Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-167918/9/Zo/CG/KR/AK

Linz, 04.10.2013

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über die Berufung der Frau x,  geb. x vertreten durch Mag. x,  vom 20.06.2013 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes des Bezirkes Urfahr-Umgebung vom 10.06.2013, Zl. VerkR96-1082-2013, wegen einer Übertretung des KFG nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 16.09.2013, zu Recht erkannt:

 

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.:  § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51e und 45 Abs.1 Z2 VStG;

zu II.: §§ 64 ff VStG;

 

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.            Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat der Berufungswerberin im angefochtenen Straferkenntnis vorgeworfen, dass sie am 11.11.2012 um 16.26 Uhr in Linz auf der B1 bei StrKm. 187,15 als Lenkerin des PKW mit dem Kennzeichen x nicht dafür gesorgt habe, dass die Vorschriften des Kraftfahrgesetzes eingehalten wurden, da festgestellt wurde, dass sie Kinder, welche des 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten und welcher kleiner als 150 cm waren, befördert habe und diese dabei nicht mit einer geeigneten, der Größe und dem Gewicht der Kinder jeweils entsprechenden Rückhalteeinrichtung, welche die Gefahr von Körperverletzungen bei einem Unfall verringert, gesichert habe; Anzahl der beförderten Kinder: 2 (x, geb. x und x, geb. x).

Die Berufungswerberin habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 106 Abs.5 Z.2 KFG begangen, weshalb über sie gemäß § 134 Abs.1 KFG eine Geldstrafe in Höhe von 144,00 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 29 Stunden) verhängt wurde. Weiters wurde sie zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages in Höhe von 14,40 Euro verpflichtet.

 

2.            In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung gab die Berufungswerberin zusammengefasst an, dass auf der B1 bei einer Kreuzung rechts neben ihr ein schwarzer PKW gestanden sei. Kurz nach dem Wegfahren sei sie von diesem Fahrzeug überholt worden und sie habe das Schild „Polizei bitte folgen“ gesehen. Sie sei dieser Aufforderung nachgekommen und habe eine normale Verkehrskontrolle erwartet. Zu diesem Zeitpunkt haben sich ihre beiden Kinder und ihr Patenkind im Auto befunden.

 

Die Polizisten hätten behauptet, dass ihre beiden Kinder gestanden seien und eines davon nicht angeschnallt gewesen sei. Sie habe jedoch gesehen, dass ihre Kinder angeschnallt gewesen seien. Daraufhin sei eine Diskussion mit den Beamten entstanden, in deren Zug die Kinder zu weinen begonnen hätten. Die Kinder seien angeschnallt gewesen, weshalb beantragt wurde, das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

Sollte der UVS wider Erwarten zu einem anderen Ergebnis kommen, so könne es sich nur um ein kurzes „Herausschlüpfen“ aus dem Oberkörperteil des Gurtes gehandelt haben, in welches sie nicht habe eingreifen können.

 

3. Der Bezirkshauptmann von Urfahr-Umgebung hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

 

4. Der UVS des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 16.09.2013. An dieser haben die Berufungswerberin und ihre Vertreterin teilgenommen, die Verwaltungsbehörde war entschuldigt. Die Polizeibeamten GI x und GI x wurden zum Sachverhalt befragt.

 


4.1. Daraus ergibt sich folgender für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt:

 

Die Berufungswerberin lenkte am 11.11.2012 um 16.26 Uhr ihren PKW in Linz von der A7 kommend auf der Salzburger Straße. Bei der Kreuzung mit der Laskahofstraße kam sie wegen Rotlichtes auf dem linken der beiden geradeausführenden Fahrstreifen zum Stehen. Auf der Rücksitzbank befanden sich bei dieser Fahrt ihre beiden damals 11 ½ und 8 ½ Jahre alten Kinder, welche 1,42 m bzw. 1,33 m groß waren. Auf dem rechten Fahrstreifen neben ihr kamen die Polizeibeamten x und x, welche mit einem Zivilstreifenfahrzeug unterwegs waren, zum Stillstand.

 

Zur Frage der Kindersicherung gab die Berufungswerberin an, dass beide Kinder angegurtet gewesen seien, es sei möglich, dass die Kinder nach vorne gerutscht und mit dem Oberkörper im Bereich der Rücklehne des Vordersitzes gewesen seien. Bezüglich ihrer älteren Tochter, welche hinter dem Fahrersitz gesessen sei, habe sie auch gespürt, dass diese mit den Händen die Kopfstütze des Fahrersitzes ergriffen hatte.

 

Die Polizeibeamten GI x und GI x gaben im Wesentlichen übereinstimmend an, dass sie sich auf dem rechten Fahrstreifen an das links stehende Fahrzeug angenähert hätten. Bei dieser Annäherung und während sie an der Kreuzung nebeneinander gestanden sind, hätten sie gesehen, dass beide Kinder jeweils direkt an den Rücklehnen der Vordersitze gestanden seien. Das rechte Kind sei nicht angegurtet gewesen, das linke Kind sei zwar angegurtet gewesen, sie hätten jedoch beide den Gurt nicht ordnungsgemäß verwendet, sondern seien eben direkt an den Rücklehnen der Vordersitze gestanden. Auch während der Weiterfahrt seien die Kinder noch gestanden, sie hätten in weiterer Folge das Fahrzeug überholt und in einer Bushaltestelle angehalten. Bei der Anhaltung seien beide Kinder angegurtet gewesen.

 

Auf Nachfrage räumten die Polizeibeamten ein, dass es möglich sei, dass das rechte Kind zwar angegurtet gewesen, mit der Schulter jedoch aus dem Gurt geschlüpft sei.

 

4.2. Dazu ist in freier Beweiswürdigung festzuhalten, dass auf Grund der Wahrnehmungen der Polizeibeamten jedenfalls davon auszugehen ist, dass beide Kinder auf der Rücksitzbank ganz nach vorne gerutscht sind und sich mit dem Oberkörper unmittelbar an der Rücklehne der Vordersitze befunden haben. Ob sie dabei auf Grund ihrer Körpergröße mit angewinkelten Knien oder angewinkelten Oberkörper gestanden sind, ist für die Entscheidung nicht relevant.

 

 

5. Darüber hat der UVS des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

5.1. § 106 Abs.5 KFG lautet:

Der Lenker hat dafür zu sorgen, dass Kinder bis zur Vollendung des
14. Lebensjahres, die

  1. 150 cm und größer sind, auf einem Sitzplatz eines Kraftfahrzeuges, der mit einem Sicherheitsgurt ausgerüstet ist, nur befördert werden, wenn sie den Sicherheitsgurt bestimmungsgemäß gebrauchen,
  2. kleiner als 150 cm sind, in Kraftwagen, ausgenommen Fahrzeuge der Klassen M2 und M3, nur befördert werden, wenn dabei geeignete, der Größe und dem Gewicht der Kinder entsprechende Rückhalteeinrichtungen verwendet werden, welche die Gefahr von Körperverletzungen bei einem Unfall verringern,
  3. .....

 

5.2.1. Beide Kinder waren zum Vorfallszeitpunkt jünger als 14 Jahre und kleiner als 150 cm. Die Verwaltungsbehörde hat daher zutreffend die Bestimmung des
§ 106 Abs.5 Z.2 KFG angewendet. Die Regelung der Ziffer 1 wäre nur dann anwendbar, wenn die Kinder bereits mindestens 1,50 m groß gewesen wären.

 

Gemäß § 106 Abs.5 Z.2 KFG müssen Kinder, welche kleiner als 150 cm sind, geeignete Rückhalteeinrichtungen verwenden. Es ist davon auszugehen, dass höhenverstellbare Sicherheitsgurte ebenfalls als geeignete Rückhalteeinrichtungen anzusehen sind, sofern diese so eingestellt werden können, dass der Schultergurt schräg über das Schlüsselbein, nicht jedoch über den Halsbereich läuft. Beide Kinder haben keine sonstigen Rückhalteeinrichtungen (Sitzerhöhungen oder dgl.) verwendet, wobei mangels anderer Feststellungen davon auszugehen ist, dass die Sicherheitsgurte in dem eher niedrigen PKW (x) eine geeignete Höhe aufgewiesen haben.

 

Während Ziffer 1 des § 106 Abs.5 KFG ausdrücklich den bestimmungsgemäßen Gebrauch des Sicherheitsgurtes anführt, ist die Verpflichtung, eine Rückhalteeinrichtung „bestimmungsgemäß“ zu verwenden, in Ziffer 2 nicht ausdrücklich enthalten. § 106 Abs.5 Z.2 KFG spricht von einer geeigneten, der Größe und dem Gewicht der Kinder entsprechenden Rückhalteeinrichtung. Eine derartige Rückhalteeinrichtung ist jedoch nach Ansicht des zuständigen Mitgliedes des UVS nur dann als geeignet anzusehen, wenn sie auch bestimmungsgemäß verwendet wird. Im konkreten Fall haben sich beide Kinder mit dem Oberkörper an der Rücklehne des Vordersitzes befunden, das rechte Kind ist überdies mit der Schulter aus dem Schultergurt herausgeschlüpft. In dieser Position können die im rückwärtigen Bereich des PKW eingebauten 3-Punkt-Gurte ihre Sicherungsfunktion nicht erfüllen, weshalb sie in einer solchen Position nicht als geeignete Rückhalteeinrichtung angesehen werden können. Die Berufungswerberin hat daher die ihr vorgeworfene Verwaltungsübertretung in objektiver Hinsicht zu verantworten.

 

5.2.2. Anders ist jedoch die Frage des Verschuldens der Berufungswerberin zu beurteilen: Offenkundig sind die Kinder während des Rotlichtes der Ampel nach vorne gerutscht bzw. aufgestanden und haben diese Position auch während des Anfahrens nach Umschalten auf Grünlicht noch für kurze Zeit eingehalten. Die Berufungswerberin hat das zumindest hinsichtlich des hinter ihr sitzenden Kindes auch wahrgenommen. Sie konnte die Kinder lediglich ermahnen, sich so rasch wie möglich wieder ordnungsgemäß auf die Rücksitze zu setzen, hatte nach dem Umschalten auf Grünlicht jedoch keine realistische Möglichkeit, das Einhalten dieser Anordnung durch die Kinder sofort durchzusetzen. Sie befand sich auf dem linken der beiden geradeausführenden Fahrstreifen der stark befahrenen B1 und es war ihr wohl unzumutbar, die Weiterfahrt zu unterlassen und das Fahrzeug dort anzuhalten, weil die Kinder ihre Anordnung nicht sofort umgesetzt haben. Sie konnte auf Grund der Position ihres Fahrzeuges auch nicht in eine weniger stark befahrene Nebenstraße abbiegen und das Fahrzeug dort sofort anhalten, sondern musste zwangsweise auf der B1 geradeaus weiterfahren. Sofern die Kinder ihrer Anordnung längere Zeit nicht nachgekommen wären, hätte sie nach ca. 400 m die Möglichkeit gehabt, in einer Bushaltestelle anzuhalten und dann entsprechend auf ihre Kinder einzuwirken. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie jedoch das Polizeifahrzeug bereits überholt und sie war aufgefordert worden, diesem zu einer Verkehrskontrolle zu folgen. Im Übrigen ist davon auszugehen, dass zu diesem Zeitpunkt die Kinder ohnedies bereits wieder ordnungsgemäß gesichert  auf der Rücksitzbank gesessen sind, weil dies auch bei der Anhaltung wenige 100 m später tatsächlich der Fall war. Die Berufungswerberin trifft daher an der gegenständlichen Übertretung kein Verschulden, weshalb ihrer Berufung stattzugeben war.      

 

 

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

 


R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G

 

Gegen diesen Bescheid ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig.

 

 

 

H I N W E I S

 

Gegen diesen Bescheid kann jedoch innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Sie muss  – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigen Rechtsanwältin eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin keine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben, so kann vom 1. Jänner bis zum Ablauf des 12. Februar 2014 eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder Verwaltungsgerichtshof erhoben, gilt die Beschwerde als rechtzeitig erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bzw als rechtzeitig erhobene Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

 

Würde der Bescheid nach den Bestimmungen des Zustellgesetzes erst nach Ablauf des 31. Dezember 2013 als zugestellt gelten, kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und die Revision an den Verwaltungsgerichtshof müssen – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abgefasst und eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.

 

 

 

 

Mag. Gottfried  Z ö b l