Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-301289/2/Gf/Rt

Linz, 05.08.2013

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mit­glied Dr. Gróf über die Berufung des J, vertreten durch die RAe Dr. W u.a., gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Schärding vom 19. Juni 2013, Zl. Pol96-2013, wegen einer Übertretung des Tierschutzgesetzes zu Recht:

 

I. Der Berufung wird insoweit stattgegeben, als das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben wird.

 

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

 

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG; § 66 Abs. 1 VStG.

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Schärding vom 19. Juni 2013, Zl. Pol96-2013, wurde über den Rechtsmittelwerber eine Geldstrafe in Höhe von 375 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 34 Stunden; Verfahrenskostenbeitrag: 37,50 Euro) verhängt, weil er am 11. März 2013 in seinem landwirtschaftlichen Betrieb drei Wildschweine in einer „in keiner Weise den Vorschriften der 1. Tierhalteverordnung“ entsprechenden käfigartigen Absperrung gehalten und er an den Tieren durch „das Fehlen entsprechender Auslaufmöglichkeiten, ..... das Fehlen von Erkundungs- und Grabungsmöglichkeiten sowie das Fehlen einer Suhle ..... Schmerzen, Leiden oder Schäden“ verursacht habe. Dadurch habe er eine Übertretung des § 16 Abs. 1 und 2 des Tierschutzgesetzes, BGBl.Nr. I 118/2004 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl.Nr. I 114/2012 (im Folgenden: TierSchG), i.V.m. Anlage 8 zur 1. Tierhaltungsverordnung,  BGBl.Nr. II 485/2004 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl.Nr. II 61/2012 (im Folgenden: 1.TierHV), begangen, weshalb er nach § 38 Abs. 3 TierSchG zu bestrafen gewesen sei.

 

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass der dem Rechtsmittelwerber angelastete Sachverhalt auf Grund entsprechender und lichtbildmäßig dokumentierter Feststellungen der einschreitenden Amtstierärztin und von zwei Polizeibeamten als erwiesen anzusehen sei.

 

Im Zuge der Strafbemessung seien weder Milderungs- noch Erschwerungsgründe zu berücksichtigen gewesen; seine Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse seien mangels entsprechender Mitwirkung von Amts wegen zu schätzen gewesen (monatliches Einkommen: 1.000 Euro; keine Sorgepflichten) und entsprechend berücksichtigt worden.  

 

1.2. Gegen dieses ihm am 19. Juni 2013 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 3. Juli 2013 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Berufung.

 

Darin wird zunächst eingewendet, dass sich die Wildschweine zum Kontrollzeitpunkt nicht auf einer bloß 12 m mal 1,5 m, sondern auf einer 12 m mal 2,8 m großen Fläche aufgehalten hätten und auch dort die Unterbringung nur vorübergehend erfolgt sei. Denn zu diesem Zeitpunkt seien die Vorbereitungen für das dann bereits Ende März 2013 fertig gestellte, den gesetzlichen Anforderungen vollauf gerecht werdende Außengehege, das eine Fläche von 600m2 aufweise, schon voll im Gang gewesen. Außerdem fuße die 1.TierHV nicht auf § 16 Abs. 1 und 2 TierSchG, sondern auf § 16 Abs. 4 TierSchG.

 

Daher wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens, in eventu ein Absehen von der Verhängung einer Strafe und die Erteilung einer bloßen Ermahnung beantragt.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Schärding zu Zl. Pol96-2013; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ und die Verfahrensparteien einen entsprechenden Antrag nicht gestellt haben, konnte im Übrigen von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

2.2. Nach § 51c VStG hatte der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – weil hier im Anlassfall eine den Betrag von 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde – nicht durch eine Kammer, sondern durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Einzelmitglied zu entscheiden.

 

 

3. Über die vorliegende Berufung hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

 

3.1. Gemäß § 38 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 1 TierSchG begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 3.750 Euro zu bestrafen, der die Bewegungsfreiheit eines Tieres so einschränkt, dass ihm Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden oder es in schwere Angst versetzt wird.

 

Nach § 38 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 2 TierSchG begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 3.750 Euro zu bestrafen, der die Bewegungsfreiheit eines Tieres so einschränkt, dass es nicht über einen Platz verfügt, der seinen physiologischen und ethologischen Bedürfnissen angemessen ist.

 

Gemäß § 38 Abs. 3 TierSchG i.V.m. Pkt. 2.2. der Anlage 8 der auf § 13 Abs. 2 TierSchG i.V.m. § 24 Abs. 1 Z. 2 TierSchG gegründeten 1.TierHV begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 3.750 Euro zu bestrafen, der in einem Gehege für Schwarzwild keine Suhle anlegt.

 

3.2. Dem Beschwerdevorbringen ist zunächst insoweit beizupflichten, dass – von jenem Tatvorwurf, wie er dem Rechtsmittelwerber im Wege des angefochtenen Straferkenntnisses angelastet wurde (nämlich: fehlende Auslaufmöglichkeiten, fehlende Erkundungs- und Grabungsmöglichkeiten und fehlende Suhle) – die 1.TierHV (nicht als auf § 16 Abs. 1 und 2 TierSchG, sondern)  als auf § 13 Abs. 2 TierSchG gegründet anzusehen ist.

 

Davon ausgehend hätte dem Rechtsmittelwerber aber entweder nur eine Übertretung des § 16 Abs. 1 und/oder Abs. 2 TierSchG (Beschränkung der Bewegungsfreiheit der Tiere unter gleichzeitiger Zufügung von Schmerzen, Leiden, Schäden oder schwerer Angst und/oder Nichtvorhandensein eines Platzes, der den physiologischen oder ethologischen Bedürfnissen des Tieres angemessen ist) oder nur eine Übertretung des § 13 Abs. 2 TierSchG (Nichteinhaltung der verordnungsmäßig festgelegten Mindestanforderungen für die Tierhaltung), nicht aber – wie mit dem angefochtenen Straferkenntnis geschehen – eine Kombination aus diesen beiden völlig unterschiedlichen Delikten vorgeworfen werden dürfen (vgl. „§ 16 Abs. 1 und 2 Tierschutzgesetz ..... i.V.m. Anlage 8 der 1. Tierhalteverordnung“).

 

Durch diese unzulässige Verquickung wird es dem Rechtsmittelwerber im Ergebnis aber verunmöglicht oder zumindest erheblich erschwert, die einer zweckentsprechenden Rechtsverteidigung erforderlichen Beweismittel vorzubringen, wenn er nach dem Spruch des Straferkenntnisses nicht einzuschätzen vermag, ob er wegen einer (Verletzung des § 16 Abs. 1 und 2 und damit wegen einer) Sonderform der Tierquälerei i.S.d. § 5 Abs. 1 TierSchG oder bloß wegen einer Übertretung von verordnungsmäßig normierten Haltungsvorschriften belangt werden soll, ganz abgesehen davon, dass eine dementsprechende Festlegung (ungeachtet jeweils identischer gesetzlicher Strafrahmen jedenfalls) für die Strafbemessung i.S.d. § 19 VStG von wesentlicher Bedeutung ist.

 

3.3. Da der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses sohin den Anforderungen des § 44a Z. 1 VStG nicht gerecht wird, war der gegenständlichen Berufung gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben und das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben.

Eine Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens war hingegen im Hinblick auf die gegenwärtig noch offene Verfolgungsverjährungsfrist nicht zu verfügen; ob bzw. in welchem Umfang dieses Verfahren weitergeführt wird, hat die belangte Behörde vielmehr aus eigenem zu beurteilen.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Dr.  G r ó f

 

 

 

 

VwSen-301289/2/Gf/Rt vom 5. August 2013

 

TierschutzG 2005 §5 Abs1;

TierschutzG 2005 §13 Abs2;

TierschutzG 2005 §16 Abs1 und 2;

TierschutzG 2005 §24;

TierschutzG 2005 §39 Abs3;

VStG §19

 

 

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis hätte dem Rechtsmittelwerber entweder nur eine Übertretung des § 16 Abs. 1 und/oder Abs. 2 TSchG (Beschränkung der Bewegungsfreiheit der Tiere unter gleichzeitiger Zufügung von Schmerzen, Leiden, Schäden oder schwerer Angst und/oder Nichtvorhandensein eines Platzes, der den physiologischen oder ethologischen Bedürfnissen des Tieres angemessen ist) oder nur eine Übertretung des § 13 Abs. 2 TSchG (Nichteinhaltung der verordnungsmäßig festgelegten Mindestanforderungen für die Tierhaltung), nicht aber eine Kombination aus diesen beiden völlig unterschiedlichen Delikten vorgeworfen werden dürfen. Denn durch diese unzulässige Verquickung wird es dem Rechtsmittelwerber verunmöglicht oder zumindest erheblich erschwert, die einer zweckentsprechenden Rechtsverteidigung erforderlichen Beweismittel vorzubringen, wenn er nach dem Spruch des Straferkenntnisses nicht einzuschätzen vermag, ob er wegen einer (Verletzung des § 16 Abs. 1 und 2 und damit wegen einer) Sonderform der Tierquälerei iSd § 5 Abs. 1 TSchG oder bloß wegen einer Übertretung von verordnungsmäßig normierten Haltungsvorschriften belangt werden soll, ganz abgesehen davon, dass eine dementsprechende Festlegung (ungeachtet identischer gesetzlicher Strafrahmen jedenfalls) für die Strafbemessung iSd § 19 VStG von wesentlicher Bedeutung ist.