Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-310546/3/Re/CG

Linz, 09.10.2013

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Werner Reichenberger über die Berufung des Herrn x, vertreten durch Rechtsanwalt x, vom 12. Oktober 2012, gegen die Spruchpunkte 1. lit.a, lit.b und lit.c des Straferkenntnisses des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 1. Oktober 2012, GZ: Abfall-14/11, wegen  Übertretungen des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 2. Oktober 2013, zu Recht erkannt:

 

 

 

I.    Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis in seinen Spruchpunkten 1. lit.a, lit.b und lit.c aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

Über die mit selben Schriftsatz eingebrachte Berufung gegen den Spruchpunkt 2. des bekämpften Straferkenntnisses ergeht von der zuständigen 7. Kammer des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich eine gesonderte Entscheidung.

 

II.          Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z.3 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG)

zu II.: § 66 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.           Der Bürgermeister der Stadt Steyr hat mit dem Straferkenntnis vom 1. Oktober 2012, GZ: Abfall-14/11, im Spruchpunkt 1. lit.a, lit.b und lit.c über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wegen Verwaltungsübertretungen nach § 79 Abs.2 Ziff.1 AWG 2002, BGBl. I 102/2002 i.d.g.F. i.V.m. § 10 Abs.1 Ziff.4 AltfahrzeugeVO, BGBl. II 407/2002 i.d.g.F. Geldstrafen in der Höhe von a) 1.800 Euro, b) 1.800 Euro und c) 1.800 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit derselben Ersatzfreiheitsstrafen in der Dauer von a) 72 Stunden, b) 72 Stunden und c) 72 Stunden verhängt. Gleichzeitig wurde im Grunde des § 64 VStG ein Kostenbeitrag zu den Verfahrenskosten in der Höhe von 540,00 Euro (10 % der verhängten Geldstrafen) vorgeschrieben. Dem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zu Grunde:

 

„Sie haben es als Gewerbeinhaber der Firma x, zu vertreten, dass

1.   durch oa. Firma als Altfahrzeugeverwerter auf der Betriebsstätte oa. Firma in x, am 19.10.2010

a)   entgegen Punkt 4.2. der Anlage 1 der Altfahrzeugeverordnung wurde eine Entfernung oder Neutralisierung potentiell explosionsfähiger Bauteile nicht vorgenommen,

b)   entgegen Punkt 4.5. der Anlage 1 der Altfahrzeugeverordnung werden gemäß Anlage 2 der Altfahrzeugeverordnung gesondert mit x gekennzeichnete Bauteile nicht lückenlos entfernt,

c)   entgegen Punkt 5.2. der Anlage 1 der Altfahrzeugeverordnung werden kupfer-, magnesium- und aluminiumhaltige Bauteile nicht lückenlos entfernt.

Da sämtliche Altfahrzeuge entsprechend der Anlage 1 der Altfahrzeugeverordnung zu lagern und zu behandeln sind, stellen die unter a) bis c) angeführten Tatbestände eine Übertretung der Bestimmungen der Altfahrzeugeverordnung (AltfahrzeugeVO) und des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 (AWG 2002) dar.

2.   …………….

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

ad 1. a) bis c): § 79 Abs.2 Ziff.1 AWG 2002, BGBl. I 102/2002, i.d.g.f. i.V.m. § 10 Abs.1 Ziff. 4 AltfahrzeugeVO, BGBl. II 407/2002 i.d.g.F.

ad 2.: …………………..“

 

Dies nach Zitierung der Rechtsgrundlage des § 79 Abs.2 Z.1 AWG 2002 im Wesentlichen mit der Begründung, der Berufungswerber sei als Gewerbeinhaber der verfahrensgegenständlichen Firma für die gegenständliche Verwaltungsübertretung verantwortlich und genüge hinsichtlich des Verschuldens im Grunde des § 5 Abs.1 VStG zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Die Übertretung der Bestimmungen des Abfallwirtschaftsgesetzes sei aufgrund der Anzeige des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, sowie aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens als erwiesen anzusehen. Als mildernd sei die Unbescholtenheit des Beschuldigten gewertet worden, erschwerende Umstände seien nicht bekannt, weshalb die gesetzliche Mindeststrafe verhängt wurde.

 

2.           Gegen dieses Straferkenntnis hat der Berufungswerber, vertreten durch Rechtsanwalt x, mit Schriftsatz vom 12. Oktober 2012 innerhalb offener Frist Berufung erhoben. In den Berufungsausführungen zum entscheidungsgegenständlichen Spruchpunkt 1. lit.a, lit.b und lit.c des zitierten Straferkenntnisses bringt er im Wesentlichen vor,

in seinem Betrieb würden entgegen den Vorwürfen im Straferkenntnis bei jedem Altfahrzeug sämtliche explosionsfähigen Bauteile, insbesondere auch Airbags und Gurtenstraffer ausgebaut und neutralisiert. Gegenteiliges konnte bei der betrieblichen Überprüfung auch nicht festgestellt werden. Ebenso würden Schwingungsdämpfer ausgebaut und entfernt oder mit dem Motor bzw. Getriebe mitverkauft. Kupfer-, magnesium- und aluminiumhaltige Bauteile würden gleichfalls lückenlos ausgebaut und auch entsorgt. Kupfer sei wenig vorhanden und würde zwischengelagert. Aluminiumhältige Bauteile sowie Katalysatoren werden ausgebaut und entsorgt. In entsprechende Belege konnte auch der Prüfer Einsicht nehmen und wurden diese bei der belangten Behörde vorgelegt. Auch Entsorgungsbelege über Katalysatoren seien vorgelegt worden. Altfahrzeuge würden gesetzeskonform ausgeschlachtet oder sofort zum Shredder gegeben. Bei der Überprüfung durch das Bundesministerium sei kein Gesetzesvorstoß nachgewiesen worden und seien beweiskräftige Belege vorgelegt worden, weshalb auch das Bundesministerium in der Stellungnahme vom 20.04.2012 ausgeführt habe, dass allenfalls weitere Ermittlungen durchzuführen seien. Dies sei unterblieben. Die Gesetzesübertretungen seien nicht begangen worden.

 

Beantragt werde die Durchführung einer öffentlichen Verhandlung mit Beschuldigten- und Zeugeneinvernahme sowie die Aufhebung des Straferkenntnis und Einstellung des Verfahrens, in eventu eine Ermahnung gemäß § 21 Abs.1 VStG zu Punkt 1. lit.a, lit.b und lit.c des Straferkenntnisses, in eventu die Reduzierung der Strafe auf die Hälfte der gesetzlichen Mindeststrafe.

 

3.            Der Bürgermeister der Stadt Steyr hat diese Berufung samt bezughabendem Verwaltungsakt zur Berufungsentscheidung vorgelegt.

Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser aufgrund der Tatsache, dass keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

 

4.            Der Unabhängige Verwaltungssenat hat zur Behandlung der Berufung insbesondere im Grunde des ausdrücklichen Berufungsantrages für den 2. Oktober 2013 eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung anberaumt und an diesem Tage durchgeführt und haben bei dieser Verhandlung der Berufungswerber und sein Rechtsanwalt teilgenommen. Der vom Berufungswerber beantragte und von der Berufungsbehörde geladene Zeuge konnte nicht einvernommen werden, da er trotz Ladung nicht erschienen ist und  eine weitere Ladung vom Berufungswerber nicht beantragt wurde.

 

Weiters wurde Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme und Befragung des Berufungswerbers.

 

Detaillierte weitere Ermittlungsergebnisse zum Tatvorwurf konnten nicht erhoben werden. Vom unterfertigten Mitglied wurde in Vorbereitung der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung mit dem Prüforgan Kontakt aufgenommen und von diesem in Erfahrung gebracht, dass detaillierte Auskünfte über konkrete Fahrzeuge, welche entgegen der Altkraftfahrzeugeverordnung gelagert bzw. aufbereitet worden sind, nicht möglich sind.

 

5. In der Sache hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, unter anderen die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.

Danach ist es im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täter und Tatumstände so genau zu umschreiben, dass zum einen die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und zum anderen die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht (vergl. Erkenntnis des verstärkten Senates des VwGH vom 13.6.1984, Slg. Nr.11466/A, sowie VwGH 13.9.1999, 98/09/0084).

Demnach sind zum einen entsprechende, dh in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Zum anderen nämlich in Bezug auf das unverwechselbare Festhalten der Identität der Tat, muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und es muss ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Das bedeutet, dass die dem Beschuldigten vorgeworfene Tat unverwechselbar konkretisiert sein muss, damit dieser in die Lage versetzt wird, auf den Vorwurf entsprechend zu reagieren und damit sein Rechtsschutzinteresse zu wahren.

 

Dass es im Bescheidspruch zufolge der Z1 des § 44a VStG der Anführung aller wesentlichen Tatbestandsmerkmale, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens und damit für die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat unter die dadurch verletzte Verwaltungsvorschrift (Z2) erforderlich sind, bedarf, bedeutet, dass es nicht ausreicht, den bloßen Gesetzeswortlaut unter Anführung der Tatzeit und des Tatortes wiederzugeben, sondern dass die Tat entsprechend den Gegebenheiten des jeweiligen Falles zu individualisieren ist, wobei der Umfang der notwendigen Konkretisierung vom einzelnen Tatbild abhängt (siehe dazu Hauer/Leukauf, aaO, Seite 1522).

 

Der Tatvorwurf der belangten Behörde nimmt Bezug auf die Inhalte einer über Auftrag des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft durchgeführten Überprüfung des Unternehmens des Berufungswerbers, welche am 19. Oktober 2010 durchgeführt wurde. Zitiert werden festgestellte Umstände, die der Altfahrzeugeverordnung nicht entsprechen würden. Auf konkrete Kraftfahrzeuge, welche z.B. auf Lichtbildern erkennbar sind und einer zuordenbaren Verpflichtung der Altkraftfahrzeugeverordnung durch konkrete Unterlassungen nicht entsprechend abgelagert wurden, wird nicht Bezug genommen. Mit diesen allgemeinen Formulierungen im Spruch wird den Erfordernissen des § 44a VStG nicht ausreichend Rechnung getragen. Der Strafbescheid lässt somit nicht zweifelsfrei erkennen, auf welche Art und Weise welche konkrete Übertretung begangen wurde.

Das angelastete Tatbild würde er zumindest erfordern, nicht ausschließlich auf die einzelnen Punkte der Anlage 1 der Altfahrzeugeverordnung einzugehen und ganz allgemein festzuhalten, dass gewisse Teile, welche darüber hinaus zum Teil auch nicht konkret bezeichnet wurden, nicht entfernt wurden. Vielmehr wäre im Strafverfahren vorzuwerfen, welche bei der Überprüfung vorgefundenen Fahrzeuge dort gelagert worden sind in denen sich Bauteile befunden haben, die die genannten Schadstoffe oder Teile überhaupt enthalten können oder mit „x“ (im Zusammenhang mit der Anlage 2 der Altfahrzeugeverordnung) gekennzeichnet sind und trotz Vorgabe der Altfahrzeugeverordnung nicht entsprechend entfernt, getrennt, gesammelt oder ausgebaut wurden. Im Tatvorwurf findet sich weder eine Aufzählung von Fahrzeugen, noch eine Auflistung der konkret von der Altfahrzeugeverordnung erfassten Bauteile, die nicht ordnungsgemäß aus den jeweiligen Fahrzeugen ausgebaut worden seien. Durch diesen somit sehr allgemeinen Tatvorwurf ist der Berufungswerber nicht davor geschützt wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen werden zu können, da – wie bereits erwähnt – eine Individualisierung des Tatvorwurfs nicht vorgenommen wurde und – wie sich im Rahmen der mündlichen Verhandlung herausgestellt hat – auch nicht mehr nachholbar war. Darüber hinaus steht als erwiesen fest, dass der Berufungswerber mehrere Unterlagen vorgelegt hat, die den Ausbau und getrennte Entsorgung von diversen konkreten Bauteilen nachweisen. Nähere Konkretisierungen der Tat waren somit erforderlich, zur Weiterführung des Strafverfahrens jedoch nicht mehr möglich.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat hält daher fest, dass der Spruch des gegenständlichen Straferkenntnisses in seinem Spruchpunkt I. lit.a, lit.b und lit.c nicht den Erfordernissen des § 44a VStG entspricht, weshalb der Berufung diesbezüglich Folge zu geben, das Straferkenntnis diesbezüglich aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren diesbezüglich einzustellen war.

 

6.            Aufgrund der Einstellung des Strafverfahrens entfällt gemäß § 66 Abs.1 VStG auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

 

 

R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G

 

Gegen diesen Bescheid ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig.

 

 

H I N W E I S

 

Gegen diesen Bescheid kann jedoch innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Sie muss  – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigen Rechtsanwältin eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin keine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben, so kann vom 1. Jänner bis zum Ablauf des 12. Februar 2014 eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder Verwaltungsgerichtshof erhoben, gilt die Beschwerde als rechtzeitig erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bzw als rechtzeitig erhobene Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

 

Würde der Bescheid nach den Bestimmungen des Zustellgesetzes erst nach Ablauf des 31. Dezember 2013 als zugestellt gelten, kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und die Revision an den Verwaltungsgerichtshof müssen – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abgefasst und eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.

 

 

Dr. Reichenberger