Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-166455/14/Br/Ka

Linz, 08.10.2013

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 10. Februar 2010, Zl. VerkR96-626-2009, nach Aufhebung des h. Berufungsbescheides vom 11. November 2011 durch den Verwaltungsgerichtshof mit dessen Erkenntnis vom 11. September 2013, Zl. 2012/02/0021-8, nach der am 8.10.2013 durchgeführten Berufungsverhandlung, zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Berufung wird im Schuldspruch als unbegründet abgewiesen, jedoch im Strafausmaß mit der Maßgabe Folge gegeben, als unter Anwendung des § 20 VStG die Geldstrafe auf 600 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf sieben Tage ermäßigt wird.

 

 

II. Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten ermäßigen sich demnach auf 60 Euro; für das Berufungsverfahren entfällt ein Verfahrenskostenbeitrag.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 33/20111 - AVG iVm § 45 Abs.1 Z4 u. Z6, § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 und § 51i Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 33/2013 - VStG;

Zu II.: § 65 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat mit dem o.a. Straferkenntnis über den Berufungswerber Geldstrafen in Höhe von 1.200 und 365 Euro und für den Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Tagen und 120 Stunden  verhängt, weil er am 31.01.2009 um 13.45 Uhr in Linz, Hafferlstraße 6-8,

1.) als Lenker des PKW, Opel Vectra mit dem Kennzeichen x,  nach Aufforderung eines besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht sich geweigert habe, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, obwohl vermutet werden haben können, dass er zum angeführten Zeitpunkt am angeführten Ort das angeführte Fahrzeug in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe;

2.) habe er das angeführte Kraftfahrzeug auf einer Straße mit öffentlichen Verkehr gelenkt, obwohl er nicht im Besitze einer von der Behörde erteilten gültigen Lenkberechtigung gewesen sei.

Dadurch habe er gegen § 5 Abs.2 iVm § 99 Abs.1 StVO 1960 und § 1 Abs.3 iVm § 37 Abs.3 Z1 FSG verstoßen.

 

 

1.1. Die Behörde stützte den Schuldspruch im Ergebnis auf die Anzeige. Eine Anhörung des Berufungswerbers im erstinstanzlichen Verfahren fand mit Blick auf dessen unbekannten Aufenthaltes nicht statt.

 

 

 

2. Gegen die Bestrafung wendet sich die Berufungswerber mit seiner fristgerecht von einem Mitarbeiter des Sozialdienstes der Strafvollzugsanstalt Garsten erhobenen Berufung. Darin behauptet der Berufungswerber zu keinem Alkotest aufgefordert worden zu sein.

Vorweg wurde im h. Bescheid  betreffend die Zustellung des Straferkenntnisses festzustellt, dass lt. Bericht der Strafvollzugsanstalt Garsten vom 4.11.2011 von der Ausfolgung des angefochtenen Bescheides per 24.10.2011 auszugehen war.

Am 25.10.2011 ersucht der Berufungswerber vorerst bloß um Ratenzahlung hinsichtlich der ausgesprochenen Strafe. Am 28.10.2011 erhob er, jedoch offenbar über Empfehlung des Sozialen Dienstes der Justizanstalt Garsten,  Berufung gegen das Straferkenntnis. Darin bestreitet er ohne nähere Begründung die Aufforderung zur Atemluftuntersuchung und vermeint weiter, er habe das Auto nur weggestellt um der Kriminalpolizei die Vorbeifahrt zu ermöglichen.

 

 

3. Die Behörde erster Instanz hat den Akt zur  Berufungsentscheidung vorgelegt; die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates wurde damit begründet. Dieser ist, da keine 2.000 Euro übersteigenden Geldstrafen verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen (§ 51e Abs.1 VStG).

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung schien im ersten Rechtgang mit Blick auf das dem Berufungswerber im Wege der Strafvollzugsanstalt Garsten gewährten Parteiengehörs aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates nicht erforderlich. 

 

 

 

3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt und Gewährung von Parteiengehör (im ersten Rechtgang).

Im Zuge des „Ersatzbescheidverfahrens“ wurde eine Auskunft aus dem Zentralmelderegister eingeholt. Als Zeuge befragt wurde x im Rahmen einer abgesonderten Vernehmung am 8.10.2013. Der Berufungswerber wurde am 9.10.2013  im Beisein eines Vertreters der Behörde erster Instanz in der Justizanstalt (Strafvollzugsanstalt) als Beschuldigter zum Sachverhalt gehört. Das Verfahren folgte dem Muster einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, wobei jedoch eine förmliche Öffentlichkeit seitens der Parteien nicht eingefordert wurde und vor dem Hintergrund der Praktikabilität auch nicht geboten schien.

 

 

 

4. Faktenlage:

Am 31.1.2009 wurde von einer Zivilstreife im Rahmen einer Schwerpunktaktion der Kriminalpolizei der oben bezeichnete Pkw wahrgenommen. Der Berufungswerber befand sich in diesem von einem Mann namens x gelenkten Pkw als Beifahrer im Fahrzeug. Beim Haus Hafferlstraße 6-8 stellte x den Pkw ab und begab sich in die nahe gelegene Apotheke. Da die Polizei durch den abgestellten Pkw an der Weiterfahrt vermeintlich behindert wurde, rief der Polizist dem sich entfernende Lenker zu er solle dort wegfahren.

Dieser wiederum signalisierte dem Beifahrer dies zu tun. Daraufhin stieg der Berufungswerber  vom Beifahrersitz aus und fuhr laut Anzeige und vor den Augen der Polizeibeamten ca. 15 Meter um das Fahrzeug dort auf einem Parkplatz abzustellen.

Da den Beamten von vorherigen Amtshandlungen bekannt war, dass es sich beim nunmehrigen Lenker um einen "drogenabhängigen Georgier ohne Führerschein" gehandelt haben soll, wurde dieser in der Folge zum Alkotest aufgefordert, wobei dieser vermeint haben soll, "er sei krank im Kopf und mache keinen Alkotest."

 

 

 

4.1. Zusammenfassend wurde die Ausgangslage im Vorbescheid dahingehend beurteilt,  dass offenbar die Beamten diese im Ergebnis von ihnen selbst herbeigeführte Fahrt, offenbar sehenden Auges duldeten und keine Veranlassung gesehen haben dürften diese allenfalls zu verhindern. Sohin kann der Schluss gezogen werden, dass dahinter wohl keinerlei Gefährdung für Dritte erblickt wurde. Motive über die  unterbliebene Verhinderung dieser Fahrt können auf sich bewenden. Das beim Berufungswerber keine Fahrabsicht im eigentlichen Sinn vorlag und wohl betreffend eine allfällige Fahruntauglichkeit bzw. seine Führerscheinlosigkeit in der Bewegung des KFZ von nur wenigen Metern, kein subjektives Unrechtsbewusstsein vorlag, kann angesichts der unmittelbaren Anwesenheit der Polizei als erwiesen gelten. Offenbar tappte der Berufungswerber durch den Zuruf oder das Handzeichen "wegzufahren" im wahrstem Sinne des Wortes in diese Falle, welche für ihn  nach nunmehr fast drei Jahren, mit Kosten von mehr als 1.500 Euro zu Buche schlagen sollten.

 

 

4.1.1. Der unabhängige Verwaltungssenat beurteilt dem ersten Rechtsgang die Sachlage dahingehend, dass einerseits ein Fahrzeug – wenn nur zehn bis fünfzehn Meter und ohne typische Lenkabsicht im verkehrsüblichen Verständnis – dennoch gelenkt wurde, ein untypisches Verschulden darstelle, wobei dies auch im Falle einer damit untrennbar verbundenen Testverweigerung zur Beurteilung der Fahrtauglichkeit nicht anders zu beurteilen sein würde. Ebenso wurde es als glaubhaft erachtet, dass Bedenken betreffend eine mögliche Beeinträchtigung bestanden haben mögen und vor diesem Hintergrund – mit dem möglicher Weise präjudizierenden Wissen "um einen drogenabhängigen führerscheinlosen Georgier" – dieser dann zum Alkotest aufgefordert wurde, welchen er letztlich mit dem Hinweis "nur zehn Meter gefahren und wegen den Substitol im Kopf krank zu sein, keinen Test zu machen," verweigerte.

Vor diesem Hintergrund wurden wohl die Tatbestände als erfüllt angenommen, andererseits jedoch die Anwendungsvoraussetzungen des § 21 Abs.1 VStG im Sinne des Geistes der diesbezüglich einschlägigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes vollumfänglich vor (VfGH 15. März, 2000, G 211/98-9 und G 108/99-7) als vorliegend erachtet.

Darin befand das Höchstgericht im Ergebnis, dass in solchen absoluten Grenzfällen um der Einzelfallgerechtigkeit zum Durchbruch zu verhelfen ein gewisser Ermessenspielraum der vollziehenden Behörde (damals auch dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Öö.) eingeräumt bleiben müßten.

Vor diesem Hintergrund wurde der generelle Anwendungsausschluss des § 21 Abs.1 VStG für Alkofälle als verfassungswidrig aufgehoben.

 

 

 

5. Der Verwaltungsgerichtshof hat – soweit sich dieser auf die Übertretung des §  5 Abs.2  StVO 1960 bezog -  wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben und in dessen Erkenntnis erwogen:

In der Beschwerde wird u.a. ausgeführt, die Lenkereigenschaft des Mitbeteiligten sei unbestritten, sei doch der PKW immerhin ca. 15 m gefahren worden. Ob die Lenkereigenschaft dem Mitbeteiligten auch "substantiell" erscheine, bleibe rechtlich unbeachtlich; dies umso mehr, als bereits die (bloße) Inbetriebnahme eines Fahrzeugs in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand verboten sei. Ein Verdacht auf Alkoholisierung sei für die Aufforderung zur Atemluftuntersuchung rechtlich ebensowenig gefordert.

 

Das gegenständliche Delikt (Übertretung des § 5 Abs. 2 StVO 1960) sei als Ungehorsamsdelikt zu qualifizieren und stelle somit eine Durchbrechung des im Verwaltungsstrafrecht normierten Verschuldensprinzips dar. Schon die bloße Zuwiderhandlung gegen ein Verbot oder die Nichtbefolgung eines Gebotes ziehe die Strafe nach sich, falls der Täter nicht beweise, dass ihm die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift ohne sein Verschulden unmöglich gewesen sei.

 

Wenn die belangte Behörde ausführe, dass der Mitbeteiligte erst aufgrund der Aufforderung der Polizisten, den verkehrsbehindernd abgestellten PKW wegzufahren, das Fahrzeug gelenkt habe, so sei dem entgegenzuhalten, dass dem eine aktenwidrige Interpretation des festgestellten Sachverhaltes zugrunde liege. Eine direkte Aufforderung an den Mitbeteiligten, der ursprünglich nur Beifahrer gewesen sei, sei nach der Aktenlage nicht ergangen, sondern die Aufforderung sei an den ursprünglichen Lenker des Fahrzeuges gerichtet worden und dieser wiederum habe in der Folge seinen Beifahrer - den Mitbeteiligten - aufgefordert, das Fahrzeug wegzustellen. Die Prüfung allfälliger rechtlicher Folgen einer direkten Aufforderung der Polizeibeamten an den Mitbeteiligten könne daher unterbleiben.

 

Unbestritten geblieben ist, dass der Mitbeteiligte unmittelbar vor der Aufforderung zum Alkomattest das Fahrzeug des A. auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr in Betrieb nahm und dieses ca. 15m lenkte und der Aufforderung zum Alkomattest nicht nachgekommen ist. Ferner stellte bereits die Behörde erster Instanz im Straferkenntnis aufgrund der Angaben der einschreitenden Polizeibeamten in der Anzeige vom 2. Februar 2009 mehrere Alkoholisierungsmerkmale des Mitbeteiligten zum Tatzeitpunkt fest. Diese Feststellungen vermochte der Mitbeteiligte im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens nicht zu widerlegen.

Gemäß § 5 Abs. 2 Z. 1 StVO 1960 sind Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht berechtigt, jederzeit die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Sie sind außerdem berechtigt, die Atemluft von Personen, die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt zu haben, zu untersuchen. Wer zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat sich dieser zu unterziehen.

 

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung zu § 5 Abs. 2 zweiter Satz StVO 1960, dass der bloße Verdacht, der Aufgeforderte habe ein Fahrzeug in alkoholisiertem Zustand gelenkt, ausreicht. Der Verdacht muss sich demnach einerseits auf die Alkoholisierung und andererseits auf das Lenken eines Fahrzeuges in alkoholisiertem Zustand beziehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 2012, ZI. 2011/02/0046).

Nach der ständigen hg. Rechtsprechung reicht das Vorliegen eines Alkoholisierungsmerkmales zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Ablegung der Atemluftprobe und für die nach § 5 Abs. 2 zweiter Satz StVO 1960 geforderte Vermutung aus (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Februar 2008, ZI. 2007/02/0357).

Die Behörde erster Instanz ging hinsichtlich der Übertretung nach Spruchpunkt 1 des Straferkenntnisses (Übertretung des § 5 Abs. 2 StVO 1960) von einem fahrlässigen Verhalten des Beschwerdeführers aus.

 

Gemäß § 21 Abs. 1 VStG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 33/2013, kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

 

Voraussetzung für die Anwendung des § 21 Abs. 1 VStG ist das kumulative Vorliegen beider in dieser Gesetzesstelle genannten Kriterien, nämlich ein geringfügiges Verschulden und lediglich unbedeutende Folgen. Von geringem Verschulden im Sinne des § 21 VStG ist nur dann zu sprechen, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechtsgehalt und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. April 2013, ZI. 2011/08/0218, mwN).

 

Davon kann im vorliegenden Fall jedoch in Bezug auf die zu beurteilende Übertretung des § 5 Abs. 2 StVO 1960 nicht die Rede sein, zumal es aufgrund des im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Verhaltens des Zweimitbeteiligten bei Verweigerung der Durchfuhrung der Kontrolle des Atemalkoholgehaltes mittels Alkomat an Anhaltspunkten dafür fehlt, dass dessen Verschulden geringfügig war.

Nicht relevant ist in diesem Zusammenhang, ob allenfalls die Strecke des Lenkens eines Kfz auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr nur sehr kurz war.“

 

 

5.1. Mit dieser Begründung negiert der Verwaltungsgerichtshof jedoch offenbar die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, der die Anwendung des hier noch anzuwendenden § 21 VStG mit Blick auf das Sachlichkeitsgebot und die Einzelfallgerechtigkeit auch für sogenannte Alkoverfahren für anwendbar bzw. dessen gesetzlichen Ausschluss unter Hinweis auf das Sachlichkeitsgebot für verfassungswidrig erklärt hat (VfGH 15. März, 2000, G 211/98-9 und G 108/99-7 mit Hinweis auf VfSlg 14973/1997). In der Substanz wurde darin folgendes zum Ausdruck gebracht:

"…… Ausgehend davon könne aber nach Auffassung der Bundesregierung (in der Gegenschrift) kein Zweifel bestehen, dass der Berufungswerber das hier allein maßgebende Tatbild des §99 Abs1 litb StVO 1960 - die Weigerung, trotz Vorliegens der in §5 Abs.2 StVO 1960 festgelegten Voraussetzungen die Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen - nicht bloß fahrlässig, sondern sogar vorsätzlich erfüllt habe. Der Berufungswerber habe nämlich mit dem Wissen und in der Absicht gehandelt, durch die Verweigerung der Untersuchung der Atemluft die Feststellung, ob er in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt und somit den Tatbestand des §99 Abs.1 lit.a StVO 1960 erfüllt habe, unmöglich zu machen. Selbst wenn man die Auffassung vertreten wollte, daß das Verschulden nicht nur dann geringfügig sein könne, wenn es sich um eine leichte Fahrlässigkeit handle, so könne das Verschulden einer Handlung, die mit dem stärksten Grad des Vorsatzes getätigt worden sei, wohl keinesfalls mehr als "geringfügig" angesehen werden.

……

Im Tenor gelange in diesen Entscheidungen  (des Verfassungsgerichtshofes) zum Ausdruck, dass geringe Schuld im Sinne des § 42 Abs.1 StGB ein erhebliches Zurückbleiben des tatbildmäßigen Verhaltens des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt verlange. Im Lichte dieser Spruchpraxis scheine das nicht von der Unmittelbarkeit der Beweiswürdigung getragene Vorbringen der Bundesregierung unzutreffend.

….

Dabei werde grundsätzlich nicht übersehen, dass bei der gebotenen Durchschnittsbetrachtung dem Gesetzgeber auch in der Gestaltung des Strafrechts rechtspolitisch ein durchaus breiter Gestaltungsspielraum eingeräumt sein möge, dieser jedoch im verfassungsrechtlich determinierten Sachlichkeitsgebot begrenzt sei. Die Überschreitung dieser Grenze könne hier insbesondere in einer auf Einzelfälle als unangemessen hart wirkenden, aber anzuwendenden Sanktionsnorm erblickt werden.

….

Der Verfassungsgerichtshof hat sowohl aus Art. 91 Abs2 und 3 B-VG als auch wegen des aus dem Gleichheitssatz abzuleitenden verfassungsrechtlichen Sachlichkeitsgebots verfassungsrechtliche Grenzen des für die Ahndung von Übertretungen durch Verwaltungsbehörden vom Gesetzgeber anzuordnenden Strafrahmens festgestellt. In ständiger Judikatur (VfSlg. 12151/1989, bekräftigt mit VfSlg. 12282/1990, 12389/1990, 12471/1990, 12546/1990, 12547/1990, 12920/1991 sowie vor allem VfSlg. 14361/1995 u.a.) hat er die Auffassung vertreten, dass ein vom Gesetzgeber als besonders sozialschädlich bewertetes und demgemäß mit schwerwiegender (Geld-)Strafe bedrohtes Verhalten verfassungsrechtlich der Strafgerichtsbarkeit vorbehalten ist. Gleichzeitig betrachtete der Gerichtshof eine das Strafausmaß betreffende gesetzliche Regelung als gleichheitswidrig, die ein extremes Missverhältnis zwischen dem Gewicht der strafbaren Handlung und der Sanktion aufweist, weil derartige Strafdrohungen 'mit den hergebrachten, der Rechtsordnung immanenten Zwecken der Verwaltungsstrafe nicht mehr vereinbar sind' (VfSlg. 12151/1989)."

 

 

5.1.1. Wie ebenfalls dem Anlassfall für den h. Gesetzesprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof zu Grunde lag, war auch hier die Tatschuld an der Verweigerung insofern von bloß geringem Umfang zu qualifizieren, als der Berufungswerber vor den Augen der Polizei und darüber hinaus in deren Interesse und Veranlassung das Fahrzeug wenige Meter bewegte und er selbst aus subjektiver Sicht in nachvollziehbarer Weise wohl von keiner substanziellen Lenkeigenschaft ausging. Aus der Sicht des Betroffenen ist es daher durchaus nachvollziehbar, dass er einerseits angesichts einer nicht vordergründig einleuchtenden Grundlage und andererseits durchaus denkbar aus sprachlichen Gründen der Alkotest – hinsichtlich dem es wegen des in der Anzeige zum Ausdruck gelangten Suchtgiftverdacht keine wirklich nachvollziehbare Grundlage vorlag -  letztlich unterblieben ist.

 

Mit dieser Thematik setzte sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem den h. Bescheid behebenden Erkenntnis in keiner wie immer gearteten Weise auseinander. Offenbar wird vom Verwaltungsgerichtshof die im Grunde  im Rahmen der Tatsachenkognition zu beurteilende Schuld- und Tatfolgenfrage  zur Rechtsfrage umgedeutet, sodass letztlich die vom Verfassungsgerichtshof im h. Gesetzesprüfungsverfahren (zum Anwendungsausschluss dieser Bestimmung für Alkoverfahren) erweiterte und auf den Einzelfall abstellende behördliche Beurteilungsspielraum im Ergebnis ins Leere läuft. Letztlich hat der Beifahrer (Berufungswerber) dem Zuruf „wegzufahren“ entsprochen und das Fahrzeug weggestellt. Offenbar übersah der Verwaltungsgerichtshof auch, dass laut Anzeige von keinem Verdacht einer Alkohol- sondern allenfalls von einer Beeinträchtigung durch Suchtgift ausgegangen werden hätte müssen. Auch vor diesem Hintergrund der auf wackeligen Beinen stehenden Beweislage wurde – ohne dies näher auszuführen – fast drei Jahre nach dem Vorfall der § 21 VStG angewendet. Vor diesem Hintergrund ist mit Blick auf das öffentliche Bekenntnis zur Verwaltungsökonomie ein derart gepflogener und vom Höchstgericht mitgetragener Verfahrensaufwand sachlich nur schwer nachvollziehbar.

 

 

5.2. Zwischenzeitig wurde durch BGBl Nr. 33/2013 der § 21 VStG aus dem Rechtsbestand des Verwaltungsstrafgesetzes beseitigt und durch § 45 Abs.1 Z4 VStG ersetzt. Der Vorfall liegt nun beinahe fünf Jahre zurück, sodass nicht zuletzt vor diesem Hintergrund mit Blick auf die Verfahrensdauer im Grunde kein Strafbedarf mehr bestehen sollte (vgl. VfSlg 17308, sowie VfSlg 17308).

Nach § 45 Abs.1 Z4 VStG hat  die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn

…..

 

die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind (abermals Hinweis auf VfGH v. 15.3.2000, G 211/98-9).

 

 

6. Im fortgesetzten Verfahren wurde einer der ursprünglich einschreitenden Polizeibeamten, GrInsp. x vor dem vor dem unabhängigen Verwaltungssenat als Zeuge einvernommen. Dieser Zeuge konnte sich naturgemäß nach nunmehr fast 5 Jahren an den damaligen Verlauf der Amtshandlung nicht mehr erinnern. Er verwies diesbezüglich auf die Anzeigeangaben.

Im Rahmen einer unmittelbaren Anhörung (Berufungsverhandlung) in der Strafvollzugsanstalt in Linz, wo der Berufungswerber noch bis April des nächsten Jahres einsitzt, gibt dieser an, sich damals als Beifahrer im Fahrzeug eines Bekannten befunden zu haben, welcher das Kfz vor der Apotheke abstellte um sich dort Medikamente zu holen. Letztlich sei die Polizei mit Blaulicht stehen geblieben, was er als Aufforderung dahingehend verstanden habe, das Fahrzeug wegfahren zu müssen. Aus diesem Grund hatte das Fahrzeug ca. 10 m entfernt auf einem Parkplatz gestellt. Es sei nach dem Führerschein gefragt worden wobei der den Besitz einer Lenkberechtigung verneint habe. Eine Aufforderung, sich eine Untersuchung im Hinblick auf Alkohol oder Suchtmittelbeeinträchtigung habe er nicht mitbekommen.

Abschließend ersuchte der Berufungswerber nachdem ihm der Umstand des zweiten Rechtsganges inhaltlich erklärt wurde, um möglichst milde Bestrafung. Der Berufungswerber ist georgischer Staatsbürger und der deutschen Sprache durchaus gut mächtig.

Die Behörde erster Instanz trat letztlich der vom unabhängigen Verwaltungssenat vor der Verkündung der Berufungsentscheidung im Rahmen des Verfahrens im zweiten Rechtsgang (Ersatzbescheid) angedeuteten Anwendung des § 20 VStG inhaltlich nicht entgegen.

Abschließend wurde der oben formulierte Spruch unmittelbaren Anschluss an die Anhörung des Berufungswerbers verkündet.

 

 

6.1. In Bindung an die Rechtsmeinung des Verwaltungsgerichtshofes war nunmehr mit einem Schuldspruch vorzugehen. Vor dem Hintergrund des langen Zurückliegens der Tathandlung ist mit der gesetzlich möglichen Mindeststrafe mit der Anwendung des § 20 VStG vorzugehen gewesen, um – anstatt der Anwendung des § 45 Abs.1 Z4 VStG,  nach  Aufhebung des h. Bescheides des ersten Rechtsganges,  zu einem – entgegen der h. Überzeugung von Recht und Gerechtigkeit -  der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes Rechnung tragenden Ergebnis zu gelangen.

Eine überlange Verfahrensdauer hat einen geringeren Verschuldensgrad iSd § 34 Abs.2 StGB zur Folge (Hinweis auf die EB zur RV zum Strafrechtsänderungsgesetz 1996, 33 BlgNR 20. GP; zum Zeitfaktor ausführlich in ZVR Oktober 2002, S 339, mit Hinweis auf VfGH 5.12.2001, B 4/01 und dort des EGMR 13.7.1983, Zimmermann und Steiner, EuGRZ 1983, 482; 29.5.1986, Deumeland, EuGRZ 1988, 20; 29.3.1989, Bock, A/150; 24.10.1989, H. gg. Frankreich, EuGRZ 1987, 301).

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann jedoch innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Sie muss  – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigen Rechtsanwältin eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin keine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben, so kann vom 1. Jänner bis zum Ablauf des 12. Februar 2014 eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder Verwaltungsgerichtshof erhoben, gilt die Beschwerde als rechtzeitig erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bzw als rechtzeitig erhobene Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

 

Würde der Bescheid nach den Bestimmungen des Zustellgesetzes erst nach Ablauf des 31. Dezember 2013 als zugestellt gelten, kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und die Revision an den Verwaltungsgerichtshof müssen – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abgefasst und eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.

 

 

Dr. B l e i e r

 

 

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum