Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281484/7/Py/Rd/Hu

Linz, 19.09.2013

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Andrea Panny über die Berufung des x, vertreten durch x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 6. November 2012, Ge96-86-2012, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem Arbeitszeitgesetz zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straf­erkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren einge­stellt.

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrens­kosten­beiträge.

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z3 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II: § 66 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 6. November 2012, Ge96-86-2012, wurden über den Berufungswerber Geld­strafen von 100 Euro, EFS 18 Stunden (Fakten 4, 5, 7), von 145 Euro, EFS 32 Stunden (Faktum 1), von 200 Euro, EFS 30 Stunden (Faktum 8) und von 300 Euro, EFS 46 Stunden (Fakten 2, 3, 6), wegen Verwaltungsübertretungen gemäß  § 28 Abs.5 Z2 iVm Abs.6 Z2 AZG iVm Art.7 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 (Fakten 1 und 8), §  28 Abs.5 Z2 iVm Abs.6 Z3 AZG iVm Art.7 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 (Fakten 2 und 3), § 28 Abs.5 Z2 iVm Abs.6 Z1 AZG iVm Art.7 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 (Fakten 4 und 7), § 28 Abs.5 Z3 iVm Abs.6 Z1 AZG iVm Art. 8 Abs.1-4 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 (Faktum 5), § 28 Abs.5 Z1 und Abs.6 Z3 AZG iVm Art.6 Abs.1 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 (Faktum 6) verhängt.

 

Nachstehender Tatvorwurf wurde dem Berufungswerber im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses zur Last gelegt:

 

"Im Zuge einer Kontrolle der Lenk- und Ruhezeiten des bei der x im Standort x, beschäftigten Kraftfahrers Herrn x durch die Polizeiinspektion Mank konnte festgestellt werden, dass die x, als Arbeitgeber Herrn x

 

1.) am 03.04.2012 von 07:44 Uhr bis 19:57 Uhr die Lenkpausen gemäß Art.7 der Verordnung (EG) Nr. 156/2006 nicht gewährt hat, zumal dieser nach einer Lenkdauer von 8 Stunden 55 Minuten lediglich eine ununterbrochene Fahrtunterbrechung von 41 Minuten eingelegt hat,

 

2. am 05.04.2012 von 10:55 Uhr bis 17:27 Uhr die Lenkpausen gemäß Art.7 der Verordnung (EG) Nr. 156/2006 nicht gewährt hat, zumal dieser nach einer Lenkdauer von sechs Stunden 32 Minuten lediglich eine ununterbrochene Fahrtunterbrechung von 29 Minuten eingelegt hat,

 

3. am 13.04.2012 von 08:24 Uhr bis 18:51 Uhr die Lenkpausen gemäß Art.7 der Verordnung (EG) Nr. 156/2006 nicht gewährt hat, zumal dieser nach einer Lenkdauer von sechs Stunden 38 Minuten lediglich eine ununterbrochene Fahrtunterbrechung von 28 Minuten eingelegt hat,

 

4. am 17.04.2012 von 04:27 Uhr bis 09:45 Uhr die Lenkpausen gemäß Art.7 der Verordnung (EG) Nr. 156/2006 nicht gewährt hat, zumal dieser nach einer Lenkdauer von 4 Stunden 35 Minuten lediglich eine ununterbrochene Fahrtunterbrechung von 28 Minuten eingelegt hat,

 

5. von 18.04.2012 – 07:15 Uhr – bis 19.04.2012 – 07:15 Uhr – im 24 Stundenzeitraum nach dem Ende der vorangegangenen täglichen oder wöchentlichen Ruhezeit keine tägliche Ruhezeit von mindestens 11 zusammenhängenden Stunden gewährt hat, wobei die zulässige 3-malige Verkürzung der Ruhezeit pro Woche auf jeweils 9 Stunden bereits berücksichtigt worden ist,

 

6. vom 18.04.2012 bis zum 19.04.2012 im Zeitraum (Ersatzzeitraum) von 07 Uhr 15 (18.04.2012) bis 17 Uhr 17 (19.04.2012) insgesamt 15 Stunden 27 Minuten und somit über die gemäß Artikel 6 Abs.1 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 zulässige Tageslenkzeit von 9 Stunden bzw 2 mal pro Woche 10 Stunden hinaus eingesetzt hat,

 

7. am 19.04.2012 von 07:12 Uhr bis 12:46 Uhr die Lenkpausen gemäß Art.7 der Verordnung (EG) Nr. 156/2006 nicht gewährt hat, zumal dieser nach einer Lenkdauer von 4 Stunden 34 Minuten lediglich eine ununterbrochene Fahrtunterbrechung von 18 Minuten eingelegt hat und

 

8. am 20.04.2012 von 06:33 Uhr bis 14:40 Uhr die Lenkpausen gemäß Art.7 der Verordnung (EG) Nr. 156/2006 nicht gewährt hat, zumal dieser nach einer Lenkdauer von 5 Stunden 8 Minuten lediglich eine ununterbrochene Fahrtunterbrechung von 33 Minuten eingelegt hat,

 

Als handelsrechtlicher Geschäftsführer der x sind Sie für diese Verwaltungsübertretungen gemäß § 9 Abs.1 VStG verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich."    

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und darin die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstraf­ver­fahrens, in eventu die Herabsetzung der verhängten Geldstrafen beantragt.

Begründend wurde hiezu im Wesentlichen ausgeführt, dass dem Straferkenntnis eine mangelhafte Sachverhaltsfeststellung und eine unrichtige rechtliche Beurteilung zugrunde gelegt wurde. Bezüglich des im Unternehmen installierten Kontrollsystems wurde vorgebracht, dass es Schulungen der Lenker gebe und bei nicht Einhaltung der Weisungen den Lenkern auch Sanktionen drohen würden. Eine Kontrolle könne erst nachträglich, und zwar im Zuge der Auswertungen der Fahrerkarten, erfolgen. Überdies würden Arbeitsbedingungen und Entlohnungs­methoden vorliegen, die keinen Anreiz zur Verletzung der Arbeitszeitvorschriften schaffen. Der Berufungswerber habe nachweislich alles ihm Zumutbare unter­nommen, um Verstöße seiner angestellten Fahrer gegen gesetzliche Bestim­mungen zu unterbinden und habe das Weisungs- und Kontrollsystem in seinem Betrieb mehr als initiativ und überprüfbar installiert.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt. Das Arbeitsinspektorat Vöcklabruck wurde am Verfahren beteiligt und äußerte sich zur Berufung dahingehend, dass es sich bei den Übertretungen 1, 2, 3, 4, 7 und 8 (Nichtgewährung der Lenkpause gemäß Art.7 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006) um ein fortgesetztes Delikt, welches als sehr schwer einzustufen sei, handle. Die unter Punkt 5 angeführte gewährte tägliche Ruhezeit von 8 Stunden und 16 Minuten stelle eine geringfügige Übertretung des Art.8 Abs.4 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 dar, wonach im gegenständlichen Fall eine Ruhezeit von mindestens neun ununterbrochenen Stunden gewährt hätte werden müssen. Die unter Punkt 6 angeführte tägliche Lenkzeit von 15 Stunden und 37 Minuten stelle ebenfalls einen sehr schwerwiegenden Verstoß dar. Aus der Sicht des Arbeitnehmerschutzes werden wegen Verstoß Nr. 1, 2, 3, 4, 7 und 8 insgesamt 300 Euro, 72 Euro wegen Verstoß Nr. 5 und 300 Euro wegen Verstoß Nr. 6 beantragt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme.

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung konnte gemäß § 51e Abs.2 Z1 VStG Abstand genommen werden, zumal bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

1) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und

2) die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was den vorstehenden Punkt 1) anlangt, sind entsprechende, dh, in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Was den vorstehenden Punkt 2) anlangt (unverwechselbares Festhalten der Identität der Tat) muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außer­ordent­lichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und es muss ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Es muss daher die Tat unter Anführung aller wesentlichen Tatbestandsmerkmale dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen werden. Eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheid­begründung reicht im Bereich des Verwaltungsstrafrechts nicht aus (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, Seite 1522 ff).

 

5.2. Diesen Konkretisierungsanforderungen entspricht weder die Strafverfügung vom 29. Mai 2012 noch der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses, zumal in beiden Bescheiden dem Berufungswerber nicht zur Last gelegt wurde, dass die Arbeitszeitüberschreitungen im Rahmen einer gewerbsmäßigen Güterbeförderung mit einem Kraftfahrzeug, dessen höchstzulässiges Gesamtgewicht 3,5 t über­steigt, durchgeführt wurde. Dabei handelt es sich aber um wesentliche Tat­bestandsmerkmale, welche erst die Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 begründen.

 

Gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen.

 

Es war daher das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwal­tungsstrafverfahren einzustellen.

Unbeschadet dessen ist noch anzuführen, dass der Spruch mit noch weiteren wenngleich einer Verbesserung – eine solche kam aus dem oben angeführten Behebungsgrund naturgemäß nicht in Betracht – zugänglichen Mängeln behaftet ist:

 

So wäre entsprechend der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vom 21.3.2006, Zl. 2003/11/0028, zumal es die rechtliche Beurteilung der Tat betrifft, das Tatbestandselement "nationaler oder internationaler (innergemein­schaftlicher) Straßenverkehr", wenngleich es kein notwendiges Element der Verfolgungshandlung darstellt, aber im Spruch sehr wohl zum Ausdruck kommen muss, in den Spruch aufzunehmen gewesen.

 

Bezüglich der Verhängung der Geldstrafen ist die belangte Behörde darauf hinzuweisen, dass es sich gegenständlich um jeweils fortgesetzte Delikte gehandelt hat. So wäre hinsichtlich der Fakten 1, 2, 3, 4, 7 und 8 (Verkürzung der erforderlichen Lenkpause) jeweils eine Geldstrafe zu verhängen gewesen.

 

Weiters ist noch anzuführen, dass die zur Anwendung gelangte Verordnung (EG) Nr. 561/2006 zu lauten hat.

 

6. Der Ausspruch über die Kosten ist in den angeführten gesetzlichen Bestimmungen begründet.     

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­gerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Andrea Panny