Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281479/4/Kl/Rd/BU

Linz, 12.09.2013

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Ilse Klempt über die auf das Strafausmaß beschränkte Berufung des X, vertreten durch Rechtsanwälte X, X, X, gegen das Straf­erkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 22. Oktober 2012, Ge96-4-8-2012, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem Arbeitnehmer­Innen­schutz­gesetz - ASchG zu Recht erkannt:

 

I. Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als die hinsichtlich der Fakten 1 bis 4 jeweils verhängten Geldstrafen auf jeweils 500 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafen auf jeweils 25 Stunden herabgesetzt werden.

 

II. Der Kostenbeitrag zum Verfahren erster Instanz ermäßigt sich auf insgesamt 200 Euro, das sind 10% der nunmehr verhängten Geld­strafen. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines Kosten­beitrages zum Berufungsverfahren.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 19 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II: § 64 und § 65 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 22. Oktober 2012, Ge96-4-8-2012, wurden über den Berufungswerber hinsichtlich der Fakten 1 bis 4 Geldstrafen von jeweils 800 Euro, Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils 37 Stunden, wegen Verwaltungsübertretungen gemäß § 130 Abs.5 Z1 iVm § 118 Abs.3 ASchG iVm  § 87 Abs.2 iVm §§ 7 bis 10 und § 161 BauV, verhängt.

 

Nachstehender Tatvorwurf wurde dem Berufungswerber im Spruch des ange­fochtenen Straferkenntnisses zur Last gelegt:

 

"Mit Schreiben vom 29. November 2011 an das Arbeitsinspektorat Wels wurden Sie durch die Firma X Gesellschaft mbH mit Sitz in X, X, als verantwortlicher Beauftragter mit Dienstort X für das X, X, X, bestellt.

Als solcher haben Sie gemäß § 9 Abs.2 VStG – wie im Zuge einer Baustellenbesichtigung am 20. Dezember 2011 durch die Arbeitsinspektorin des Arbeitsinspektorates für Bauarbeiten, Frau X, festgestellt wurde – zu verantworten:

Sie haben als Arbeitgeberin nicht für die Einhaltung der Bestimmungen der Bauarbeiter­schutzverordnung gesorgt.

Am 20. Dezember 2011 wurden die Arbeitnehmer der Firma X Gesellschaft mbH,

1. Herr X,

2. Herr X,

3. Herr X und

4. Herr X

auf der Baustelle in X, X, mit Arbeiten am Flachdach (Aufbringung der Dämmung) mit einer Dachneigung von 0° und einer Absturzhöhe von ca 8 m ohne entsprechende Absturzsicherungen, Schutzeinrichtungen oder Abgrenzungen beschäftigt. Dies obwohl bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung bis zu 20 Grad und einer Absturzhöhe von mehr als 3,00 m Absturzsicherungen, Abgrenzungen oder Schutzein­richtungen gemäß §§ 7 bis 10 Bauarbeiterschutzverordnung vorhanden sein müssen (§ 87 Abs.2 Bauarbeiterschutzverordnung).

Sie haben demnach den Bestimmungen der Bauarbeiterschutzverordnung zuwiderge­handelt."  

 

2. Dagegen wurde fristgerecht eine auf das Strafausmaß beschränkte Berufung eingebracht. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass von einem geringfügigen Verschulden auszugehen sei, zumal unstrittig unmittelbar vor den inkriminierten Tätigkeiten die Randbohlen verlegt worden seien. Dabei sei die Anbringung einer Abschrankung technisch nicht möglich. Die Arbeitnehmer seien jedoch mit einem persönlichen Sicherheitsgeschirr gesichert gewesen, sodass keine unmittelbare Gefährdung vorgelegen sei. Im Übrigen seien von der belangten Behörde die Einkommensverhältnisse nicht entsprechend gewürdigt worden. So sei bei einem Verfahren betreffend den handelsrechtlichen Geschäfts­führer von dessen Nettoeinkommen von 4.000 Euro ausgegangen worden. Auf dieser Basis sei eine Strafe in gleicher Höhe gegenüber dem Bauleiter verhängt worden. Beim Bauleiter wurde von einem monatlichen Nettoeinkommen von 2.500 Euro ausgegangen. Es werde daher die Herabsetzung der verhängten Geld­strafen beantragt.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Eferding als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt. Das Arbeitsinspektorat für Bau­arbeiten wurde am Verfahren beteiligt und stimmte einer Herab­setzung der verhängten Geldstrafen zu.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme.

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung konnte gemäß § 51e Abs.3 Z2 Abstand genommen werden, zumal sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Da der Berufungswerber ausdrücklich um die Herabsetzung der verhängten Geldstrafen ersucht hat, ist der Schuldspruch in Rechtskraft erwachsen und ist es dem Oö. Verwaltungssenat verwehrt, hierauf einzugehen.

 

5.2.1. Gemäß § 130 Abs.5 Z1 ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 Euro bis 14.530 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in den nach dem 9. Abschnitt weiter geltenden Bestimmungen zuwiderhandelt.

Gemäß § 118 Abs.3 ASchG gilt die Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) als Ver­ordnung nach diesem Bundesgesetz.

 

5.2.2. Gemäß § 19 Abs.1 VStG idF BGBl. I Nr. 33/2013, in Geltung ab 1. Juli 2013, sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des straf­rechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

 

Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungs­gründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu neh­men. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechts sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes – die wohl auch nach Novellierung des § 19 VStG weiterhin zu berücksichtigen sein wird - handelt es sich bei der Strafbemessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides so weit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist. § 19 Abs.1 enthält somit jene objektiven Kriterien, die Grundlage für die Strafbemessung sind. Darüber hinaus normiert Abs.2 für das ordentliche Verfahren eine Reihe weiterer sub­jektiver Umstände.

 

Auch bei der Strafbemessung obliegt es der Behörde gemäß § 60 AVG iVm § 24 VStG die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage, gelegen an der gesetzmäßigen Bemessung der Strafe, klar und übersichtlich zusammenzufassen.

 

5.3. Die Bestimmungen des ASchG bzw der auf ihrer Grundlage erlassenen Ver­ordnungen haben den Schutz des Lebens und die Gesundheit der Arbeitnehmer zum Ziel und sind daher entsprechende Verstöße mit einem besonderen Unrechtsgehalt der Tat behaftet, weil hiedurch genau jene Gefährdungen her­beigeführt werden, denen die genannten Bestimmungen entgegenwirken sollen.

 

5.4. Von der belangten Behörde wurden im angefochtenen Straferkenntnis hinsichtlich der Fakten 1 bis 4 jeweils Geldstrafen in Höhe von 800 Euro, bei einem Strafrahmen von 145 Euro bis 7.260 Euro, über den Berufungswerber verhängt. Es wurden weder strafmildernde noch straferschwerende Umstände gewertet. Der Strafbemessung legte die belangte Behörde eine Schätzung der persönlichen Verhältnisse des Berufungswerbers, und zwar ein monatliches Nettoeinkommen von 2.500 Euro, kein Vermögen und keine Sorgepflichten, zugrunde. In der Stellungnahme vom 24. Oktober 2012 wurde vom Berufungs­werber bekannt gegeben, dass er über ein monatliches Nettoeinkommen von ca. 2.300 Euro verfügt, hinsichtlich etwaiger Sorgepflichten hat er sich nicht ausgelassen. Hingegen wurde vorgebracht, dass in der gegen­ständlichen Angelegenheit ursprünglich der handelsrechtliche Geschäftsführer der x als verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher mit ebenfalls einer Geld­strafe von insgesamt 3.200 Euro bestraft worden sei, wobei jedoch die belangte Behörde hier von einem monatlichen Nettoeinkommen von 4.000 Euro ausgegangen war. Aufgrund der Bestellung des nunmehrigen Berufungswerbers zum verantwortlichen Beauftragten wurde das gegen den handelsrechtlichen Geschäftsführer geführte Verfahren aufgrund der Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates vom 16. August 2012, VwSen-281439/2/Kl, eingestellt und das Verfahren gegen den nunmehrigen Berufungswerber bei gleichem Straf­betrag geführt. Es wurde zwar de facto ein niedrigeres Einkommen als Grundlage bei der Strafbemessung herangezogen, jedoch bei der Verhängung der jeweiligen Geldstrafen unberücksichtigt belassen.

Dieser Umstand sowie die Tatsache, dass dem Berufungswerber der nicht unwesentliche Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit zugute zu halten war, waren bei der Strafbemessung durch den Oö. Verwal­tungs­senat zu berücksichtigen. Überdies wurde auch seitens des Arbeits­inspektorates für Bauarbeiten einer Herabsetzung der verhängten Geldstrafen zugestimmt.

 

Zum Unrechtsgehalt der Tat ist zu bemerken, dass auf die massive Gefährdung der vier Arbeitnehmer durch die fehlende Absturzsicherungen gerade bei Flach­dächern, wo bekanntlich schon ein unbedachter Schritt rückwärts einen Absturz hervorrufen kann, hinzuweisen ist. Weiters war auch der Umstand, dass eine Absturzhöhe von 8 m gegeben war, entsprechend zu werten.

Grundsätzlich erscheinen dem Oö. Verwaltungssenat die verhängten Geldstrafen durchaus tat- und schuldangemessen und auch erforderlich, um den Berufungs­werber künftighin von der Begehung gleichartiger Delikte abzuhalten. Aufgrund des bereits ausgeführten Umstandes, dass bei doch einem gravierenden Einkom­mens­unterschied von 1.500 Euro die gleiche Gesamtgeldstrafe verhängt wurde aber auch mangels Berücksichtigung der verwaltungsstrafrechtlichen Unbeschol­ten­heit des Beru­fungswerbers, der Oö. Verwaltungssenat unbeschadet dessen gehalten gewesen ist, die verhängten Geldstrafen auf das nunmehr festgesetzte Ausmaß herab­zusetzen.

 

Einer weitergehenden Herabsetzung der verhängten Geldstrafen stand aber das erhebliche Gefährdungspotential der vom Berufungswerber gesetzten Übertre­tung entgegen.

 

Einer Anwendung des § 20 VStG konnte nicht näher getreten werden, da hierfür die Voraussetzungen (beträchtliches Überwiegen der Milderungsgründe gegen­über den Erschwerungsgründen) nicht vorlagen. Das Vorliegen der verwaltungs­strafrechtlichen Unbescholtenheit allein begründet noch kein beträchtliches Überwiegen.

 

Gemäß § 45 Abs.1 Z4 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind. Die Voraussetzungen zur Anwendung liegen gegenständlich nicht vor, wobei auf die obigen Ausführungen zum Unrechtsgehalt verwiesen wird.

     

6. Weil die Geldstrafen herabgesetzt wurden, war gemäß § 64 VStG  der Kostenbeitrag zum Verfahren erster Instanz zu ermäßigen. Im Grunde der Strafherabsetzung hatte die Berufung teilweise Erfolg und entfällt daher die Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat gemäß § 65 VStG. 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsge­richtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevoll­mächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Ilse Klempt