einladung sich hierzu zu äußern zur Kenntnis gebracht.

Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung konnte mit Blick auf das Ergbnis der Anfrage bei der behandelden praktischen Ärztin iVm diesbezüglichem Parteiengehör an die Behörde erster Instanz unterbleiben (§ 67d Abs.2 Z3 AVG).

 

 

 

3.2.1. Die hiesige Mitteilung wurde von der Behörde erster Instanz dahingehend beantwortet, dass man selbst dort in laienhafter Beurteilung der   Berufungswerberin, diese keineswegs den Eindruck hatte, dem zur Folge im Hinblick auf die Lenkberechtigung Handlungsbedarf bestünde. Es wurde jedoch die ärztliche Stellungnahme der behandelnden Ärztin, Drin. x, was mit dem hiesigen Parteiengehör zur Kenntnis gebracht wurde, insofern in Frage gestellt, weil dieses Attest einem anderen Zweck diente, bzw. andere Maßstäbe angesetzt worden wären. Abschließend wurde auf den Umstand hingewiesen, dass die  Berufungswerberin einerseits eingeschränkt sei die täglichen Arbeiten nur unter Inanspruchnahme fremder Hilfe durchzuführen zu können, andererseits aber zum Autofahren fit genug sein soll.

 

 

4. Sachverhalt und Beweiswürdigung:

Eingangs ist festzuhalten, dass ein im Ergebnis inhaltsgleiches Verfahren gegen die  Berufungswerberin bereits Ende des Jahres 2011 eingeleitet worden war.

Damals wurde festgestellt, dass die   Berufungswerberin seit dem Jahr 1974 im Besitz einer Lenkberechtigung ist und weder bis 2011 und laut Anfrage im Vormerkregister auch zwischenzeitig unauffällig am Straßenverkehr teilgenommen hat. Der im damalige Verfahren auf gleicher Rechtsgrundlage erlassene Aufforderungsbescheid wurde mit h. Erkenntnis vom 21.12.2011, VwSen-523032/2/Br/Th behoben.           

Auch dem damaligen Verfahren lagen den Angaben der   Berufungswerberin zur Folge, massive Auseinandersetzungen mit ihrem Sohn und deren Ehegattin zu Grunde. Folgt man den Angaben der   Berufungswerberin, scheint auch dieses Verfahren wieder von derartigen Einflüssen begleitet zu sein.

Zum gegenständlichen Verfahren soll es gekommen sein, nachdem der Lebensgefährte der  Berufungswerberin,  bei der Polizeiinspektion Neuhofen an der Krems, am 12. Juli 2013 unter anderem ärztliche Befunde von der   Berufungswerberin übermittelte.

Dies nahm diese Polizeibehörde zum Anlass mit dem Hinweis, lateinischer Begriffe nicht mächtig zu sein, diese an die Behörde zwecks Prüfung ob die im vorgelegten Attest angeführten Krankheiten die gesundheitliche Eignung zum Lenken vom KFZ eingeschränkten. Diese „präventive Umsichtigkeit“ darf durchaus als bemerkenswert hervorgestrichen werden.

Die Rückfrage bei der behandelnden Ärztin Drin. x ergab jedoch kein Indiz dafür, dass an der Eignung der   Berufungswerberin zum Lenken von KFZ “begründete Bedenken“ bestehen würden. Vielmehr spricht das bisherige Verkehrsverhalten der Berufungswerberin eine gegenteilige Sprache.

Insbesondere lässt auch der neurologisch/psychiatrische Arztbrief von Dr. x vom 20. August 2013 keinen diesbezüglichen Rückschluss zu.

Wenn hingegen die Amtsärztin in einer Vorausdiagnose im Ergebnis aus den vorliegenden Attestes (der oben zitierten) noch keine Eignungsfeststellung über die Fahreignung ins Treffen führen zu können vermeint, wird damit die Eignung der Berufungswerberin keinesfalls mit „begründeten Zweifel“ in Frage gestellt. Selbst die von der Amtsärztin aufgezeigten Möglichkeiten, welche vor dem Hintergrund der bestehenden Diagnose eintreten könnten, vermag ein derartig „begründeter Verdacht einer fehlenden gesundheitlichen Eignung zum Lenken“ nicht erhärten werden. Letztlich würde hier eine Zuführung auf einen reinen Erkundungsbeweis hinauslaufen, welcher mit der Rechtsgrundlage des § 24 Abs.4 FSG nicht im  Einklang zu bringen ist.

Vielmehr scheinen die Atteste und Kalküle der behandelnden Ärzte, die offenbar die   Berufungswerberin gesehen haben durchaus autentischer, sodass in deren Diagnosen gerade keine „begründeten Bedenken“ aufgezeigt sind.

Es wäre an sich bedenklich gleichsam aus jeglicher Diagnose gleichsam schon den Schluss auf die fehlende Fähigkeit zum Lenken von Kraftfahrzeugen zu ziehen und als Konsequenz daraus, in ein erworbenes Recht einzugreifen. Dies müsste wohl zu einer Unzahl von derartigen Untersuchungen führen.

Wenn etwa die Amtsärztin in deren Stellungnahme vom 1.8.2013 das Phänomen der Hypertonie einerseits als gut einstellbar bezeichnet, andererseits aber auch auf krisenhafte Spitzen verweist, wird damit über die Berufungswerberin überhaupt nichts ausgesagt. Dies gilt ebenso betreffend den Hinweis auf die Problematik vom Bluthochdruck, welcher zu einer kardialen Insuffizienz und schweren Gefäßveränderungen führen könne und deren Folge Schlaganfälle oder Herzinfarkte sein könnten. Auch damit wird  ein solch begründeter Verdacht nicht aufgezeigt, weil  letztlich hiervon viele Menschen ab einem bestimmten Lebensalter betroffen sind.

Insgesamt erhärtet die amtsärztliche Stellungnahme denn im Sinne des Führerscheingesetzes erforderlichen begründeten Verdacht einer fehlenden gesundheitlichen Eignung und damit die Grundlage für einen Aufforderungsbescheid nach § 24 Abs.4 FSG keineswegs.

 

 

5. Rechtlich hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

Nach § 3 Abs.1 FSG-GV gilt  als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Fahrzeugklasse im Sinn des § 8 FSG gesundheitlich geeignet, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften

 

     1. die nötige körperliche und psychische Gesundheit besitzt, …

     ...

     Kraftfahrzeuglenker müssen die für ihre Gruppe erforderlichen gesundheitlichen Voraussetzungen gemäß den nachfolgenden Bestimmungen erfüllen. Um die gesundheitliche Eignung nachzuweisen, ist der Behörde ein ärztliches Gutachten gemäß § 8 Abs.1 oder 2 FSG vorzulegen.

     ...

Ergibt sich aus der Vorgeschichte oder anlässlich der Untersuchung der Verdacht auf das Vorliegen eines Zustandes, der die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen einschränken oder ausschließen würde, so ist gegebenenfalls die Vorlage allfälliger fachärztlicher oder verkehrspsychologischer Stellungnahmen zu verlangen. Diese Stellungnahmen sind bei der Gesamtbeurteilung zu berücksichtigen und im Gutachten in geeigneter Weise zu bewerten, wobei die zusätzlichen Risiken und Gefahren, die mit den Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 2 verbunden sind, besonders zu berücksichtigen sind (Abs.3 leg.cit).

 

 

4.1. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs sind für einen Aufforderungsbescheid nach § 24 Abs.4 FSG jedenfalls begründete Bedenken in der Richtung notwendig, dass der Inhaber der Lenkerberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen derjenigen Klassen, die von seiner Lenkberechtigung erfasst werden, nicht mehr besitzt. Es müssen hiefür zwar nicht Umstände vorliegen, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung geschlossen werden kann, es müssen aber genügend begründete Bedenken in dieser Richtung bestehen, die die Überprüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen (vgl. hiezu VwGH vom 25.5.2005, GZ. 2004/11/0016 und andere). Hiefür spricht auch der klare Wortlaut des § 24 Abs.4 1. Satz FSG, dessen Inhalt besagt, dass zu prüfen ist, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind. Diese Formulierung setzt jedenfalls ein aktuelles Ereignis voraus, das begründete Bedenken hinsichtlich des Wegfalls der – im Zweifel jedenfalls vorliegenden – gesundheitlichen Voraussetzungen bei der Behörde hervorruft.

Die abermals zu diesem Verfahren führenden Umstände lassen  jedenfalls auf keinen die gesundheitliche Eignung in „begründeter Weise“ in Frage stellenden Eignungsmangel schließen  (vgl. VwGH 16.4.2009, 2009/04/0020).

Die Notwendigkeit begründeter Bedenken und deren Inhalte – auf medizinische Fakten gestützt -  lassen sich auch der nachfolgenden Judikatur ableiten (VwGH 13.12.2005, 2005/11/0191, sowie auch zu § 75 Abs.1 KFG 1967 z.B. VwGH 20.9.2001, 99/11/0279 mit Hinweis auf VwGH 3.7.1990, Zl. 89/11/0224 sowie VwGH 17.3.2005, 2004/11/0014).

Zuletzt ist vor diesem Hintergrund zu bemerken, dass dem Gewalt- u. Gestaltungsmonopol des Staates im Rahmen seiner grundsätzlichen Eingriffsrechte in bürgerliche Belange (enge) Grenzen gesetzt sind. Diese Grenzen wären jedenfalls überspannt, wenn in extensiver Auslegung eine vom praktischen Arzt als unbedenklich bezeichnete Diagnose das Rechtsinstitut des § 24 Abs.4 FSG zur Anwendung gebracht würde.

Die Notwendigkeit begründeter Bedenken und deren Inhalte lassen sich auch der nachfolgenden Judikatur entnehmen (VwGH 13.12.2005, 2005/11/0191, sowie auch zu § 75 Abs. 1 KFG 1967 z.B. VwGH 20.9.2001, 99/11/0279 mit Hinweis auf die in § 3 Abs. 1 FSG-GV).

 

Der angefochtene Bescheid war demnach ersatzlos zu beheben.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsge­richtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen.

 

 

 

Dr. B l e i e r