Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401158/21/Gf/Rt

Linz, 09.09.2013

 

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mit­glied Dr. Gróf über die Beschwerde des V, vertreten durch RA Dr. B, wegen Anhaltung in Schubhaft durch den Polizeidirektor der Stadt Linz vom 17. Oktober 2011 bis zum 9. Februar 2012 zu Recht:

 

I. Die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vom 17. Oktober 2011 bis zum 9. Februar 2012 wird als nicht rechtswidrig festgestellt.

 

II. Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in einer Höhe von insgesamt 426,20 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Rechtsgrundlage:

§ 83 FPG; § 67c Abs. 3 AVG; § 79a AVG.

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Polizeidirektors der Stadt Linz vom 17. Oktober 2011, Zl. 1072111/FRB, wurde über den (vermeintlich bosnischen, allenfalls auch staatenlosen) Beschwerdeführer gestützt auf § 76 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005 (in der nunmehr maßgeblichen Fassung BGBl.Nr. I 50/2012, im Folgenden: FPG), zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung sowie der Abschiebung bzw. der Zurückschiebung die Schubhaft verhängt und durch Überstellung in das Polizeianhaltezentrum (PAZ) X vollzogen.

 

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass der Fremde bei einer Schwarzfahrt in der Linzer Straßenbahn betreten und dabei festgestellt worden sei, dass er ohne die erforderlichen Dokumente in das Bundesgebiet eingereist sei und hier weder über einen Wohnsitz verfüge noch sozial oder beruflich integriert sei. Außerdem habe er sich davor ca. 20 Jahre lang widerrechtlich in Spanien aufgehalten, wo er auch gravierend straffällig geworden sei. Da einerseits intensive Nachforschungen zur Klärung der Identität und Nationalität des Rechtsmittelwerbers erforderlich sein würden und andererseits davon ausgegangen werden könne, dass er sich zwecks Durchführung des fremdenpolizeilichen Verfahrens nicht freiwillig der Behörde zur Verfügung halten werde, komme sohin die Anordnung gelinderer Mittel nicht in Betracht.

 

In der Folge wurde über ihn mit Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 21. Oktober 2011, Zl. 1072111/FRB, eine Rückkehrentscheidung sowie ein auf die Dauer von 24 Monaten befristetes Einreiseverbot für den gesamten Schengen-Raum erlassen, wobei unter einem die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung ausgeschlossen wurde.

 

Mit e-mail vom 21. November 2011 hat die spanische Botschaft die Ausstellung eines Heimreisezertifikates mit der Begründung abgelehnt, dass der Fremde weder über eine Aufenthaltsbewilligung für Spanien noch dort über eine aufrechte Meldeadresse verfüge.

 

Darauf hin wurde mehrfach, zuletzt mit e-mail vom 12. Dezember 2012, das Ministerium für Sicherheit von Bosnien und Herzegowina um die Ausstellung eines entsprechenden Heimreisezertifikates ersucht, wobei keine – allerdings auch keine negative – Antwort eingelangt ist.

 

1.2. Gegen seine Anhaltung in Schubhaft richtete sich die am 19. Dezember 2011 beim Oö. Verwaltungssenat eingelangte Beschwerde.

 

Darin wurde vorgebracht, dass der im früheren Jugoslawien geborene Rechtsmittelwerber – nachdem er sich zuvor erfolglos bemüht habe, die slowenische, bosnische, mazedonische, serbische oder kroatische Staatsbürgerschaft zu erhalten – nunmehr als staatenlos anzusehen sei. Zuletzt habe er einen ordnungsgemäßen Wohnsitz in Kroatien gehabt, bevor er (zuerst nach Frankreich und dann) nach Spanien verzogen sei. Gegenwärtig verfüge er über keine gültigen Dokumente zum Nachweis seiner Identität. Da ihm jedoch vor längerer Zeit von der jugoslawischen Botschaft in Madrid ein Reisepass ausgestellt worden sei, habe er sich etwa 20 Jahre lang illegal in Spanien aufgehalten und auch eine spanische Staatsbürgerin geheiratet. Zudem sei er dort 4 Jahre lang wegen Betruges inhaftiert und 6 Monate in Schubhaft angehalten gewesen; seine Gattin befinde sich nunmehr in der ehemaligen spanischen Kolonie Äquatorialguinea. In Österreich habe er deshalb keinen Asylantrag gestellt, weil er gar nicht hier bleiben, sondern in einen der Nachfolgestaaten Jugoslawiens zurückkehren wolle; allerdings sei ihm in Kroatien schon einmal die Einreise verweigert worden.

 

Da der Beschwerdeführer (1.) deutlich gemacht habe, kein Interesse an einem weiteren Aufenthalt in Österreich zu haben, (2.) kein Hinweis dafür bestehe, dass er untertauchen oder in sonstiger Weise seine Abschiebung be- oder verhindern würde, (3.) nicht absehbar sei, dass ihm in näherer Zukunft ein bestimmter Staat die Einreise gewähren und ein dementsprechendes Heimreisezertifikat ausstellen würde und er (4.) die ihm zukommende Grundversorgung in Anspruch nehmen und die ihm zugewiesene Unterkunft schon auf Grund seines Alters mit Sicherheit nicht verlassen würde, erweise sich sohin die Verhängung der Schubhaft anstelle der Anordnung gelinderer Mittel als unverhältnismäßig. Dies insbesondere auch unter dem Aspekt, dass die persönliche Freiheit ein hohes Gut verkörpere, wobei bei der Ausübung des behördlichen Ermessens auch das heranstehende Weihnachtsfest berücksichtigt werden möge: Denn dem christlichen Glauben entsprechend solle die Einsicht Oberhand gewinnen, "dass über die Weihnachtstage bis zum 7.1.2012 wenig behördliche Tätigkeit entfaltet wird und dass im Gedenken an die Geburt Jesu auch aktuelle Ereignisse, wie die Inschubhaftnahme eines 57-jährigen staatenlosen Mannes, der in Österreich mit Ausnahme einer 'Schwarzfahrt' nicht aufgefallen ist, so gedeutet werden [sollte], dass die öffentliche Ordnung und Sicherheit es keineswegs gebietet, diesen in Schubhaft zu belassen, sondern ihm die Chance einzuräumen, die Grundversorgung in Österreich in Anspruch zu nehmen und während seines Aufenthaltes in Grundversorgung die österreichischen Behörden eine Rückführung des Bf veranlassen können."

 

Daher wurde die kostenpflichtige Feststellung der Rechtswidrigkeit "der Anhaltung des Bf. in Schubhaft" beantragt.

 

1.3. Die belangte Behörde hat dem Oö. Verwaltungssenat am 20. Dezember 2011 den Bezug habenden Akt vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, mit der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wurde.

 

In diesem Zusammenhang wurde ergänzend darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer deshalb, weil er in Bosnien geboren wurde, auch im Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Landes und sohin auch seine Abschiebung dorthin möglich sein müsse. Außerdem sei bislang die nach § 80 Abs. 2 Z. 2 FPG höchstzulässige Dauer der Schubhaft von 4 Monaten noch nicht überschritten worden, wobei zusätzlich darauf hinzuweisen sei, dass der Rechtsmittelwerber im Zusammenhang mit der Ausstellung eines Heimreisezertifikates bislang jegliche Kooperation habe vermissen lassen, nämlich insbesondere geweigert habe, aus eigenem mit den bosnischen Behörden in Kontakt zu treten.

 

1.4. In der Folge hat der Rechtsmittelwerber eine weitere, am 8. März 2012 beim Oö. Verwaltungssenat eingelangte Beschwerde eingebracht.

 

In dieser wurde ergänzend darauf hingewiesen, dass der Rechtsmittelwerber allein schon durch das Nichtstellen eines Asylantrages verdeutlicht habe, dass er an einer ehestmöglichen Rückkehr in einen der Nachfolgestaaten Jugoslawiens interessiert sei. Zudem gebe es auch sonst keinerlei Hinweis dafür, dass er sich einer Abschiebung durch Untertauchen entziehen würde.

 

Da nicht absehbar sei, dass ihm in näherer Zukunft ein bestimmter Staat die Einreise gewähren und ein dementsprechendes Heimreisezertifikat ausstellen würde und er die ihm zukommende Grundversorgung in Anspruch nehmen und die ihm zugewiesene Unterkunft schon auf Grund seines Alters (57 Jahre) mit Sicherheit nicht verlassen würde, erweise sich sohin die Verhängung der Schubhaft anstelle der Anordnung gelinderer Mittel als unverhältnismäßig.

 

1.5. Mit h. Erkenntnis vom 17. Dezember 2012, Zln. VwSen-401139/26/Gf/Rt und VwSen-401158/15/Gf/Rt, hat der Oö. Verwaltungssenat der Beschwerde stattgegeben und die Anhaltung des Rechtsmittelwerbers in Schubhaft als rechtswidrig festgestellt.

 

Begründend wurde dazu unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 3. Oktober 2012, G 140/11 u.a., insbesondere auf die RN 35 ff dieser Entscheidung, ausgeführt  dass ein Eingriff in das Grundrecht der persönlichen Freiheit gemäß Art. 1 Abs. 3 PersFrSchG nur dann und insoweit gerechtfertigt sei, wenn er zur Erreichung des mit dieser Maßnahme verfolgten Zweckes notwendig ist und zu dem mit der Maßnahme verfolgten Zweck nicht außer Verhältnis steht; dieses ausdrücklich formulierte Verhältnismäßigkeitsgebot erlaube der Behörde sohin nur dann die Verhängung der Schubhaft, wenn dies zur Sicherung des fremdenpolizeilichen Verfahrens notwendig ist und soweit der Freiheitsentzug zu diesem Zweck nicht außer Verhältnis steht. Angesichts der sich schon aus dem Grundrecht ergebenden Verpflichtung der Behörden, von der Anordnung der Schubhaft jedenfalls Abstand zu nehmen, wenn sie im Einzelfall nicht notwendig und Verhältnismäßig ist (VfSlg 14981/1997 u. 17288/2004), belaste es daher eine Regelung wie § 76 Abs. 1 FPG nicht mit Verfassungswidrigkeit, wenn es der Gesetzgeber den vollziehenden Behörden überlässt, die verfassungsrechtlich gebotene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des fremdenpolizeilichen Verfahren einerseits und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen andererseits vorzunehmen (VfSlg 17891/2006 u. 18145/2007).

 

Weiters spreche auch schon der klare Gesetzeswortlaut des § 77 Abs. 1 FPG gegen ein Verständnis dieser Bestimmung dahin, dass es dadurch zu einer unsachlichen rechtlichen Gleichbehandlung von Schubhaft und gelinderen Mitteln komme. Denn § 77 Abs. 1 FPG gebe der Behörde keine freie Wahlmöglichkeit zwischen der Anordnung gelinderer Mittel und der Verhängung der Schubhaft; vielmehr sei ein – nach Art. 1 Abs. 3 PersFrSchG auch verfassungsrechtlich gebotener (VfSlg 19323/2011) – klarer Vorrang der Anordnung gelinderer Mittel festgelegt. Unter Heranziehung dieser verfassungsrechtlich zwingenden Auslegung sei der Inhalt des § 77 Abs. 1 FPG gegenüber der Behörde ausreichend determiniert und differenziere dieser auch im gebotenen Maße zwischen der Verhängung von Schubhaft und der Anordnung von gelinderen Mitteln.

 

Auch die Bedenken, dass die §§ 76 und 77 FPG eine Verletzung von Art. 13 EMRK darstellen, seien deshalb unbegründet, weil ein Fremder, der auf Grund von Gesetzen, die gegen die EMRK verstoßen, in Schubhaft genommen wird, die Möglichkeit hätte, gemäß § 82 FPG eine Beschwerde beim UVS einzubringen; dieser hätte binnen einer Woche über die Rechtmäßigkeit der Fortsetzung der Schubhaft zu entscheiden (VfSlg 18081/2007); gegen einen negativen Bescheid wäre dann eine Beschwerde gemäß Art. 144 B-VG an den VfGH zulässig, der ihr auf Antrag des Fremden die aufschiebende Wirkung zuerkennen könne. Selbst wenn die Schubhaft also aufgrund von gegen die EMRK verstoßenden Gesetzen verhängt werden würde, stünde eine den Anforderungen des Art. 13 EMRK genügende wirksame Beschwerdemöglichkeit zur Verfügung.

 

Die gegen § 80 Abs. 2 und 4 FPG vorgebrachten Bedenken, dass danach die im Einzelfall geltende höchstzulässige Schubhaftdauer nicht festzustellen sei, seien schon deshalb nicht zu teilen, weil aus dem klaren Wortlaut des § 80 Abs. 2 Z. 1 FPG abgeleitet werden könne, dass gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, die Schubhaft grundsätzlich nur für eine Höchstdauer von vier Monaten verhängt werden darf; die in § 80 Abs. 3 und 4 FPG formulierten Fälle seien also als ausdrückliche Ausnahmen zu der in Abs. 2 Z. 1 festgelegten höchst zulässigen Dauer der Schubhaft zu verstehen. Außerdem bestehe die Pflicht zur Achtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips bei der Vollziehung des FPG zu jedem Zeitpunkt des Vollzuges der Haft, sodass § 80 Abs. 4 FPG keineswegs eine undifferenzierte Dauer der Verhängung der Schubhaft ermögliche.

 

Schließlich könne eine strukturelle Überlastung des UVS, die zu einer Missachtung der gesetzlichen Entscheidungsfrist führt, nicht auf die Verfassungsmäßigkeit einer einfachgesetzlichen Bestimmung, die der verfassungsmäßig vorgegebenen Frist entspricht, zurückwirken.

 

Von der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieser einfachgesetzlichen Rechtsgrundlage bzw. davon ausgehend, dass diese nach dem zuvor dargestellten Erkenntnis des VfGH vom 3. Oktober 2012, G 140/11 u.a., unter Rückgriff auf Art. 1 Abs. 3 PersFrSchG dahin auszulegen ist, dass die Fremdenpolizeibehörde während des Verfahrens zur zwangsweisen Durchsetzung einer Abschiebung zu jeder Zeit zu gewährleisten hat, dass eine solche Vollstreckungsmaßnahme klar vorrangig durch – in § 77 Abs. 3 FPG bloß demonstrativ normierte – gelindere Mittel und nur im Ausnahmefall im Wege der ultima-ratio-Maßnahme der Schubhaft gesichert wird, ist daher im Zuge einer gemäß § 82 Abs. 1 FPG erhobenen Beschwerde vom Unabhängigen Verwaltungssenat als gemäß Art. 6 Abs. 1 PersFrSchG zuständige Haftprüfungsinstanz, die hierüber, sofern der Fremde noch in Schubhaft angehalten wird, binnen einer Woche zu entscheiden hat, – gleichsam schrittweise – zu prüfen,

 

1.) ob die gesetzlichen Formalvoraussetzungen (hier: drohende Zurückweisung des Asylantrages bzw. Einleitung eines Ausweisungsverfahrens) einerseits und beim Beschwerdeführer die subjektiven Haftbedingungen (Haftfähigkeit etc.) andererseits (weiterhin) vorliegen,

 

2.) ob sich die Fremdenpolizeibehörde unter dem Aspekt der Zweckbindung (nämlich: Verfahrenssicherung im Wege der Verhältnismäßigkeit) der von ihr intendierten Maßnahmen – nachweislich – zunächst mit der Frage der Anordnung gelinderer Mittel auseinandergesetzt und ob sie dabei die Auswahl jenes gleichermaßen zur Zweckerreichung noch geeignete sowie den geringsten Rechtseingriff nach sich ziehende Mittel überhaupt sowie auch sachlich zutreffend in Erwägung gezogen hat, und

 

3.) ob und welche Belege dafür vorliegen, dass und aus welchen konkreten Gründen die Anordnung dieses gelinderen Mittels zur Zweckerreichung nicht geeignet erschien, sondern dass und ab welchem Zeitpunkt nachweislich eine solche ultima-ratio-Situation gegeben war, die die Anordnung der Schubhaftverhängung unabdingbar erforderte, und dass bzw. wie lange diese Fakten gegebenenfalls auch über den Zeitpunkt einer vom Unabhängigen Verwaltungssenat nach § 83 Abs. 4 FPG zu treffenden Entscheidung noch vorliegen werden, sowie

 

4.) gegebenenfalls, welche konkreten Umstände – nachweislich – gegeben sind, die die Annahme rechtfertigen, dass und wie lange diese ultima-ratio-Situation auch nach Ablauf der gemäß § 80 Abs. 2 Z. 2 FPG in aller Regel mit vier Monaten beschränkten Höchstdauer der Schubhaft fortbestehen wird.        

 

Davon ausgehend ergibt sich für den gegenständlichen Fall konkret Folgendes:

 

Gegen den Beschwerdeführer lag zwar zum Zeitpunkt seiner Inschubhaftnahme noch keine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Entscheidung vor. In der Folge wurde eine solche – nämlich der eine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot verfügende Bescheid des Polizeidirektors der Stadt Linz vom 21. Oktober 2011, Zl. 1072111 – allerdings umgehend erlassen. Da er gegen diesen Bescheid keine Berufung erhoben hat, erwies sich dieser sohin als rechtswirksam, d.h., der Rechtsmittelwerber war seit dem 9. November 2011 nicht mehr zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt, sondern vielmehr dazu verpflichtet, dieses unverzüglich aus eigenem zu verlassen; im Falle der aus welchen Gründen auch immer – hier infolge der Anhaltung gegebenen – faktischen Nichtentsprechung war die Fremdenpolizeibehörde sohin dazu berechtigt, die Ausweisung im Wege seiner zwangsweisen Abschiebung zu vollstrecken.

 

Dafür, dass der Beschwerdeführer haftuntauglich gewesen wäre, haben sich im Verfahren keine Anhaltspunkte ergeben; insbesondere hat auch weder er selbst noch sein Rechtsvertreter ein diesbezügliches Vorbringen erstattet.

 

Auf Basis dieser Faktenlage war daher die belangte Behörde im Grunde dazu berechtigt, über den Beschwerdeführer ihren auf § 76 Abs. 1 FPG gegründeten Bescheid vom 17. Oktober 2011, Zl. 1072111/FRB, zu erlassen und damit die Schubhaft anzuordnen.

 

Die gesetzlichen Formalvoraussetzungen und die subjektiven Haftbedingungen sind daher im vorliegenden Fall als gegeben festzustellen.

 

Auch das von der belangten Behörde im vorzitierten Schubhaftbescheid angenommene – sowohl gelindere Mittel als auch eine Schubhaftanordnung in gleicher Weise materiell determinierende – Sicherungsbedürfnis erweist sich jedenfalls als vertretbar:

 

Denn der Rechtsmittelwerber ist ohne Identitätsnachweis und Reisedokumente betreten worden. Außerdem verfügte er weder über nennenswerte finanzielle Mittel noch über einen ordnungsgemäßen Wohnsitz oder über soziale Beziehungen im Bundesgebiet. Schließlich habe er sich zuvor schon ca. 20 Jahre lang illegal in Spanien aufgehalten, wobei er dort nach seinen eigenen Angaben massiv straffällig geworden sei.

 

Vorrangig zu prüfen bleibt allerdings, ob die belangte Behörde die nach dem zuvor unter Pkt. 1.8. näher dargestellten Erkenntnis des VfGH vom 3. Oktober 2012, G 140/11 u.a., primär bzw. absolut vorrangig gebotene Heranziehung gelinderer Mittel – als eine grundlegende materielle Voraussetzung der allfälligen Zulässigkeit (auch) der Schubhaftverhängung – erwogen und im Ergebnis zutreffend verworfen hat, sodass sie davon ausgehend auch tatsächlich zur Anwendung der ultima-ratio-Maßnahme der Inschubhaftnahme berechtigt war.

 

Im Schubhaftbescheid der Fremdenpolizeibehörde vom 17. Oktober 2011, Zl. 1072111/FRB, findet sich diesbezüglich nur der rudimentäre Hinweis, dass der Zweck der Schubhaft wegen des bisherigen Verhaltens des Beschwerdeführers, dass darauf schließen lasse, dass er derartigen Anordnungen nicht Folge leisten werde, durch gelindere Mittel nicht erreicht werden könne.

 

Mit einer solchen Argumentation werden jedoch lediglich Gesichtspunkte ins Treffen geführt, die allenfalls dazu geeignet sind, eine höhere faktische Effektivität der Schubhaftverhängung im Vergleich zu bloß gelinderen Mitteln zu untermauern. Auf die im wechselseitigen Vergleich zwischen gelinderen Mitteln einerseits und Schubhaft andererseits relativ höhere Effizienz kommt es jedoch schon deshalb nicht an, weil § 77 Abs. 1 erster Satz FPG in diesem Zusammenhang den Vorrang gelinderer Mittel bereits auf Basis gleicher Effizienz anordnet (arg. "wenn sie Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann").

 

Offenbar in Verkennung der dieser Bestimmung sowie dem genannten VfGH-Erkenntnis vom 3. Oktober 2012, G 140/11 u.a., zu Grunde liegenden Prioritätensetzung geht hingegen weder aus diesem Bescheid noch aus dem von der Behörde vorgelegten Akt hervor, dass der Polizeidirektor der Stadt Linz die Anordnung gelinderer Mittel überhaupt de facto erwogen hat; konsequenterweise fehlt sodann auch eine fallbezogene und auf entsprechenden Belegen fußende Auseinandersetzung mit der Frage, welches dieser Mittel im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als das am ehesten Zielführendste anzusehen ist sowie – davon ausgehend – in welchen Umständen gegenständlich eine derartige ultima-ratio-Situation begründet war, dass nicht einmal mit einer zumindest vorgängigen Anordnung dieses gelinderen Mittels, sondern nur mit einer unverzüglichen Schubhaftverhängung das Auslangen gefunden werden konnte.

 

Im Verfahren nach §§ 82 f FPG ist der Unabhängige Verwaltungssenat nicht – wie in einem sonstigen Administrativ- oder Verwaltungsstrafverfahren nach dem 1. und 2. Abschnitt des IV. Teiles des AVG bzw. nach dem 5. Abschnitt des II. Teiles des VStG – Berufungs-, sondern nur Haftprüfungsbehörde i.S.d. Art. 6 PersFrSchG und Art. 5 Abs. 4 EMRK (vgl. jüngst VwGH v. 25. Oktober 2012, Zl. 2012/21/0064). Dies bedeutet, dass dem UVS nur eine Rechtmäßigkeitskontrolle zukommt, und zwar dahin, ob es unter Zugrundelegung der von der Haftbehörde vorgenommenen Bewertung der tatsächlichen Umstände des konkreten Falles verhältnismäßig war, von der Verhängung gelinderer Mittel abzusehen und stattdessen die Schubhaft zu verhängen.

 

Davon ausgehend kann die originäre Entscheidung darüber, ob bzw. welche gelinderen Mittel anzuordnen sind oder stattdessen die Schubhaft zu verhängen ist, nur von der Fremdenpolizeibehörde selbst getroffen, d.h. im Falle einer dementsprechenden Unterlassung vom UVS im Rahmen des Schubhaftbeschwerdeverfahrens auch nicht nachgetragen werden.

 

Gleiches gilt auch hinsichtlich der Gründe für das Vorliegen einer die Schubhaftverhängung tragenden ultima-ratio-Situation: Diese müssen sich unter gleichzeitiger Angabe der entsprechenden Beweise bereits aus dem Schubhaftbescheid selbst – und nicht etwa nur aus dem behördlichen Akt, der dem Fremden nicht bzw. nur eingeschränkt zugänglich ist – ergeben und können nicht ex post (z.B. etwa erst im Zuge einer öffentlichen Verhandlung vor dem UVS) substituiert werden.  

 

Angesichts des Umstandes, dass die belangte Behörde im gegenständlichen Fall dem Rechtsmittelwerber gegenüber nicht in einer nachvollziehbaren Weise – geschweige denn auch entsprechend belegt – zu erkennen gegeben hat, dass sie überhaupt die Anordnung gelinderer Mittel (sowie konkret: welcher dieser Mittel) in Erwägung gezogen und davon ausgehend das Vorliegen einer derartigen ultima-ratio-Situation, die sogar eine vorgängige Anordnung solcher Maßnahmen ausgeschlossen, sondern vielmehr die unverzügliche Schubhaftverhängung als geboten angenommen hat, erweist sich sohin die Anhaltung des Beschwerdeführers als rechtswidrig.

 

1.6. Gegen diese Entscheidung hat die Landespolizeidirektion Oberösterreich eine Amtsbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben.

 

1.7. Mit Erkenntnis vom 2. August 2013, Zl. 2013/21/0019, hat der VwGH dieser Amtsbeschwerde stattgegeben und die h. Entscheidung vom 17. Dezember 2012, Zln. VwSen-401139/26/Gf/Rt und VwSen-401158/15/Gf/Rt, wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhalts aufgehoben.

 

Begründend wurde dazu unter Hinweis auf das Erkenntnis des VwGH vom 2. August 2013, Zl. 2013/21/0008, ausgeführt, dass sich daraus, dass der Beschwerdeführer keine familiären, sozialen und beruflichen Anknüpfungspunkte in Österreich hatte, nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel zur Bestreitung seines Aufenthalts verfügte und sich zuvor lange Zeit illegal in Spanien aufgehalten hatte, insgesamt ergebe, dass ein nur durch Schubhaft zu sicherndes überwiegendes öffentliches Interesse dargetan ist.

 

1.8. An diese im Hinblick auf dessen Beschluss vom gleichen Tag, Zl. 2013/21/0025, schlechthin nicht nachvollziehbare, weil insgesamt besehen eine einheitliche und berechenbare Struktur nicht erkennen lassende (Be-)Wertung durch den VwGH ist der Oö. Verwaltungssenat zumindest im vorliegenden Fall gemäß § 63 Abs. 1 VwGG gebunden.

 

2. Davon ausgehend war sohin gemäß § 83 Abs. 1 und 4 FPG i.V.m. § 67c Abs. 3 AVG festzustellen, dass die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vom 17. Oktober 2011 bis zum 9. Februar 2012 rechtswidrig war.

 

3. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Beschwerdeführer dazu zu verpflichten, dem Bund nach § 79a Abs. 3 und Abs. 4 Z. 3 AVG i.V.m. § 1 Z. 3 und 4 der UVS-Aufwandersatzverordnung, BGBl.Nr. II 456/2008, Aufwendungen in einer Höhe von insgesamt 426,20 Euro (Vorlageaufwand: 57,40 Euro; Schriftsatzaufwand: 368,80 Euro) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden, wobei für jede dieser Beschwerden eine Gebühr von 240 Euro zu entrichten ist.

 

 

 

 

 

 

Dr.  G r ó f