Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-167948/7/Bi/Ka

Linz, 12.09.2013

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn x, vom 2. Juli 2013 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshaupt­mannes von Grieskirchen vom 13. Juni 2013, VerkR96-6031-2013, wegen Übertretung der StVO 1960, aufgrund des Ergebnisses der am 12. September 2013 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung (samt mündlicher Verkündung der Berufungsent­schei­dung) zu Recht erkannt:

 

     Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren ohne Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen eingestellt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i, 45 Abs.1 Z4 und 66 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 4 Abs.5 iVm 99 Abs.3 lit.b StVO 1960 eine Geldstrafe von 200 Euro (72 Stunden EFS) verhängt, weil er am 10. Dezember 2012, 22.40 Uhr, in x, x Landesstraße L1209 bei km 8.872, mit dem Pkw x mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhand gestanden sei und nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle verständigt habe.  

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 20 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 12. September 2013 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesen­heit des Bw, seines Rechtsvertreters und des Zeugen Meldungsleger BI x (Ml) durchgeführt. Die Vertreterin der Erstinstanz war entschuldigt. Die Berufungsentscheidung wurde mündlich verkündet. 

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, der Unfall habe sich um 22.40 Uhr nachts ereignet, es sei stockdunkel gewesen, habe geschneit und die Bäume seien bis zu 1,50 m Höhe schneebedeckt gewesen, was auch aus den Fotos hervorgehe. Der Schaden am Baum sei in ca 20 cm Höhe vom Boden gewesen. Er habe diese geringe Rindenabschürfung nicht erkennen können und auch bei gehöriger Aufmerksamkeit hätten ihm keine objektiven Umstände zu Bewusstsein kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Schadens durch den Anstoß erkennen hätte können. Er habe die schwere Beschädigung seines Pkw am Heck an der Unfallstelle noch nicht erkennen können und aus der Wucht des Aufpralls habe man nicht auf die nur kleinflächige Rindenabschürfung schließen können. Die Möglichkeit des Erkennens unmittelbar nach dem Unfall scheide aus, weil er bei Dunkelheit und Kälte ohne Lichtquelle – er habe keine Taschenlampe oä mitgehabt – keine Untersuchungen am Baum anstellen hätte können – dies würde die Anforderungen an die Sorgfalt eines Unfalllenker bei Weiten überspannen. Er sei sicher aufmerksam und gewissenhaft und habe auch keine Vormerkungen. Er habe auch selbst die Polizei verständigt am nächsten Vormittag. Möglicherweise wäre auch der Schaden dem Geschädigten nicht einmal aufgefallen, hätte er den Unfall nicht gemeldet. Abgesehen davon habe auch der Baum nicht beseitigt werden müssen und werde auch die kleine Abschürfung im Lauf der Zeit verschwinden.

Die Erstinstanz hätte im Zweifel für ihn entscheiden, gegebenenfalls eine Ermahnung nach § 21 VStG aussprechen müssen, weil sein Verschulden, wenn überhaupt vorhanden, geringfügig gewesen sei. Die Erstinstanz habe nur Judikatursätze wiedergegeben, wobei die Anlassfälle nicht vergleichbar seien. Beantragt wird Verfahrensein­stellung.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der der Bw und sein Rechtsvertreter gehört und die Ausführungen der Erstinstanz in der Begründung des angefoch­tenen Straferkenntnisses berücksichtigt wurden. Dabei wurden die im Akt befindlichen kopierten Fotos und die vom Ml vorgelegten Farb-Originalbilder erörtert.

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Der Bw fuhr am 10. Dezember 2012 gegen 22.40 Uhr mit seinem Pkw von der Arbeit nach Hause. An diesem Abend hatte es seit ca 18.00 Uhr geschneit und er fuhr bei km 8.8 der L1209 auf einer schneebedeckten Fahrbahn durch den beidseitig gelegenen Wald. Im Verlauf eines bergauf führenden Teiles kam er aufgrund der Fahrbahn­verhältnisse ohne Fremdverschulden ins Schleudern, drehte sich mit dem Pkw und prallte mit dem Heck an einen neben der Straße stehenden Baum, so dass er mit den Vorderrädern noch auf der Fahrbahn stand. Er konnte sich erinnern, dass nach dem Aufprall Schnee vom Baum herunterfiel. Er startete den Motor und fuhr auf die Straße hinaus, wobei er erkannte, dass von oben ein Fahrzeug kam. Vor diesem fuhr er bergab weiter, um ca 100 m später anzuhalten. Dort stieg er aus und besichtigte seinen Pkw, der hinten genau in der Mitte am Heck schwer beschädigt war (senkrechte Eindellung und zerbrochenes Heckfenster, Totalschaden). Dann nahm er Schwung, um den bergauf führenden Abschnitt bewältigen zu können und fuhr die kurze Strecke heim. Bereits in der Nacht spürte er Schmerzen im Genick. Am nächsten Morgen brachte er den Pkw in die Werk­stätte, ging dann zur Versicherung und dann zum Hausarzt – der ihn ins Krankenhaus überwies, wo später eine Zerrung der HWS und eine Gehirn­erschütterung S1 diagnostiziert wurde. Um 10.00 Uhr meldete er den Unfall beim Ml, PI Neukirchen am Walde. Der Ml fuhr mit ihm zur Unfallstelle, wobei inzwischen der Schneepflug gefahren war und keine Reifenspuren mehr zu sehen waren. Lediglich eine abgeschürfte Rinde an einem Baum war zu sehen, die der Ml ebenso wie die Unfallstelle sofort fotografierte. Auf den Fotos sind auch die Straßenverhältnisse an der Unfallstelle sowie Schneeanwehungen an den Bäumen erkennbar. Außerdem wurde der beschädigte Pkw fotografiert, wobei der Eindruck besteht, dass die Abschürfung am Baum von der Höhe und der Form her der Anhängerkupplung am Pkw entsprechen könnte.          

Der Ml hat in der Verhandlung betont, beim Bw habe keinerlei Anzeichen für eine Alkoholisierung bestanden und er habe den Unfall so gemeldet, dass er an einen Baum angefahren sei. Verkehrsleiteinrichtungen seien dort nicht vorhanden gewesen.

 

Der Bw hat betont, er habe nach dem Unfall keine Möglichkeit gehabt den Baum auf Schäden zu untersuchen, weil er keine Taschenlampe oä mithabe. Er sei froh gewesen, dass der Pkw noch fahrbereit gewesen sei und sei bergab zurück­gefahren, weil er am bergauf nicht weggekommen wäre. Ein Pkw sei von oben gekommen und dann langsam hinter ihm nachgefahren. Er sei unten ca nach 100m stehengeblieben und habe den Schaden an seinem Pkw festgestellt. Zur Unfallstelle hätte er zurückgehen müssen, wobei es komplett finster gewesen sei, sodass er auch eine Rindenabschürfung nicht sehen hätte können. Er habe ein Stück von Baum wegfahren müssen, wobei dieser nahe an der Straße gestanden sei, sodass sein Pkw auch teilweise auf der Fahrbahn gestanden wäre. Er habe einen Unfall befürchtet auf dem rutschigen Straßenstück und sich auch nicht getraut, dort einen Pkw anzuhalten. Auf der Straße hätten die Schwein­werfer des Pkw in eine andere Richtung geleuchtet und den Baum hätte er so auch nicht untersuchen können. Beim Bergauffahren sei er an diesem Baum vorbeigefahren, habe aber befürchtet, nicht mehr wegzukommen, wenn er angehalten hätte.  Außerdem habe sein Kopf gebrummt, er habe nur mehr heimfahren wollen.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 4 Abs.5 StVO 1960 haben, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, die nächste Polizeidienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn diese Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

Voraussetzung für die Meldepflicht des Abs.5 ist als objektives Tatbestands­merkmal der Eintritt eines Sachschadens und in objektiver Hinsicht das Wissen vom Eintritt eines derartigen Schadens, wobei der Tatbestand schon dann gegeben ist, wenn dem Täter objektive Umstände zu Bewusstsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalls mit Sachschaden zu erkennen vermocht hätte (vgl VwGH 23.5.2002, 2001/03/0417, uva).

Auch ein geringfügiger Schaden löst die Meldepflicht aus. Dies trifft insbesondere auf das Abschürfen der Rinde eines Baumes zu. Auch verhältnismäßig gering­fügige Beschädigungen lösen die Verständigungspflicht nach § 4 Abs.5 StVO aus – das Abschürfen der Rinde, das Verbiegen und das "Schiefstellen" von Bäumen sind Sachschäden, gleichgültig ob sich diese Unfallfolgen im Laufe der Zeit durch Regenerierung oder durch "Geradestellen", also durch eine Reparatur, wieder beheben lassen (vgl VwGH 24.4.1986, 85/02/0283; 25.9.1992, 90/02/0217).

 

Der Bw ist mit großer Wucht gegen einen Baum, der sich später als 40 Jahre alte Fichte heraus­stellte, geprallt und dort zum Stehen gekommen. In der Unfall­endlage konnte er einen Schaden am Baum sicher nicht erkennen, wohl aber konnte er nach Feststellung des massiven Schadens an seinem Pkw den Schluss ziehen, dass der Baum ebenfalls eine Beschädigung aufweisen müsste. Dass er mit dem Pkw nicht teilweise auf der Fahrbahn stehenbleiben wollte, ist nachvoll­ziehbar, weil ein Folgeunfall durch ein eventuell von oben oder auch von unten ankommendes Fahrzeug nicht auszuschließen war. Auch soweit ist seine Aussage nachvollziehbar. Ein 100m-Fußmarsch durch den Wald bei Dunkelheit hätte ohne Lichtquelle keine Möglichkeit eröffnet, den Baum auf Schäden zu untersuchen. Die einzige Möglichkeit wäre gewesen, den Pkw so abzustellen, dass die Scheinwerfer den Baum zumindest von der Seite her angeleuchtet hätten, dh der Bw hätte entweder beim Bergabfahren, je nach Einschlagwinkel, oder später beim Bergauffahren – hier fuhr er direkt am Baum vorbei – in geeigneter Entfernung stehenbleiben müssen, um den Baum auf Schäden zu untersuchen. Dabei hätte allerdings die Gefahr bestanden, dass er bergauf nicht mehr anfahren hätte können.

Er ist nach dem Unfall, der sich gegen 22.40 Uhr ereignet hat, heimgefahren und hat von sich aus den Unfall am nächsten Vormittag bei der Polizei gemeldet. Ihm ist insofern nichts entgegenzusetzen, als möglicherweise der Eigentümer des Baumes tatsächlich vom Schaden nichts bemerkt hätte, wobei auch die von diesem genannte Schadenssumme fraglich erscheint.

Auch die von Ml vorgelegten am nächsten Vormittag gemachten Farbbilder, auf denen die braune Rinde am schnee­bedeckten Baumstamm gut zu erkennen ist, helfen bei der Beurteilung des Schadens wenig, weil die Farbe bei Dunkelheit nicht erkennbar ist. Da der Bw aber nach dem heftigen Anprall am Baum „angestanden“ ist, konnte er annehmen, dass die Kollisionsstelle am Baum beschädigt sein könnte, zumal er  von der Existenz seiner Anhängerkupplung und deren Festigkeit wusste. Eine telefonische Meldung bei der Polizei nach dem Unfall hätte der vorgeschriebenen Unfall­meldung „ohne unnötigen Aufschub“ durchaus Genüge getan. 

Zugutezuhalten ist ihm aber die eigene Verletzung, wobei auch seine Aussage, der Kopf habe ihm „gebrummt“, durchaus glaubhaft ist; die Schmerzen in der Halswirbelsäule sind erst in der Nacht aufgetreten.

 

Gemäß § 45 Abs.1 Z4 VStG idF BGBl.I Nr.33/2013 hat die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind. Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde dem Beschuldigten im Fall der Z 4 unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten.

 

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates sind die Voraussetzungen des § 45 Abs.1 Z4 VStG gegeben, weil der Bw den Unfall von sich aus, zwar spät aber doch, bei der Polizei gemeldet hat; am Unfallort waren keinerlei Spuren mehr zu sehen, sodass er ohne eigene Meldung wohl nicht mehr als Schädiger eruierbar gewesen wäre. Da der Unfall sich in der Nacht ereignete und das Zustandekommen des Unfalls ohne jedes Fremdverschulden aber auch ohne irgendwelche Anzeichen von Alkohol eindeutig war, kann die Meldung zwar nicht mehr als ohne unnötigen Aufschub erstattet angesehen werden, jedoch ist angesichts der Unfallzeit und der beim Unfall erlittenen Verletzung des Bw von geringfügigem Verschulden auszugehen, sodass der Ausspruch einer Ermahnung  im konkreten Fall nicht erforderlich war, zumal aufgrund der auch vom Ml bestätigten damaligen Wetter- und Straßenbedingungen von einer Ausnahme­situation ausgegangen werden kann. Dass beim Bw keinerlei böse Absicht bestanden hat, steht nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens fest.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden, wobei Verfahrenskosten naturgemäß nicht anfallen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

Mag. Bissenberger