Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730768/2/SR/WU

Linz, 16.09.2013

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des X, geboren am X, Staatsangehöriger von Nigeria, vertreten durch Rechtsanwalt X, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich, Polizeikommissariat Wels, vom 12. August 2013, GZ.: 1039736/FP/13, betreffend die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines auf zehn Jahre befristeten Einreiseverbots für den gesamten Schengenraum zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird mit der Maßgabe stattgeben, als die Dauer des Einreiseverbotes auf 5 Jahre herabgesetzt wird; im Übrigen wird der angefochtene Bescheid bestätigt.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 9 Abs 1a, 52, 53, 65b und 67 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 68/2013).

 

 

 

Entscheidungsgründe

 

 

1. Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich, Polizeikommissariat Wels vom 12. August 2013, GZ.: 1039736/FP/13, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) auf Basis der §§ 52 Abs. 1 und 53 Abs. 1 iVm. Abs. 3 Z 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem auf zehn Jahre befristeten Einreiseverbot erlassen.

 

Begründend führt die belangte Behörde nach Darstellung der Rechtslage zum Sachverhalt aus, dass der Bw am 28. Februar 2013 um 7.25 Uhr festgenommen und am 1. März 2013 in die JA X eingeliefert worden sei. Am 5. März 2013 sei der Bw in die JA X überstellt worden.

 

Mit Urteil des LG Linz vom 7. August 2013, GZ: 16 HV 31/13z, sei der B wegen Verbrechens nach § 28a SMG zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, davon 14 Monate bedingt, verurteilt worden. Anschließend an die Haft sei der Bw aus der Haft entlassen worden und zur Sicherung der Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem auf die Dauer von 10 Jahren befristeten Einreiseverbotes sowie der Vorführung zur Botschaft zur Erlangung eines Heimreisedokumentes in Schubhaft genommen worden.

 

Der Bw sei am 17. Juli 2004 illegal mit dem Bus nach Österreich gekommen und habe am 18. Juli 2004 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Dieser sei mit 11. Juni 2010 gemäß §§ 7 und 8 AsylG negativ beschieden worden und die Ausweisung in Rechtskraft erwachsen. Am 2. Juli 2010 sei von der belangten Behörde ein Ersuchen um Ausstellung eines Heimreisedokuments gestellt worden. Eine für den 8. Oktober 2010 anberaumte Identitätsprüfung habe nicht durchgeführt werden können, da der Bw unbekannt verzogen gewesen sei. Der Bw sei vom 1. Juli 2010 bis 20. Juli 2010 im gelinderen Mittel gewesen und habe seine tägliche Meldepflicht eingehalten. Danach sei der Bw untergetaucht und für die Behörden nicht mehr greifbar gewesen.

 

Am 12. August 2013 sei der Bw zur beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung mit Einreiseverbot niederschriftlich befragt worden. Der Bw habe Folgendes angegeben:

 

„Ich wurde mit Urteil des LG Linz, GZ16Hv 31/13z vom 07.08.2013 zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, davon 14 Monate bedingt, wegen Verbrechens nach dem Suchtmittelgesetz verurteilt.

Dies war bereits meine dritte Verurteilung, nachdem ich zuvor mit Urteil des LG Linz, GZ: 33 Hv 30/2009x vom 06.07.2009, r.k. 10.07.2009, wegen §§ 223, 224 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 2 Monaten und mit Urteil des BG Linz, GZ: 17 U 224/10x vom 13.03.2013 r.k. wegen §§15, 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 1 Monat verurteilt worden bin.

 

Die LPD hat gegen mich zu AZ: 1-1065397 mit Bescheid vom 15.12.2009 ein bis 15.12.2014 gültiges Rückkehrverbot, nunmehr Einreiseverbot, erlassen. Mir wird mitgeteilt, dass das PK Wels eine Rückkehrentscheidung und eine auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen wird.

 

Zu den Vorfällen 2010 (gelinderes Mittel) befragt, gebe ich an, dass ich nach Italien gefahren bin und nach 2 Monaten zurückkam, weil sich meine Verlobte X, das Leben nehmen wollte.

Ich habe dann im Herbst 2010 wieder bei ihr in X, gewohnt. Meine Sachen sind in der X und ich wohne dort, war allerdings nicht mehr gemeldet. Meine Verlobte ist in der JA X in Haft und wird in 2 Monaten entlassen.

 

Mein Urteil am LG Linz vom 07.08.2013 ist rechtskräftig, da mein Anwalt Verzicht abgegeben hat. Ich wurde daher gleich aus der Haft entlassen.

 

Ich habe bis zu meiner Verhaftung Zeitungen verkauft (OÖ. Nachrichten) und habe ca. 800 bis 900 Euro verdient.

Ich kann an meiner Anschrift in X, wieder wohnen und mich dort anmelden".

 

In rechtlicher Hinsicht hat die belangte Behörde ausgeführt:

 

Die Behörde hat erwogen, dass bei der Beurteilung der Frage, ob die Gründe für eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot vorliegen, grundsätzlich maßgeblich ist, ob eine Gefährlichkeitsprognose weiterhin in dem Sinne zutrifft, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot erforderlich erscheint, um eine von Ihnen ausgehende erhebliche Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden. Dabei ist auch festzustellen, ob dies unter dem Aspekt des Schutzes des Privat- und Familienlebens zulässig ist. Nach Meinung der Behörde war davon auszugehen, dass Ihr der schwerwiegenden Verurteilung zu Grund liegendes persönliches Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die das Grundinteresse der Gesellschaft berührt, Suchtgift-Kriminalität hintan zu halten. Es besteht ein großes öffentliches Interesse an der Verhinderung von Suchtgift-Kriminalität und die Tendenz der mehrmaligen Tatbegehung stellt eine ganz erhebliche Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar. Sie erscheint für die Allgemeinheit gefährlich und lässt eine persönliche Haltung erkennen, die den Grundregeln des Zusammenlebens in einer Gesellschaft fundamental zuwiderläuft. Ihr Gesamtverhalten bedeutete eine grobe Missachtung der Rechtsordnung und einen ausgeprägten Mangel an Verbundenheit mit rechtlich geschützten Werten.

 

Ihre Rückkehr in Ihr Heimatland ist bei einer Gesamtbetrachtung nicht unzumutbar. Sie haben in Lagos (Nigeria) eine schulische Ausbildung genossen und sprechen Yoruba, Englisch und Deutsch. Sie daher unzweifelhaft in der Lage, auch abseits von Österreich Ihr Fortkommen zu sichern. Zudem lebt Ihre Familie (Mutter, Bruder und Schwester) im Herkunftsstaat. Den Kontakt zu den in Österreich lebenden nahestehenden Personen, wie etwa Ihrer Verlobten, Frau X, die bei Ihrer letzten Straftat Ihre Komplizin war und sich noch in Haft befindet, können Sie für die Dauer des Einreiseverbotes durch die Inanspruchnahme von modernen Kommunikationsmitteln aufrecht erhalten. Es ist darüber hinaus diesen Personen nicht verwehrt, das Lande mit Ihnen zu verlassen oder Sie zumindest regelmäßig im Ausland zu besuchen.

 

Im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität kann Ihren privaten und familiären Interessen keinesfalls gegenüber den maßgeblichen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen, nämlich dem Interesse an der Verhinderung an strafbaren Handlungen, am Schutz der Rechte anderer und am Schutz der Gesundheit, Vorrang eingeräumt werden. Die Erlassung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes ist nach Ansicht der Behörde, um die in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zu wahren, dringend geboten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes steht selbst eine ansonsten völlige soziale Integration eines Fremden bei Suchtgiftdelikten der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes nicht entgegen.

 

Nach Abwägung der angeführten Umstände ergibt sich aus dem festgestellten Sachverhalt, dass unter Berücksichtigung von Art.8 EMRK Ihre Rückkehrentscheidung zulässig ist.

 

Bei der Entscheidungsfindung wurde sowohl auf die Dauer Ihres Aufenthaltes und Ihrer Integration als auch auf Ihre familiären und sonstigen Bindungen zum Bundesgebiet Bedacht genommen. Die öffentlichen Interessen an der Erlassung der gegenständlichen Rückkehrentscheidung und die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung dieser Rückkehrentscheidung wiegen jedoch unverhältnismäßig schwerer als die Auswirkungen auf Ihre Lebenssituation.

Überdies besteht nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf die Wahrung eines geordneten Fremdenwesens ein eminent hohes öffentliches Interesse.

 

Die Rückkehrentscheidung wird spätestens mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar. Sie haben dann unverzüglich bzw. nach Ablauf einer allenfalls zuerkannten Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 FPG auszureisen.

 

 

2. Gegen den vorliegenden Bescheid hat der rechtsfreundlich vertretene Bw innerhalb offener Frist rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung erhoben.

 

Begründend führt der Rechtsvertreter wie folgt aus:

 

Mit dem angefochtenen Bescheid verhängte die LPD OÖ. in Wels gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Zi. 1 des FPG ein Einreiseverbot für den gesamten Schengen-Raum auf die (Höchst-) Dauer von 10 Jahren.

 

Gemäß § 53 Abs1 iVm Abs. 3 Zi. 1 FPG ist im Falle einer rk. Verurteilung zu einer teilbe­dingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als 6 Monaten ein Einreiseverbot für die Dauer von höchstens 10 Jahren zu verhängen.

 

Bei diesem Bescheid im Ausmaß der höchst zulässigen Dauer wurde mE die Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 MRJC nicht ausreichend gewürdigt.

 

Mein Asylantrag vom 18.7.2004 wurde erst nach rund 6 Jahren negativ beschieden. Die Dauer meines langjährigen Aufenthaltes ist in der den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet. (§61 (2) Z. 9 FPG.

 

Ich lebe inzwischen länger als 9 Jahre in Österreich, bin hier vollständig integriert und habe keine aufrechten Bindungen zu Nigeria mehr. Ich beherrsche die deutsche Sprache und habe hier auch - als Zeitungsausträger - gearbeitet. Ich habe eine Lebensgefährtin, die psychisch labil ist und eine längere Trennung von mir nicht verkraftet. Sie hat, wie ich angegeben habe, vor 3 Jahren versucht Selbstmord zu begehen, als ich von ihr (nur) 2 Monate getrennt war.

Die von der Behörde aufgezeigten Möglichkeiten durch die modernen Kommunikationsmittel werden nicht ausreichen, dass meine Lebensgefährtin ihr Leben wieder in den Griff bekommt und diese überlange Trennung übersteht. Es wäre ihr aber auch nicht zumutbar, Ihre Heimat und damit auch ihre Familie und Freundinnen zu verlassen.

 

Damit zeigt sich, dass vor allem die überlange Dauer unserer Trennung ein schwerster unangemessener Eingriff in unser gemeinsames Privat- und Familienleben darstellt.

 

Da ich erstmals ein Suchtgiftdelikt begangen habe, dafür erstmals auch das Haftübel verspürt habe und die Dauer der bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe 14 Monate beträgt, ist von mir auch eine wesentlich raschere Gesinnungsänderung im Sinne eines künftigen Wohlverhaltens zu erwarten, weshalb eine wesentliche Reduktion der Dauer meines Einreise- bzw. Rückkehrverbotes angebracht wäre.

 

In diesem Sinne beantrage ich, in Stattgebung meiner Berufung die Dauer des Einreiseverbotes auf 3 Jahre herabzusetzen.

 

 

3.1. Die belangte Behörde legte den in Rede stehenden Verwaltungsakt mit Schreiben vom 30. August 2013 dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor.

 

3.2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den bezughabenden Verwaltungsakt, sowie durch Einsichtnahme in das Elektronische Kriminalpolizeiliche Informationssystem und das Zentrale Melderegister.

 

3.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter Punkt 1 und 2 dieses Erkenntnisses dargestellten unbestrittenen Sachverhalt aus.

 

3.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 52 Abs. 1 ist gegen einen Drittstaatsangehörigen, sofern nicht anderes bestimmt ist, mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Die Rückkehrentscheidung wird mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Berufung gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 66 Abs. 4 AVG auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

 

Gemäß § 53 Abs. 1 wird mit einer Rückkehrentscheidung wird ein Einreiseverbot unter Einem erlassen. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

 

4.2. Dass der Bw Drittstaatsangehöriger und im Sinne des § 52 FPG seit 11. Juni 2010 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig ist, bedarf auf Grund der unstrittigen Feststellungen und des Beweisergebnisses keiner weiteren Begründung.

 

Es ist daher grundsätzlich eine Rückkehrentscheidung gegen ihn zu erlassen und diese mit einem Einreiseverbot zu verbinden. Wie aus der Berufungsschrift zu erkennen ist, erachtet der Bw die Rückkehrentscheidung als zu Recht erlassen und bekämpft im Wesentlichen die Dauer der Einreiseentscheidung.

 

4.2.1. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbots stellt unzweifelhaft einen Eingriff in das Privatleben des Bw dar. Vor dem Hintergrund obiger Ausführungen gilt es daher zunächst, die Zulässigkeit dieses Eingriffs dem Grunde nach zu prüfen. Dabei ist auf die von Art. 8 EMRK geschützten Interessen des Bw sowie § 61 FPG 2005 Bedacht zu nehmen.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist allerdings ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts gemäß Abs. 1 (nur) statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

4.2.2. Gemäß § 61 Abs. 1 FPG ist, sofern durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 2 FPG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war;

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4. der Grad der Integration;

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl- Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltstatus bewusst waren;

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 3 FPG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein  aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51ff. NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

4.3.1. Es ist festzuhalten, dass es gestützt auf die ständige Rechtsprechung der Höchstgerichte grundsätzlich zulässig und erforderlich ist, Maßnahmen zu ergreifen, um massiven Gefährdungen des öffentlichen Interesses effektiv begegnen zu können. Zweifelsohne liegt die Verhinderung von strafbaren Handlungen und der Schutz der Rechte Dritter im öffentlichen Interesse und sind massive Gefährdungen dieses Interesses durch das Ergreifen geeigneter Maßnahmen zu verhindern.

 

Der Bw wurde dreimal, davon zuletzt am 7. August 2013 vom LG Linz, GZ 16 Hv 31/13z, rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, davon 14 Monate bedingt, verurteilt. Daher kann über den Bw ein Einreiseverbot von bis zu zehn Jahren verhängt werden.

 

4.3.2. Maßgeblich ist aber nicht primär, dass eine strafgerichtliche Verurteilung bzw. hier mehrere strafgerichtliche Verurteilungen ausgesprochen wurden, sondern dass im Sinne einer Prognoseentscheidung das gegenwärtige und zukünftige Verhalten einer Person im Lichte ihrer strafgerichtlichen Verurteilung(en) rechtlich zu würdigen ist. Es ist also im konkreten Einzelfall zu analysieren, ob davon ausgegangen werden muss, dass der Bw eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

 

Daher ist – aus Gründen der Verhältnismäßigkeit – vor Erlassung eines Einreiseverbots von mehr als fünf Jahren zu prüfen, ob das Verhalten des Bw aus derzeitiger Sicht geeignet erscheint, in Hinkunft die öffentliche Ordnung oder Sicherheit schwerwiegend zu gefährden.

 

In die Beurteilung hat jedenfalls einzufließen, dass der Bw zahlreiche Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung und das Kraftfahrgesetz begangen hat, er wegen Fälschung besonders geschützter Urkunden bereits im Juli 2009 rechtskräftig verurteilt und daraufhin am 15. Dezember 2009 von der Bundespolizeidirektion Linz während des laufenden Asylverfahrens ein auf fünf Jahre befristetes Rückkehrverbot erlassen worden ist. Trotz Rechtskraft der Ausweisungsentscheidung nach dem AsylG ist der Bw der Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen, ist nach kurzfristiger Befolgung des gelinderen Mittels untergetaucht und hat sich nach eigenen Angaben einige Monate illegal in Italien aufgehalten.

 

Im Zuge der Einvernahmen nach der Festnahme nach dem SMG am 28. Februar 2013 in der Wohnung der (Ex-)Lebensgefährtin ist hervorgekommen, dass der Bw in dieser Wohnung zumindest seit Herbst 2010 unangemeldet aufhältig war und als Angehöriger einer schwarzafrikanischen Tätergruppe gewerbsmäßig Handel mit Suchtgiften betrieben hat. Die (Ex-)Lebensgefährtin des Bw konsumierte nach längerer Abstinenz ab 2006 und in der Folge ab 2009 gemeinsam mit dem Bw Suchtmittel. Jedenfalls waren beide seit April 2012 in den Suchtgifthandel involviert. Der Bw zeigte sich nach der Festnahme vorerst nicht geständig und wies jedwede Beteiligung von sich.

 

Auch wenn er wegen des ersten Verstoßes nur zu einer bedingten Haftstrafe verurteilt worden ist, lässt sich bereits aus dieser Verfehlung der Schluss auf seine kriminelle Energie ziehen, die in der Folge massiv zu Tage getreten ist und wegen Verbrechen und Vergehens nach dem SMG zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, davon 14 Monate bedingt, geführt hat.

 

Die Tathandlungen und Verurteilungen fanden überwiegend in einem Zeitraum statt, in dem der Bw über kein Aufenthaltsrecht mehr verfügt hat. Schon daraus ist zu ersehen, welche negative Einstellung der Bw gegenüber der österreichischen Rechtsordnung hat.

 

Reue hat der Bw im vorliegenden Verfahren keine zu erkennen gegeben. Ihm ist ausschließlich daran gelegen, die Abwesenheit von seiner Lebensgefährtin, die derzeit ihre Haftstrafe verbüßt (30 Monate Freiheitsstrafe, davon 10 unbedingt), so kurz als möglich zu gestalten.

 

Beispielsweise zeigt ein Blick in das angesprochene Urteil aus dem Jahr 2013 die erhebliche kriminelle Energie des Bw und sein zielgerichtetes Handeln auf. Nachdem der Bw gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin ab Frühjahr 2012 für den eigenen Bedarf im Suchtgiftgeschäft tätig war, gliederten sich beide in der Folge in eine bestehende Tätergruppe ein. Da die Bezugsquellen infolge mehrerer Festnahmen erloschen, wandten sich beide verstärkt nach Wien und betrieben so weiterhin bis zur Festnahme Suchtgifthandel. Wie dem Urteil des LG Linz zu entnehmen ist, hat der Bw ein Vergehen und mehrere Verbrechen nach dem SMG begangen. Bedeutsam sind die Mengen der gehandelten Suchtgifte (Verurteilung wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels - mehrfach übersteigende Grenzmenge; Verurteilung wegen des Verbrechens der Vorbereitung des Suchtgifthandels – 15-fache der Grenzmenge übersteigende Menge).

 

Der Bw hat die dem Urteil zugrundeliegenden Sachverhalt objektiv begangen, ernsthaft mit der Verwirklichung der Tatbilder gerechnet und sich damit abgefunden. Der Bw wusste über die Art und Qualität des Suchtgiftes Bescheid und war entschlossen, fortlaufend mit Suchtgiften zu handeln.

Der Bw ist an Suchtmittel gewöhnt und hat die Taten begangen, um sich einerseits den persönlichen Bedarf und andererseits den sonstigen Lebensunterhalt zu finanzieren.

 

Trotz des einschlägig belasteten Vorlebens ist der Bw in relativ kurzer Zeit wieder deutlich delinquiert. Bestätigung findet diese Annahme darin, dass der Bw nach der Entlassung aus der Schubhaft wiederum nicht an der Beschaffung eines Heimreisezertifikates mitgewirkt hat und vorübergehend untergetaucht ist. Die derzeitige Situation ist vergleichbar mit jener im Sommer 2010, wo der Bw mangels finanzieller Möglichkeiten massiv straffällig geworden ist.

 

Es ist also im Ergebnis davon auszugehen, dass vom Bw nach wie vor eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit ausgeht.

 

4.3.3. Im Sinne der oben zitierten Normen ist eine Interessensabwägung – basierend auf einer einzelfallbezogenen  Gesamtbetrachtung – vorzunehmen.

 

Im Rahmen der Interessenabwägung ist festzustellen, dass das gegenständliche Einreiseverbot in das Privatleben des Bw eingreift, da sich der Bw seit Sommer 2004 im Bundesgebiet aufhält.

 

Die Beziehung zu seiner Lebensgefährtin war zeitweise aufgelöst und jedenfalls durch die Verbüßung der Haftstrafen monatelang unterbrochen. Selbst wenn man das Zusammenleben und das Zusammenwirken bei den strafbaren Handlungen, die zu einer 18-monatigen und 30-monatigen Haftstrafe geführt haben, als „Verfestigung“ der Beziehung betrachtet, ist entscheidend, dass sich diese in einem Zeitraum entwickelte, in dem sich der Bw nicht mehr rechtmäßig in Österreich aufgehalten hat. Nicht unwesentlich ist auch, dass die gemeinsame Wohnung als Umschlagplatz für Drogengeschäfte und für den Drogenhandel genutzt wurde. Darüber hinaus besteht auch keine berufliche Bindung zum Inland. In Österreich halten sich keine Verwandten des Bw auf und er hat auch keine Sorgepflichten. Die nahen Verwandten des Bw leben im Herkunftsstaat. Der Lebensunterhalt wurde überwiegend durch kriminelle Machenschaften bestritten.

 

Trotz der langjährigen Aufenthaltsdauer in Österreich hat der Bw keine relevanten Sozialkontakte und keinerlei Betätigungen in caritativen oder sonstigen Vereinen vorgenommen. Der Freundeskreis sowie seine Lebensgefährtin entstammen dem Suchtgiftmilieu.

 

Im Hinblick darauf, dass der Bw bis zu seinem 17. Lebensjahr in seinem Herkunftsstaat gelebt und die gesamte Schulausbildung dort genossen hat, was für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht unwesentlich ist, da er in diesen Lebensjahren in der Lage war, die Kultur und gesellschaftlichen Gepflogenheiten seiner Heimat kennenzulernen, ist eine Reintegration – wenn auch unter gewissen Schwierigkeiten – durchaus nicht undenkbar. Unbestritten leben die Verwandten des Bw im Herkunftsstaat.

 

Das Asylverfahren hat zwar Jahre in Anspruch genommen und der Bw hat dadurch eine gewisse Integration erlangt, das Ausmaß dieser wird durch seine Verurteilungen aber einschneidend geschmälert. In der Zusammenschau wirkt sich auch negativ aus, dass der Bw nach Abschluss seines Asylverfahrens keinerlei Anstalten machte, unverzüglich auszureisen, sondern durch Untertauchen fremdenpolizeiliche Maßnahmen dauerhaft zu hintertreiben suchte. Wie bereits dargelegt, hat sich der Bw zuletzt wiederum fremdenpolizeilichen Maßnahmen entzogen und die Erwirkung eines Heimreisezertifikates verhindert.

 

Bedeutsam ist auch, dass der Bw jenes Verbrechen, wegen dem er 2013 rechtskräftig verurteilt worden ist, in einem Zeitraum gesetzt hat, in dem er sich nicht mehr rechtmäßig in Österreich aufgehalten hat.

 

4.3.4. Insgesamt ist also der belangten Behörde zu folgen, dass den öffentlichen Interessen an der effektiven Verhinderung von Suchtgiftdelikten sowie an einem geordneten Fremdenwesen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK im konkreten Einzelfall eindeutig der Vorrang vor den privaten Interessen des Bw gegeben werden muss.

 

Der Bw kann sich somit nicht erfolgreich auf den Schutz seines Privat- und Familienlebens berufen.

 

4.4. Abschließend gilt es nunmehr, die Dauer, für welche der Bw nicht in das Gebiet der Mitgliedstaaten einreisen darf, zu prüfen.

 

4.4.1. Gemäß § 53 Abs. 3 FPG ist ein Einreiseverbot im Fall der Z 1 für die Dauer von höchstens zehn Jahren zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.

 

4.4.2. § 53 Abs. 5 FPG zufolge liegt eine gemäß Abs. 3 maßgebliche Verurteilung nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. § 73 StGB gilt.

 

4.4.3 Durch die Verwirklichung der oben angeführten, nicht getilgten Verurteilung zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von achtzehn Monaten, hat der Bw eine unter § 53 Abs. 3 Z 1 FPG zu subsumierende Handlung gesetzt. Darüber hinaus wurde der Bw mehrfach wegen derselben schädlichen Neigung rechtskräftig verurteilt. Vor diesem Hintergrund kann ein Einreiseverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Zumindest hat das Einreiseverbot gemäß dem Einleitungssatz des § 53 Abs. 2 FPG 18 Monate zu betragen.

 

Bei der konkreten Bemessung der Dauer des über den Bw zu erlassenden Einreiseverbotes ist dessen bisheriges gesamtes Verhalten zu beurteilen und zu berücksichtigen, ob der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

 

Das kriminelle Verhalten des Bw, das in Form von Verbrechen und Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz zu Tage trat, zeigt – wie unter 4.3.2. ausführlich dargelegt –, dass dieser nicht gewillt ist, sich der Rechts- und Werteordnung im Gastland zu fügen.

 

Ein relevantes Wohlverhalten im Bundesgebiet kann nicht konstatiert werden. Das Vorbringen des Bw scheint als nicht ausreichend, um einen geänderten Gesinnungswandel dokumentieren zu können. Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang, dass sich auch die Rahmenbedingungen nicht zum Vorteil des Bw geändert haben und er dieselben Verhältnisse (gleicher Freundeskreis, ungesicherter Lebensunterhalt, einschlägig verurteilte Lebensgefährtin) vorfindet, die für seine kriminellen Handlungen ausschlaggebend waren.

 

Das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenates folgt daher der Ansicht der belangten Behörde, dass das Verhalten des Bw auch zum jetzigen bzw. zukünftigen Zeitpunkt eine schwerwiegende Gefährdung des Grundinteresses der Gesellschaft an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sowie der Verhinderung von Straftaten bildet.

 

Hinsichtlich der Dauer des gegenständlichen Einreiseverbotes finden sich im angefochtenen Bescheid keinerlei Ausführungen.

 

Aufgrund der sich ständig steigernden kriminellen Energie, der kurzen Zeiträume, in denen der Bw nicht straffällig geworden ist, der zeitnahen Rückfälligkeit, der Uneinsichtigkeit, der massiven Schädigung der Rechte und der Gesundheit Dritter, des Versuches, sich den Aufenthalt durch kriminelle Tätigkeiten im Gastland zu sichern, kann derzeit von einer günstigen Zukunftsprognose nicht ausgegangen werden und bedarf daher eines mehrjährigen Einreiseverbotes. Um den in Ansätzen vorhandenen Gesinnungswandel des Bw zu stärken, scheint eine Verkürzung dieser Frist auf 5 Jahre verhältnismäßig.

 

4.4. Es war spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

5. Von einer Übersetzung gemäß § 59 Abs. 1 FPG konnte aufgrund der sehr guten Deutschkenntnisse des Bw abgesehen werden.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro (Eingabegebühr) angefallen.

 

 

 

 

 

Mag. Christian Stierschneider

Beachte:


Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.


VwGH vom 20. Dezember 2013, Zl.: 2013/21/0205-5

 

 

 

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