Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-750114/2/BP/WU

Linz, 08.10.2013

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des X, geb. X, StA von Afghanistan, X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 13. September 2013, GZ: Sich96-190-2013, wegen einer Übertretung nach dem Fremdenpolizeigesetz zu Recht erkannt:

 

 

        I.    Der Berufung wird mit der Maßgabe stattgegeben, als der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt wird.

 

     II.    Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zu leisten. 

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.:  §§ 24 und 51 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991-VStG iVm.

  § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG;

zu II.: § 64ff. VStG.

 

 

 


Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom
13. September 2013, GZ: Sich96-190-2013, wurde über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) gemäß § 121 Abs. 3 Z 2 iVm. § 32 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz (FPG) eine Geldstrafe in der Höhe von 50,-- Euro, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 72 Stunden sowie gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG ein Verfahrenskostenbeitrag von 10,-- Euro verhängt.

 

Die belangte Behörde führt im Spruch aus, dass der Bw am 24. März 2013 um 21.00 Uhr als Fremder auf einer Landstraße in X, Höhe X, sein Reisedokument nicht mitgeführt oder gem. § 32 Abs. 2 FPG verwahrt habe, obwohl Fremde gem. § 32 Abs. 2 FPG verpflichtet seien, ihr Reisedokument mit sich zu führen oder in einer solchen Entfernung von ihrem jeweiligen Aufenthaltsort zu verwahren, dass seine Einholung ohne unverhältnismäßige Verzögerung erfolgen könne.

 

Nach Zitierung der §§ 121 Abs. 3 Z 2 und 32 Abs. 2 FPG führt die belangte Behörde wie folgt aus:

 

Sie wurden am 24.03.2013 um 21:00 Uhr von der Polizeiinspektion X auf einer Landstraße in X, Höhe X, im Zuge einer Verkehrskontrolle einer fremdenrechtlichen Kontrolle unterzogen, und haben Ihr Reisedokument nicht mitgeführt, obwohl Sie dazu verpflichtet sind. Sie gaben an, Ihre asylrechtliche Aufenthaltsberechtigungskarte in der Pension vergessen zu haben. Die Polizeiinspektion X begab sich mit Ihnen in Ihre Unterkunft in X, um Ihre Identität festzustellen. In Ihrer Wohnung wiesen Sie sich mit der Asylkarte des Bundesasylamtes aus. Die Einholung Ihres Dokumentes stellte eine unverhältnismäßige Verzögerung dar. Für die Beamten der Polizeiinspektion X war die Beschaffung des Dokumentes nur mit einem unnötigen Aufwand verbunden.

Als Tatsache gilt, dass Sie sich als afghanischer Staatsbürger am 24.03.2013 am oben angeführten Tatort ohne Reisedokument, Personalausweis oder Asylberechtigungskarte aufhielten.

Gegen die Strafverfügung vom 02.05.2013 erhoben Sie fristgerecht Einspruch. In Ihrem Einspruch vom 10.05.2013 gaben Sie im Wesentlichen an, dass Sie Asylwerber sind und es Ihnen nicht erlaubt sei, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, um Ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Sie leben von der Grundversorgung und erhalten ein monatliches Verpflegungsgeld in der Höhe von 170,50 Euro. Ihre Tat hatte keinerlei negativen Folgen für die Öffentlichkeit nach sich gezogen und Ihr Verschulden sei gering. In Ihrem Einspruch ersuchen Sie um Einstellung des Verfahrens bzw. um Ausspruch einer Abmahnung.

 

Mit Schreiben vom 12.08.2013 wurde Ihnen eine Aufforderung zur Rechtfertigung übermittelt. In Ihrer Stellungnahme vom 19.08.2013 gaben Sie an, dass Sie eine Mahnung vom 19.07.2013 erhielten und verwiesen auf den Einspruch vom 10.05.2013. Sie ersuchten abermals um Einstellung des Strafverfahrens, insbesondere deshalb, da die Autofahrt von X nach X in etwa 20 Minuten zu bewerkstelligen ist und bei Einberechnung der Rückfahrt die

Einholung der Karte jedenfalls in einem Zeitraum von weniger als eine Stunde möglich gewesen wäre.

 

Im gegenständlichen Verfahren gelten als Beweise:

-) Anzeige vom 30.03.2013 der Polizeiinspektion X

-) Ihre bereits erwähnten Eingaben während des Einspruchverfahrens

 

Die Behörde hat erwogen:

 

Ausgehend von den oben angeführten Beweisen, besteht für die Behörde kein Zweifel, dass Sie am 24.03.2013 während der genannten Kontrolle weder einen Reisepass, einen Personalausweis noch die Asylberechtigungskarte bei sich hatten. Die Beamten der Polizeiinspektion X war es daher nicht möglich, Ihre Identität in einem zeitlichen Rahmen festzustellen, der üblicherweise für eine solche Kontrolle ausreicht.

 

Laut Fremdenpolizeigesetz sind Sie als Fremder verpflichtet, ein original Reisedokument, einen original Personalausweis oder die original Asylberechtigungskarte mit sich zu führen. Darüber hinaus hätte die Einholung des Ausweises ohne unverhältnismäßiger Verzögerung stattfinden sollen. Nach Ansicht der Behörde war die Verzögerung durch die Fahrt zu Ihrer Unterkunft nicht verhältnismäßig. Für die Polizeiinspektion X stellte diese Fremdenkontrolle einen erheblichen zeitlichen Mehraufwand dar. Die in der Folge geplante Dienstverrichtung der Beamten konnte nicht weitergeführt werden.

 

Die nicht mitgeführte Aufenthaltsberechtigungskarte stellt eine Verwaltungsübertretung im Sinne des § 121 Abs. 3 Ziffer 2 i.V.m. § 32 Abs. 2 FPG dar. Für diese haben Sie sich zu verantworten.

 

Gemäß § 5 Abs. 1 VStG genügt zur Strafbarkeit grundsätzlich fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefährdung nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

 

Aufgrund der Aktenlage geht die Behörde davon aus, dass Sie die Ihnen angelastete Verwaltungsübertretung in der Schuldform der Fahrlässigkeit begangen haben. Sie hätten als Asylwerber wissen müssen, dass Sie sich jederzeit einer Identitätsüberprüfung stellen müssen.

 

Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. !m ordentlichen Verfahren "§§ 40 bis 46" sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auch auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 Strafgesetzbuch sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens­und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen ebenso zu berücksichtigen.

 

Bei der Strafbemessung waren weder mildernde Umstände noch erschwerende Umstände gegeben. Zu Ihrer finanziellen Situation gaben Sie an, von der Grundversorgung zu leben und monatlich 170,50 Euro an Verpflegungsgeld zu beziehen. Die festgesetzte Strafhöhe, welche ohnehin die Mindeststrafhöhe bildet, wird als angemessen erachtet.

 

Die festgesetzte Ersatzfreiheitsstrafe bildet einen gleichwertigen Ersatz und genügt nach Ansicht der Behörde - im Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe - Sie von künftigen Übertretungen ebenso wirksam abzuhalten.

 

Die Vorschreibung der Verfahrenskosten ist in den zitierten Gesetzesstellen begründet.

Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 24. September 2013.

 

Eingangs werden die Anträge gestellt, der Unabhängige Verwaltungssenat für das Land Oberösterreich möge

1.     das bezeichnete Straferkenntnis ersatzlos beheben; in eventu

2.     gem. § 45 Abs. 1 VStG von der Fortführung des Verwaltungsstrafverfahrens absehen sowie dessen Einstellung verfügen; in eventu

3.     gem. § 21 VStG von der Strafe absehen; in eventu

4.     die verhängte Strafe gem. § 20 VStG außerordentlich mildern.

 

Begründend wird wie folgt ausgeführt:

 

1. Mit Straferkenntnis vom 13.09.2013 wurde mir zur Last gelegt, „§§ 121 Abs. 3 Ziffer 2 i.V.m. § 32 Abs. 2 FPG 2005" verletzt zu haben und wurde mir aus diesem Grund ein zu zahlender Geldbetrag von € 60,- vorgeschrieben (€ 50,- Geldstrafe, € 10,- Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens).

Als Begründung wurde angeführt, dass ich am 24.03.2013 um 21:00 Uhr als Fremder auf einer Landstraße in X, Höhe X, mein „Reisedokument nicht mitgeführt oder gemäß § 32 Abs 2 FPG verwahrt" hätte.

 

2. Zunächst ist festzuhalten, dass die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land zur Durchführung des gegenständlichen Verfahrens unzuständig ist: Gem § 6 Abs 9 FPG 2005 richtet sich die Örtliche Zuständigkeit zur Durchführung von Verwaltungsstrafverfahren in allen anderen Fällen als Abs 7 leg cit nach dem VStG 1991. Gem § 27 Abs 1 VStG ist die Behörde örtlich zuständig, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist.

 

Da die mir zur Last gelegte Handlung nicht im Sprengel der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land begangen wurde, kann diese nicht die entscheidende Behörde sein und ist das zugestellte Straferkenntnis somit per se rechtswidrig. Weiters wurde mir in Spruch ein Alternativvorwurf gemacht (vgl. VwGH 17.09.1987, ZI. 86/08/0208).

 

3. Abgesehen davon liegen auch die materiellen Voraussetzungen zur Verwirklichung des gegenständlichen Tatbestandes nicht vor:

 

Gem § 32 Abs 1 FPG 2005 sind Fremde verpflichtet, den Behörden und ihren Organen auf eine bei der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ergehende Aufforderung hin die für ihre Aufenthaltsberechtigung maßgeblichen Dokumente auszuhändigen, an der Feststellung der Rechtmäßigkeit der Einreise, des Aufenthalts und der Ausreise mitzuwirken und sich erforderlichenfalls in Begleitung eines Organs an jene Stelle zu begeben, an der die Dokumente verwahrt sind. Für EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige gilt dies nur insoweit, als deren Identität und Staatsangehörigkeit nicht zweifelsfrei mit anderen Mitteln nachgewiesen werden kann und auch österreichische Staatsbürger verpflichtet sind, maßgebliche Dokumente auszuhändigen.

Gem Abs 2 leg cit sind Fremde verpflichtet, ihr Reisedokument mit sich zu führen oder in einer solchen Entfernung von ihrem jeweiligen Aufenthaltsort zu verwahren, dass seine Einholung (Abs 1) ohne unverhältnismäßige Verzögerung erfolgen kann. Für EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige gilt dies nur insoweit, als auch österreichische Staatsbürger verpflichtet sind, maßgebliche Dokumente mitzuführen. Die Verzögerung ist noch verhältnismäßig, wenn

1.  das Reisedokument innerhalb des Sprengels der Fremdenpolizeibehörde erster Instanz seines Aufenthaltes verwahrt wird oder

2.  die Einholung des Reisepasses voraussichtlich nicht länger als eine Stunde in Anspruch nehmen würde.

 

Ich bin aus meinem Herkunftsstaat Afghanistan aus Furcht vor asylrelevanter Verfolgung nach Österreich geflüchtet und habe hier einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, über den bislang noch nicht rechtskräftig entschieden wurde. Da es mir aufgrund der geltenden Bestimmungen verwehrt ist, einer Arbeit nachzugehen, bin ich auf Grundversorgung des Landes Oberösterreich angewiesen, wodurch ich im Monat rund € 170,- an Verpflegungsgeld erhalte. Ansonsten bin ich mittellos.

 

Mit Zulassung des Asylverfahrens wurde mir eine weiße Aufenthaltsberechtigungskarte iSd § 51 AsylG 2005 ausgestellt, die dem Nachweis meiner Identität im Asylverfahren und der Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes im Bundesgebiet dient. Grundsätzlich trage ich diese Karte stets bei mir, am 24.03.2013 hatte ich diese jedoch im von mir zugeteilten Flüchtlingsquartier in X zurückgelassen. Aus diesem Grund konnte ich diese bei der gegenständlichen Kontrolle am besagten Tag nicht vorweisen, gab den Beamten jedoch sogleich bekannt, dass die Karte an meinem Wohnsitz in X aufliegt.

 

Wie verschiedenen Routenplanern im Internet entnommen werden kann, ist die Strecke zwischen der X in X und meinem Wohnsitz in der X in X grundsätzlich in einer Zeit von 11 bis 15 Minuten zurückzulegen. Eine Fahrt vom Ausgangspunkt bis nach X und retour ist somit in einer halben Stunde zu bewerkstelligen und liegt dies weit unter dem in § 32 Abs 2 FPG 2005 angeführten Höchstausmaß von einer Stunde zur Einholung eines Dokumentes. Es ist somit nicht nachvollziehbar, dass die belangte Behörde von einer unverhältnismäßigen Verzögerung ausgeht. Ebenso unverständlich ist, dass die Behörde auf S. 3 des Straferkenntnisses anführt, den Beamten der Polizeiinspektion X sei es „nicht möglich" gewesen, meine Identität in einem zeitlichen Rahmen festzustellen, der „üblicherweise für eine solche Kontrolle ausreicht'. Wie ich soeben dargelegt habe, liegt offenkundig keine Überschreitung des unmittelbar im Gesetz genannten Zeitraumes vor und kann daher kein erheblicher zeitlicher Mehraufwand entstanden sein. Wenn die Behörde anführt, dass „die in der Folge geplante Dienstverrichtung der Beamten nicht weitergeführt werden konnte", so ist dem zu entgegnen, dass ich keinen Einfluss auf die Dienstgestaltung und -Verrichtung von Polizeibehörden habe und interne Gegebenheiten nicht in meiner Sphäre liegen. Im Übrigen können auch andere Kontrollen einen gewissen Zeitaufwand verursachen. Außerdem wäre es den Beamten unbenommen geblieben, mich unter Setzung einer Frist zu meiner Unterkunft zu schicken und sodann zum Ausgangspunkt zurückzubestellen, um die Karte vorzuweisen. Meine Daten und meine Wohnadresse waren ihnen ohnedies bereits bekannt, ebenso das Kennzeichen des Fahrzeugs, in dem ich mich befand. Eine Personenüberprüfung wäre somit jederzeit möglich gewesen.

 

4. Aus diesen Gründen habe ich keine Verletzung des § 32 FPG 2005 begangen und im Hinblick auf § 121 Abs 3 Z 2 FPG 2005 nicht tatbestandsmäßig gehandelt.

 

Gem § 45 Abs 1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn

1.  die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet;

2.  der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen;

3.  Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen.

 

5. Weiters kann die Behörde gern § 21 Abs 1 VStG ohne weiteres Verfahren von der Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Zudem besteht die Möglichkeit, den Beschuldigten gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid zu ermahnen, um den Beschuldigten von werteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

im Kern besteht das gegenständliche fehlerhafte Verhalten meiner Person darin, dass ich meine Aufenthaltsberechtigungskarte in meinem Quartier vergessen habe. Dabei handelt es sich um einen minderen Grad des Versehens, das auch jeder objektiv sorgfaltsgemäß handelnden Person unterlaufen kann. Aufgrund des Umstandes, dass ich ohnehin damals wie heute rechtmäßig in Österreich, aufhältig war und niemandem ein Nachteil aus meinem Versehen entstanden ist, wäre der Unrechtsgehalt meines Handelns zu relativieren und eine Anwendung der angeführten Norm insofern gerechtfertigt.

 

6. In eventu beantrage ich, die Behörde möge bei der Strafbemessung alle bereits angeführten Umstände mildernd werten, insbesondere auf das Ausmaß des Verschuldens

Bedacht nehmen, sowie meine Einkommens- und Vermögensverhältnisse berücksichtigen. Weiters ist festzuhalten, dass ich unbescholten bin und als Nichtösterreicher mit den Gegebenheiten in diesem Land noch zu wenig vertraut bin. Mildernde Umstände liegen somit entgegen der Ansicht der Erstbehörde jedenfalls vor. Erschwerende Aspekte bestehen nicht.

Gem § 20 VStG kann die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden, wenn die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen. Im Hinblick auf meine konkrete Situation und die geschilderten Umstände wäre eine außerordentliche Herabsetzung somit statthaft.

 

 

2.1. Mit Schreiben vom 24. September 2013 – beim UVS eingelangt am 1. Oktober 2013 – übermittelte die belangte Behörde den bezughabenden Verwaltungsakt dem UVS des Landes Oberösterreich.

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat erhob Beweis durch Einsichtnahme in den bezughabenden Verwaltungsakt.

 

Da aufgrund der Aktenlage bereits ersichtlich war, dass das in Rede stehende Straferkenntnis aufzuheben war, konnte gemäß § 51e Abs. 2 VStG die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung entfallen.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem unter den Punkten 1.1. und 1.2. dieses Erkenntnisses dargestellten, entscheidungs­relevanten Sachverhalt aus.

 

2.4. Da im angefochtenen Bescheid keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).

 

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. In der Berufung wird zunächst die örtliche Zuständigkeit der belangten Behörde in Zweifel gezogen. Mit Blick auf § 6 Abs. 9 FPG iVm. § 27 ABs. 1 VStG käme man tatsächlich zum Ergebnis, dass im vorliegenden Fall die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land die örtlich zuständige Strafbehörde gewesen wäre; allerdings hat jene die Verwaltungsstrafsache gemäß § 29a VStG an die belangte Behörde (Wohnsitzbehörde) abgetreten, weshalb hier keine Rechtswidrigkeit erkannt werden kann.

 

Gemäß § 121 Abs. 3 Z. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 67/2013, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 50 Euro bis zu 250 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu einer Woche zu bestrafen, wer sein Reisedokument nicht mit sich führt oder gemäß § 32 Abs. 2 verwahrt.

 

Gemäß § 32 Abs. 2 FPG sind Fremde verpflichtet, ihr Reisedokument mit sich zu führen oder in einer solchen Entfernung von ihrem jeweiligen Aufenthaltsort zu verwahren, dass seine Einholung (Abs. 1) ohne unverhältnismäßige Verzögerung erfolgen kann. Für EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige gilt dies nur insoweit, als auch österreichische Staatsbürger verpflichtet sind maßgebliche D0okumente mitzuführen. Die Verzögerung ist noch verhältnismäßig, wenn

  1. das Reisedokument innerhalb des Sprengels der Fremdenpolizeibehörde erster Instanz seines Aufenthaltes verwahrt wird oder
  2. die Einholung des Reisepasses nicht länger als eine Stunde in Anspruch nehmen würde.

 

Gemäß § 32 Abs. 4 FPG genügen Fremde, die einen Aufenthaltstitel oder eine Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, Karten nach §§ 51 und 52 AsylG 2005 oder einen Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten (§ 95) innehaben, Abs. 2, wenn sie diese mit sich führen. 

 

3.3. Im vorliegenden Fall beschränkte sich die belangte Behörde sowohl in der Strafverfügung als auch im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses darauf, korrespondierend zu § 32 Abs. 2 FPG die dort gebotenen Alternativverhalten zu verneinen, ohne auch nur inhaltlich auf § 32 Abs. 4 FPG Bezug zu nehmen. Es wurde dem Bw also vorgeworfen sein Reisedokument nicht mit sich geführt oder dieses entsprechend verwahrt zu haben.

 

Zum Einen ist aber festzuhalten, dass der Bw eben nicht über ein Reisedokument im Sinne des Abs. 2, sondern über eine Karte als Asylwerber gemäß Abs. 4 verfügte, wobei er nach letzterer Bestimmung dem Abs. 2 nur genügt haben würde, wenn er diese mitgeführt hätte, da in diesen Fällen die alternative Verwahrung nicht angeführt wird; zum anderen aber kann der Bw darauf verweisen, dass er die Alternative des entsprechenden Verwahrens erfüllte, zumal die Einholung des Dokuments innerhalb einer Stunde möglich also auch verhältnismäßig im Sinn des Gesetzes war.

 

Im Ergebnis bedeutet dies, dass der Bw die Tat in der vorgeworfenen Form nicht beging, weshalb es schon am Vorliegen der objektiven Tatseite mangelt.

 

3.4. Es war daher – ohne auf die weiteren Berufungsvorbringen einzugehen – der angefochtene Bescheid aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

 

4. Gemäß § 64ff. VStG war dem Bw weder ein Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem UVS des Landes Oö. aufzuerlegen.

 

 

 

R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G

Gegen diesen Bescheid ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig.

 

 

H I N W E I S

Gegen diesen Bescheid kann jedoch innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Sie muss  – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigen Rechtsanwältin eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin keine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben, so kann vom 1. Jänner bis zum Ablauf des 12. Februar 2014 eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder Verwaltungsgerichtshof erhoben, gilt die Beschwerde als rechtzeitig erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bzw als rechtzeitig erhobene Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

 

Würde der Bescheid nach den Bestimmungen des Zustellgesetzes erst nach Ablauf des 31. Dezember 2013 als zugestellt gelten, kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und die Revision an den Verwaltungsgerichtshof müssen – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abgefasst und eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.

 

 

 

 

 

Bernhard Pree

 

 

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