Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-167815/8/Bi/Ka

Linz, 13.09.2013

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn x, vom 6. Mai 2013 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshaupt­mannes von Braunau/Inn vom 22. April 2013, VerkR96-1215-2013, wegen Übertretung der StVO 1960, aufgrund des Ergebnisses der am 10. September 2013 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung (samt mündlicher Verkündung der Berufungsentscheidung) zu Recht erkannt:

 

     Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren ohne Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen eingestellt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i, 45 Abs.1 Z1 und 66 VStG

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 9 Abs.4 iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 60 Euro (12 Stunden EFS) verhängt, weil er am 20. Februar 2013, 15.14 Uhr, im Gemeindegebiet Kirchberg/Mattighofen, Enthamer Kreuzung L1048/L1050, mit dem Pkw x an der Kreuzung mit dem Vorschriftszeichen „Halt“ und einer auf der Fahrbahn angebrachten Haltelinie nicht an dieser angehalten habe – Standort des Beamten: Hauszufahrt an der L1048 in Richtung Kerschham mit guter Sicht auf den Kreuzungsbereich.  

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 6 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 10. September 2013 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung an der genannten Kreuzung in Anwesenheit des Bw, des Vertreters der Erstinstanz Herrn xr, der Zeugen x (P) und Meldungsleger x (Ml), PI Palting, durchgeführt. Die Berufungsentscheidung wurde mündlich verkündet. 

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, er sei mit seiner Gattin als Beifahrerin von Kerschham kommend zur genannten Kreuzung gefahren. Er habe den Streifen­wagen in der Hofzufahrt bemerkt, aber keinen Beamten in dessen Nähe gesehen. Ob dieser im Fahrzeug gewesen sei, sei nicht ersichtlich gewesen. Er wisse, dass die Polizei diesen Kreuzungbereich speziell überwache. Er halte sich an die StVO, weil er selbst 41 Jahre x in x gewesen sei. Er sei nicht „ohne anzuhalten in Richtung Pfaffstätt eingebogen“, sondern sei im Wissen, dass die Kreuzung unfallgefährdet sei, vor der deutlich sichtbar angebrachten Haltelinie stehengeblieben, was auch seine Gattin bezeugen könne. Sie habe in der Meinung, er werde geradeaus weiterfahren, zu ihm gesagt, dass von rechts kein Fahrzeug komme, und er habe geantwortet, er wolle rechts abbiegen in Richtung Siegertshaft. Er habe links und rechts geschaut und gesehen, dass aus beiden Richtungen kein Fahrzeug komme. Dann sei er im 1. Gang mit Schrittgeschwindigkeit und unter Blinken rechts eingebogen und weitergefahren. Er habe die ihm vorgeworfene Übertretung nicht begangen und sei sich keiner Schuld bewusst. Beantragt wird Verfahrens­einstellung.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, bei der die genannten Kreuzung besichtigt, beide Parteien gehört und die genannten Zeugen – die Zeugin P unter Hinwies auf ihr Entschlagungsrecht als Ehegattin und nach ihrer Erklärung, sie wolle aussagen, auf die Wahrheitspflicht des § 289 StGB, ebenso wie der Ml – eingehend befragt wurden.

 

Fest steht, dass der Bw als Lenker eines Pkw auf der L1048 Enthamer Straße mit der Zeugin P als Beifahrerin zur Vorfallszeit in Richtung Kirchberg/M. fuhr und bei der dortigen Kreuzung nach rechts in die L1050 Siegertshafter Straße einbiegen wollte. Die Kreuzung ist laut Anzeige eine Unfallhäufungsstelle und weist daher eine besonderes auffällige Kennzeichnung auf die Vorrangverhältnisse auf, die in Form umfangreicher Bodenmarkierungen – Warnzeichen in weißer Farbe, rote STOP-Zeichen – angebracht sind. Weiters ist dort das Vorrangzeichen „Halt“ gut sichtbar – laut Verordnung des Bezirkshauptmannes von Braunau/Inn vom 6. August 2010, VerkR10-1048-4-2010 – aufgestellt. Der Bw hatte daher dem Querverkehr Vorrang einzuräumen und dazu anzuhalten.

   

Nach seinen eigenen Angaben und denen seiner Gattin hat er das auch getan, wobei die Zeugin P meinte, er wolle geradeaus weiterfahren und ihn nach einem Blick nach rechts darauf aufmerksam machte, dass von dort kein Fahrzeug komme. Der Bw antwortete nach der Schilderung beider daraufhin, er wolle ohnehin nach rechts einbiegen, sie brauche nicht schauen. Er blickte nach eigenen Angaben nach links und rechts und fuhr schließlich, weil außer seinem Pkw kein Fahrzeug zu sehen war,  in Richtung Siegertshaft weiter.

 

Dem gegenüber steht die Aussage des Ml, er sei in einem Streifenwagen, der in einer Zufahrt zum rechts vor der Kreuzung an der L1048 gelegenen Hof abgestellt war, gesessen und habe den Vorgang beobachtet. Der Bw und die Zeugin P bestätigten auch, sie hätten den Streifenwagen in der geschotterten Zufahrt stehen gesehen, aber keinen Beamten. Der Ml gab an, er sei nicht in der geschotterten Zufahrt gestanden, sondern in der asphaltierten höher gelegenen letzten vor der Kreuzung etwas von der Straße weg. Von dort habe er beim Vorbei- und Wegfahren das – ihm unbekannte und auch nicht zuordenbare – Kennzeichen des Pkw ablesen können und mit dem Fernglas beobachtet, dass der Pkw vor der Kreuzung nicht angehalten habe, sondern so hineingerollte sei, „als ob das Halt-Zeichen nicht vorhanden“ wäre, wobei er dem Bw zubilligte, auf einen (nicht vorhandenen) Querverkehr geschaut zu haben. Der Lenker sei eindeutig keinesfalls stehengeblieben, deshalb habe er ihn auch angezeigt. Eine Anhaltung sei nicht erfolgt.

 

Beim Ortsaugenschein hat sich ergeben, dass der Ml, geht man vom von ihm  angegebenen Standort aus, vom Lenkerplatz des erhöht stehenden Streifen­wagens aus durch insgesamt zwei Maschendrahtzäune – im Februar bei blattlosen Sträuchern – relativ gute Sicht auf die in Fahrtrichtung des Bw etwas bergab verlaufende Kreuzung und einen davor befindlichen Pkw hatte. Die Feststellung, ob ein Fahrzeug tatsächlich dort stehenbleibt oder nicht, ist mit dem Fernglas von dort aus möglich. Der Ml zeigte handschriftliche Aufzeich­nungen, aus denen die Beschreibung des Pkw samt Kennzeichen, Zeit, Fahrtrichtung und der Vermerk „ohne STOP“ hervorgeht. Auf dem Papier war oben „Sonne/trocken“ vermerkt.  

Allerdings bestehen aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit sowohl des Ml als auch des Bw erhebliche Bedenken. Beide sind Polizeibeamte, beiden ist schon aufgrund ihres beruflichen Hintergrundes und der damit wohl immanenten Verbundenheit mit rechts­staatlichen Grundwerten die gleiche Glaubwürdigkeit zuzubilligen. Auch wenn der Bw (nun und auch schon zum Übertretungszeitpunkt) bereits in Pension ist, ist seiner Feststellung, er bleibe als x grundsätzlich vor jeder Stop-Tafel stehen, im Ergebnis nichts entgegenzuhalten. Überlegungen, bei einem von beiden eine geringere Glaubwürdigkeit anzu­nehmen, gelten auch für den anderen, wobei schon die Tatsache, dass ein x einen anderen x – der zwar dort wohnt, aber immer in einem anderen Bundesland tätig war – anzeigt, für sich spricht; der Ml hat bestätigt, er wisse, dass es sich beim Bw um einen „Kollegen“ handle.

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates war daher in rechtlicher Hinsicht nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicher­heit von der Verwirklichung des Tatbestandes auszugehen und letztlich wegen Nichterweisbarkeit des Tatvorwurfs – Aussage steht gegen Aussage und objektive Beweismittel liegen nicht vor – spruchgemäß zu entscheiden. Verfahrenskostenbeiträge fallen nicht an.     

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

Mag. Bissenberger